Tschammer und Osten, Hans von
Hans von Tschammer und Osten ( 25. Oktober 1887 in Dresden; 25. März 1943 in Berlin) war ein deutscher Offizier des Kaiserlichen Heeres, Mitglied des Reichstages und ab dem 27. April 1933 Reichssportführer und -kommissar im Dritten Reich, Vorsitzender des am 10. Mai 1933 aufgelösten „Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen“ (DRA) und des „Nationalsozialistischen Reichsbundes für Leibesübungen“ (NSRL, zuvor „Deutscher Reichsbund für Leibesübungen“). SA-Obergruppenführer von Tschammer und Osten war der jüngere Bruder des Generalmajors Eckart Hans von Tschammer und Osten (1885–1946).
Inhaltsverzeichnis
Leben
Jugend
Hans von Tschammer und Osten wurde am 25. Oktober 1887 in Dresden als Sohn eines Oberstleutnants a. D. der Königlich-Sächsischen Armee geboren und lernte alle Arten von Leibesübungen bereits in frühester Jugend kennen. Er wurde im sächsischen Kadettenkorps in Dresden erzogen, in einem Institut also, in dem im Gegensatz zu den anderen deutschen Bildungsanstalten auf die körperliche und geistige Erziehung gleich großer Wert gelegt wurde. Hans von Tschammer und Osten versuchte sich wohl in allen damals bekannten Sportarten, auch in solchen, die im Lehrplan der Anstalt nicht enthalten waren.
Erster Weltkrieg
Dieser Neigung blieb er auch als Fähnrich des 6. sächsischen Infanterie-Regiments 105 in Straßburg treu. Bereits im ersten Kriegsjahr wurde Hans von Tschammer und Osten durch einen Schuß in den Unterarm schwer verwundet, der als dauernde Folge eine Lähmung der rechten Hand hinterließ. Nach seiner Herstellung ging der Kriegsversehrte als Nachrichtenoffizier in den Großen Generalstab.
Weimarer Republik
Nach Kreisschluß war er bis 1920 im sächsischen Kriegsministerium tätig. Dann nahm er seinen Abschied und bewirtschaftete seinen bei Löbau gelegenen Gutsbesitz. Schon ab 1922 betätigte er sich in der nationalen Bewegung, zunächst im Jungdeutschen Orden (übernahm 1923 als Komtur die Führung der Großballei Sachsen, trat aber nach einem Zerwürfnis mit Artur Mahraun 1926 aus), ab 1929 in der NSDAP. Dank seiner außerordentlichen Befähigung wurde er bald SA-Führer in Dresden, und ab dem 1. März 1932 bei der Neugliederung der SA war er mit der Führung der Gruppe Mitte beauftragt.
Drittes Reich
Am 28. März 1933 berief ihn Adolf Hitler zum Reichssportkommissar und ernannte ihn am 19. Juli 1933 zum Reichssportführer. In dieser Eigenschaft leistete er eine gewaltige organisatorische Arbeit durch Schaffung der anfänglich 16 Fachverbände im Reichsbund für Leibesübungen, z. B. das „Fachamt Fußball“ (mit Fußball, Cricket und Rugby) oder das „Fachamt Leichtathletik“.
Zuerst wurden die Ressorts „Fachsäulen“, dann „Fachschaften“ und schließlich Fachämter genannt. Nur Fachämter durften Meisterschaften und andere Wettbewerbe veranstalten. So verloren die bisherigen Sportverbände, wie der DFB, fast jede Bedeutung. Im April 1934 ernannte Tschammer Felix Linnemann, damaliger DFB-Präsident, zum „Führer des Fachamtes Fußball“. Das Fachamt Leichtathletik führte Karl Ritter von Halt.
1935 führte der DRL (Reichsfachamt Fußball) den Tschammer-Pokal (heute DFB-Pokal) ein. Sein Adjutant von 1935 bis 1938 war Ludolf-Hermann von Alvensleben.
Tschammer war Mitglied des Deutschen Olympischen Ausschusses (gehörte zum NSRL), der die Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin organisierte. Er wurde dennoch nie IOC-Mitglied. Am 12. Dezember 1936 führte Tschammer die Anrede „Kamerad“, den Ruf „Sieg Heil“ bei Veranstaltungen und die offizielle Begrüßung „Heil Hitler“ bei den Sportorganisationen ein. Drei Jahre zuvor hatte Joseph Klein bereits die „Hitlergruß-Pflicht“ eingeführt.
Am 17. März 1937 rief Tschammer alle Jugendlichen in Sport- oder Turnvereinen auf, in die Hitlerjugend einzutreten. Zum 14. April 1938 wurde er Staatssekretär im Reichsministerium des Innern.
Der 20. April 1938 brachte ihm in Anerkennung seiner Verdienste um den deutschen Sport das Goldene Ehrenzeichen der NSDAP. Neben der Funktion eines Leiters des Amtes NS-Kampfspiele wurde Tschammer in der Partei am 12. Mai 1939 noch mit den Leibesübungen der NSDAP betraut.
Am 21. Dezember 1938 wurde der „Deutsche Reichsbund für Leibesübungen“ (DRL) in „Nationalsozialistischer Reichsbund für Leibesübungen“ (NSRL) umbenannt, 1940 wurde der DFB formell aufgelöst. Ende der 1930er Jahre verlor Tschammer immer mehr an Einfluß.
Tod
Hans von Tschammer und Osten starb an einer Lungenentzündung, ohne ein großes Vermögen zu hinterlassen. Am 18. September 1944 wurde Karl Ritter von Halt neuer Reichssportführer. Zuvor hatte Arno Breitmeyer (1903–1945) die Dienststellung ausgefüllt.
Bildergalerie
Generalleutnant Friedrich Fromm (links) mit Botschfter Nevile Henderson (Mitte) und Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten beim Fußball-Länderkampf Deutschland-England am 14. Mai 1938
In einer eindrucksvollen Feierstunde wurde am 2. Mai 1943 die Urne mit den sterblichen Überresten des ersten deutschen Reichssportführers Hans von Tschammer und Osten in der Langemarckhalle auf dem Reichssportfeld in Berlin beigesetzt.
Reichssportführer SA-Obergruppenführer Hans von Tschammer und Osten wurde im Reiterhaus des Reichssportfeldes aufgebahrt. Eine Wache seiner Sportkameraden erwies ihm die letzte Ehre, außerdem ergab sich Gelegenheit, von ihm bis die Abendstunde Abschied zu nehmen.
Auszeichnungen (Auszug)
- Eisernes Kreuz (1914) II. und I. Klasse
- Verdienstorden (Sachsen), Ritterkreuz II. Klasse mit Schwertern
- Albrechtsorden (Sachsen), Ritterkreuz II. Klasse mit Schwertern
- Friedrichts-Orden (Württemberg), Ritterkreuz II. Klasse mit Schwertern
- Verwundetenabzeichen (1918) in Schwarz (durchbrochene Ausführung)
- Abzeichen SA-Treffen Braunschweig 1931
- Ehrenkreuz für Frontkämpfer
- Falkenorden, Kommandeur mit Stern
- SA-Ehrenstreifen
- Deutsches Olympia-Ehrenzeichen, 1. Klasse
- Goldenes Parteiabzeichen der NSDAP
- Goldenes HJ-Ehrenzeichen mit Eichenlaub (nach Fotos Sonderstufe mit Brillanten und Rubinen)
- Kriegsverdienstkreuz (1939), II. und I. Klasse
Schriften (Auswahl)
- Jugendpflege durch Leibesübungen (1935)
- Reitet für Deutschland (1936)
- Sport und Leibesübungen im nationalsozialistischen Staat (1937)
- German Sport (um 1940)
Literatur
- Das Deutsche Führerlexikon, Otto Stollberg G.m.b.H., Berlin 1934
- Männer im Dritten Reich, Orientalische Cigaretten-Compagnie „Rosma“ GmbH, 1934