Thümmel, Ernst
Ernst Thümmel ( 5. August 1869 auf Gut Choszewen, Kreis Sensburg, Ostpreußen; 7. Mai 1943 in Braunschweig) war ein deutscher Offizier der Preußischen Armee, des Deutschen Heeres, der Freikorps und der Vorläufigen Reichswehr, zuletzt mit dem Charakter als Generalmajor. Am Tannenbergtag erhielt er zudem den Charakter als Generalleutnant der Wehrmacht.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Ernst Thümmel wurde 1869 auf Gut Choszewen geboren, dem Gut seines Vaters in der Gemeinde Choszewen A im Landkreis Sensburg. Der Kreis Sensburg gehörte ab 1818 bis 30.10.1905 zum Regierungsbezirk Gumbinnen, ab 1.11.1905 bis 1945 zum neugebildeten Regierungsbezirk Allenstein. Mit der Einführung der Kreisordnung für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien und Sachsen vom 13. Dezember 1872 am 1. Januar 1874, wurde am 8. April 1874 der Amtsbezirk Nr. 13 Choszewen im Landkreis Sensburg gegründet. Zum Amtsbezirk Choszewen gehörten die Dörfer Allmoyen, Choszewen A, Choszewen B, Pustnick und die Güter Allmoyen, Choszewen, Klein Kosarken, Pustnick. Das preußische Gesetz über die Regelung verschiedener Punkte des Gemeindeverfassungsrechts vom 27. Dezember 1927 sah in seinem § 11 die Aufhebung der Gutsbezirke vor. Am 30. September 1928 wurden der Gutsbezirk Choszewen mit dem Vorwerk Johannisthal in die Landgemeinde Choszewen A eingegliedert. Mit der Einführung der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935, wurde am 1. April 1935 die Landgemeinde Choszewen A in Gemeinde umbenannt. Am 1. Januar 1936 wurde die Gemeinde Choszewen B in die Gemeinde Choszewen A eingegliedert. Am 22. April 1936 wurde die Gemeinde Choszewen A in Hohensee umbenannt. Um 1936/37 wurde der Amtsbezirk Choszewen in Hohensee umbenannt. Der Amtsbezirk Hohensee bestand bis zur Besetzung durch Russen und Polen 1945.
Nach dem Unterricht zu Hause, dem Besuch des Gymnasiums und dem Abitur trat Thümmel der Preußischen Armee bei, wo schon mehrere Brüder und Vetter dienten, drei alleine im 6. Westfälischen Infanterie-Regiment Nr. 55. Ernst jedoch trat in das Infanterie-Regiment „von Goeben“ (2. Rheinisches) Nr. 28 in Ehrenbreitstein ein, wo er am 21. September 1889 in der 9. Kompanie zum Sekondeleutnant befördert wurde. 1891 war er dann in der 1. Kompanie, 1893 in der 3. Kompanie. 1894 wurde er dann Adjutant des I. Bataillons, 1896 war er Regimentsadjutant. 1897 war er Premierleutnant, kurz darauf wurde ein jüngerer Bruder Sekondeleutnant (Beförderung am 15. März 1898) des Regiments (3. Kompanie), der 1902 einen Degen als „Ehrenpreis für hervorragende Schießleistungen“ verliehen bekam.
Am 18. Januar 1901 wurde Ernst Thümmel zum Hauptmann ohne Patent ernannt, anschließend in das 3. Lothringische Infanterie-Regiment Nr. 135 versetzt und zur Dienstleistung als Adjutant zur 85. Infanterie-Brigade unter Generalmajor von Weiher kommandiert. Sein Paten zum Dienstgrad erhielt er am 19. September 1901. 1903/04 wurde er in das Infanterie-Regiment „von der Goltz“ (7. Pommersches) Nr. 54 versetzt, wo er Chef der 2. Kompanie wurde. Am 21. März 1908 wurde Thümmel zum Major befördert und in das Preußische Kriegsministerium, wo er in der 1. Armee-Abteilung (A1) diente. 1911 war er dann laut Rangliste Kommandeur des III. Bataillons im Infanterie-Regiment „Graf Schwerin“ (3. Pommersches) Nr. 14. Am 22. April 1914 wurde er zum Oberstleutnant befördert und zog als solcher in den Ersten Weltkrieg, wo er sich hervorragend auszeichnete.
Als die 2. Jäger-Brigade[1] vom Alpenkorps bei der 200. Infanterie-Division das Jäger-Regiment Nr. 5 im Juli 1916 im Felde bildete (aus: Reserve-Jäger-Bataillon Nr. 17, Reserve-Jäger-Bataillon Nr. 18 und Reserve-Jäger-Bataillon Nr. 23), wurde Oberstleutnant Thümmel der erste Kommandeur. Im Kriegstagebuch (KTB) des Reserve-Jäger-Bataillons Nr. 23 ist zu lesen:
- „In Görlitz begann das Massenimpfen gegen Typhus, in Breslau gegen Cholera. In Liegnitz mußten die 23. Jäger, zum Schrecken der Bataillonsangehörigen, den Tschako gegen die Pickelhaube ersetzen. Daß es sich um eine List gegenüber dem Gegner handelte, ahnten die Jäger, obwohl deren Züge sämtlicher Kennzeichen vom Beginn an ledig waren, nicht. Nach zweitägiger Übung, um sich an das neue Gelände zu gewöhnen, besichtigte kurz vor dem Abmarsch an die Front am Morgen des 30. Juli Oberstleutnant Thümmel und am Nachmittag der Thronfolger – Erzherzog Karl sollte die neuzubildende Heeresgruppe der k u. k. 7 übernehmen – das Regiment. Auf dem Anmarsch nach Burkut unweit des Czeremos, eines der Quellflüsse des Sereths, durften die Pickelhauben nicht getragen werden und mussten durch Mützen kaschiert werden. Der russische Gegner sollte nicht bemerken, dass das deutsche Militär vor Ort war. Im Urwald der Karpaten standen dem Jäger-Regiment Nr. 5 zwei Divisionen, die 79. und 82., mit den Regimentern 313, 314, 315 sowie 326, 327 und 328 gegenüber. Die Überraschung gelang. Die 23. Jäger stürmten am 3. August die Höhe 1610 (Hala-Mihailewa), und weitere folgten bis zum 8. August. Dann mußte eine Pause eingelegt werden, damit der Nachschub Schritt halten konnte. Während der Gegner über drei „brauchbare“ Straßen als rückwärtige Versorgungslinien verfügte, war das Karpatenkorps auf eine einzige über den Watonarka-Paß angewiesen. Das nächste Dorf in der Etappe, Ruszpoljana, lag drei Tagesmärsche hinter der Frontlinie. Da sich die linke Gruppe des Korps im siegreichen Vorstürmen nordwestlich von Jablonitza befand, der rechte Flügel jedoch in kritischer Lage im Czeremocz-Tal stagnierte und zwischen beiden Flügeln ein etwa 25 km breiter freier Raum existierte, beschloß v. Contra die Front zu verkürzen und gab am 16. August den Befehl zur Rückverlegung der Front. […] Vom 19. bis zum 23. Oktober 1916 marschierte die 200. ID über Bischoflack nach Tolmein. Bei der Ieza-Offensive war das Jäger-Regiment Nr. 5 vorerst als Reserve der beiden anderen Regimenter des 200. ID eingeteilt. Die 23er hinter dem Abschnitt vom Jäger-Regiment 4. Die 23. Jäger überschritten die österreichisch-italienische Grenze gegen Mittag des 26. Oktober und wechselten am nächsten Tag, nach dem Austritt aus dem Gebirge, bei Azzida die Kampftruppe ab. Es war nun Plan der 14. Armee, der zwischen Görz und Adria zurückweichenden 3. italienischen Armee den Weg abzuschneiden und vom oberen Tagliamento von hinten her anzugreifen. Östlich Udines befand sich das Hauptquartier Cardonas, längs des Torrente Torre war eine Aufnahmestellung der Italienischen Armee. Das Jäger-Regiment, zu diesem Zeitpunkt nur aus den Jäger-Bataillonen 18 und 23 bestehend, eroberte diese nach Rücksprache mit Oberst Thümmel unter der Führung von Hauptmann Stoffleth in der Nacht zum 28. Oktober. Nachdem die 18. Jäger Beivârs erstürmt und bereits wieder verlassen hatten, durchzogen die 23er das Dorf. Währenddessen durchritt ebenfalls eine Abteilung der italienischen Kavallerie auf ihrem Weg nach Udine das ihres Wissens unbesetzte Dorf. Das Bataillon nahm sie gefangen.“
Es folgten zahlreiche Schlachten und Stellungskämpfe an der Ostfront. Zur Feier des Geburtstages des deutschen Kaisers Wilhelm II. am 27. Januar 1917 fand in Burkut ein Feldgottesdienst mit anschließender Parade statt, an der auch österreichisch-ungarische Truppen teilnahmen. Oberst Ernst von Below, Kommandeur der 2. Jäger-Brigade, wurde dabei zum Generalmajor, Oberstleutnant Thümmel zum Oberst befördert. Die 200. Infanterie-Division ging nach der Abwehr der russischen Kerenski-Offensive im Sommer 1917 aus dem unteren Czeremosztal zum Sereth vor und führte neue Stellungskämpfe an der Ostgrenze der wieder zurück gewonnenen Bukowina bis 16. September 1917. Vom 16. September bis 20. September 1917 erfolgte der Transport nach dem Oberitalien. Nun folgte bis Ende 1917 der Aufmarsch hinter der Isonzo-Front, Stellungskämpfe am Isonzo, Durchbruch durch die Julischen Alpen (Zwölfte Isonzoschlacht), Erstürmung der Jeza, Erstürmung des Monte San Giovanni, Monte Spigh und Castel del Monte (Teile), Einnahme von Azzida (Teile), Einnahme von Udine, Verfolgung vom Tagliamento bis zur Piave, Stellungskämpfe an der unteren Piave, Gebirgskämpfe in den Venezianischen Alpen und Erstürmung des Monte Valderoa und Kämpfe am Monte Fontana Secca. Nach einer Ausbildungszeit hinter der k. u. k. Südwestfront in Friual und Venezien erfolgte vom 23. Januar bis 3. Februar 1918 der Transport in das Reichsland Elsaß-Lothringen. Im Laufe des Feldzuges an der Westfront Ende 1917 wurde Oberst Thümmel von Major Heinrich Anton Wilhelm von Wodtke abgelöst, der jedoch am 26. September 1918 gefallen war. Das Jäger-Regiment Nr. 5 hatte schwerste Verluste zu ertragen.
Als von Wodtke fiel, übernahm Hauptmann Stoffleth vom Reserve-Jäger-Bataillon RJB 18 abermals die Führung des Regiments (er hatte schon im August für kurze Zeit als Urlaubsvertretung gedient). Der kurz zuvor zum Major beförderte Offizier Wild vom Reserve-Jäger-Bataillon Nr. 17 übernahm am nächsten Morgen als der Dienstälteste die Führung des Jäger-Regiments 5. Es erfolgten ab Mitte Oktober 1918 Kämpfe vor und in der Hermannstellung, dann die Rückzugskämpfe vor der Antwerpen-Maas-Stellung und schließlich ab dem 12. November 1918 die Räumung des besetzten Gebietes und Marsch in die Heimat.
Oberst Thümmel wurde indessen im Januar 1918 neuer Kommandeur der 2. Infanterie-Radfahr-Brigade, die am 1. August 1916 von Constantin Friedrich Alfred Freiherr Quadt-Wykradt-Hüchtenbruck (1862–1928) in Breslau aus der 2. Infanterie-Brigade aufgestellt worden war. Die Brigade paradierte am 27. Januar 1918 zum Kaisergeburtstag auf dem Marktplatz Arensburgs an dem Gouverneur der Inseln, Franz Adolf Freiherr von Seckendorff, vorüber. Zum Schutz Estlands vor den Russen wurde die Brigade ab dem 21. März dorthin verlegt. Die Brigade wurde im September nach Straßburg verlegt. Das am Morgen des 16. Oktobers von den Engländern eroberte Dorf Haussy konnte Thümmels Brigade nochmals am Nachmittag zurückgewinnen. Die OHL hielt dieses Ereignis im Heeresbericht des 18. Oktober für eine rühmende Erwähnung wert. Am 4. November kämpfte die Brigade das letzte Mal. Daraufhin wurde sie nach Lüttich zurückgezogen. Als sie dort am 11. November 1918 ankam, begann um 12 Uhr mittags der Waffenstillstand. Lüttich wurde am 15. November 1918 verlassen. Ab dem 19. November 1918 wurden für einige Tage in Köln die Rheinbrücken gesichert und Wachtdienst ausgeübt. In den ersten Dezembertagen trafen die Goslarer Kompanien in Goslar ein und wurden aufgelöst.
Nach Dienst bei den Freikorps und bei der Vorläufigen Reichswehr erhielt Oberst Thümmel am 29. März 1920 den Charakter als Generalmajor und wurde anschließend aus dem Militärdienst verabschiedet. Seine Leistungen wurden nicht vergessen, und so wurde ihm am 27. August 1939, zum 25. Jahrestag des großen deutschen Sieges bei der Schlacht bei Tannenberg, von Adolf Hitler den Titularrang des Charakters eines Generalleutnants der Wehrmacht verliehen.
Familie
Ernst war der Sohn des Gutsbesitzers Wilhelm Thümmel ( 11. April 1820) und dessen Frau Franziska, geb. von Höpfner ( 2. November 1839). Sein Vater war ein Major a. D. der Preußischen Armee, der erste Amtsvorsteher und seit 1874 der erste Standesbeamte. Das Standesamt Choszewen wurde am 1. Oktober 1874 gegründet. Nach der Auflösung des Standesamt Choszewen 1886, wurde Gut Choszewen dem Standesamt Sorquitten zugeordnet und hatte bis 1945 bestand.
Zu Ernst’ Geschwister gehörte Wilhelm Hugo Paul Richard Thümmel ( 23. Oktober 1875). Das Verwandtschaftsverhältnis zu Oberst Hans Thümmel (Mitte 1918 noch Oberstleutnant und Kommandeur des Feldrekrutendepots der 38. Infanterie-Division; vermutlich Vater des Fliegers Hans Thümmel) oder dem Freikorpsführer und späteren Generalmajor Paul Thümmel konnte nicht einwandfrei belegt werden.
Ehe
Am 7. März 1894[2] (nach einer vereinzelten Quelle 1895) heiratete Sekondeleutnant Thümmel in Berlin seine Verlobte Melanie Luise Klara von Hülsen ( 22. März 1874 in Berlin), Tochter des Kaufmanns Gustav Ferdinand Ludwig Karl von Hülsen ( 18. Dezember 1844 in Treppoch, Kreis Thorn; 30. Juli 1891 in Berlin) und der Klara Johanna Wilhelmine, geb. Urbann ( 16. Dezember 1855 in Berlin). Aus der Ehe sind fünf Kinder entsprossen.
Melanies Schwester Erna Helene Luise ( 31. Mai 1875 in Berlin) heiratete ebenfalls einen Offizier, nämlich am 5. Oktober 1895 in Berlin Ernst’ Regimentskamerad Premierleutnant Hermann Karl Thilo Konstantin Eduard von Kaweczynski (1864–1950), der zuletzt als Oberst und Brigadekommandeur im Ersten Weltkrieg kämpfte, am 23. Januar 1920 den Charakter als Generalmajor erhielt und seit 1923 „von Lubsee-Kaweczynski“ (Briefadel) hieß.
Auszeichnungen (Auszug)
- Zentenarmedaille, 1897
- Schwertorden, Ritterkreuz II. Klasse (SS4b)
- später nach Neuklassifizierung als SS3b abgekürzt.
- Roter Adlerorden, IV. Klasse
- Krone zum Roten Adlerorden, IV. Klasse, 1909/10
- Preußisches Dienstauszeichnungskreuz
- Eisernes Kreuz (1914), II. und I. Klasse
- Fürstlich Schaumburg-Lippisches Kreuz für treue Dienste 1914
- Hamburgisches Hanseatemkreuz
- Lübeckisches Hanseatemkreuz
- Orden der Eisernen Krone (Österreich), III. Klasse mit der Kriegsdekoration
- Militärverdienstkreuz (Österreich), III. Klasse mit der Kriegsdekoration
- Königlicher Hausorden von Hohenzollern, Ritterkreuz mit Schwertern
- Preußischer Kronenorden, II. Klasse mit Schwertern (Halsorden)
- Ehrenkreuz für Frontkämpfer