Hofnarr
Ein Hofnarr war ein Spaßmacher und Unterhalter an einem fürstlichen Hof, der zur Unterhaltung und Ergötzung der Herrschaften bestimmt war. Die Hofnarren waren seit den Kreuzzügen, besonders aber zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert in Europa verbreitet und hatten am Hofe unbedingte Redefreiheit[1], wenn auch nicht immer gegen den Fürsten selbst, so doch gegen das Hofpersonal.
Häufig, wenn auch nicht immer, handelte es sich bei den Hofnarren um Krüppel oder extrem kleinwüchsige Menschen (Zwerge) sowie entweder um tatsächlich schwachsinnige Menschen bzw. Idioten oder aber um besonders witzige, schlagfertige und satirische Männer, die zuweilen großen Einfluß bei ihren fürstlichen Herren gewannen. Der Hofnarr trug eine besondere Tracht (Kappe, Schellenkleid mit Halskragen). Der Sieg der französischen Hofetikette im 18. Jahrhundert beseitigte die Hofnarren. Wie wichtig die Figur des Narren war, zeigt sich auch in der deutschen Sprache: Jemandem „Narrenfreiheit“ einräumen, jemanden „zum Narren halten“, an jemandem „einen Narren gefressen“ haben, jemanden „am Narrenseil führen“ usw.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Bereits bei den Festen und Gelagen der europäischen Antike waren Spaßmacher unentbehrlich, wie es in Xenophons „Gastmahl“ dargestellt wird. Hierzu wurden als Parasiten (Schmarotzer) und witzige Spottvögel (scurrae) angesehene Personen sowie zwerghafte, bucklige oder sonstwie mißgestaltete Dummköpfe (moriones) sowohl bei den alten Griechen als auch bei den Römern herangezogen. Die römischen Cäsaren waren besondere Liebhaber von „artigen“ Zwergen. Marcus Antonius besaß einen Zwerg, den er zum Spott Sisyphos nannte; Augustus ließ seinen Lieblingszwerg Lucius bei Schauspielen auftreten, weil er „nur 17 Pfund wog“ und eine „sehr starke Stimme“ hatte; Kaiser Domitian wiederum ergötzte sich an nächtlichen Fechtspielen zwischen „Zwergen und Weibern“.
Im Mittelalter finden sich erste Spuren des Hofnarren im 10. Jahrhundert. Die eigentlichen Hofnarren jedoch, wie sie an den Fürstenhöfen insbesondere seit dem 15. Jahrhundert zur Vollständigkeit des Hofstaats gehörten, kamen zuerst nach den Kreuzzügen auf. Während aber zum Beispiel die Hofnarren am französischen Hof feine Hofleute waren und sich als geistreiche Erzähler wie überhaupt durch bedeutendes Unterhaltungstalent auszeichneten, traten in den Hofnarren an den deutschen Höfen ganz andere Naturen auf. Die Fürsten in Deutschland hatten in ihrer Nähe am liebsten lustige Leute, um sich nach ernsten Staatsgeschäften an den Späßen derselben zu ergötzen; doch war auch hier gelegentlich mit dem Scherz der Ernst gepaart, und der „lustige Rat“ wurde zu einem förmlichen, oft sehr einflußreichen Hofmann.
So hielt Kaiser Maximilian I. seinen treuen und gewitzten Hofnarren Kunz von der Rosen sehr hoch. Otto der Fröhliche, Herzog von Österreich, Steiermark und Kärnten, fand viel Unterhaltung und Zerstreuung in seinem Spaßmacher Wiegand von Theben, dem sogenannten Pfaffen vom Kahlenberg, dessen nicht selten an Eulenspiegel erinnernde Schwänke auch gedruckt worden sind. Die Kurfürsten von Sachsen hatten ihren groben Klaus von Ranstädt, den sogenannten Klaus Narr.
Schon gegen das Ende des 15. Jahrhunderts artete das Hoffnarrentum besonders in Deutschland aus. Da sich nämlich zuletzt fast jeder Edelmann seinen Hofnarren hielt, wurde die Grenze zwischen Narr und Gauner zunehmend fließend, indem viele Gauner sich vom erstbesten Adligen das Narrenpatent ausstellen ließen, um unter diesem Aushängeschild Gaunereien ausüben zu können. Auf den Reichstagen von 1495 bis 1575 wurden hiergegen und namentlich gegen die genannten Titularnarren strenge Beschlüsse gefasst.
Die sich überall in Europa verbreitende französische Hofsitte verdrängte zu Anfang des 18. Jahrhunderts schließlich die Hofnarren von den europäischen Höfen. Nur am russischen Hof begann um dieselbe Zeit erst die Blüte der Hofnarren, aber in neuer und durchaus origineller Art. Peter der Große und die Kaiserin Anna benutzten das Institut der Hofnarren zur Zügelung und Züchtigung ihrer Umgebung, indem sie diejenigen, welche irgend eine Dummheit begangen hatten, dafür zu Hofnarren ernannten. Auf diese Weise wurde zum Beispiel der Fürst Galizyn Hofnarr, weil er im Ausland die Religion gewechselt hatte, und der Fürst Wolchonski erhielt, weil er sehr lustig war, als Hofnarr den Titel eines Aufsehers über die Windhunde der Kaiserin. Bei Karnevals- und ähnlichen öffentlichen Aufzügen finden sich die Narren im alten Kostüm noch bis heute; unsterblich geworden sind sie aber durch die Werke Shakespeares.
(Kleidungs-)Attribute des Hofnarren
So wie sich das Benehmen und Auftreten der Hofnarren von dem anderer Leute unterschied, verhielt es sich nach und nach auch mit ihrer Kleidung bzw. Tracht. Der geschorene Kopf scheint sich von den alten Schauspielern auf die Narren späterer Zeiten übertragen zu haben, und in dieser Beziehung werden sie nicht selten mit den tonsurierten Mönchen zusammengestellt. Die heute noch so bekannte „Narrenkappe“ (Gugel, Kogel, cucullus) war zunächst ein kugelförmiger oder turbanähnlicher Kopfputz, wie ihn später noch die Bergleute zu tragen pflegten. Da aber auch Gelehrte, Mönche und einfache Leute sich der Gugel bedienten und diese deshalb den Narren nicht mehr ausreichend charakterisierte, so versah man sie schon im 15. Jahrhundert mit Eselsohren oder verzierte sie mit dem Hahnenkamm, einem ausgezackten Streifen roten Tuches, der von der Stirn bis in den Nacken lief. Zu dem Kleidungsattributen eines Hofnarren gehörte ferner der breite Halskragen, den man auch noch an der Gestalt des Hanswurst wahrnehmen kann, und die bekannten Schellen, welche im Mittelalter von reichen und vornehmen Personen, seit dem 15. Jahrhundert aber nur von privilegierten Narren und zwar an der Kappe, an den Eselsohren, an der Brust, am Gürtel, an den Ellbogen, an den Knieen und an den Schuhen getragen zu werden pflegten.
Sollte ein Narr, wie das Sprichwort sagt, einem König gleich sein, so durfte ihm auch das Zepter nicht fehlen, und er besaß es auch wirklich in der Gestalt des „Narrenkolbens“, welcher anfangs nichts weiter als der in Sümpfen wachsende Rohrkolben (der daher auch den Namen Narrenzepter führt) gewesen zu sein scheint. Später fertigte man ihn aus Leder, in Form einer Herkuleskeule, woran sich oben gewöhnlich ein Narrenkopf mit herausgereckter Zunge als Verzierung befand. Der Narr hatte diese Angriffs- und Verteidigungswaffe an einem Riemen an der Hand oder am Arm hängen.
Der Hofnarr als ewige Zeiterscheinung
Im übertragenen Sinn ist der Hofnarr heute – unter modernen Bedingungen der bürgerlichen oder egalitären Gesellschaft – stets derjenige, dem das Recht zukommt, in einer autoritären Situation ungestraft die Autorität zu mißachten (zum Beispiel weil seine Widerrede der herrschenden Heuchelei ein Gegengewicht entgegensetzt und sie deshalb von Verantwortlichen durchaus erwünscht ist, oder weil der Machthaber oder Entscheider „einen Narren gefressen“ hat an einer bestimmten Person, die sodann – weit über die eigene formelle Kompetenz hinaus – in Sachfragen und Grundfragen auf verstörende Weise ungestraft verbal einzugreifen vermag).
Da bürgerliche Politiker oftmals als „beratungsresistent“ gelten, kann das Amt dieses modernen Hofnarrens in der bürgerlich-schicklichen Gesellschaftsordnung nicht aussterben – obwohl die „Höfe“ ja verschwunden sind und sich in anonyme Bürokratien verwandelt haben. Denn die Funktion des vormaligen, früheren Hofnarren, schwere Betriebsblindheit zu durchbrechen, bleibt in allen institutionellen Verhältnissen bestehen.
„Politisches Kabarett“ in der BRD
In der BRD erfüllt die seltsame Sparte des „politischen Kabaretts“ eine Hofnarrenfunktion. Politische Kabarettisten wollen auf gar keinen Fall Komiker oder „Comedians“ sein, sie bestehen aber auf der Behauptung, daß ihre politischen Belehrungen unterhaltend und witzig seien. In Wahrheit handelt es sich beim „politischen Kabarett“ um eine historisch schiefe Anknüpfung an Varieté-Traditionen der Weimarer Republik. Unter Wohlfahrtsbedingungen hat sich besonders im Bundesland Nordrhein-Westfalen seit den 1970er Jahren eine gewerkschaftsfinanzierte (also subventionierte) Szene des tief in linken soziologischen Strukturen beheimateten, zumeist SPD-nahen „politischen Kabaretts“ herausgebildet. Um mit der Übernahme der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder 1998 nicht arbeitslos zu werden, ist diese Szene seither dazu übergegangen, alles, was die Regierung tut, im Generellen wohlwollend zu kommentieren und alle Gegner von Rot-Grün mehr oder weniger als „unbelehrbare“ „Nazis“, „Ewig-Gestrige“, „Menschenfeinde“ und dergleichen zu verleumden. Weder mit Humor, noch mit Kleinkunst, noch mit Ironie oder genauer Beobachtung hat dieses „politische Kabarett“ irgendetwas zu tun, es ist ein Subventionsgewächs, das einfach die zwangsfinanzierten GEZ-Medien sich zur Beute gemacht hat.
Mit der Kanzlerschaft von Angela Merkel seit 2005 war zwar zunächst auch die (alteingespielte) gegnerische Positionierung zur CDU und mithin auch dieser einen Kanzlerin – jedenfalls bis zum Beginn der Asylantenflut in Europa 2015 – wieder aufgeblüht, zugleich aber der „antifaschistische“, pseudo-humorige Jargon einer ausgeprägten und ständigen Beleidigung von sogenannten „Wutbürgern“ intensiviert worden. Derartige – als „moderne Hofnarren“ auftretende – Opportunisten erfüllen in der Regel die Funktion einer Art von öffentlicher Schein- bzw. Pseudoopposition und somit eines „Blitzableiters“, der aufkommende Unzufriedenheit aufgreift und thematisiert, um der Masse einen gewissen – jedoch stets eingehegten – Meinungspluralismus vorzugaukeln, der im veröffentlichen Diskurs so längst nicht mehr existiert. In den BRD-Systemmedien erfüllen diese Funktion zum Beispiel Figuren wie Volker Pispers, Georg Schramm, Urban Priol, Hagen Rether, Max Uthoff, Christoph Sieber, Dieter Nuhr und Ingo Appelt, oder sie finden sich gelegentlich in der Fernsehsendung „die Anstalt“. Jedoch finden sich auch plump-linienhörige Vertreter wie Oliver Welke („heute show“), deren Stoßrichtung sich ganz unverschleiert im wesentlichen gegen jedweden öffentlichen Abweichler richtet.
Literatur
- Sebastian Brant: Das Narrenschyff, Neudruck (1913) (PDF-Datei)
- Karl Friedrich Flögel: Geschichte der Hofnarren. Leipzig 1789
- Friedrich Nick: Die Hof- und Volksnarren sammt den närrischen Lustbarkeiten der verschiedenen Stände aller Völker und Zeiten. J. Scheible Verlag, Stuttgart 1861
- David Firth / Alan Leigh: The Corporate Fool, Capstone, Oxford 1998 [amerikanische Ausgabe, 2010, ISBN 978-1453664827, 210 S.]