Heeresversuchsanstalt Peenemünde
Die Versuchsstelle des Heeres Peenemünde (kurz: Heeresversuchsanstalt (HVA) Peenemünde) war seit 1936 eine Einrichtung der Wehrmacht in Peenemünde an der Ostsee (im Norden der Insel Usedom), in der Raketenforschung betrieben wurde. Die HVA unterstand Walter Dornberger. Das imaginäre Ziel war der Flug zu anderen Planeten. Aufgrund der Ereignisse war schließlich die Entwicklung der Vergeltungswaffen V1 und V2 vorrangig.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die militärische deutsche Raketenentwicklung begann bereits Ende der 1920er Jahre. Unter großer Geheimhaltung wurden in deutschen Firmen erste Versuche zum Bau von Flüssigkeitsraketentriebwerken unternommen, die das Heer finanzierte. Durch die Auflagen des Versailler Friedensdiktats war Deutschland eingeschränkt in der Entwicklung großkalibriger Artillerie. Fernraketen waren zum Ende des Ersten Weltkrieges noch nicht absehbar. Deswegen wurde deren Entwicklung nicht ausdrücklich verboten. In der Heeresversuchsanstalt Kummersdorf, einem abgegrenzten, der Truppe nicht zugänglichen Teil des Truppenübungsplatzes Kummersdorf, wurden Teststände für Brennversuche mit Raketenöfen eingerichtet.
Da in Kummersdorf keine großen Raketen gestartet werden konnten, mußte ein geeigneteres Gelände gefunden werden. Major Walter Dornbergers Projektabteilung „WaPrüf 11“ führte diese Standortsuche durch und wurde in den Weihnachtstagen 1935 fündig. Angeblich soll Wernher von Brauns Mutter als gebürtige Anklamerin den Hinweis für Peenemünde an der Nordspitze Usedoms gegeben haben. Der „Peenemünder Haken“, an dem schon der schwedische König Gustav II. Adolf im Dreißigjährigen Krieg gelandet war, liegt nördlich von Zinnowitz beim Fischerdorf Peenemünde, die Gegend war einsam und bot die Möglichkeit, längs der Pommerschen Küste in Richtung Ostnordost Raketen abzuschießen und deren Flug von der Insel Ruden bis zu 400 km zu beobachten.
Im Frühjahr 1936 konnte nach einer Besichtigung des Raketenprojekts in der Heeresversuchsanstalt Kummersdorf (wo die Flüssigkeitsraketentriebwerke A1 und A2 entwickelt wurden) der Oberbefehlshaber des Heeres Generaloberst Werner von Fritsch überzeugt werden. Im April gelang es auch, die Luftwaffe an dem Projekt zu beteiligen, da Generalleutnant Albert Kesselring ursprünglich aus dem Heer stammte. Aus Mitteln des Reichsluftfahrtministeriums wurde für 750.000 RM das Gelände erworben, Heer und Luftwaffe wollten sich die Projekt- und Betriebskosten teilen.
Ab Sommer 1936 begann die Errichtung der Anlagen im Stil üblicher Luftwaffenstützpunkte und Fliegerhorste. Das Gelände wurde mit 25 km Schienen, drei Häfen und zahlreichen Straßen infrastrukturell erschlossen; zwischen 1937 bis 1940 wurden etwa 550 Mio. RM in die Heeresversuchsanstalt investiert. Bereits im Mai 1937 konnte das Heer die ersten 90 Mitarbeiter von Kummersdorf nach Peenemünde ins „Werk Ost“ verlegen, 1938 folgte die Luftwaffe ins „Werk West“. Das „Werk Süd“ diente der Produktion und beinhaltete zwei große Fertigungshallen und das Versuchsserienwerk.
Die wichtigste Startrampe für die A4 war der von Kurt Heinrich Debus geleitete Prüfstand VII. Von Peenemünde aus erfolgten nur Versuchsstarts, da sowohl der Flugkörper Fieseler Fi 103 „V1“ als auch die ballistische Rakete A4 eine zu geringe Reichweite aufwiesen, um von Peenemünde aus geeignete feindliche Ziele erreichen zu können.
Der weltweit erste Start einer Rakete fand in Peenemünde im Oktober 1942 statt und war ein Höhepunkt der deutschen Raketenentwicklung, welche bereits Ende der 1920er Jahre begonnen hatte. Die dort gestarteten Raketen stießen erstmals in den Weltraum vor. Neben der Raketenentwicklung wurden in Peenemünde auch Düsenflugzeugmuster entwickelt (nach dem Muster der V1). Der Kontrollbunker verfügte zur Übertragung der Raketenstarts über die weltweit erste Anlage des industriellen Fernsehens.
Doch diese zukunftsträchtige Entwicklung wurde am 17. August 1943 unterbrochen, als nach dem Verrat der Einzelheiten insbesondere durch Otto John 600 britische Bomber dieses Zentrum der deutschen Fernkampfwaffen vernichteten. Die ganze Anlage, in die mehr als 500 Millionen Reichsmark investiert worden waren, brannte lichterloh. Über 700 Wissenschaftler, Ingenieure, Techniker und Arbeiter lagen unter den Trümmern, dazu 3.000 Opfer in der Umgebung, die von den Terrorfliegern der Royal Air Force und der USAAF getötet wurden.
Der Großeinsatz der deutschen Geheimwaffen wurde damit zeitlich und auch hinsichtlich der Kapazität erheblich verzögert. Dies sollte für den Kampf gegen die im Juni 1944 beginnende alliierte Invasion fatale Auswirkungen haben. David Irving führt in seinem Buch „Die Geheimwaffen des Dritten Reiches“, Seite 10, einen Ausspruch des Generals Eisenhower auf, der klar die Bedeutung dieser Fernkampfwaffen erkennen läßt:
- „Wenn es den Deutschen gelungen wäre, diese neuen Waffen sechs Monate früher zu vollenden, dann wäre die Invasion auf dem europäischen Kontinent überaus schwierig und vielleicht unmöglich gewesen.“
Weiterentwicklung
Schon Ende der 1930er Jahre lagen konkrete Pläne für eine Großrakete (Raumschiff) vor, welches für den bemannten Weltraumflug genutzt werden sollte. Die deutsche Raketen- und Flugtechnik war in den 1940er Jahren der Zeit um Jahrzehnte voraus. Ein einem Weltraumanzug ähnlicher Druckanzug wurde von deutschen Piloten bereits beim Horten Strahlflugzeug getragen.
Als Grundlage sowohl für die VSA-Saturn-Raketen als auch für die sowjetischen Vostock-Raketen dienten deutsche Baupläne und Muster.
Die Chinesen erreichten den deutschen Entwicklungsstand des Jahres 1942 erst im Jahre 2003 (Yang Liweis erfolgreicher Flug mit dem Nachbau einer russischen „Vostock“-Rakete, der Shenzhou 5).
Der erste Start einer chinesischen Militärrakete war im Jahre 1958 und wurde mit einer nachgebauten russischen R-2 durchgeführt, welche wiederum nur eine veränderte Version der deutschen V2 war. Die Reichweite betrug 590 km. Das Gewicht der Rakete betrug 20,5 t; sie wurde mit flüssigem Sauerstoff und Alkohol angetrieben.
Sabotageakte
Diplom-Ingenieur Gerhard Frank aus Kierling in Österreich, damaliger Kommandant einer V-1-Abschußrampe, berichtet über seine Entdeckungen von Sabotage an den Flugkörpern:
- „Die dünnen Pneumatikschläuche für die Kompaß- und Rudereinstellung waren an schwer zugänglichen Stellen angestochen. Dadurch kam es zu Frühabstürzen unserer Geschosse oft in die eigenen Linien, zu Kreisläufern oder gar Rückläufern, die im eigenen Gebiet mitunter schwere Verluste verursachten. Verluste nicht nur in den eigenen Reihen, sondern auch unter der Zivilbevölkerung der besetzten Gebiete. In solchen Fällen wurde die Schuld den deutschen Soldaten gegeben.
- V-1-Geschosse wurden, teils von KZ-Häftlingen zusammengebaut. Daß dabei Wunsch und Gelegenheit zu Sabotage ausreichend bestand, steht außer Frage. Inwieweit die folgende Abnahmekontrollen durch eigene Leute nachlässig durchgeführt oder die Sabotage sogar durch politische Gegner unter den Kontrollbeamten durchgeführt worden waren, läßt sich heute kaum mehr beantworten. Leider ist auch die zuletzt angedeutete Möglichkeit bei dem katastrophalen Umfang an Verrat und Sabotage im vergangenen Krieg nicht von der Hand zu weisen.“[1]
Ähnlich war es mit der Sabotage hinsichtlich der sogenannten „Tonne“. Hier handelt es sich um eine Sprengstoff-Flügelrakete, die unter einem Flugzeug montiert war und von diesem ins Zielgebiet geflogen wurde. Sie wurde dann später von den VSA im Koreakrieg als eigene Erfindung erfolgreich eingesetzt.
Peenemünde – Wiege der Raumfahrt
Die Fortschritte der deutschen Wissenschaftler unter der Leitung Wernher von Brauns in Peenemünde bahnten der Menschheit den Weg ins Weltall.
- „Beste Glückwünsche für Ihre großartigen Beitrag zu dieser historischen Leistung. Ich bin dankbar, daß Ihre glänzende Karriere nicht bei dem Bombenangriff auf Peenemünde vor 26 Jahren abgekürzt wurde.“ — Duncan Sandys[2]
Bemerkenswert
1992 wurde ein offizieller Festakt der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie in Peenemünde unter der Schirmherrschaft der damaligen BRD-Regierung zum 50. Jahrestag des Erstfluges der V2 in den Weltraum aufgrund „internationaler“ Proteste kurzfristig abgesagt.
Siehe auch
Verweise
Filmbeiträge
- Peenemünde 1940, YouTube, 13.12 min.