Quelle / Juden in der Wehrmacht
In der Wehrmacht diente ab 1935 auch eine Anzahl Männer, die gemäß den Nürnberger Gesetzen als Halb- oder Vierteljuden (Mischlinge I. oder II. Grades) eingestuft waren.
Inhaltsverzeichnis
Reaktionen zu einem Judaikum von Bryan Mark Rigg
Der jüdische Autor Bryan Mark Rigg veröffentlichte im Jahr 2003 im katholischen Ferdinand Schöningh Verlag ein Buch mit dem Titel „Hitlers jüdische Soldaten“. Er gibt darin an, 1.671 Fälle von als jüdisch oder teils jüdisch geltenden Soldaten untersucht zu haben. Von ihnen seien sieben Volljuden, 80 Halbjuden und 76 Vierteljuden gefallen. Das Eiserne Kreuz hätten 244 aus diesem Personenkreis erhalten, einer habe das Deutsche Kreuz in Silber erlangt, 19 hätten das in Gold bekommen. 17 bzw. 18 oder 15 Personen hätten mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes eine der höchsten militärischen Auszeichnungen erhalten, darunter die angeblichen „Halbjuden“ Generalfeldmarschall Erhard Milch und Oberst Walter H. Hollaender.
Rigg behauptet, daß auch nach 1940 in der Wehrmacht „jüdische Mischlinge” und „jüdisch Versippte“ verwendet worden seien. Einige seien bis 1944 mit „Führererlaubnis“ als Offiziere in der Wehrmacht geblieben. Rigg gibt die Anzahl „jüdischer Mischlinge“ (angeblich nach Definition der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz) im wehrpflichtigen Alter mit 117.000 bis 190.000 an. 60.000 „Halb-“ und 90.000 „Vierteljuden“ hätten gedient.
Nachfolgend werden zunächst drei Texte wiedergegeben, die nach der Veröffentlichung der deutschen Ausgabe von Riggs Buch veröffentlicht wurden und im wesentlichen Riggs Aussagen weitertragen.
Bereits in der Ausgabe 3/97 (S. 34) berichtete VffG kurz über eine Forschungsarbeit des Amerikaners Bryan M. Rigg über „Juden in Wehrmachtsuniform“. Während der letzten vier Jahre hat Rigg dieses Thema im Rahmen seiner Doktorarbeit, die im Mai dieses Jahres veröffentlicht wurde, wesentlich vertieft.
Der heute 31jährige Bryan Rigg erhielt seinen Doktortitel in Geschichte von der Universität Cambridge unter Professor Jonathan Steinberg. Heute ist Rigg Geschichtsprofessor an der amerikanischen Online-Militäruniversität.
Riggs Buch basiert in erster Linie auf etwa 430 Interviews mit ehemaligen Wehrmachtsoldaten mit zumindest teilweise jüdischem Hintergrund, also dem, was die Nationalsozialisten als „Mischlinge“ bezeichneten. Es handelt sich also primär um „erlebte und erzählte Geschichte“, die von betroffenen Zeitzeugen erzählt und vom Autor bewertet und in den Zusammenhang der Zeit gestellt wird. Er reiht sich damit ein mit journalistischen Autoren wie John Sack, der die Geschichte der polnischen Vernichtungslager auch nicht anhand von Dokumenten und Sekundärliteratur erforschte, sondern mittels „mündlicher Geschichte“, also einer Serie von Interviews mit Opfern und Tätern.
Aufgrund von statistischen Hochrechnungen meint Rigg, es habe in der Wehrmacht während des Zweiten Weltkrieges mindestens 100.000 jüdische „Mischlinge“ in der Definition der Nürnberger Gesetze gegeben. Die meisten dieser Mischlinge seien Nachfahren nichtjüdischer Deutscher und assimilierter bzw. getaufter deutscher Juden gewesen. Aus Riggs Analyse ergibt sich, daß ein Teil dieser Soldaten deshalb diente, um der Verfolgungsdrohung als Mischlinge zu entgehen, ein anderer Teil aber schlicht deshalb, weil sie sich wie selbstverständlich als Deutsche empfanden und nichts anderes taten als alle anderen Deutschen auch, nämlich dem Vaterland treu zu dienen.
Bereits der Beginn von Briggs Studien zum Staatsexamen im Jahr 1996 verursachte einige Aufmerksamkeit, was es ihm ermöglichte, mit vielen Zeitzeugen in Kontakt zu treten und was seiner Doktorarbeit schließlich ein ungewöhnliches Maß an Kritik und Anerkennung einbrachte. Angefangen hatte Rigg seine Forschungen allerdings bereits schon zu Beginn seiner Studienzeiten, als er während eines Aufenthalts in Deutschland erfuhr, daß seine protestantische Mutter jüdische Vorfahren hatte, und als er zufällig einen alten Herrn kennenlernte, der über seine Erlebnisse als „Vierteljude“ an der Ostfront berichtete.
Es ist erwartungsgemäß vor allem die lange Reihe der Holocaust-Gelehrten, die Riggs Studie zu allerlei Kommentaren veranlaßte, wie die US-Zeitschrift The Chronicle of Higher Education in der Ausgabe vom 3.5.02 zu berichten weiß (Were There Jews in the Nazi Army?). Entmutigende und kritische Worte wurden ihm nicht nur während seiner Studien von verschiedenen Professoren entgegengebracht, sondern auch jetzt, da seine Studie veröffentlicht ist. Einer derjenigen, die öffentlich zu Wort kommen und sein Buch positiv hervorheben, ist Michael Berenbaum, ehemaliger Direktor des U.S. Holocaust Memorial Museums, sowie Christopher R. Browning, Geschichtsprofessor der Universität North Carolina in Chapel Hill. Andere Holocaustler beurteilen Riggs Studien eher negativ, entweder, weil das Thema Zeitverschwendung sei (wer will schon wissen, daß 100.000 Mischlinge Hitlers willige Soldaten waren?), oder weil es sensationalistisch und verzerrend dargestellt sei (das war alles schon bekannt und ist völlig irrelevant zur Beurteilung des Holocaust und des Dritten Reiches), so etwa David Cesarani, Professor für jüdische Geschichte in Southampton, England, oder Raul Hilberg, Emeritus der Uni Vermont. Manche verübeln ihm, daß er die Öffentlichkeit bereits erfolgreich suchte, als seine Arbeit noch in den Anfängen steckte. Allerdings war es sein Doktorvater, der die frühe Pressekampagne lancierte, um es Rigg zu ermöglichen, weitere potentielle Zeitzeugen zu finden. Andere, wie etwa Richard J. Evans, Zeitgeschichtsprofessor in Cambridge, und Omer Bartov, Geschichtsprofessor an der Brown Universität, sehen alleine schon den Titel des Buches als verzerrend an, da es sich eben nicht um Juden gehandelt habe, sondern in den meisten Fällen um „Mischlinge“, die nur nach der „rassistischen NS-Ideologie“ Juden waren, nicht aber nach der (nicht minder rassistischen) jüdischen Ansicht. Allerdings ist der Titel des Buches nicht von Rigg, sondern vom Verlag aus Marketinggründen gewählt worden, und zwar erfolgreich, wie sich herausgestellt hat.
Riggs Doktorvater war beeindruckt von der Dokumentensammelwut seines Zöglings, wobei die meisten Dokumente von Hitlers jüdischen Soldaten selbst stammen. Die Sammlung befindet sich mittlerweile im bundesdeutschen Bundesarchiv-Militärarchiv.
Juden in Wehrmachtsuniform
Unter diesem Titel publizierte die britische Tageszeitung „The Daily Telegraph“ am 2.12.1996 einen Artikel über die Arbeit des US-Studenten Bryan Rigg (25 Jahre, Yale Universität) über Juden in der Wehrmacht. Demnach stellte die Wehrmacht im Januar 1944 eine Liste mit 77 hochrangigen Offizieren jüdischen oder gemischt jüdisch-deutschen Blutes zusammen, darunter 15 Generäle und 2 Feldmarschälle, die alle von Hitler persönlich versichert bekamen, sie seien „deutschen Blutes“. Rigg, der selbst jüdisch-deutsche Vorfahren hat, meint, er könne dieser Liste 60 weitere Namen hochrangiger Offiziere hinzufügen. Bei 17 Ritterkreuzträgern des Zweiten Weltkrieges konnte Rigg jüdische Eltern nachweisen. Insgesamt hat Rigg in vier Jahren mehr als 300 Juden interviewt, die in Hitlers Wehrmacht gedient hatten. Er hat bisher bei 1.200 Angehörigen der Wehrmacht jüdische Vorfahren nachweisen können. Bernard Levin, nach seinem Selbstbekenntnis ein Jude, der in seiner Familie keine Holocaustopfer zu beklagen hat, kommentierte diese Forschungsergebnisse in dem Londoner „Times“ vom 6.12.1996 mit Entsetzen, kann er doch nicht verstehen, wie Juden freiwillig und mit Überzeugung in Hitlers Wehrmacht gegen die alliierten „Befreier“ kämpften, während zugleich hinter ihrem Rücken ihre Glaubensgenossen zu Millionen getötet worden seien. Insbesondere kann Levin nicht verstehen, wie Feldmarschall Milch, dessen Vater Jude war, bis zum bitteren Ende an Hitlers Seite stand. Konnte Feldmarschall Milch, ein enger Freund Hermann Görings, die Ausrede haben, er habe nicht gewußt, was vorgeht?
Freilich, vom Standpunkt der etablierten Geschichtsschreibung aus läßt sich vieles nicht begreifen. Das Problem liegt einfach darin, daß nicht wenige der Beweggründe, die das deutsche Volk so lange auf Seiten Hitlers stehen ließ, nie diskutiert werden können bzw. in Deutschland inzwischen sogar unter Strafandrohung nicht diskutiert werden dürfen; daß viele Juden nicht nur deutscher Abstammung eine starke Bindung an die damals kulturell vielen anderen Nationen enorm überlegene deutsche Nation hatten; daß die Ideologie des Nationalsozialismus eben nicht nur oder vorwiegend antisemitisch, sondern sehr facettenreich war; daß die etablierte Geschichtsschreibung über den Holocaust in vielen Bereichen einer massiven Revision bedarf, die erklären würde, warum man damals nichts wissen konnte.
Jüdische Soldaten in der Wehrmacht
Oft hören wir, daß im Dritten Reich mit einem fanatischen Übereifer gegen alles vorgegangen wurde, was auch nur im Entferntesten jüdisch war. Davon einmal abgesehen, daß die fanatischen „Antisemiten“ á la „Stürmer“ selbst im Nationalsozialismus eine verschwindend geringe Minderheit darstellten und das „jüdische Problem“ zumeist außerordentlich sachlich und nüchtern angegangen wurde, stellt US-Historiker Bryan Mark Rigg in seinem Werk „Hitlers jüdische Soldaten“ fest, daß mehrere tausend Juden in Wehrmacht, SS oder Gestapo dienten. Das bringt natürlich die jahrelang fein säuberlich gepflegten Opfer/Täter-Schemata selbsternannter „Antifaschisten“ ins Wanken. Rigg stellt nämlich fest, daß, so heterogen die Judenmischlinge waren, so unterschiedlich auch ihre Motive gewesen wären, in Hitlers Armee zu dienen: „Patriotismus, Vertrauen in Hitler, Angst, außerhalb der Armee noch stärker gefährdet zu sein und Opportunismus.“ Das kann aber, wer will, auch durchaus als Motivation von Deutschen anführen, die in der Wehrmacht bzw. anderen militärischen Gliederungen dienten. Wenn diese Juden also „Opfer“ sein sollen, dann müßten auch diese Deutschen „Opfer“ sein. Oder wären diese Juden nach antifaschistischer Definition vielleicht „Täter“? Was wäre denn dann, wenn wir die ketzerische Hypothese aufstellen würden, daß die bei Reemtsma & Co. gezeigten „Verbrechen der Wehrmacht“ allesamt von jüdischen Mischlingen in deutscher Uniform begangen wurden?
Das ist natürlich Unsinn, wie alle Pauschalisierungen Unsinn sind. Es gab und gibt jüdische „Täter“ und „Opfer“ gleichermaßen wie deutsche „Täter“ und „Opfer“, wobei die Zuordnung auch von der Sicht des Betrachters abhängt. Für viele Deutsche ist der jüdische Chefpropagandist der Sowjetarmee Ilja Ehrenburg („Nur ein toter Deutscher ist ein guter Deutscher!“) eindeutig ein Täter, für viele Juden allerdings ein „unschuldiges Opfer der Umstände seiner Zeit“, der sich bestenfalls etwas im Ton vergriffen hat. Für viele Deutsche sind die beim gezielten alliierten Bombenterror gegen Zivilisten umgekommenen Menschen unschuldige Opfer, bei vielen Juden und ihren Handlangern heißt es allerdings kategorisch: „Deutsche Täter sind keine Opfer“. Doch selbst nach Rigg lassen sich die Fronten nicht ohne weiteres nach völkischen Kategorien in „gute Juden“ und „böse Deutsche“ ziehen: „Das Leben im Dritten Reich war komplex“, so stellt er fest. Eigentlich keine Neuigkeit für denkende Menschen.
Ein Igal Avidan versuchte vor einigen Tagen in der „Netz-Zeitung“ einige Personen aus dem Buch vorzustellen. So wird von einem Heinz-Günther Löwy berichtet, der an Gott glaubt. Der Gnade des Allmächtigen sei er dankbar, den Zweiten Weltkrieg überlebt zu haben – als Sturmmann in der Waffen-SS. Löwy habe sich seinen Kameraden verbunden gefühlt, da sie sich gegenseitig das Leben gerettet haben. Seine ganze Familie mit Ausnahme seiner Mutter wurde angeblich von den Deutschen ermordet. Obwohl er – wie er berichtet – von „Vergasungen in Auschwitz“ wußte, blieb er weiter bei der SS, um zu überleben. Aufgrund seiner Erfahrungen wurde Löwy zum frommen Juden, seine letzte Ruhe will er auf einem jüdischen Friedhof finden.
An dieser Stelle stellt sich besonders die Frage, welche Schuld Löw auf sich geladen hat, weil er von „Vergasungen in Auschwitz“ wußte, während kaum Deutsche oder andere Menschen der Welt (laut eigenen Nachkriegs-Bekundungen) bis zur deutschen Niederlage 1945 von derartigen Vergasungen Kenntnis hatten. Weiterhin stellt sich die Frage, ob Löwy auch von Vergasungen in Dachau wußte, stand doch schließlich bis in die 50er Jahre fest, daß dort derartige Vergasungen durchgeführt wurden. Aber wir wollen hier nicht zu viele ketzerische Fragen stellen und auch nicht im Entferntesten die strafrechtlich festgelegte Geschichtsschreibung anzweifeln, sondern uns lieber dem nächsten vorgestellten Kandidaten widmen.
Für die Nationalsozialisten war Karl-Heinz Maier ein Halbjude, weil sein Vater Jude war. Für die Juden hingegen war er ein Deutscher, weil seine Mutter Deutsche und keine Jüdin war. Nationalsozialisten und Juden machten also Judentum von der Blutsverwandtschaft abhängig und kategorisierten folglich nach rassischen Grundlagen. Maier ist einer von rund 40 Soldaten, die sowohl in der Wehrmacht als auch in den jüdischen Streitkräften in Palästina gedient haben. Ein Dutzend von ihnen hat Rigg im Rahmen seiner Forschungsarbeit befragt. Trotz seiner Verdienste als Major im sogenannten „Unabhängigkeitskrieg“ 1948 wurde Maier im Judenstaat Israel nicht eingebürgert, da er nicht als reinblütiger Jude galt. Später kehrte er in die BRD zurück, wo er das Berliner Büro der Deutschen Welle und die West-Berliner Pressekonferenz leitete.
Als Peter Scholze das Deutsche Reich verlassen wollte, hielt ihn seine jüdische Mutter Olga Gertrud davon ab: Er müsse zuerst seinen Wehrdienst leisten. Nachdem er als Halbjude von der Wehrmacht entlassen worden war, wandte er sich an seinen wohlhabenden deutschen Vater in der Hoffnung, einen Arbeitsplatz zu finden, und das, obwohl die Eltern seit mehreren Jahren geschieden waren. Als es während des Gesprächs zu einem Streit kam, schrie ihn der Vater an: „Hinaus mit dir, du dreckiger Jude!“ Zugegeben, das ist natürlich nicht die feine deutsche Art, mit den lästigen Resultaten vergangener Sexualorgien umzugehen....
Werner Eisner, der im Dienst der Wehrmacht schwer verwundet wurde und dessen Schwiegervater bei der SS war, galt aufgrund seines jüdischen Vaters als Halbjude. Weil er mit einer Deutschen geschlafen habe, wurde er im Dezember 1942 wegen Rassenschande nach Auschwitz deportiert. (Und wir dachten bisher immer, die Auschwitz-Deportierung erfolgte willkürlich und ohne Begründung.) Eisner erzählt weiter, daß, als er „selektiert wurde und sich in die Gruppe einreihen mußte, die in die Gaskammer ging“, er ein Foto von sich in Wehrmachtsuniform hervorzog und herumschrie: „Jetzt vergast ihr einen Wehrmachtssoldaten!“ Ein SS-Mann soll sich das Foto angeschaut und ihm das Leben gerettet haben. – So schön die Geschichte auch an den Hollywood-Streifen „Schindlers Liste“ erinnert, so seltsam mutet es an, daß eine Gruppe, die anscheinend um ihre nahende Ermordung durch Vergasung weiß, wie ein Trupp Lemminge ohne Gegenwehr in eine Vergasungskabine marschiert. Außer Herr Eisner natürlich, der das den SS-Schergen bis dahin offensichtlich unbekannte Foto womöglich aus einem Geheimfach seiner KZ-Kutte zauberte. Eisners Sohn Michael wanderte übrigens später nach Israel aus und diente in der jüdischen Okkupations-Armee.
Der Wehrmachtsunteroffizier und spätere Bundesminister Egon Bahr, offensichtlich gar ein Volljude, hatte nach eigenem Bekunden unter anderem ganz praktische Gründe: Er konnte Lebensmittelkarten für seine jüdische Mutter besorgen. Sie traute sich angeblich nicht mehr auf die Straße, weil sie den Judenstern tragen mußte. Ganz anders verhielten sich die Brüder Heinz und Joachim. Heinz ging nämlich zur Gestapo und erklärte, seine Mutter sei „eine Schlampe“ und habe als Prostituierte gearbeitet. In Wirklichkeit waren beide Brüder aber von ihrem jüdischen Vater gezeugt worden. „Die Gestapo überprüfte unseren Fall und erklärte uns für deutschblütig“, erzählt sein Bruder Joachim. Die Familienverhältnisse werden nicht klarer, wenn festgestellt wird: „An dieser schweren Prüfung zerbrach seine deutsche Mutter“. (Egon Bahr hat also eine jüdische Mutter und zwei Brüder, die wiederum einen jüdischen Vater und eine deutsche Mutter haben. Da soll noch einer durchsehen!) Beide Brüder – Heinz war Oberscharführer der Waffen-SS und Joachim kämpfte als Unteroffizier – verleugneten angeblich ihren jüdischen Vater, um ein leichteres Leben führen zu können. Seinen wirklichen Namen wollte Joachim im Buch nicht benannt haben, zu groß ist anscheinend immer noch seine Scham.[1]
Um seine Forschungszielgruppe zu definieren, mußte Rigg NS-Begriffe verwenden. So behauptet er, daß für Hitler das Judentum keine Religion, sondern eine „Rasse“ gewesen sei, die er „ausrotten“ wollte. Als Halbjuden wurden durch die Nürnberger Rassengesetze 1935 Menschen deklariert, die zwei jüdische Großeltern hatten. Vierteljude war, wer einen jüdischen Großelternteil hatte. Beide Gruppen galten als Mischlinge und unterlagen anderen Restriktionen als die Volljuden, weil sie die Volksgemeinschaft weniger gefährdeten. Nach Rigg aber stand Hitlers Rassentheorie zum Teil im Widerspruch zu seiner Machterhaltung, denn er brauchte die Unterstützung Tausender von Deutschen in Schlüsselpositionen, deren Verwandte Mischlinge waren. Daher sei die NS-Politik gegenüber den Mischlingen widersprüchlich gewesen.
Die drei Phasen der Rassenpolitik gegenüber Mischlingen bilden den Kern der Studie Riggs. So wurden nach der Einführung der Wehrpflicht 1935 Halb- und Vierteljuden in die Wehrmacht aufgenommen, durften aber nicht Vorgesetzte werden. 1940 ordnete Hitler jedoch an, alle Halbjuden aus der Armee zu entlassen. Er wollte dadurch verhindern, daß durch ihren Dienst an der Front ihre jüdischen Verwandten Vergünstigungen erhielten. 1944, als Deutschland jeden Mann brauchte, wurden sie teilweise wieder rekrutiert. Viele mußten ihre Loyalität jedoch in Strafbataillonen beweisen, aus denen nur selten jemand lebend zurückkehrte. Gleichzeitig gewährte Hitler aber Tausende von „Deutschblütigkeitserklärungen“, die Halbjuden per Dekret zu Deutschen machten. So soll er über Jahre hinweg immer wieder Photos und Dokumente von Tausenden von Mischlingen studiert haben, um persönlich über Ausnahmegenehmigungen zu entscheiden. Sogar Feldmarschall Erhard Milch sei erst als Halbjude klassifiziert, später von Hitler zum „Arier“ erklärt worden.
„Hitlers jüdische Soldaten“ ist trotz vieler Widersprüchlichkeiten die erste umfassende Studie dieser Menschen, die zwischen der deutschen und der jüdischen Welt lebten. Sie beruht auf 430 Gesprächen mit jüdischstämmigen Wehrmachtssoldaten, die Rigg zwischen 1994 und 1997 interviewte. In den darauf folgenden Jahren untersuchte er die Geschichten weiterer 1.200 Soldaten, die zum Teil mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet wurden, während ihre Eltern den Judenstern trugen. Manche von ihnen wurden durch die NS-Rassepolitik zum Judentum gebracht, andere wurden selbst zu „Antisemiten“. Riggs Schlußbemerkung sprengt nicht nur den Rahmen seiner Studie, sondern wohl auch das damals vorhandene Zeitbudget des vielbeschäftigten Führers: Da Hitler den „Mischlingen“ so viel Zeit widmete, sagt Riggs, muß er noch viel mehr viel Zeit darauf verwendet haben, die Vernichtung der Juden zu planen. Derart analytische Fähigkeiten eines „Historikers“ sind nur für denjenigen verblüffend, der die Anpassungsfähigkeit von bezahlten Schreiberlingen an den Zeitgeist unterschätzt.
Anmerkung zu den Wehrpflichtbestimmungen
Zu den Aussagen Riggs betreffend Soldaten (teilweise) jüdischer Herkunft in der Wehrmacht sind folgende Tatsachen in Beziehung zu setzen:
Die Nürnberger Gesetze aus dem Jahr 1935 vollzogen eine Scheidung der Juden im Deutschen Reich von den deutschen Volksgenossen auf rassischer Grundlage. Einige Monate vor deren Inkrafttreten wurden unter Berücksichtigung ihres Inhalts und Geistes bereits reformierte Regelungen für den Wehrdienst verabschiedet.
Regelung betreffend Juden
Juden waren gemäß dem Wehrgesetz vom 21. Mai 1935 nicht wehrpflichtig und wurden demzufolge seit Inkrafttreten des Gesetzes (22. Mai 1935) nicht mehr eingezogen. Daß sie seitdem vom Wehrdienst ausgeschlossen waren, bestätigt noch der Brockhaus von 1941/42.[2]
Denn zunächst (1935) bestimmte § 15 Abs. 1 dieses Gesetzes:
„Arische Abstammung ist eine Voraussetzung für den aktiven Wehrdienst.“
Durch Gesetz vom 26. Juni 1936 erhielt § 15 Abs. 1 dann den Wortlaut:
„Ein Jude kann nicht aktiven Wehrdienst leisten.“
Für Juden, die vor dem 22. Mai 1935 in die Wehrmacht eingetreten waren, galten Übergangsbestimmungen.[3] Ein Erlaß vom 24. August 1936 ordnete als aktive Wehrpflichtzeit zwei Jahre an, so daß demnach zur Zeit des Inkrafttretens des Wehrgesetzes (22. Mai 1935) in der Wehrmacht wehrdienstpflichtige Juden spätestens Ende 1938 außer Dienst getreten waren.
Hieraus ist zu folgern, daß nach Rechtslage kein einziger Jude in dem von England im September 1939 entfesselten europäischen Krieg, der durch den Eintritt der USA zum Weltkrieg wurde und an dessen Entstehung das organisierte Weltjudentum beteiligt war (→ Jüdische Kriegserklärungen an Deutschland), auf der Seite des Deutschen Reiches wissentlich als Soldat verwendet wurde.
Es ist davon auszugehen, daß im Deutschen Reich, in dem der ordnungsgemäße Vollzug von Rechtsvorschriften einen hohen Stellenwert hatte, das Wehrgesetz – erst recht in seinem Kern, nämlich der Regelung der Wehrpflicht – angewendet wurde.
Regelung betreffend jüdische Mischlinge
Was jüdische Mischlinge anbetraf, so konnten sie auch nach Inkrafttreten des Wehrgesetzes 1935 als Eingezogene oder als Freiwillige in der Wehrmacht verwendet werden, aber nicht Vorgesetzte werden (§ 15 Abs. 3 Wehrgesetz). Gleiches galt bei der Waffen-SS.[4]
Es fragt sich jedoch,
- warum das Reich ein Interesse an solchen Einberufungen hätte haben sollen, 1. sofern die Mischlingseigenschaft bekannt war, und 2. in Anbetracht dessen, daß das Weltjudentum bereits am 24. März 1933 dem Reich den Krieg erklärt hatte; bei jüdischen Mischlingssoldaten war diesbezüglich – resultierend auch aus der Stimmung in ihren Herkunftsfamilien – objektiv mit Loyalitätskonflikten zu rechnen;
- warum jüdische Mischlinge in nennenswerter Zahl hätten motiviert sein sollen, als Freiwillige für das Reich an die Front zu gehen. Wer zeitweilig in der Wehrmacht als Mischling geduldet war, wußte, daß er nie auch nur zum Unteroffizier aufsteigen konnte, militärischer Ruhm gar außer Reichweite lag. Zudem konnte ein jüdischer Mischling, sobald diese Eigenschaft bekannt wurde, kaum mit ausgeprägter Kameradschaft der deutschen Soldaten rechnen.
Im April 1940 jedenfalls ordnete der Führer und Reichskanzler an, alle noch verbliebenen Halbjuden aus der Wehrmacht zu entlassen.[5] Das bedeutet zugleich, daß spätestens ab diesem Zeitpunkt Halbjuden auch nicht mehr zum Dienst eingezogen wurden.[6] Halbjuden, die sich mit falschen Angaben in die Ränge der Soldaten eingeschlichen hatten – was vereinzelt vorkam –, mußten mit Entdeckung, Ausstoßung und Bestrafung rechnen.
Daß es hinsichtlich der Verwendung jüdischer Mischlinge in nennenswerter Zahl Führererlaubnisse und sonstige Sondergenehmigungen gab,[7] ist reine Behauptung Riggs. Sie ist indiskutabel und bedarf keiner Widerlegung, solange nicht jeweils ein Nachweis in Form genauer Namensnennung der Person und zugehöriger amtlicher Bestätigung (Wehrdienstbescheinigung, Truppenausweis u. ä.) geführt wird. Rigg hat aber – außer dem Hinweis auf Milch[8] und Hollaender – nicht einmal Namen zu bieten.[9]
Der Führer Großdeutschlands sprach sich noch in verlustreicher Lage Mitte 1942 ausdrücklich gegen die Aufnahme irgendwelcher Mischlinge in den Wehrdienst aus, gleichgültig ob einberufen oder freiwillig. Das deutsche Volk schade sich damit selbst, entsprechende Ausnahmegenehmigungen seien auf „ein minimalstes Minimum“ zu beschränken.[10]
Thematischer Propagandafilm aus dem Jahr 2004
Die Regimejournalistin Heike Mundzeck drehte aus Anlaß des Herauskommens von Riggs Judaikum (2003) im Jahr 2004 einen langen, mit Steuergeldern subventionierten Film mit dem Titel „Die Soldaten mit dem ‚halben Stern‘ – ‚jüdische Mischlinge‘ in Hitlers Wehrmacht“. Was als Dokumentarfilm aufgefaßt werden soll, ist tatsächlich eine Huldigung an den jüdischen Autor Rigg. Er wird in nachgespielten Episoden als persönlich beeindruckender Forschungsreisender durch die BRD und als selbstloser Wissenschaftspionier judäolatrisch[11] in Szene gesetzt.
Der Film bietet in der Hauptsache einen Zusammenschnitt von Aussagen von etwa einem Dutzend jüdischer Mischlinge, die von der damaligen Zeit und ihrer Wehrmachtszugehörigkeit erzählen. Offen räumen einige von ihnen ein, daß sie sich als Arier ausgaben, um in der Truppe eine gute Stellung als angesehene Soldaten zu erreichen, und daß sie letztlich unentdeckt blieben. Als Mittel diente etwa die Abgabe einer falschen Eidesstattlichen Versicherung bei der Volkszählung 1939 („keine jüdischen Vorfahren“). Ein prominenter Fall, der im Film erwähnt wird, ist der spätere BRD-Blockparteipolitiker Helmut Schmidt.[12] Als heimlicher Vierteljude erschlich er sich einen Posten im Reichsluftfahrtministerium, später Beförderung bis in den Offiziersrang hinein.[13]
Das Belügen der Behörden soll einem im Film Auftretenden so gut gelungen sein, daß er bis in eine Funktion in der persönlichen Schutztruppe für den Reichsmarschall Hermann Göring vorstoßen konnte. Außer der Behauptung wird kein Beleg, auch keine Zeugenaussage eines anderen, geliefert.
Als einer dieser damaligen Unaufrichtigen bzw. Straftäter präsentiert sich Rolf von Sydow, selbst ein Mann des Filmmilieus, der eine halbjüdische Mutter hatte und im Krieg als Panzerrichtschütze verwendet wurde.
Die Filmemacherin läßt die unwillkürlich im Betrachter aufsteigende Frage nicht aufkommen: Warum soll man Personen, die damals über Jahre falsche Angaben machten und dabei blieben, heute – in einer Zeit, in der das Regime ihnen Komplimente macht – glauben?
Zum Autor Rigg heißt es im Film, er habe über etliche Jahre hinweg zu 430 Fällen Gespräche mit den Betroffenen „oder mit ihren Angehörigen“ geführt. Dies ist seine wesentliche Faktenbasis. Es bedeutet für sich genommen, daß er über allenfalls den genannten Personenkreis Aussagen treffen und Deutungen anstellen kann. Die Einlassungen dieses Kreises müßten aber zusätzlich dokumentarisch oder jeweils durch bestätigende Zeugenaussagen abgesichert werden, um glaubhaft zu sein. Im Film beschreiben die Auftretenden jedoch keine Laufbahnen, sie geben keine Auskünfte über die jeweils in welcher Funktion, an welchem Ort und wann zurückgelegten Dienstzeiten, sie unterlassen sonstige identifizierende Angaben. Keiner der Auftretenden zeigt ein Militärdokument. Selbst der Hinweis auf einen angeblich im Militärdienst verlorenen Arm wird nicht mit einem wohl nicht schwer beizubringenden Kriegsbeschädigtenausweis beglaubigt.
Was Rigg anhand der Erzählungen der auftretenden Personen darlegt, reichert die Filmemacherin durchgängig mit den bereits gewohnten propagandistischen Versatzstücken an,[14] so daß der Film keine irgendwie plausible Zahl übrigläßt. Die Produktion ist erkennbar dazu gedacht, dabei zu helfen, das jüdische Opfer-Narrativ selbst auf den deutschen Militärdienst auszudehnen sowie die medienmäßige allgemeine historische Verteufelung der Deutschen aufrechtzuerhalten.
Literatur
- Bryan Mark Rigg: Hitlers Jüdische Soldaten, Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2003
Verweise
- YouTube: Die Soldaten mit dem „halben Stern“ – „jüdische Mischlinge“ in Hitlers Wehrmacht – öffentlich subventionierter Propagandafilm von Heike Mundzeck (2004)