Radowitz, Joseph von

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Joseph von Radowitz auf Michelwitz (Kreis Trebnitz)

Joseph Maria Ernst Christian Wilhelm von Radowitz (Lebensrune.png 6. Februar 1797 in Blankenburg; Todesrune.png 25. Dezember 1853 in Berlin) war ein rheinisch-westphalischer sowie preußischer Offizier, zuletzt Generalleutnant, Diplomat und Politiker. Er war der Vordenker und Organisator der Deutschen Union, ein Versuch Preußens 1849/50, aufgrund der durch den Deutschen Dualismus ausgelösten Schwierigkeiten, den Deutschen Bund durch einen deutschen Nationalstaat zu ersetzen. Kurze Zeit während der Herbstkrise 1850, als die politisch-militärische Auseinandersetzung zwischen dem Königreich Preußen und dem Kaisertum Österreich drohten auszuufern, gehörte er als Außenminister dem Kabinett an.

Leben

Generalmajor Joseph Maria von Radowitz

Neue Deutsche Biographie

R. wuchs in Altenburg bei Leipzig auf, trat 1808 in den westfäl. Militärdienst ein und besuchte 1809-11 die Militärschule in Mainz, Charleroi und Straßburg sowie die polytechn. Schule in Paris. 1812 Eleve-Unterleutnant bei der Artillerie- und Ingenieurschule Kassel, nahm er 1812/13 als Leutnant auf franz. Seite an den Feldzügen teil und geriet nach der Völkerschlacht bei Leipzig in Gefangenschaft. Seit Ende Dez. 1813 Premierleutnant in der kurhess. Artillerie, kämpfte er 1814/15 gegen Napoleon. Dem schlossen sich 1815-23 Jahre als Lehrer der math. und militär. Wissenschaften am Kadettenkorps in Kassel an (1817 Hptm.); seit 1821 unterrichtete er auch den hess. Kurprinzen. Nach Entlassung und Ausweisung aus dem Kurfürstentum wegen seiner Haltung in einer Mätressenaffäre begab R. sich 1823 als Kapitän in preuß. Dienste, war als Mitglied zahlreicher preuß. Militär-Studienbehörden seit 1826 auch im Direktorium der Allgemeinen Kriegsschule in Berlin (1826–36), wo er 1827 Major im Generalstab wurde (dort seit 1830 Chef der Artillerie). Zugleich war er seit 1823 militärischer Lehrer Prinz Albrechts von Preußen. In diesen Jahren wurde R. mit diplomatischen Missionen betraut; 1836 nahm er als preuß. Militärbevollmächtigter (1845 Gen.major) seine bis zum März 1848 anhaltende Tätigkeit beim Bundestag auf; 1842-48 war er preuß. Gesandter an den Höfen von Baden, Hessen-Darmstadt sowie Hessen-Nassau und absolvierte zahlreiche politische Missionen, u. a. im Febr. 1848 als Sondergesandter in Wien. Nachdem er noch im März 1848 freiwillig aus dem preuß. Staatsdienst ausgetreten war und sich auf sein Gut in Giewitz zurückgezogen hatte, wirkte R. seit Mai 1848 ein Jahr lang als preuß. Mitglied in der Frankfurter Nationalversammlung (Café Milani). Im April 1849 führte ihn, nunmehr Generalleutnant, sein Weg erneut nach Berlin, wo er v. a. Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861) und die Regierung beriet; ein Angebot, preuß. Außenminister zu werden, lehnte er zu diesem Zeitpunkt ab. So war er im Mai 1849 preuß. Verhandlungsführer bei den Beratungen über eine neue bundesstaatliche Verfassung mit den dt. Einzelstaaten, wirkte von Nov. 1849 bis Mai 1850 als preuß. Kommissar bei der Bundeszentralkommission in Frankfurt und im März/April 1850 als Vertreter der preuß. Regierung im Erfurter Parlament (zugleich Vors. d. Verw.rats d. Union). Am 26.9.1850 zum preuß. Außenminister berufen, demissionierte R. bereits am 3. November wegen Differenzen in der Behandlung des kurhess. Konflikts. Unmittelbar danach bemühte er sich bis 1851 in London als Sonderbotschafter des preuß. Königs um eine engl.-preuß. Allianz und kehrte nach längerem privaten Aufenthalt in Erfurt 1852 als Generalinspekteur der preuß. Militärbildungs- und Erziehungsanstalten nach Berlin zurück.
R. war eine bekannte und zugleich zeitgenössisch umstrittene Figur der preuß. Geschichte in der 1. Hälfte des 19. Jh. Er pflegte seit Mitte der 1820er Jahre, stark beeinflußt von →Karl Ludwig v. Haller (1768–1820) und dessen Theorie vom Patrimonialstaat, enge Kontakte zu konservativen Kreisen in Berlin (anfangs u. a. zu den Brüdern Gerlach). Er war engster Freund und politischer Berater des preuß. Kronprinzen Friedrich Wilhelm (IV.), was ihm Haß und Neid einbrachte, so von Bismarck. Unter dem Eindruck der franz. Julirevolution wurde R. auch publizistisch tätig und wirkte 1831-35 als Mitbegründer und -herausgeber des einflußreichen konservativen „Berliner politischen Wochenblattes“. Er vertrat eine grundsätzlich gegenrevolutionäre, „christlich-germanische Idee“, die als Gegenmodell zum modernen, säkularisierten Staat ein Königtum auf christlichständischer Basis favorisierte. Seit Ende der 30er Jahre jedoch wandte er sich zunehmend reform- und nationalkonservativen Vorstellungen eines „sozialen Königtums“ zu, das von oben Sozialpolitik organisieren müsse und die Monarchie somit über die Bekämpfung des Pauperismus neu legitimieren könne (Gespräche aus d. Gegenwart über Staat u. Kirche, 1846, 41851). Nachhaltiger auf Kg. Friedrich Wilhelm IV wirkten jedoch R.s Überlegungen zur dt. Politik, die von seinen Erfahrungen als preuß. Militärbevollmächtigter und Gesandter ausgingen. Seit 1843 richtete er mehrere Denkschriften zur preuß. Deutschlandpolitik an den Monarchen und empfahl diesem, das Nationalgefühl als die stärkste politische Kraft in Deutschland für die preuß. Politik zu nutzen; seine Vorschläge aus dieser Zeit bildeten z. T. die Grundlinien seiner späteren Unionspolitik (Denkschr. über die v. Dt. Bunde zu ergreifende Maßregeln, 1847). Nach dem Scheitern der Frankfurter Nationalversammlung Ende Mai 1849, als deren Mitglied er – wenn auch mit Bedenken – Kg. Friedrich Wilhelm IV zum dt. Kaiser gewählt hatte, begann seine einflußreichste Wirkungsphase in der preuß. Politik. In den Folgemonaten wurde R., ohne formelles Staatsamt, zur zentralen Gestalt für Friedrich Wilhelm IV. für die Durchsetzung der kleindt. Unionspolitik, scheiterte jedoch politisch am Widerstand von Rußland und Österreich, so daß ihm nach einer weiteren, internen Niederlage um die preuß. Mobilmachung im kurhess. Konflikt am 3.11.1850 nur der Rücktritt als Außenminister blieb. R. gilt als der Begründer der preuß. Unionspolitik, neuere Forschungen jedoch gewichten in diesem Punkt seinen Anteil gegenüber dem Wirken des Ministerpräsidenten Friedrich Wilhelm Gf. v. Brandenburg (1792–1850) etwas zurückhaltender (Canis).[1]

Kurzchronologie

  • ab 1808 Besuch der Kadettenanstalten in Mainz, Charleroi, Straßburg, Paris und Kassel
    • in den französischen Kriegsschulen, namentlich der polytechnischen Schule in Paris, machte er glänzende Studien.
  • 1810 die evangelische Familie wird auf Druck des Königreichs Westphalen katholisch
  • 1812 Eintritt in die unter französischem Befehl stehenden westphälischen Armee; Eleve-Unterlieutenant der westfälischen Artillerie- und Ingenieurschule in Kassel.
    • Teilnahme an den Befreiungskriegen als westfälischer ArtillerieOffizier; seit 1913 Leutnant.
      • zuerst gezwungener weise auf französischer Seite im Hauptquartier des Marschalls Jacques MacDonald; Er kämpfte bei Großgörschen und bei Leipzig. Für die Schlacht bei Bautzen, in der er durch einen Schuß in die Brust verwundet wurde, erhielt Radowitz das Kreuz der französischen Ehrenlegion. Bei Leipzig wurde er als Batterieführer wiederum verwundet und Gefangener der verbündeten Truppen. Nach seiner Wiederherstellung wurde er nach Kassel entlassen.
  • 1814 Eintritt in die kurhessische Armee als Premierlieutenant und Kampf gegen den Tyrannen Napoleon
    • Nach der Flucht der Franzosen und des Königs Jerome von Westphalen aus Kassel wurde nach der Rückkehr des Kurfürsten unverzüglich mit der Wiederaufstellung der Regimenter der Hessen-kasselsche Armee begonnen und die kurhessische Armee in Stärke von 21.182 Infanteristen, 1.764 Kavalleristen, 1.047 Artilleristen, 23.993 Mann gesamt, als „4. deutsches Bundescorps der kurhessischen Truppen nach der Ordre vom 10. Januar 1814“ in die verbündeten Truppen eingestellt. Die Verbände kämpften nur im Osten Frankreichs und waren bei der siegreichen Belagerung der Festungen Metz, Luxemburg, Thionville, Saarlouis und Longwy eingesetzt. Am 8. Juli 1814 trat die kurhessische Armee den Rückmarsch in die Heimat an.
    • Lehrtätigkeit an der Kriegsschule in Kassel
    • Seine ritterliche Parteinahme für den Kronprinzen und die Kurfürstin von Hessen, die Schwester König Friedrich Wilhelms III., bei den Zwistigkeiten am Hessischen Hofe veranlaßte seine Gefangennahme und demnächstige Ausweisung aus Hessen.
  • 1823 Eintritt als Hauptmann (Kapitän) in preußische Dienste als Lehrer an der Allgemeinen Kriegsschule (zu seinen Schülern gehörte Friedrich Heinrich Albrecht Prinz von Preußen) und Generalstabsoffizier
  • 1826 bis 1836 1. Direktionsmitglied der Allgemeinen Kriegsschule
  • 1828 zum Major befördert
  • 1830 Chef des Generalstabes der Artillerie
  • seit 1831 Verfasser zahlreicher Artikel gegen die Revolution von 1848/49 im konservativen Berliner „Politischen Wochenblatt“
  • 1836 Militärbevollmächtigter am Bundestag des Deutschen Bundes in Frankfurt am Main
  • 1839 Oberstleutnant
  • 1840 Oberst
  • 1842 Gesandter in Karlsruhe
  • 1845 zum Generalmajor ernannt
  • 1848 führte als Vertrauter Friedrich Wilhelms IV. Verhandlungen über eine Bundesreform in Wien, die durch die Märzrevolution hinfällig wurden
  • April 1848 auf eigenen Wunsch aus preußischen Diensten entlassen
    • kurz darauf als Abgeordneter des Wahlkreises Arnsberg-Rüthen in der Frankfurter Nationalversammlung, Führer der äußersten Rechten und des katholischen Vereins
  • 23. April 1849 nach Berlin berufen, um die deutsche Verfassungsangelegenheit zu leiten.
  • 1849 Generallieutenant
  • Befürworter eines preußisch-deutschen Bundesstaates auf konstitutioneller Basis
  • 26. September bis 3. November 1850 Königlich-Preußischer Minister des Auswärtigen
  • August 1852 militärische Reaktivierung als Generalinspekteur der Militär-Bildungs- und Erziehungs-Anstalten
    • sowie Präses der Militär-Studien-Kommission

Tod

Generalleutnant von Radowitz erkrankte im Sommer 1853 und verstarb, nach schweren Leiden, am 25. Dezember 1853 in Berlin. Der König von Preußen, mit welchem er bis zu seinem Ende im regsten Verkehr geblieben, umgeben von allen Prinzen des königlichen Hauses, wohnte in tiefer Ergriffenheit der Trauerfeier in der Berliner Garnisonkirche bei, die Leiche wurde im Familiengrabe zu Erfurt, mit den höchsten militärischen Ehren, am 5. Januar 1854 beigesetzt. Dort errichtete Friedrich Wilhelm IV. dem Freunde ein würdiges, einfaches Denkmal. Von Radowitz hinterließ seine Witwe und vier Söhne, von welchen der eine zu dem Zeitpunkt als Generalleutnant der Armee noch angehörte, ein anderer als Botschafter des Deutschen Reiches in Konstantinopel fungierte. Alexander von Humboldt schrieb in „Joseph von Radowitz – Ein Gedenkblatt den Freunden“ (Berlin 1854) über ihn:

„Es ist der Stolz und Lichtpunkt meines Lebens, ihm so nahe gestanden zu sein, mich seines liebevollen Wohlwollens haben erfreuen zu können, ihn begriffen zu haben, zu bewundern, wie so viel Stärke und Hoheit des Willens mit so kindlicher Milde des Gemüths verschwistert gewesen ist.“[2]

Familie

Von Radowitz war der Sohn des Herzoglich-Braunschweigischen Kommissionsrats Joseph von Radowitz (1745–1819) aus Klausenburg, Siebenbürgen und dessen Frau Friederike Therese, geb. Freiin von Könitz (1766–1828), Tochter eines Sachsen-Koburgischen Oberstleutnanten und Kommandanten von Saalfeld. Seine Mutter war vor der Ehe mit dem Vater schon einmal kurz verheiratet, nämlich mit dem Hauptmann der Sächsischen Armee Haubold Reinhard von Einsiedel (1746–1831). Sein Halbbruder war deshalb Curt Haubold von Einsiedel (Lebensrune.png 18. Februar 1792 in Zeitz; Todesrune.png 6. Dezember 1829), ein sächsischer Offizier, der zuletzt im Dienste des Württembergischen Königs stand.

Seine Großeltern väterlicherseits waren Joseph Demetrius Radowitz bzw. Radowicz (1717–1772), Offizier der Kaiserlichen Armee und die Marie/Maria Caroline, geb. von Kinsky. Sein Großvater war bei der Schlacht bei Lowositz in preußische Gefangenschaft geraten, verliebte sich in die deutsche Landschaft, wurde nach dem Frieden von Hubertusburg entlassen, verkaufte seinen Besitz in Ungarn und siedelte nach Sachsen um.[3]

Die Großeltern mütterlicherseits waren der Herzoglich-Sachsen-Koburgischer Oberstleutnant sowie Fürstlich-Schwarzburgischer Kammerjunker Ernst August Friedrich Freiherr von Könitz (1742–1800) und die Friederike Henriette, geb. von Kirchbach (1741–1792/94).

Ehe

Er heiratete am 23. Mai 1828 in Berlin seine Verlobte Maria Auguste Karoline Luise Gräfin von Voß aus dem Hause Groß-Gievitz (Lebensrune.png 27. April 1807 in Berlin; Todesrune.png 1. Oktober 1889 ebenda)[4], Tochter des Ernst Graf von Voß (1779–1832) auf Groß-Giewitz, 1827 Königlich-Preußischer Kammerherr, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Neapel, und der Luise, geb. von Berg (1780–1865). Aus der Ehe sind folgende Kinder entsprossen:

Auszeichnungen (Auszug)

Schriften (Auswahl)

  • Ueber Theorie der Zuverlässigkeit der Beobachtungen und Versuche etc., 1827
  • Handbuch für Anwendung der reinen Mathematik, 1827
  • Nachrichten über den Schauplatz des Krieges zwischen Rußland und der Türkei, 1829
  • Ikonographie der Heiligen, im Beitrag zur Kunstgeschichte, Berlin 1834
  • Die Theorie des Ricoschetts, 1835
  • Die Capelle im Saalhof zu Frankfurt a/M., 1837
  • Die spanische Successionsfrage, 1839
  • Einleitung zu Hefner’s Trachten des christlichen Mittelalters, 1840
  • Die Autographensammlungen, 1842
  • Fragmente über Musik, 1844
  • Gespräche aus den Gegenwart der Staat und Kirche (unter dem Pseudonym „Waldheim“), 1846 (4. Auflage 1851)
  • Wer erbt in Schleswig?, 1846
  • Reden, welche im Ständesaal zu Berlin nicht gehalten worden, 1847
  • Deutschland und Friedrich Wilhelm IV., Denkschrift, 1848 (1. bis 3. Auflage)
  • Die Devisen und Mottos des späteren Mittelalters, 1850
  • Neue Gespräche aus der Gegenwart über Staat und Kirche, 1851 (1. bis 2. Auflage)
  • Gesammelte Schriften, fünf Bände, Berlin 1852–53

Literatur

  • Wilhelm Corvinius (Hrsg.): Radowitz – Ausgewählte Schriften, 3 Bände. Habbel, Regensburg 1911
  • Paul Hassel: Joseph Maria von Radowitz, Mittler, Berlin 1905
  • Friedrich Meinecke: Radowitz und die deutsche Revolution, Mittler, Berlin 1913
  • Walter Möring (Hrsg.): Joseph Maria von Radowitz. Nachgelassene Briefe und Aufzeichnungen zur Geschichte der Jahre 1848–1853, Stuttgart, Berlin 1922; Nachdruck Osnabrück 1967
  • Emil Ritter: Radowitz – Ein katholischer Staatsmann in Preußen, Bachem, Köln 1948

Verweise

Fußnoten

  1. Radowitz, Joseph Maria Ernst Christian Wilhelm, Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 99-100
  2. Friedrich Bloemer: Zur Geschichte der Bestrebungen der Preußischen Regierung für eine politische Reform Deutschlands, 1860, S. 146
  3. Militär-Wochenblatt, Band 75, Teil 2, 1890, S. 2024
  4. Gothaisches genealogisches Taschenbuch der gräflichen Häuser 1876. S. 959.
  5. Ergänzungs-Conservationslexicon. Ergänzungsblätter zu allen Conversationslexiken, Romberg, 1846, S. 543
  6. Radowitz, Joseph Maria Ernst Christian Wilhelm von, Hessische Biografie