Königlich Preußische Kriegsakademie
Die Königlich Preußische Kriegsakademie wurde in Berlin von Gerhard von Scharnhorst am 15. Oktober 1810 als Königliche Allgemeine Kriegsschule für den preußischen Staat gegründet. Sie war eine militärische Hochschule zur Ausbildung von Stabsoffizieren und bestand in ihrer ursprünglichen Form bis 1914. Derart begnadete Offiziere, mit so klangvollen Namen wie von Moltke, von Roon, von Mannteufel, von Voigt-Rhetz, von Alvensleben, Graf von Kirchbach, von Werder, Graf von Bose, von Gersdorff und Graf von Blumenthal, die sich in den Deutschen Einigungskriegen auszeichneten, gingen im Laufe der Geschichte zu Hauf aus der Kriegsakademie hervor.
Inhaltsverzeichnis
Aufstellungsbefehl
Am 8. März 1810 beauftragte der König von Preußen Friedrich Wilhelm III. von Scharnhorst per „Ordre“, entsprechendes Personal für den Aufbau der Berliner Lehranstalt (später Allgemeine Kriegsschule, ab 1859 Königlich Preußische Kriegsakademie) heranzuziehen:
- „Die Militärpersonen der eingehenden Anstalten sollen in dem neuen allgemeinen Institut oder anderweitig im Militär angestellt werden, wenn der Übergang zu der neuen Anstalt nicht zulässig sein sollte. Übrigens versteht sich von selbst, daß diejenigen Lehrer ec. welche in eine andere Dienst-Carriere übertreten, sich auch die in derselben obwaltende Verhältnisse gefallen lassen müssen. Die Auswahl der Lehrer zur Aufstellung bei der neuen Lehranstalt, sowie die Vorschläge dazu, in gleichen die Verhandlungen mit dem Chef des Cadetten-Instituts über die bei dieser Arbeit anzusetzenden Personen, übertrage ich hiermit dem General-Major v. Scharnhorst. Das Allgemeine-Kriegsdepartement hat nun nach diesen Bestimmungen zu verfahren, und wegen der etwa im Civil zu versorgenden Lehrer ec. mit den Ministern der Finanzen und des Inneren sich zu einigen.“[1]
Die Preußische Kriegsakademie ist zu unterscheiden von den Militärfachschulen (Waffenschulen), welche waffengattungsspezifische Fertigkeiten vermittelten und von den Kriegsschulen bzw. Luftkriegsschulen, die Offiziersanwärter auf die Offiziersprüfung (Leutnantspatent) vorbereiteten. Insgesamt dürften bis zu 40.000 Offiziere die Kriegsakademie durchlaufen haben, wobei weniger als die Hälfte hinsichtlich des strengen Ausleseverfahrens bestanden haben.
Bedeutung
Damit die Ausbildung entsprechender Generalstabsoffiziere überhaupt gelingen könne, betraute König Friedrich Wilhelm III. (1770–1840) im Jahre 1810 von Scharnhorst mit der Gründung dieser Berliner Anstalt. Die bereits 1804 durch von Scharnhorst gegründete Akademie für junge Offiziere und das Institut für die Berlinische Inspektion bildeten bei ihrer Auflösung den Stamm bzw. den personellen Grundstock für die neue „Académie militaire“, wie der Vorläufer der Berliner Allgemeinen Kriegsschule auch noch genannt wurde.
Von besonderem Interesse ist die Überlegung des Monarchen, eine planmäßige Koordinierung ziviler und militärischer Bildungsanstrengungen vorzunehmen. Der König befahl, daß der Bildungsreformer Wilhelm von Humboldt, der gleichzeitig mit der Gründung einer Universität betraut war (1810 Friedrich-Wilhelm[s]-Universität, seit 1949 Humboldt-Universität), mit von Scharnhorst zusammenarbeiten solle, damit eine weitgehende Übereinstimmung der pädagogischen Ziele auf der „Alma Mater Berlinensis“, mit dem Lehrstoff der Allgemeinen Kriegsakademie, gewährleistet sei. Durch diese kluge Maßnahme wurde von Anfang an ein hoher Qualitätsmaßstab an die zivile Lehrerschaft der Kriegsschule (Professoren), ebenso an die militärischen Ausbilder gelegt. Dieser hohe geistige Anspruch konnte, dank weiter entwickelter Reformen, auch dauerhaft gewährleistet werden, sogar bis 1945.
Am Anfang sah man den einfachen Zweck der Offizier-Kriegsschule im höheren Unterricht der Kriegskunst und in einem besonderen Unterricht für die Artillerie- und Ingenieur-Offiziere. Die preußische Kriegsakademie erwarb sich infolge der in kurzer Zeit errungenen Siege in den Einigungskriegen und der guten Arbeit des Generalstabs einen nahezu legendären Ruf.
Die Kriegsakademie war Vorbild für viele weitere, neu entstandene Einrichtungen dieser Art weltweit. Wohl sämtliche höheren militärischen Führer Preußens und des Deutschen Reiches sowie unzählige Gast-Offiziere aus aller Welt sind dort herangebildet worden.
Nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 wurde die preußische Kriegsakademie zur zentralen militärischen Ausbildungsstätte der deutschen Landstreitkräfte. Die seit 1867 in München bestehende Bayerische Kriegsakademie war wesentlich kleiner als die preußische und bildete nur für das bayerische Heer aus. Ihren wesentlichen Ausbildungsinhalten nach entsprach sie jedoch der preußischen Kriegsakademie.
Geschichte
Bereits 1653 gründete der Große Kurfürst durch den Grafen Bogislaw von Schwerin in Kolberg eine Ritterakademie. König Friedrich I. verlegte die Kolberger Schule nach Berlin und stellte mehrere ausgezeichnete Lehrer an.
Nach dem Siebenjährigen Krieg (1756–1763) stand König Friedrich II. vor der Aufgabe, die Preußische Armee zu reorganisieren und aufzufrischen. Im Krieg war es in allen europäischen Staaten offensichtlich geworden, daß die Bildung der Offiziere mangelhaft war. Man hatte geglaubt, daß die Erfahrung des Krieges alles lehre, was nötig war. Nach dem Krieg wurde die Bedeutung von wissenschaftlicher Bildung erkannt und in allen europäischen Staaten wurden neue Bildungseinrichtungen aufgebaut.
In Preußen errichtete Friedrich II. im Jahre 1765 in Berlin die Académie des nobles (auch Académie militaire genannt). Dort sollten junge Adlige zum Militär- und Staatsdienst erzogen werden. Der Unterricht bezog sich auf Geschichte, Kriegshistorie, Geographie, Philosophie, Rhetorik, Geometrie, Fortifikation, Grammatik, Französisch, Exerzieren, Tanzen und Reiten. Die Schüler kamen entweder direkt zu dieser Akademie oder von den Kadettenanstalten. Die zwölf besten Absolventen holte Friedrich II. nach Potsdam, um sie persönlich in der höheren Kriegskunst auszubilden. Diese Offiziere bildeten den Kader für Generalstabsoffiziere.
Nachdem der König 1786 verstorben war, setzte man diese Tradition des weiterführenden Unterrichts erst ab 1801 wieder fort. Aus selektierten Teilnehmern wurde die „Akademie für junge Offiziere der Infanterie und Kavallerie“ formiert, die jedoch erst nach Abschluß des ersten Jahrgangs am 21. Juni 1804 eine feste Organisation als Institution erhielt. Die Ausbildung bestand aus einem dreijährigen Kurs. Vom 1. September bis zum 31. März wurde gelehrt, den Rest des Jahres taten die Offiziere in ihren Truppenteilen Dienst. Die Oberleitung der Schule oblag dem General-Quartiermeister (Vorläufer des Generalstabschef) der Armee, während die direkte Leitung ein höherer Offizier ausübte. Als Teilnehmer kamen besonders fähige junge Offiziere der Berlinischen Inspektion sowie 20 auswärtige Offiziere in Frage (für den ersten Jahrgang konnten 36 Offiziere namentlich ermittelt werden), die in sämtlichen Fachwissenschaften, Logik und Mathematik ausgebildet wurden. Von Scharnhorst war als Universalgenie im Jahre 1804 auch Chef eines kleinen General-Quartiermeisterstabes geworden (General-Quartiermeister-Leutnant) und lehrte zusätzlich den „Unterricht in der Verrichtung des Generalstabs“. Zudem lehrte von Scharnhorst auf der Berliner Schule die niedere und höhere Anwendung der Taktik, die Wirkung des Feldgeschützes, verbunden mit Aufgaben und Beispielen von den Operationen (Beweglichkeiten) einer Armee. Dieses Thema trug von Scharnhorst im Zweijahreskursus vor. Für die Leitung der einzelnen Studien wurde aus hohen Offizieren und Professoren eine spezielle Studienkommission gebildet, die den größten Einfluß auf den Lehrstoff nahm.
Diese Akademie wurde jedoch bereits beim Beginn des Vierten Koalitionskrieges (1806) geschlossen und als Folge der Niederlage nicht wieder eröffnet.
Zu Leitern der „Akademie für junge Offiziere“ wurden Oberst Gerhard von Scharnhorst und Oberst Levin von Geusau gewählt. Von Scharnhorst übte maßgeblichen und fortschrittlichen Einfluß auf die Offiziere des ersten Jahrgangs aus. Zu diesen gehörten unter anderem Carl von Clausewitz und weitere Offiziere, die später zum Kreis der Heeresreformer gehörten. Scharnhorst selbst und fast die Hälfte der Offiziere dieses Jahrganges gehörten auch der „Militärischen Gesellschaft“ an, einer nicht-staatlichen Vereinigung zur Diskussion über die neuesten Kriegserfahrungen.
Nach dem Krieg von 1806/07 begann in Preußen die Reform des Militärwesens. Durch eine Kabinettsorder vom 3. Mai 1810 wurden neben den Kadettenanstalten drei Kriegsschulen (Berlin, Königsberg, Breslau) eingerichtet, um Offiziere auszubilden. Die Kriegsschule in Berlin war des weiteren für die Fortbildung von Offizieren zuständig. Diese Abteilung bot einen dreijährigen Kurs von jeweils neun Monaten Unterricht an, während die anderen drei Monate dem Dienst in der Truppe oder praktischen Übungen gewidmet waren. Die Ausbildung umfaßte die militärischen Wissenschaften, Mathematik, Chemie, Physik und Sprachen. Die Zulassung zum Kurs wurde von einer Prüfung und später auch von einer vorherigen dreijährigen Dienstzeit abhängig gemacht. Die Teilnehmerzahl wurde jedoch auf 55 beschränkt.
Während der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 blieb die Kriegsschule geschlossen, doch bereits 1816 wurde sie als „Allgemeine Kriegsschule“ wieder eröffnet. Sie war nun vollständig von niederen Bildungseinrichtungen getrennt (diese hießen nun Brigadeschulen, später Divisionsschulen) und erhielt den Status einer Universität. Seit dem 1. Oktober 1859 nannte sie sich – durch eine Kabinettsorder vom 19. August 1858 – offiziell „Königlich Preußische Kriegsakademie“.
Teilnehmer der Preußischen Kriegsakademie 1872–75. Album mit 56 Original-Photographien und 1 Gebäudeansicht. U. a. mit Georg Freiherr von Rechenberg, Eduard von Liebert, Oberst Fritz Junghans, Karl Rudolf von Ollech, Graf Moltke, Werner von Kirchbach, Carl von Ottegraven, von Schlippenbach, von Winterfeld, von Linde, Graf Dohnhoff, Lebrecht von Alvensleben und weitere.
Die Kriegsakademie war durch die Militärreformen als eine Art Universität zur Förderung einer höheren allgemeinen und militärischen Bildung in der Armee konzipiert worden. Die Akademie stand grundsätzlich jedem Offizier offen, da die Teilnahme auf freiwilliger Meldung beruhte. Aufnahmebedingungen waren ein dreijähriger vorhergehender Dienst, gute Gesundheit, neben wissenschaftlichem Streben besondere Anlagen und Befähigungen und das Bestehen der Aufnahmeprüfung. Bevor der Bewerber die erforderliche Aufnahmeprüfung ablegen konnte, mußte der Regimentskommandeur die charakterliche und fachliche Eignung des Aspiranten bestätigen.
In der Regel wurden nur Absolventen der Akademie in den Generalstab übernommen oder konnten selbst das Lehramt ausüben. Der Kursus war dreijährig und bestand aus zwei Parallelklassen. Anfangs war es noch möglich, die Vorlesungen nur ein oder zwei Jahre lang zur allgemeinen Weiterbildung zu besuchen. Artillerie- und Pionieroffiziere mußten jedoch den vollen Zyklus absolvieren. Lehrfächer waren alle Kriegswissenschaften, Sprachen sowie allgemeine historische und mathematische Wissenschaften. Die nichtmilitärischen Fächer waren nur zum Teil verbindlich.
Lehrer waren Offiziere des Generalstabs und Professoren der Berliner Universität. Die Kriegsakademie arbeitete außerdem eng mit dem Seminar für Orientalische Sprachen zusammen. Unterstellt war die preußische Kriegsakademie dem Generalinspekteur des Militärerziehungs- und Bildungswesens, seit 1872 dem Chef des Generalstabs der Armee. Die Leitung übernahm ein General als Direktor. Außerdem bestand eine Studienkommission zur Überwachung und Förderung der wissenschaftlichen Leistungen.
Direktoren
Dienstgrad | Name | Datum[2] |
---|---|---|
Oberst/Generalmajor | Carl Andreas von Boguslawski | 6. August 1810 bis 21. September 1817 |
Oberst/Generalmajor | Carl von Clausewitz | 9. Mai 1818 bis 16. November 1831 |
Generalmajor | Leopold von Lützow | 30. März 1832 bis 9. März 1834 |
Generalmajor | Johann Georg Emil von Brause | 10. März 1834 bis 10. April 1836 |
Generalleutnant | Otto August Rühle von Lilienstern | 30. März 1837 bis 1. Juli 1847 |
Generalmajor | Friedrich Eduard von Hoepfner | 3. November 1848 bis 17. September 1856 |
Generalleutnant | Carl Friedrich Schmidt | 18. September 1856 bis 30. Juni 1860 |
Generalleutnant | Eduard von Schlichting | 1. Juli 1860 bis 17. Mai 1864 |
Generalleutnant | Friedrich Wilhelm Karl Graf von Monts | 18. Mai 1864 bis 2. November 1866 |
General der Infanterie | Friedrich August von Etzel | 3. November 1866 bis 19. Mai 1871 |
General der Infanterie | Karl Rudolf von Ollech | 20. Mai 1871 bis 14. Dezember 1877 |
Generalleutnant | Friedrich von Flatow | 15. Dezember 1877 bis 17. September 1886 |
Generalleutnant | Oswald von Lattre | 18. September 1886 bis 19. September 1890 |
Generalleutnant | Bernhard von Brauchitsch | 20. September 1890 bis 18. April 1896 |
Generalleutnant/General der Artillerie | Karl von Villaume | 19. April 1896 bis 3. Juni 1900 |
Generalmajor/Generalleutnant | Georg Freiherr von Rechenberg | 16. Juni 1900 bis 20. August 1902 |
Generalmajor/Generalleutnant | Karl Litzmann | 12. September 1902 bis 31. März 1905 |
Generalmajor | Friedrich Albert Hans von Flatow | 1. April 1905 bis 6. Juli 1909 |
Generalleutnant | Kurt von Manteuffel | 7. Juli 1909 bis 31. März 1913 |
Generalleutnant | Erich von Gündell | 1. April bis 3. September 1913 |
Generalleutnant | Kuno Arndt von Steuben | 4. September 1913 bis 1. August 1914 |
Lehrer bzw. Dozenten (kleine Auswahl)
- Wilhelm Bigge
- Friedrich Karl Wilhelm von Clausewitz (Generalleutnant; 1807–1866)
- Paul von Dammann (Ritter des Ordens „Pour le Mérite“)
- Colmar von der Goltz
- Viktor Hahndorff
- Paul von Hindenburg
- Alfred Kirchhoff
- Paul Gustav Rheinhardt
- Wilhelm August Roth
- Theodor Schiemann (Deutsch-Balte)
- Julius von Verdy du Vernois
- Hans-Alexander von Voss
Literatur
- Louis von Scharfenort: Die Königlich Preußische Kriegsakademie. 1810–1910. Mittler, Berlin 1910.
- Karl Demeter: Das Deutsche Offizierskorps in Gesellschaft und Staat 1650–1945. 2. neubearbeitete und wesentlich erweiterte Auflage. Bernard & Graefe, Frankfurt am Main 1963.
- Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.): Deutsche Militärgeschichte 1648–1939. 6 Bände. Bernard & Graefe, München 1983, ISBN 3-88199-112-3.
- Bernhard von Poten (Hrsg.): Handwörterbuch der gesamten Militärwissenschaften. 9 Bände. Velhagen & Klasing, Leipzig 1877–1880.
- Bernhard Schwertfeger: Die großen Erzieher des deutschen Heeres. Aus der Geschichte der Kriegsakademie. Akademische Verlags-Gesellschaft Athenaion, Potsdam 1936.