Speer, Albert
Berthold Konrad Hermann Albert Speer ( 19. März 1905 in Mannheim; 1. September 1981 in London) war ein deutscher Architekt und Politiker (NSDAP). Er war einer der führenden Architekten zur Zeit des Nationalsozialismus. Seit 1937 war er Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt. Er plante und verwirklichte zahlreiche Monumentalbauten. 1942 von Adolf Hitler zunächst zum Reichsminister für Bewaffnung und Munition ernannt, war er schließlich für die Organisation der gesamten Kriegswirtschaft des Deutschen Reiches verantwortlich.
Nach dem Ende des 1939 von England entfesselten europäischen Krieges, der durch den Eintritt der USA zum Weltkrieg wurde, hielten die Kriegssieger einen Rachefeldzug zur Vernichtung deutscher Führungspersonen ab. Diesen kleideten sie teilweise in Formen des Rechts.[1] So wurde Albert Speer 1946 einer von 24 Angeklagten in einem illegalen Schauprozeß, den die Alliierten veranstalteten, um führende Repräsentanten des Dritten Reiches beseitigen oder ihnen die Freiheit entziehen zu lassen. Obwohl Albert Speer die einzige Führungsperson war, die die fiktiven Vorwürfe der Anklage bezeugte, wurde er am 1. Oktober 1946 zu 20 Jahren Haft verurteilt. Er bemühte sich um Schuldzuweisungen seiner früheren Kollegen und behauptete sogar, einen Mord an Hitler, Bormann und Goebbels mit Hilfe von Giftgas geplant zu haben.[2] Auch nach seiner Entlassung verteidigte er diese Schutzbehauptungen und die Schauprozeße von Nürnberg.[3]
Inhaltsverzeichnis
Leben
Albert Speer wurde 1905 als Sohn des angesehenen Architekten Albert Friedrich Speer (1863–1947) und dessen Gemahlin Luise Mathilde Wilhelmine, geb. Hommel, geboren (beide Elternteile wurden 1942 resp. 1944 Ehrenbürger der Universität Heidelberg).[4] Er wuchs in einem großbürgerlichen Elternhaus auf.
Ausbildung
Speer besuchte zunächst das Lessing-Gymnasium in Mannheim und studierte dann an der Universität Karlsruhe und von Frühjahr 1924 bis Sommer 1925 an der Technischen Hochschule München (heute Technische Universität München). Im Herbst 1925 wechselte er an die Technische Hochschule Berlin-Charlottenburg und bemühte sich vergeblich darum, in das Seminar von Hans Poelzig aufgenommen zu werden. 1926 wurde Speer Schüler Heinrich Tessenows und nach dem Diplom (1927) sein Assistent.[5]
Architekt
1930 erteilte der Leiter der NS-Kreisleitung West in Berlin, Karl Hanke, ihm als jungem NSKK-Mann den ersten Auftrag: Umbau einer Villa in Berlin-Grunewald zum Quartier der Kreisorganisation. 1932 verließ Albert Speer Berlin und ging zurück nach Mannheim.[6] Er ließ sich dort als Architekt nieder, erhielt jedoch keine Aufträge.
Architekt Hitlers ab 1933
Nach eigenem Bekunden erwachte sein Interesse am Nationalsozialismus im Dezember 1930 nach dem Besuch einer politischen Kundgebung in der Berliner Hasenheide, bei der Hitler als Redner auftrat. Am 1. März 1931 trat er in die NSDAP ein.[7] Seine ersten Bauaufgaben waren ab 1932 kleinere Umbauten von Parteigebäuden. Nach der Nationalen Erhebung im Jahre 1933 lernte Speer Hitler persönlich kennen und der architekturbegeisterte Hitler nahm ihn in den engeren Kreis auf. 1934 starb Hitlers bisheriger Architekt, der Münchner Paul Ludwig Troost, und Speer wurde mit dessen Aufgaben betraut.
In den Jahren nach 1933 entwarf Speer in seinem Atelier in Berchtesgaden monumentale Bauten für die Reichsparteitage der NSDAP in Nürnberg, die jedoch kriegsbedingt nur zum Teil realisiert werden konnten. Ab 1935 widmete er sich der Planung der Neuen Reichskanzlei in Berlin, deren Bau bereits seit 1934 im Gespräch war.
Nach großflächigen, vorbereitenden Abrißarbeiten in den beiden Folgejahren begannen 1937 die Bauarbeiten, die sich samt aller weiteren Ausbaumaßnahmen noch bis in die vierziger Jahre erstrecken sollten.
Der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler zeichnete zum 30. Januar 1937 auf Vorschlag des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda namhafte deutsche Künstler mit der Verleihung eines Titels aus. Unter anderem wurde Albert Speer zum Professor[8] und zum Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt (GBI), dem eine gleichnamige Behörde unterstellt war, ernannt. Speers Hauptaufgabe als Generalbauinspektor war der Umbau Berlins. In diesem Rahmen sollte die Ost-West-Achse und im Spreebogen mit der Großen Halle die größte Kuppelhalle der Welt entstehen. Weiterhin leitete er von 1937 an auch das Amt für Schönheit der Arbeit bei der Deutschen Arbeitsfront, welche die Aufgaben der Verschönerung von Arbeitsstätten, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, der Ergonomie und der Arbeitssicherheit hatte.
Mit Heinrich Himmler vereinbarte Speer die Herstellung und Lieferung von Baumaterial durch KL-Häftlinge. Das Kapital für die von der SS gegründete Firma Deutsche Erd- und Stein-Werke GmbH (DEST) wurde aus dem Haushalt Speers finanziert. Das Geld floß direkt in den Aufbau des KL-Systems und war rückzahlbar in Form von Steinen. Deshalb wurden fast alle KLs zwischen 1937 und 1942 in der Nähe von Tongruben oder Steinbrüchen gebaut. Für die Lager in Groß-Rosen in Schlesien und Natzweiler-Struthof im Elsaß hatte Speer 1940 die Standorte wegen der dortigen Granitvorkommen selbst festgelegt.
Raumentwürfe für das Dritte Reich
Albert Speer orientierte sich als führender Architekt an den Vorstellungen seines Bauherren Hitler. Dieser initiierte sämtliche städtebaulichen Veränderungen, beispielsweise Hamburgs als „Welthandelszentrum“, Münchens als „Hauptstadt der Bewegung“, Nürnbergs als „Stadt der Reichsparteitage“ und von Linz als „Patenstadt des Führers“, (wo er bestattet werden wollte). 1937 erteilte Hitler Speer den größten Auftrag, nämlich den Umbau Berlins. Hitler:
- „Berlin ist eine Großstadt, aber keine Weltstadt. Sehen Sie Paris an, die schönste Stadt in der Welt! Oder selbst Wien! Das sind Städte mit einem großen Wurf. Berlin aber ist nichts als eine ungeregelte Anhäufung von Bauten. Wir müssen Paris und Wien übertrumpfen.“
Minister ab 1942
Nach dem tödlichen Flugzeugabsturz von Fritz Todt (1942) ernannte Hitler Speer zum Reichsminister für Bewaffnung und Munition und zum Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen, Festungsbau, Wasser und Energie. Zusätzlich berief ihn Hitler 1943 zum Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion. Albert Speer gelang eine massive Erhöhung der Rüstungsproduktion auch durch den Einsatz von Zwangsarbeitern. Das Konzept der „Selbstverantwortung der Industrie“ wurde von Speer umgesetzt und die handwerkliche Fertigung von Rüstungsgütern in den ersten Kriegsjahren wurde durch einen industriellen Fertigungsprozeß abgelöst.
Das Ende der Zeit des Nationalsozialismus
Am 3. Mai 1945 sendete der Reichssender Hamburg nach dem Wehrmachtbericht einen sogenannten „Nachruf auf das Dritte Reich“ von Albert Speer.
Nürnberger Siegertribunal
Genauso wie Hitler zeigten sich später beim Nürnberger Siegertribunal auch Speers Richter von den Leistungen des Ministers beeindruckt. Denn dieser gab sich auf der Anklagebank als effizienter, unpolitischer Technokrat, der allen widrigen Umständen zum Trotz die deutsche Rüstung auf einen Rekordstand gebracht habe. Im sogenannten Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß (1945–1946) wurde Speer, verteidigt durch Hans Flächsner wegen Kriegsverbrechen und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zu 20 Jahren Haft verurteilt. Die Haftzeit verbrachte er im alliierten Kriegsverbrechergefängnis Spandau in Berlin. Seine langjährige Sekretärin Annemarie Kempf hatte als Zeugin durch positive Aussagen und gesammeltes Entlastungsmaterial versucht, das Urteil zu mildern (der sowjetische Vertreter der Anklage hatte auf Tod durch den Strang plädiert.) Auch die Tatsache, daß sich Speer in Nürnberg gegen Hitler und den Nationalsozialismus aussprach, war in den Augen der US-Richter ein positiver Faktor. Die anderen internierten NS-Persönlichkeiten machte er sich durch sein opportunistisches Verhalten zu Widersachern.
Das Schlußwort vor dem Nürnberger Tribunal in Auszügen:[9]
- „Als ehemaliger Minister einer hochentwickelten Rüstung ist es meine letzte Pflicht zu sagen:
- Ein neuer großer Krieg wird mit der Vernichtung menschlicher Kultur und Zivilisation enden. Nichts hindert die entfesselte Technik und Wissenschaft, ihr Zerstörungswerk an den Menschen zu vollenden, das sie in diesem Kriege in so furchtbarer Weise begonnen hat. Darum muß dieser Prozeß ein Beitrag sein, um in der Zukunft entartete Kriege zu verhindern und die Grundregeln menschlichen Zusammenlebens festzulegen.
- Was bedeutet mein eigenes Schicksal nach allem, was geschehen und bei einem solch hohen Ziel?
- Das deutsche Volk hat in früheren Jahrhunderten viel zu dem Aufbau menschlicher Kultur beigetragen. Es hat diese Beiträge oft in Zeiten geliefert, in denen es genauso ohnmächtig und hilflos war wie heute. Wertvolle Menschen lassen sich nicht zur Verzweiflung treiben. Sie werden neue bleibende Werke schaffen, und unter dem ungeheuren Druck, der auf allen lastet, werden diese Werke von besonderer Größe sein. Wenn das deutsche Volk so in den unvermeidlichen Zeiten seiner Armut und seiner Ohnmacht, – aber gleichzeitig auch in der Zeit seines Aufbaus – neue Kulturwerte schafft, dann hat es damit den wertvollsten Beitrag zu dem Geschehen in der Welt geleistet, den es in seiner Lage leisten kann.
- Es sind nicht die Schlachten der Kriege allein, die die Geschichte der Menschheit bestimmen, sondern in einem höheren Sinne die kulturellen Leistungen, die einst in den Besitz der ganzen Menschheit übergehen. Ein Volk aber, das an seine Zukunft glaubt, wird nicht untergehen. Gott schütze Deutschland und die abendländische Kultur!“
20 Jahre im Spandauer Gefängnis
Während seiner Gefangenschaft unterstützten ehemalige Mitarbeiter auf Initiative von Rudolf Wolters seine Ehefrau Margarete Speer und die Kinder finanziell. Speer wurde erst nach vollständiger Verbüßung der Haftstrafe im Alliierten Gefängnis im Jahre 1966 entlassen, da die Sowjetunion eine vorzeitige Begnadigung ablehnte. Seine in dieser Zeit heimlich erstellten Aufzeichnungen über die Haft, den immer gleichen Tagesablauf und die Konflikte unter den Mitgefangenen wurden hinausgeschmuggelt und später unter dem Titel „Spandauer Tagebücher“ veröffentlicht.
Nach der Entlassung
Als prominenter Zeitzeuge und somit begehrter Interviewpartner und auch als Autor verschiedener Bücher (z. B. „Erinnerungen“) war Speer noch im hohen Alter finanziell erfolgreich und betätigte sich im Sinne der Umerziehung.
Was bleibt, ist die Erinnerung an Größe und Pracht der von ihm geplanten und erstellten Bauwerke.
Tod
1981 starb Albert Speer in London, wohin er sich zur Aufnahme einiger seiner unzähligen Interviews begeben hatte – Finanzier war der einstige Feindsender BBC. Er erlitt dort in einem Hotel einen Schlaganfall. Trotz unverzüglicher Einlieferung in das „St. Mary’s Hospital“ konnte kurz darauf nur noch sein Tod festgestellt werden.
Ruhestätte
Albert Speer wurde an seinem letzten Wohnort in Heidelberg beigesetzt. Name und Lage des Grabes sind im Friedhofsplan des Bergfriedhofs (Stiegerweg) nicht aufgeführt. Der schlichte Grabstein verrät nichts über seine Stellung im Deutschen Reich.
Familie
Im Sommer 1922 hatte Speer die gleichaltrige Margarete („Margret“) Weber (1905–1987) kennengelernt, die aus einer Heidelberger Handwerkerfamilie stammte. Albert und Margret heirateten am 28. August 1928 in Berlin gegen den Willen von Speers Mutter, welche die Schwiegertochter für „nicht standesgemäß“ hielt.
Aus der Ehe sind zwischen 1934 und 1942 sechs Kinder (Albert, Hilde, Margarete, Arnold, Fritz und Ernst) entsprossen.
Auszeichnungen (Auszug)
- Goldenes HJ-Ehrenzeichen mit Eichenlaub
- Fritz-Todt-Ring am 2. Juni 1943
Siehe auch
Literatur
Monographien
- Albert Speer: Die Neue Reichskanzlei (pdf-Datei, 35 MB) – über den Bau der Neuen Reichskanzlei von Adolf Hitler (1940)
- Albert Speer: Erinnerungen, Ullstein, Berlin 1969, 610 S., ISBN 3-549-07184-1 (PDF-Datei)
- 1969 erschien Speers Autobiographie, dessen Schwerpunkt die Jahre 1933 bis 1945 bilden
- Albert Speer: Spandauer Tagebücher, Propyläen, 2002 [1975], ISBN 3-54907-158-2 (PDF-Datei)
- Albert Speer: Der Sklavenstaat – Meine Auseinandersetzungen mit der SS, Ullstein, 1981, ISBN 3-42106-059-2
- Albert Speer: Die Kransberg-Protokolle 1945 – Seine ersten Aussagen und Aufzeichnungen (Juni–September), hrsg. von Ulrich Schlie, F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung, München 2003, 480 S., ISBN 3776622881
- Das Deutsche Führerlexikon, Otto Stollberg G.m.b.H., Berlin 1934
Über Speers Biographie
- Siegfried Egel: Erkenntnisse von Albert Speer, Historische Tatsachen Nr. 87 (2003) (PDF-Datei)
- Joachim Fest: Die unbeantwortbaren Fragen – Notizen über Gespräche mit Albert Speer zwischen Ende 1966 und 1981, Rowohlt, Reinbek 2005, ISBN 3-498-02114-1 [268 S., zahlr. Abb.]
- Heinrich Breloer: Unterwegs zur Familie Speer – Begegnungen, Gespräche, Interviews, Propyläen, Berlin 2005, ISBN 3-549-07249-X [608 S.]
Architektur und Stadtplanung Speers
- Mortimer G. Davidson: Kunst in Deutschland 1933–1945, Bd. 3 Architektur, Grabert-Verlag, Tübingen, 1995, ISBN 978-3-87847-111-0 [repräsentativ, Atlasformat, 1.012 Abbildungen. Beschreibung auf Netzpräsenz Buchdienst Hohenrain]
- Joachim Petsch: Baukunst und Städteplanung im Dritten Reich, Hanser, München 1976, ISBN 3-44612-279-6
- Heinrich Schwendemann: “Drastic Measures to Defend the Reich at the Oder and the Rhine...” – A forgotten Memorandum of Albert Speer of 18 March 1945, in: Journal of Contemporary History, 38. Jg., 2003, S. 597–614
- Lars Olof Larsson: Die Neugestaltung der Reichshauptstadt – Albert Speers Generalbebauungsplan für Berlin, Stuttgart 1978, ISBN 3-7757-0127-3
Filme
- Speer und Er, Buch und Regie: Heinrich Breloer, Dokudrama, BRD 2004[10]
Der Fernsehdreiteiler „Speer und Er“ von Heinrich Breloer und Horst Königstein ist eine Mischung aus Dokumentation und Spielfilm zur Auseinandersetzung mit der Biographie Speers. Er verwendet dazu neben rekonstruierten Spielszenen und historischem Filmmaterial auch Interviews mit Augenzeugen, darunter vor allem Gespräche mit den Kindern Albert Speers, Albert Speer jr. und Arnold Speer sowie Hilde Schramm.
Verweise
Fußnoten
Architektur · Frauen · Kunst · Literatur · Musik
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