Witzig, Rudolf

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Ritterkreuzträger Rudolf Witzig; der „Bezwinger des belgischen Forts Eben Emael“

Rudolf Albert „Ralf“ Witzig (Lebensrune.png 14. August 1916 in Röhlinghausen, Wanne-Eickel; Todesrune.png 3. Oktober 2001 in Oberschleißheim) war ein deutscher Offizier der Wehrmacht, zuletzt Major, Luftlandepionier, Fallschirmjäger der Luftwaffe, maßgeblich an der Eroberung des belgischen Forts Eben Emael am 10. Mai 1940 beteiligt und Eichenlaubträger im Zweiten Weltkrieg sowie Oberst der neu geründeten Bundeswehr.

Militärischer Werdegang

Adolf Hitler und die Offiziere der Sturm-Abteilung Koch bei der Ritterkreuzverleihungszeremonie am 16. Mai 1940 (zuweilen fälschlicherweise auf den 12./13. Mai datiert). Vorne, v. l. n. r.: Leutnant Egon Delica, Hauptmann Walter Koch (Kommandeur der LL-Sturm.Abt „Koch“), Adolf Hitler, Leutnant der Reserve Joachim Meissner (stellv. Führer Sturmgruppe „Eisen“) und Oberleutnant Gustav Altmann (Führer Sturmgruppe „Stahl“). Hinten, v. l. n. r.: Oberleutnant Rudolf Witzig (Führer Sturmgruppe „Granit“), Oberleutnant Otto Zierach, Leutnant Helmut Ringler, Oberleutnant Walter Kiess (Chef Lastensegler) und Oberarzt Dr. Rolf Jäger (Truppenarzt).[1]

Nach seinem Abitur in Kiel, in den Fächern Latein und Französisch, trat Rudolf Witzig am 1. April 1935 als Offiziersanwärter und Fahnenjunker in das Pionier-Bataillon 16 ein und wurde 1937 zum Leutnant befördert. Als Zugführer übernahm er im August 1938 den Pionierzug eines Fallschirminfanteriebataillons der Luftwaffe, mit dem er zu Beginn des Zweiten Weltkrieges am Polenfeldzug teilnahm.

Zweiter Weltkrieg

Als Oberleutnant wurde er mit seinem Pionierzug (PiZg/II./FJR.1) zur Sturm-Abteilung „Koch“ nach Friedrichshafen abkommandiert. Zur Vorbereitung der Einnahme von Eben-Emael fuhr er in die Tschechoslowakei, besichtigte dort den Tschechoslowakischen Wall und die Beschußübungen und Bombardierungstests, die die Wehrmacht dort machte, um daraus für die Eroberung der Maginot-Linie zu lernen.

Witzigs aus Fallschirmpionieren bestehender Zug („Kampfgruppe Granit“) startete am 10. Mai 1940 vor dem Morgengrauen mit elf Schlepp-Gespannen (je eine Ju 52/3m zog einen LastenseglerDFS 230“) auf dem Flughafen Köln-Ostheim. Das Schleppgespann (Flugzeug plus Lastensegler in dem Witzig saß) hatte einen Defekt (das Schleppseil riß); das Gespann landete in Deutschland. Witzig erreichte deshalb erst nach dem Ende der eigentlichen Kampfhandlungen den Ort des Geschehens. Die anderen neun Lastensegler landeten auf dem Plateau des Forts Eben-Emael; die mit etwa 750 belgischen Soldaten besetzte Festung kapitulierte um 11.30 Uhr des nächsten Tages. Witzig war maßgeblich für Planung und Ausbildung dieses schwierigen und für den Erfolg des Westfeldzuges wichtigen Unternehmens verantwortlich. Daß diese Operation trotz des frühen Ausfalls des Zugführers erfolgreich durchgeführt wurde, gilt als ein Paradebeispiel der Überlegenheit der deutschen Auftragstaktik. Nach diesem Erfolg wurde er mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet und zum Hauptmann befördert.

Bei Gefechten nach dem Absprung über Kreta (bei Maleme) im Rahmen des Unternehmens „Merkur“ (20. Mai 1941) wurde Witzig schwer verwundet. Er verbrachte lange Zeit im Lazarett, erhebliche Teile seines verwundeten Beines mußten herausgeschnitten werde. Ein zweiter Schlag traf ihn während der Rehabilitationszeit, als im Januar 1942 seine Verlobte an einer schweren Infektion starb.

Nach seiner Genesung (die Wunde sollte ihn ein Leben lang belasten, wenn auch nicht behindern) stand er ab dem 10. Mai 1942 als Bataillonskommandeur beim Korps Fallschirm-Pionier-Bataillon (XI. Flieger-Korps) bei den blutigen Kämpfen um Tunesien (→ Afrikafeldzug)[2] und an der Ostfront (Litauen und anschließend in Ostpreußen) im Einsatz, wofür ihm wegen Tapferkeit vor dem Feind am 25. November 1944 das Eichenlaub zum Ritterkreuz verliehen wurde.

Endkampf

Das Kriegsende erlebte Major Witzig als Kommandeur des Fallschirmjäger-Regiments 18[3] im Westen, er geriet in Kriegsgefangenschaft, aus der er im September 1945 entlassen wurde.

„Die Wiederaufstellung der Division erfolgte im September 1944 aus den noch verbleibenden Resten der Division in Nordholland im Raum Meppel. Nach beendeter Ausbildung wurde die Division in den Raum zwischen Antwerpen und den Albert-Kanal verlegt. Hier geriet die Division in das alliierte Luftlande-Unternehmen „Market Garden“. Es gelang dem britischen XXX. Armeekorps, zwischen der 85. Infanterie-Division und der 6. Fallschirmjäger-Division durchzustoßen und auf Eindhoven vorzustoßen. Die 6. Fallschirmjäger-Division kämpfte anschließend im Raum 20 km südostwärts Eindhoven, bis die Schlacht um Arnheim ein Ende fand. Bis Februar 1945 stand die Division anschließend in der Maas-Stellung. Anschließend machte die Division den Rückzug im Rahmen des II. Fallschirmjäger-Korps über Gennep, Kleve, Xanten und Hochwald weiter nach Enschede und Hengeleo mit. Letzte Reste der Division erreichten im April 1945 noch den Raum Oldenburg, wo sie in Gefangenschaft gerieten.“ — Lexikon der Wehrmacht

Erwähnungen in den Wehrmachtberichten

Hauptmann Witzig von Wolfgang Willrich; Witzig trägt hier „Knochensack“ und Stahlhelm mit Tarnlackierung.
Datum Wortlaut im Wehrmachtbericht
11. Mai 1940 (Sondermeldung) Das stärkste Fort der Festung Lüttich, Eben-Emael, das die Übergänge über die Maas und den Albert-Kanal bei und westlich Maastricht beherrscht, hat sich Sonnabendnachmittag ergeben. Der Kommandant und 1000 Mann wurden gefangen genommen.
Das Fort wurde schon am 10. Mai durch eine ausgesuchte Abteilung der Luftwaffe unter Führung von Oberleutnant Witzig und unter Einsatz neuartiger Angriffsmittel kampfunfähig gemacht und die Besatzung niedergehalten. Als es einem von Norden angreifenden Verband des Heeres nach hartem Kampf gelungen war, die Verbindung mit der Abteilung Witzig herzustellen, hat die Besatzung ihre Waffen gestreckt.
[4]
8. August 1944 Im Kampfraum westlich Kauen hat sich das 1. Bataillon des Fallschirm-Pionierregiments 21 unter Major Witzig durch beispielhaften Kampfgeist hervorragend bewährt. Das Bataillon vernichtete an einem Tag 27 feindliche Panzer im Nahkampf[5]

Nachkriegszeit

Nach dem Krieg und Studium arbeitete Witzig als Ingenieur im Straßenbau. 1949 haben die Franzosen ihn bei den Briten als Ingenieur angefordert, allerdings hatte er Wind davon bekommen, daß die Franzosen ihn entführen wollten und in Frankreich als Kriegsverbrecher verurteilen wollten. Nach eine Gespräch mit Kurt Student, der damals in der Nähe von Hamburg wohnte, wandte er sich an den zuständigen britischen Kommandeur, der wiederum das Begehren der Franzosen ablehnte. Später wurde Witzig in Frankreich in Abwesenheit verurteilt. Ihm wurde aufgetragen, das Land und die französische Besatzungszone in Zukunft zu meiden. 1979 ermittelte die BRD-Justiz erneut auf Verlangen der Franzosen, allerdings wurde das Verfahren eingestellt. In Frankreich blieb er ein Verfolgter und Verurteilter, auch als Offizier der Bundeswehr und trotz der Tatsache, daß der Verband französischer Fallschirmjäger sich für ihn dort einsetzte.

Jedes Jahr, sobald es für Deutsche möglich war, reiste Witzig mit Kameraden und ihren Ehefrauen am 10. Mai zu den Ruinen von Eben Emael. Ein Tag galt dem Gedenken dort, ein Tag dem Gedenken auf der Kriegsgräberstätte Ysselsteyn, wo die Lebenden sich mit dem Angehörigen der gefallenen Kameraden trafen, und ein Tag war für die Freizeit gedacht. Jürgen Witzig berichtete, daß sein Vater noch 2000 diese Gedenkfahrt auf sich nahm, im Jahr vor seinem Tode.

Bundeswehr

Witzig wurde am 16. Januar 1956 in die neu gegründete Bundeswehr aufgenommen. Unter anderem war er dort Kommandeur des Pionier-Bataillons 7 in Holzminden[6] und diente bis 30. September 1974, zuletzt im Dienstgrad eines Oberst (seit 1965). Außerdem war Witzig jahrelang 1. Vorsitzender des Bundes Deutscher Fallschirmjäger e. V. sowie später deren Ehrenmitglied.

Familie

Rudolf wurde als Sohn von Rudolf Friedrich Witzig (1876–1927) und dessen Gemahlin Amanda Henriette Adolfine, geb. Ziehn (1885–1983), geboren. Er war der Dritte von vier Geschwistern. Er hatte zwei ältere Schwestern und einen jüngerer Bruder, Leutnant zur See Ernst Georg Witzig, der am 27. März 1943 mit 19 Jahren fiel, als die U 469 (3. Unterseeboots-Flottille) mit 47 Mann Besatzung von einer Boeing B-17 der Royal Air Force getroffen wurde und zwischen Island und die Färöer sank.

1941 wurde Witzig verlobt, seine große Liebe war Dr. med. Gerda Remmers, die er in Höxter kennenlernte und die nun in Münster als Ärztin tätig war. Gerda Remmers verstarb am 12. Januar 1942, als sich die 24jährige im Berufsleben eine schwere Infektion einfing, die nicht zu heilen war.

Noch während der Ardennenoffensive fand Witzig Zeit, sich erneut zu verloben, und er erhielt im Januar 1945 ein paar Tage Heimaturlaub für die Kriegshochzeit. Er heiratete Hanna Remmers, Medizinstudentin und Rote-Kreuz-Schwester, die jüngere Schwester seiner verstorbenen Verlobten. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor: Jürgen, Hans, Elisabeth und Angela. Witzigs Sohn Jürgen war Oberst im Personalamt der Bundeswehr und Vorsitzender des Bundes Deutscher Pioniere e. V. Vater Rudolf scherzte mit seinem Sohn Jürgen, als dieser zum Oberst der Pioniertruppe der Bundeswehr befördert wurde, ob dieser denn noch Kontakt mit einem Kriegsverbrecher pflegen darf.

Bildergalerie

Auszeichnungen (Auszug)

Literatur

  • Janusz Piekalkiewicz: Der Zweite Weltkrieg, KOMET Verlag, Köln, S. 236 f, ISBN 3-89836-472-0
  • Franz Kurowski: Major Rudolf Witzig. Als Fallschirmjäger an den Brennpunkten der Front und Eroberer von Eben Emael, Weidlich und Flechsig, Würzburg 2007, ISBN 978-3-88189-739-6[10]
  • Franz Thomas / Günter Wegmann: Die Ritterkreuzträger der Deutschen Wehrmacht 1939-1945 Teil II: Fallschirmjäger, ISBN 3-7648-1461-6
  • Gilberto Villahermosa: Hitler's Paratrooper: The Life and Battles of Rudolf Witzig, Frontline Books, 2010

Verweise

Fußnoten

  1. Felsennest: Hitler empfing am 16. Mai 1940 (manche Quellen behaupten, es war der 13. Mai) Fallschirmjäger, die bei der Eroberung des belgischen Forts Eben-Emael eine wichtige Rolle spielten, um ihnen das Ritterkreuz zu verleihen. Felsennest war der Deckname eines Führerhauptquartiers in Rodert, einem Stadtteil von Bad Münstereifel in der Eifel.
  2. Ab November 1942 führte er sein Bataillon als Teil der Brigade „Ramcke“ in Afrika, wo es schließlich aufgerieben wurde. Im Sommer 1943 wurde sein Bataillon als I./Fallschirm-Pionier-Regiment 21 neu aufgestellt und erhielt am 17. Oktober 1943 das Deutsche Kreuz in Gold.
  3. Die Neuaufstellung erfolgte im Oktober 1944 in Nordholland im Raum Meppel. Das Regiment unterstand der 6. Fallschirmjäger-Division. Das I. Bataillon des neu aufgestellten Regiments war das vorherige III. Bataillon des Fallschirmjäger-Regiment 4.
  4. Die Wehrmachtberichte 1939-1945 Band 1, Seiten 144 und 145.
  5. Die Wehrmachtberichte 1939-1945 Band 3, Seite 195.
  6. Artikel aus Der Spiegel vom 13. Mai 1959
  7. Da das EK 2 und EK 1 Voraussetzung für das Ritterkreuz waren, wurden nach Thomas und Wegmann Witzig am 12. und am 13. Mai diese Orden verliehen, um dann bei der Verleihungszeremonie am 16. Mai 1940 das Ritterkreuz erhalten zu können. Andere Quellen geben den 10. Mai an. Denkbar ist auch eine Verleihung zum 12. und 13. mit Wirkung vom 10. Mai.
  8. Thomas, Franz; Wegmann, Günter (1986). Die Ritterkreuzträger der Deutschen Wehrmacht 1939–1945 Teil II: Fallschirmjäger, Biblio-Verlag. ISBN 978-3-7648-1461-8.
  9. Veit Scherzer: Die Ritterkreuzträger 1939-1945, Scherzers Militaer-Verlag, Ranis/Jena 2007, S. 793, ISBN 978-3-938845-17-2
  10. Dies ist die Geschichte von Major Rudolf Witzig. Geboren am 14. August 1916 in Röhlinghausen/Westfalen, trat er am 1. April 1935 als Offiziersanwärter in das Pionierbataillon 16 ein und wurde zum Leutnant befördert. Als Zugführer übernahm er im August 1938 den Pionierzug des FschInfBtls mit dem er am Polenfeldzug teilnahm. Mit seinem Pionierzug zur Sturm-Abteilung Koch kommandiert, landete Witzig mit 55 Fallschirmpionieren im Morgengrauen des 10. Mai 1940 auf dem Plateau des Forts Eben-Emael in Belgien und nahm die mit 1.200 belgischen Soldaten besetzte Festung im Handstreich. Nach dieser Heldentat mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet und zum Hauptmann befördert, wurde er beim Absprung über Kreta schwer verwundet. Nach seiner Genesung stand er als Bataillonskommandeur bei den Kämpfen um Tunesien und als Regimentskommandeur des FschJgRgts 5 an der Ostfront im Einsatz, wofür ihm wegen Tapferkeit vor dem Feind das Eichenlaub zum Ritterkreuz verliehen wurde. Das Kriegsende erlebte Major Witzig als Kommandeur des FschJgRgts 18 im Westen.