Geibel, Paul Otto
Paul Otto Geibel ( 10. Juni 1898 in Dortmund; 12. November 1966 in Warschau) war ein deutscher Offizieranwärter der Kaiserlichen Marine, Offizier a. D. der Reichsmarine, Mitglied der SA, des Arbeitsdienstes, des SA-Feldjägerkorps, der Gendarmerie, der Ordnungspolizei und der Allgemeinen SS, zuletzt SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei, ab März 1944 letzter SS- und Polizeiführer (SSPF) Warschau als Nachfolger für den ermordeten Franz Kutschera und ab Februar 1945 Befehlshaber der Ordnungspolizei (BdO) sowie SSPF Prag.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Chronologie
- 3. Oktober 1916 nach Notabitur freiwillige Meldung zur Kaiserlichen Marine als Seekadett
- Schulschiff SMS „Freya“
- Artillerie-Schulschiff SMS „Kaiserin Augusta“
- Torpedo-Schulhalbflotte
- 29. März 1917 auf das Torpedoboot „G 95“ der Zerstörer-Flottille „Flandern“ kommandiert
- Mai bis August 1917 Dienst im Schweren Korpsartillerie-Regiment 1 des Marinekorps Flandern
- August 1917 an die Marineschule Flensburg-Mürwick kommandiert
- 17. September 1917 zum Fähnrich zur See befördert
- Juli bis 30. November 1918 III. Funktechnischer- bzw. FT (Funktelegrafie-)Offizier auf dem Schlachtkreuzer SMS „Hindenburg“
- Nach der Demobilisierung entsteht eine Lücke, einer vereinzelten Quelle zur Folge, war er in der Landwirtschaft tätig, vermutlich kämpfte er, wie die große Mehrzahl seiner Offizierskameraden, bei den Freikorps; möglich ist aber auch, daß er mit der „Hindenburg“ bei der Selbstversenkung der Kaiserlichen Hochseeflotte in Scapa Flow am 21. Juni 1919 dabei war.
- 13. September 1919 bis 31. März 1920 Dienst in der Marine-Beratungsstelle des Durchgangslagers Wetzlar
- zurückkehrende Kriegsgefangene wurden für eine Wiederkehr in das Zivilleben beraten, betreut und unterstützt
- 2. Februar 1920 bei der Verabschiedung aus der Vorläufigen Reichsmarine den Dienstgrad Leutnant zur See a. D.
- nach mehreren Quellen später noch den Dienstgrad Oberleutnant zur See a. D. erhalten
- 20. Mai 1920 bis 30. Juni 1933 Zivilangestellter in der Abwicklungsstelle des Durchgangslagers Wetzlar sowie anschließend Versicherungsvertreter
- 1. Dezember 1931 Eintritt in die NSDAP (Mitgliedsnummer 761.353)
- 15. Dezember 1931 Eintritt in die SA
- SA-Mann im Stab des Sturmbann II der 81. SA-Standarte
- 14. Juli 1933 Eintritt in den Freiwilligen Arbeitsdienst
- 14. Juli 1933 bis 20. Dezember 1933 beim Arbeitsgau 18 (Niedersachsen) als Arbeitsdienst-Truppführer und schließlich Arbeitsdienst-Unterfeldmeister
- Dezember 1933 Eintritt in das Feldjägerkorps (FJK), wie die SA-Feldpolizei inzwischen hieß, als Feldjäger-Sturmführer
- 21. Dezember 1933 bis 31. März 1935 Personalreferent beim Kommando des Feldjägerkorps
- 1. April 1935 Major des Feldjägerkorps und Leiter der Abwicklungsstelle des Feldjägerkorps
- 6. Februar 1936 Sachbearbeiter für Organisation und Personalangelegenheiten der Motorisierten Gendarmerie im Stab des Reichsministerium des Innern
- 1. April 1936 zum Major der Gendarmerie befördert
- 30. Juni 1936 bis 31. Mai 1939 Sachbearbeiter für Organisation und Personalangelegenheiten der Motorisierten Gendarmerie im Kommandoamt des Hauptamtes Ordnungspolizei
- 5. März 1938 SS-Bewerber
- 1. Juli 1938 Aufnahme in die Allgemeine SS (SS-Nr. 313.910) als SS-Sturmbannführer im Stab des SS-Hauptamtes
- 25. März 1939 Oberstleutnant der Gendarmerie
- 10. Mai 1939 in den Stab des Befehlshabers der Ordnungspolizei (BdO) beim Reichsprotektor Böhmen und Mähren versetzt
- 1. Juni 1939 bis 1. Juli 1941 Abteilungsleiter im Stab des Befehlshabers der Ordnungspolizei (BdO) beim Reichsprotektor Böhmen und Mähren
- 1. Juli 1939 SS-Obersturmbannführer
- 1. August 1941 bis 13. August 1942 Leiter der Gruppe Kriminaldienst (KD) im Kommandoamt des Hauptamtes Ordnungspolizei sowie Kommandeur der Polizeikurierdienstes
- 1. November 1941 bis 8. Mai 1945 dem Stab des SS-Personalamtes unterstellt
- 7. Februar bis Mai 1942 Chef des Einsatzstabes an der Durchgangsstraße IV (Dg IV) beim Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF) Rußland-Süd
- 12. Oktober 1942 bis 30. März 1944 Leiter der Gruppe W im Kommandoamt des Hauptamtes Ordnungspolizei sowie Chef der Amtsgruppe II im Kommandoamt des Hauptamtes Ordnungspolizei
- 22. Oktober 1942 Oberst der Gendarmerie
- 9. Dezember 1942 SS-Standartenführer
- 20. April 1943 SS-Oberführer
- 3. März 1944 SSPF Distrikt Warschau
- 26. Oktober 1944 SS-Brigadeführer
- 9. November 1944 Generalmajor der Polizei
- 1. Februar 1945 Befehlshaber der Ordnungspolizei (BdO) und Generalkommandant der Uniformierten Protektoratspolizei beim Deutschen Staatsminister für Böhmen und Mähren in Prag
- 17. Februar 1945 SS- und Polizeiführer (SSPF) Prag
Nachkriegszeit
Paul Otto Geibel geriet zum Kriegsende in Prag in Kriegsgefangenschaft. Am 2. Mai 1947 verurteilte ihn der Nationale Gerichtshof in Prag routinegemäß zu fünf Jahren verschärfter Haft wegen Zugehörigkeit zur SS, versuche, Geibel unehrenhafte Handlungen oder gar Kriegsverbrechen nachzuweisen, schlugen fehl und wurden eingestellt. Nach Verbüßung seiner Strafe wurde er völkerrechtswidrig nach Polen verlegt. Dort wurde er 1954 vom Landesgericht für die Hauptstadt Warschau zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, weil er Verbrechen begangen haben soll, die während der Bekämpfung des Warschauer Aufstands begangen seien sollen. Geibel verbüßte seine Strafe im Gefängnis von Groß Strehlitz.
Das Justizverbrechen
1956 entschied die Kriminalabteilung des Landgerichts in Oppeln in geschlossener Sitzung, daß Geibel „aufgrund des tadellosen Verhaltens des Verurteilten während seiner Haftstrafe und seiner persönlichen Voraussetzungen, die darauf hinweisen, daß er trotz einer Teilstrafe keine neue Straftat begehen wird“ aus der Haft zu entlassen sei. Das Gericht erkannte wohl an, daß das Urteil von 1954 politisch motiviert war und sich nicht an Tatsachen hielt. Geibel wurde nun nach Warschau verbracht, wo er seine Entlassungspapiere erhalten sollte. Die Intervention einer Gruppe hochrangiger Offiziere der polnischen Armee führte jedoch zu einer erneuten Inhaftierung von Geibel, der nun wieder im Gefängnis von Groß Strehlitz landete. Das Landgericht in Oppeln gab jedoch nicht auf, und bestand 10 Jahre darauf, daß das Urteil zur Entlassung umgesetzt werde. 1966 war es dann soweit, eine endgültige Entlassung nach 21 Jahren Kriegsgefangenschaft und Haftstrafe stand bevor, erneut wurden Militärmachthaber der polnischen Armee aktiv und ließen ihn in das Gefängnis Mokotów nach Warschau verschleppen, wo Schwerstarbeit, Folter, schwerste hygienische Mißstände und Mangelverpflegung herrschten.
Tod
Nach der wenig glaubhaften polnischen Aktenlage des Gefängnisses Mokotów soll Paul Otto Geibel, nachdem er begriffen haben soll, daß er nie freigelassen wird, den Freitod gewählt haben. Nach anderen Quellen gehört er jedoch zu den zahllosen Opfern des Henkers-Knast – welches während der Stalinistischen Säuberungen durch die sowjetisch gesteuerte polnische Geheimpolizei, geführt vom Ministerium für Öffentliche Sicherheit, für Angst und Schrecken sorgte –, totgefoltert, totgeschlagen, ausgehungert oder einfach nur erschossen wurde.
Im Oktober 2012 wurde auf Veranlassung des Instytut Pamięci Narodowej (IPN) aus dem ersten von vielen Massengräbern eine Exhumierung von 117 Leichen auf dem Warschauer Powązki-Friedhof durchgeführt. Sie alle konnten Exekutionen im Mokotów-Gefängnis zugeordnet werden.
Familie
Geibel heiratete erstmalig am 15. Dezember 1923, die kinderlose Ehe wurde jedoch 1928 einvernehmlich geschieden. Am 11. Oktober 1930 heiratete er dann seine große Liebe Käthe Caternberg. Aus der Ehe sind sechs Kinder entsprossen, zwei Söhne und vier Töchter. Das Schicksal von Käthe Geibel bleibt ungeklärt, vermutlich wurde sie mit ihrem Mann in Prag überwältigt. Die barbarische Methoden tschechischer Banden gegenüber deutschen Frauen (Folter, Vergewaltigung, Mord) ist bekannt, es ist nur zu vermuten, was passiert ist. Auch das Schicksal der Kinder ist bis auf eines unbekannt. Erika Geibel ( 10. März 1935) war bei Kriegsende 10 Jahre. Sie studierte später auf Lehramt und übernahm nach den Zweiten Staatsexamen 1965 ihre erste Klasse im renommierten Privatgymnasium „Landschulheim Steinmühle“. Erika, verheiratete Rübsam, verstarb am 19. Dezember 1996 mit nur 61 Jahren. Sie ließ noch zu Lebzeiten am Fuße ihres Grabsteines eine Gedenkplatte zu Ehren ihrer verschollenen Eltern anbringen.
Auszeichnungen (Auszug)
- Ehrenkreuz für Frontkämpfer
- Kriegserinnerungsmedaille (Österreich) mit Schwertern
- Ungarische Weltkriegs-Erinnerungsmedaille mit Schwertern
- Kriegserinnerungsmedaille 1915/1918 mit Schwertern
- SS-Zivilabzeichen (Nr.: 172.437)
- Deutsche Olympia-Erinnerungsmedaille am 20. April 1937
- Polizei-Dienstauszeichnung für 8 Jahre am 14. Mai 1938
- Berechtigung zum Tragen der Sigrunen an der Uniform der Ordnungspolizei am 1. Juli 1938
- Julleuchter der SS im Dezember 1938
- Medaille zur Erinnerung an den 13. März 1938
- Medaille zur Erinnerung an den 1. Oktober 1938
- Dienstauszeichnung der NSDAP in Bronze, 1941
- Medaille „Winterschlacht im Osten 1941/42“
- Kriegsverdienstkreuz (1939), II. und I. Klasse mit Schwertern
- Eisernes Kreuz (1939), 2. und 1. Klasse
- 2. Klasse am 17. August 1944
- 1. Klasse am 9. Oktober 1944
- Geboren 1898
- Gestorben 1966
- Deutscher SS-Brigadeführer
- SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei
- SS- und Polizeiführer
- Polizist der Ordnungspolizei
- Angehöriger der Waffen-SS
- NSDAP-Mitglied
- SA-Mitglied
- Leutnant zur See (Reichsmarine)
- Person im Ersten Weltkrieg (Deutsches Reich)
- Person im Zweiten Weltkrieg (Deutsches Reich)
- Träger des Eisernen Kreuzes 1. Klasse
- Kriegsgefangener