Konradin
Konrad, Konradin (nach seiner Mündigkeit als Konrad V. vorgesehen; 25. März 1252 auf der Burg Wolfstein bei Landshut; 29. Oktober 1268 in Neapel) war der letzte legitime männliche Erbe aus der Dynastie der Staufer. Er war Herzog von Schwaben (1262–1268 als Konrad IV.), König von Jerusalem (1254–1268 als Konrad III.) und König von Sizilien (1254–1258 als Konrad II.). Er wurde am 29. Oktober 1268 von den Franzosen widerrechtlich und treubrüchig in Neapel hingerichtet.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
1250 vermittelte das Imperium der Staufer nach außen einen glänzenden Eindruck. Der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation Friedrich II., genannt „stupor mundi“ (das Staunen der Welt), beherrschte ein Reich, das sich von der Nordsee bis zum Mittelmeer erstreckte.
100 Jahre lang hatten die Hohenstaufer-Kaiser um die Vorherrschaft in Unteritalien, südlich des Reiches der Langobarden, gekämpft. Friedrich I. „Barbarossa“ und seine Nachkommen besaßen zwei mächtige Gegner: Oberitaliens Städte wie Mailand und Florenz, die ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit gefährdet sahen, und den Papst in Rom, dessen machthungrigen Kirchenstaat fast die Hälfte des Landes umfaßte. Erst unter Friedrich II. kam es zur Konsolidierung der deutschen Oberherrschaft.
Doch als der Kaiser Ende 1250 starb, zeigte sich schnell, wie brüchig sein politisches Gebäude war. Die Italiener außerhalb des römisch-deutschen Reichsitalien verweigerten seinem Sohn Konrad IV. zuerst die Gefolgschaft, und es brachen wieder Kämpfe aus. Am 10. Oktober 1253 eroberten seine Truppen Neapel, und mit den kaiserlichen Anhängern in Reichsitalien konnte er seine Stellung im Königreich festigen. Nachdem er Konrad IV. am 4. April zum zweiten Mal exkommuniziert hatte, mußte Papst Innozenz IV., wie schon Jahre zuvor nach Lyon, aus Rom nach Anagni fliehen und belegte den Deutschen mit einem Bannfluch. Hier wartete er die Reaktion des Halbbruders Manfred ab. Doch schon am 21. Mai 1254 starb Konrad, erst 26 Jahre alt. Auf seinem Krankenbett in Neapel hörte Innozenz IV. vom Sieg Manfreds (den er ebenso wie seinen Halbbruder Konrad IV. haßte) bei Foggia. Kurze Zeit später verstarb Innozenz IV. am 7. Dezember 1254.
Friedrichs Erbe wurde nun von dessen unehelichen Söhnen Heinz (von den Italienern Enzio genannt) und Manfred (Konradins Onkeln) verteidigt. Da die Italiener militärisch zu schwach waren, wandten sie sich um Hilfe nach Paris. Graf Karl von Anjou (Senator von Rom), Bruder des Königs von Frankreich und von Papst Alexander IV. und später von Papst Urban IV. bevorzugt, zog mit einem Heer nach Unteritalien und wurde hier 1265 zum König von Neapel und Sizilien gekrönt. Die Italiener merkten rasch, daß sie in Gestalt französischer Truppen nur die Cholera mit der Pest vertauscht hatten, aber ihre Aversion gegen die deutschen Herrscher war wohl so groß, daß sie vorerst alle Gegensätze übertünchte.
Karl gelang es, den Staufer Manfred, der im Kampf fiel, 1266 in der Schlacht von Benevent zu besiegen. Alle seine Kinder wurden ermordet. Heinz ( 1215/20; 14. März 1272), Ritter des Teutschen Reiches und von 1239 bis 1249 König von Sardinien, war auf Nimmerwiedersehen hinter Kerkermauern verschwunden.
Jetzt lebte nur noch Konrads IV. gleichnamiger Sohn, den die Italiener Corradino/Konradin (der kleine Konrad) nannten. Er war bei Manfreds Tod erst 14 Jahre alt und hielt sich am Hof seines Onkels auf, dem Bayernherzog Ludwig dem Strengen. Alle Zeitgenossen beschreiben Konradin als bildhübschen Jüngling, gewandten Ritter und anmutigen Dichter. Mit seinem Freund und Vetter Markgraf Friedrich von Baden führte er am Ufer des Bodensees oft militärische Übungen durch.
Im Oktober 1266 entschied der Augsburger Reichstag, den 14jährigen Konradin im Frühling auf Italienfahrt zu entsenden. Als Anfang 1267 zahlreiche italienische Adlige zu Konradin kamen, über das Regime der Franzosen klagten und ihn aufforderten, sein Erbe zu erkämpfen, war seine Zeit gekommen. Mit einem Reichsheer, das allerdings nur 3.000 Mann zählte, zog Konradin über die Alpen nach Verona und marschierte auf Rom. Hier wurde der deutsche Troß von den reichstreuen Italienern mit Freude empfangen und Konradin von Heinrich von Kastilien, damals Senator von Rom, herzlichst willkommen geheißen.
Am 18. November 1267 sprach Papst Clemens IV. den Kirchenbann gegen den sich nicht unterwerfenden Konradin aus. Der Italienfeldzug war trotzdem zunächst so erfolgreich, daß Konradin in Rom zum Senator gewählt wurde. Heinrich von Kastilien verstärkte nochmals Konradins Heer und schloß sich auch persönlich dem Zug an. Von Rom zog Konradin mit einem Heer von etwa 4.800 Mann und einem doppelt so großen Troß in Richtung Süden über die Abruzzen. Papst Clemens, ein gebürtiger Franzose, war zu Karl von Anjou geflohen und prophezeite:
- „Einer Rauchwolke gleich wird Konradins Unternehmen vergehen, gleich einem Opfertiere geht er zur Schlachtbank.“
In der Schlacht bei Tagliacozzo am 23. August 1268 unterlag Konradin König Karl. Er geriet in dessen Gewalt und wurde zum Tode verurteilt.
Die Ermordung
Graf Robert von Flandern schrie noch:
- „Wie darfst du frecher, ungerechter Schurke es wagen, einen so großen und herrlichen Ritter zum Tode zu verurteilen?“
Er bekam keine Antwort. Karl von Anjou lächelte nur höhnisch. Der Richtblock auf der Piazza de Mercato in Neapel erfüllte an diesem 29. Oktober 1268 seinen grausigen Zweck.
Der letzte Staufer, der, als er das Verdikt während eines Schachspiels mit seinem Freund Friedrich von Baden gehört hatte, die Partie seelenruhig zu Ende gespielt haben soll, wurde gemeinsam mit einem Dutzend (10 bis 15) deutscher Adliger (darunter Friedrich I. von Baden, Friedrich von Hürnheim, Graf Wolfrad von Veringen und seinem Marschall Konrad Kropf von Flüglingen) am 29. Oktober 1268 in Neapel enthauptet. Mit den Worten: „Mutter, welche Schreckensnachricht wirst du von mir hören!“ starb der erst 16jährige Kaisersproß Konradin von Hohenstaufen unter dem Schwert des Henkers.
Johannes von Winterthur beschrieb, daß ein Adler bei Konradins Hinrichtung auf die Richtstätte herabstürzte, seine rechte Schwinge in das Blut des Hingerichteten tauchte und in die Höhe trug. Am Platz, wo Konradins Haupt fiel, soll ein feuchter Fleck geblieben sein, der niemals trocknen will. Die Mehrzahl der Zeitgenossen faßte diese Tat als ungeheuerliches Verbrechen auf, „eine Überschreitung der Schranken, die den Völkern seit Jahrhunderten von Recht und Sitte gezogen worden waren“.
Die Gebeine von Konradin und der mit ihm ermordeten jugendlichen Gefolgsmänner wurden später in der durch Konradins Mutter Elisabeth von Bayern, einer Wittelsbacherin, erbauten Kirche Santa Maria del Carmine am Marktplatz in Neapel bestattet.
Nachspiel
Papst Clemens IV. starb genau einen Monat danach am 29. November 1268. Karl I., der neue König von Sizilien, machte sich bei den Italienern zunehmend verhaßt. Auch die Franzosen brachten die einheimische Bevölkerung durch harte Machtausübung und durch ihr als übermütig wahrgenommenes Betragen gegen sich auf. In dieser entscheidenden Situation brach am 30. März 1282 in Palermo und Corleone eine Revolte der Bevölkerung gegen die französischen Beamten aus, die schnell auf andere Städte Siziliens übergriff. Im Verlauf des Widerstandes wurden 20.000 Franzosen erschlagen, alleine mindestens 8.000 am sogenannten Tag der sizilianischen Vesper. Anjous Heer und Flotte erlitten eine schmähliche Niederlage. Er selbst mußte nach Frankreich fliehen und hat nie wieder italienischen Boden betreten.
Der Aufstand gegen die französischen Besatzer (vom byzantinischen Kaiser geschürt und finanziell unterstützt, aber auch vom Giovanni da Procida, ehemals Leibarzt von Friedrich II., entscheidend mitvorbereitet) brachte Karls Pläne zur Errichtung eines Großreichs als „Lateinisches Kaiserreich“ zu Fall. Seine Nachkommen konnten sich lediglich in Süditalien mit der Hauptresidenz Neapel behaupten, spielten aber in der Politik Europas nur noch eine untergeordnete Rolle und verzettelten sich in blutigen Intrigen untereinander.
Würdigung
Im 19. Jahrhundert wurde Konradin als Träger des deutschen Nationalgedankens verstanden. Über 100 Konradin-Dramen und -Fragmente sind seit dem 18. Jahrhundert bekannt, weiterhin zahlreiche Gedichte, Oden und andere lyrische Arbeiten und Prosatexte. 1847 ließ der damalige Kronprinz und spätere König Maximilian II. von Bayern in Neapel ein von Bertel Thorvaldsen entworfenes Monument für Konradin errichten. Seine Gebeine fanden im Sockel von Thorvaldsens Denkmal ihre letzte Ruhe.
Im Jahr 2000 wurde in der Stiftskirche des von seiner Mutter Elisabeth und deren zweitem Ehemann Meinhard II. von Görz-Tirol gegründeten Stift Stams eine Gedenkplatte eingeweiht, die an Konradin erinnert. 2002 wurde anläßlich seines 750. Geburtstages auf dem Hohenstaufen eine Stauferstele eingeweiht.
Literatur
- Heinrich Friedrich Theodor Kohlrausch, Heinrich Schneider: Bildnisse der deutschen Könige und Kaiser. Von Karl dem Großen bis Franz II. nach Siegeln, Münzen, Grabmälern, Denkmälern und Original-Bildnissen gezeichnet; nebst charakteristischen Lebensbeschreibungen derselben, Erste Abtheilung in 8 Heften von Karl dem Großen bis Maximilian I., 1844 (PDF-Datei)
- Martin Greif: Konradin, der letzte Hohenstaufe – Trauerspiel in fünf Akten (Netzbuch und einzelne Seiten als PDF-Datei speicherbar)
Konrad I. • Heinrich I. • Otto I. der Große • Otto II. • Otto III. • Heinrich II. • Konrad II. • Heinrich III. • Heinrich IV. • Heinrich V. • Lothar von Süpplingenburg • Friedrich I. Barbarossa • Heinrich VI. • Philipp von Schwaben • Otto IV. von Braunschweig • Friedrich II. Roger • Heinrich VII. (Stauferkönig) • Konrad IV. • Konradin • Heinrich Raspe • Wilhelm von Holland • Alfons der Weise • Richard von Cornwall • Rudolf von Habsburg • Adolf von Nassau • Albrecht I. • Heinrich VII. • Friedrich der Schöne • Ludwig IV. der Bayer • Karl IV. • Wenzel • Ruprecht • Sigismund • Albrecht II. • Friedrich III. von der Steiermark • Maximilian I. • Karl V. • Ferdinand I. • Maximilian II. • Rudolf II. • Matthias • Ferdinand II. • Ferdinand III. • Leopold I. • Joseph I. • Karl VI. • Karl VII. Albrecht • Franz I. Stephan • Joseph II. • Leopold II. • Franz II.