Kretschmer, Otto
Otto Wilhelm August Kretschmer ( 1. Mai 1912 in Heidau; 5. August 1998 in Straubing) war ein deutscher Offizier der Reichsmarine und der Kriegsmarine, zuletzt Fregattenkapitän, Schwerterträger (erste Verleihung der Marine und der U-Bootwaffe) und erfolgreichster U-Boot-Kommandant im Zweiten Weltkrieg mit 16 Feindfahrten sowie Offizier der Marine der Bundeswehr.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Otto Kretschmer wurde als Sohn eines Lehrers in Heidau/Liegnitz geboren. Er besuchte die Volksschule seines Vaters und anschließend eine Staatliche Bildungsanstalt.
Marine
Kretschmer, der nach dem Abitur mit 17 Jahren anschließend acht Monate Englisch und Literatur an der Exeter University in England, aber auch in Frankreich und Italien studierte, trat am 1. April 1930 in die Reichsmarine ein (Crew 1930) und wurde auf dem Segelschulschiff „Niobe“ und dem Leichten Kreuzer „Emden“ ausgebildet. Es folgte ein Bordkommando auf dem Leichten Kreuzer „Köln“. Im Januar 1936 wechselte er zur U-Boot-Waffe.
Von Mai bis Oktober 1936 war er als Offizier der 2. Kompanie in der Unterseebootsschule. Anschließend ging er als Wachoffizier zur U-Boot-Flottille „Saltzwedel“, erhielt seine Baubelehrung auf der Germania-Werft in Kiel und war anschließend Verfügungskommandant auf U 35. Als solcher nahm er an Einsätzen im Spanischen Bürgerkrieg teil zur Unterstützung der Legion Condor. Am 1. Oktober 1937 wurde er als Oberleutnant zur See Kommandant von U 23.
Zweiter Weltkrieg
Von Oktober 1937 bis zum April 1940 befehligte er U 23 (IIB). Mit diesem sogenannten Einbaum versenkte er insgesamt acht Schiffe mit 24.899 BRT, um anschließend seine größten Erfolge als Kommandant von U 99 (VIIB) zu erzielen. Unter Kretschmers Kommando wurden 47 feindliche Handelsschiffe und Transporter sowie ein Zerstörer (HMS „Daring“) versenkt. Dazu kamen noch drei Hilfskreuzer. Insgesamt beliefen sich seine Versenkungen auf 274.418 Bruttoregistertonnen.
Den letzten großen Sieg erlangte U 99 (VIIB) am 7. März 1941 durch die Versenkung des Walfangschiffes „Terje Viken“ mit 20.638 BRT. Auf dieser Feindfahrt ging U 99 am 17. März 1941 im isländischen Raum bei einer Geleitzugsschlacht verloren. Bei einem Wasserbombenangriff durch den Royal Navy Zerstörer HMS „Walker“ wurde die Schiffsschraube des Bootes beschädigt. Durch diesen Schaden wurde Kretschmers Boot zum auftauchen gezwungen. Der letzte Funkspruch von U 99 an den BdU lautete:
- „Zerstörer-Wasserbomben-53000 BRT-gehe in Gefangenschaft-Kretschmer-U-99“
Dann gab er den Befehl zur Versenkung von U 99. Die Besatzung ging bis auf drei Mann in die britische Kriegsgefangenschaft (später wurde er nach Kanada verbracht). An dieser Geleitzugsschlacht waren auch noch weitere U-Boote eines Wolfsrudel beteiligt; unter anderem U 100 (VIIB), daß von Kapitänleutnant Joachim Schepke befehligt wurde. Schepke, der auch zu den erfolgreichsten U-Bootfahrern der deutschen Kriegsmarine gehörte, fand während dieser Schlacht den Seemannstod.
Wehrmachtberichte
- Ein Unterseeboot unter Führung von Kapitänleutnant Kretschmer hat auf einer Fernfahrt sieben bewaffnete feindliche Handelsschiffe mit 56 118 BRT versenkt, darunter drei in Geleitzügen fahrende Tanker. Damit hat dieses Unterseeboot bisher insgesamt 117 367 BRT feindlichen Handelsschiffsraums und den britischen Zerstörer „Daring“ versenkt. (3. August 1940)
- [...] An diesen Erfolgen ist das unter Führung des Kapitänleutnants Frauenheim stehende Unterseeboot mit zehn Dampfern von 51 000 BRT, das Unterseeboot des Kapitänleutnants Kretschmer mit sieben Dampfern von 45 000 BRT, das Unterseeboot des Kapitänleutnants Moehle mit sieben Dampfern von 44 050 BRT beteiligt. (19. Oktober 1940)
- Das unter Führung von Kapitänleutnant Kretschmer stehende Unterseeboot hat die beiden britischen Hilfskreuzer „Laurentic“ von 18 724 BRT und „Patroclus“ von 11 314 BRT sowie das bewaffnete britische Handelsschiff „Casanare“ von 5 376 BRT versenkt. Mit diesem Erfolg hat Kapitänleutnant Kretschmer ein Gesamtversenkungsergebnis von 217 198 BRT erzielt und somit als zweiter Unterseebootkommandant mehr als 200 000 BRT vernichtet. (4. November 1940)
- Der soeben mit seinem Unterseeboot zurückgekehrte Kapitänleutnant Kretschmer versenkte auf dieser Fahrt gegen den Feind 34 935 BRT feindlichen Handelsschiffraum. Damit hat dieser Offizier eine Gesamtversenkungsziffer von 252 100 BRT erreicht und als erster Unterseebootkommandant die 250 000-BRT-Grenze überschritten. In dieser Versenkungsziffer sind drei feindliche Hilfskreuzer und der britische Zerstörer „Daring“ enthalten. (17. Dezember 1940)
- Die von Korvettenkapitän Kretschmer und Kapitänleutnant Schepke geführten Unterseeboote sind von Feindfahrt nicht zurückgekehrt. Beide Boote waren kürzlich unter schwierigsten Bedingungen durchgeführten Vernichtungen von feindlichen Geleitzügen maßgeblich beteiligt und haben hierbei ihre Gesamterfolge beträchtlich erhöht. Korvettenkapitän Kretschmer hat nunmehr neben der Vernichtung von drei feindlichen Zerstörern – davon zwei während seiner letzten Unternehmung – insgesamt 313 611 BRT, darunter die Hilfskreuzer „Laurentic“, „Patroklus“ und „Forfar“, Kapitänleutnant Schepke 233 971 BRT feindlichen Schiffraums versenkt. Die beiden Kommandanten, in Anerkennung ihrer hervorragenden Dienste im Freiheitskampf des deutschen Volkes mit dem Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet, haben mit ihren tapferen Besatzungen unvergänglichen Lorbeer errungen. Ein Teil der Besatzung, unter ihnen Korvettenkapitän Kretschmer, geriet in Gefangenschaft. (25. April 1941)
Tonnagekönig
Otto Kretschmer versenkte insgesamt 47 Schiffe mit 272.282 BRT und beschädigte fünf Schiffe mit 37.965 BRT (zwei davon mit 15.513 BRT galten als Totalverlust). Diese Zahl blieb trotz seiner frühen Gefangennahme bis zum Ende des Krieges unerreicht. Er gilt deshalb als der Tonnagekönig des Zweiten Weltkrieges, gleich nach ihm rangiert Wolfgang Lüth.
Der Tonnage nach insgesamt, einschließlich dem Ersten Weltkrieg, steht an erster Stelle Kapitänleutnant Lothar von Arnauld de la Periére mit über 400.000 Tonnen vor Kapitänleutnant Forstmann mit 380.000 Tonnen und Kapitänleutnant Max Valentiner mit 300.000 Tonnen. Alle drei haben den größten Teil ihrer Erfolge im Mittelmeer errungen. Hinsichtlich der Anzahl versenkter Schiffe steht der Flandernkommandant Kapitänleutnant Steinbrinck an führender Stelle mit 216 Schiffen.
Kretschmer machte, im Gegensatz zu Joachim Schepke und Günther Prien, über seine Erfolge nie viel Aufhebens und trat auch in der Propaganda kaum in Erscheinung. Man nannte ihn deshalb „Otto den Schweigsamen“. Ein recht bekannter Satz charakterisiert die Kapitäne Kretschmer, Günther Prien und Joachim Schepke wie folgt: Prien sei der berühmteste, Schepke der beim Volk beliebteste und Kretschmer der erfolgreichste aller U-Boot-Kapitäne gewesen.
U-Boot-Kapitäne waren im Zweiten Weltkrieg angewiesen, aus einer Entfernung von rund 3.000 Metern eine Salve von vier bis sechs Torpedos auf ihr Ziel abzufeuern. Kretschmer hatte seine eigene Taktik entwickelt. Sein Wahlspruch war: „Ein Torpedo, ein Schiff.“
Kretschmer zog sich während des Zweiten Weltkriegs mehrmals den Zorn seiner Vorgesetzten zu, weil er Funkverkehr haßte. Seiner Meinung nach gab es viel zu viel Funkverkehr mit U-Booten. Er vermutete, daß die Alliierten die verschlüsselten Kodierungen der Deutschen Marine knacken konnten. Dieses Verhalten brachte ihm den Spitznamen „Leiser Otto“ ein.
Die höchste Anerkennung auch bei seinen Gegnern im Zweiten Weltkrieg gewann Kretschmer durch seine herausragenden Fähigkeiten. In Kretschmers Kriegsgefangenschaft führte im Jahre 1941 der Anti-U-Boot-Chef der britischen Admiralität, Kapitän George Creasy, ein persönliches Gespräch mit Kretschmer. Die Erinnerung Creasys an dieses Gespräch veröffentlichte die englische Tageszeitung „The Daily Telegraph“ am 22. August 1998 in einem achtspaltigen Nachruf zum Tod von Otto Kretschmer auszugsweise:
- „Ich war gespannt, selbst zu urteilen, was für ein Typ von Mensch ein erfolgreicher U-Boot-Kapitän wohl ist. Ich sah einen jungen und offensichtlich selbstbewußten Kommandanten, der sich angesichts der schwierigen Umstände seiner Gefangenschaft durch Selbstachtung, Bescheidenheit und Höflichkeit auszeichnete. Seine Laufbahn war Beweis seiner Tapferkeit und seines Scharfsinns. Sein Auftreten und Benehmen waren die eines Offiziers und Kavaliers [Gentleman]. Als er mich nach dem Gespräch verließ, hoffte ich aufrichtig, daß es bei den Deutschen nicht zu viele Männer wie Kretschmer geben möge.“
Nachkriegszeit
Die Gefangenschaft endete für Kretschmer nach über sechseinhalb Jahren am 31. Dezember 1947. Nach seiner Entlassung studierte er Jura und wurde kurz danach der Präsident des Deutschen Marinebundes.
1955 trat er in die neu gebildete Deutsche Marine der Bundeswehr ein. Bevor er ab 1970 in den Ruhestand ging, war sein letzter Rang Flottillenadmiral. Danach arbeitete er auf eigenen Wunsch in führenden Positionen der NATO, bis er sich entschied, in der Industrie und als Schifffahrtsachverständiger seine Karriere zu beenden.
Tod
Flottillenadmiral a. D. Otto Kretschmer verstarb 1998 im Alter von 86 Jahren in Straubing nach einem Unfall während einer Flußkreuzfahrt mit seiner Gemahlin Liselotte zur Feier des 50. Hochzeitstag.
- „Otto Kretschmer starb als Flottillenadmiral a. D. am 05.08.1998 im Klinikum St. Elisabeth. Er befand sich nach Auskunft von Staatsanwalt Horst Böhm auf einer Urlaubs-Kreuzfahrt auf der Donau von Regensburg nach Budapest. Beim Besteigen einer fast senkrechten Personaltreppe des Passagierschiffs sei der sehr rüstige 86jährige am Sonntag, 02.08.1998, um 14.30 Uhr gestürzt und habe sich schwerste Kopfverletzungen zugezogen. Am Mittwoch, 05.08.1998, um 3 Uhr erlag Kretschmer seinen schweren Verletzungen im Klinikum St. Elisabeth. Da die Angehörigen in aller Stille von Otto Kretschmer Abschied nehmen wollten, gelangten nur spärliche Informationen an die Öffentlichkeit. Zudem ermittelt noch heute der Staatsanwalt in der Frage, ob alle Sicherheitsbestimmungen auf dem Passagierschiff eingehalten wurden.“ — STRAUBINGER RUNDSCHAU vom Donnerstag, 10.09.1998, Seite 28[1]
Familie
Otto Kretschmer heiratete am 5. August 1948 Dr. Luise-Charlotte „Liselotte“ Mohnsen-Hinrichs ( 28. August 2000 in Aurich), die Witwe des am 21. September 1943 auf Korsika gefallenen[2] Sanitätsoffiziers und Oberarztes Dr. Hans-Eggert Mohnssen-Hinrichs ( 7. März 1910).[3]
Beförderungen
- 1. April 1930 Offizieranwärter
- 9. Oktober 1930 Seekadett
- 1. Januar 1932 Fähnrich zur See
- 1. April 1934 Oberfähnrich zur See
- 1. Oktober 1934 Leutnant zur See
- 1. Juni 1936 Oberleutnant zur See
- 1. Juni 1939 Kapitänleutnant
- 1. März 1941 Korvettenkapitän
- 1. September 1944 Fregattenkapitän
- 12. Dezember 1958 Kapitän zur See
- 15. Dezember 1965 Flottillenadmiral
Auszeichnungen (Auszug)
- Wehrmacht-Dienstauszeichnung, IV. Klasse am 2. Oktober 1936
- Medaille zur Erinnerung an die Heimkehr des Memellandes am 26. Oktober 1939
- Medaille zur Erinnerung an den 1. Oktober 1938 am 20. Dezember 1939
- Eisernes Kreuz (1939) 2. und 1. Klasse
- 2. Klasse am 17. Oktober 1939
- 1. Klasse am 17. Dezember 1939
- U-Boot-Kriegsabzeichen (1939) in Gold mit Brillanten
- Kriegsabzeichen am 9. November 1939
- Brillanten 1941
- Fünfmalige Namentliche Nennung im Wehrmachtbericht
- Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes mit Eichenlaub und Schwertern
- Ritterkreuz am 4. August 1940 als Kapitänleutnant und Kommandant U-99
- Eichenlaub (6. Verleihung; 2. Verleihung der Marine) am 4. November 1940 als Kapitänleutnant und Kommandant U-99
- Schwerter (5. Verleihung; 1. Verleihung der Marine) am 26. Dezember 1941 als Korvettenkapitän und Kommandant U-99 (in Abwesenheit)
Siehe auch
- Die erfolgreichsten deutschen U-Boot-Kommandanten des Zweiten Weltkrieges
- Deutsche U-Boote im Zweiten Weltkrieg
Literatur
- Bodo Herzog: „Otto Kretschmer - Der erfolgreichste U-Boot-Kommandant des Zweiten Weltkrieges 1939-1945.“, Patzwall-Verlag, ISBN 978-3931533441
- Röll Busch Der U-Boot-Krieg (Band 1) Die deutschen U-Boot-Kommandanten, Mittler-Verlag 1996, ISBN 3813205096
Verweise
- Kretschmer, Otto, Lexikon der Wehrmacht (kurzer Lebenslauf)
Fußnoten
- Geboren 1912
- Gestorben 1998
- Deutscher U-Boot-Kommandant im Zweiten Weltkrieg
- Deutscher Flottillenadmiral
- Flottillenadmiral (Marine der Bundeswehr)
- Marineoffizier
- Leutnant (Reichswehr)
- Fregattenkapitän (Kriegsmarine der Wehrmacht)
- Träger des U-Boot-Kriegsabzeichens mit Brillanten
- Träger des Ritterkreuzes des Eisernen Kreuzes mit Eichenlaub und Schwertern
- Erwähnung im Wehrmachtbericht
- Militärperson (NATO)
- Kriegsgefangener
- Ritterkreuzträger der Bundeswehr