Wissmann, Hermann von (1895)

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Prof. Dr. phil. Dr. phil. h. c. Hermann Sedan von Wissmann, der zuweilen als „der Jüngere“ und „junior“ geführt wird.

Hermann Sedan von Wissmann (auch: Wißmann; Lebensrune.png 2. September 1895 Haus Etzweiler bei Elsdorf, Rheinprovinz; Todesrune.png 5. September 1979 in Kaprun im Bezirk Zell am See, Bundesland Salzburg) war ein deutscher Offizier des Deutschen Heeres sowie promovierter Geograph, Karstmorphologe, Forschungsreisender und Hochschulprofessor.

Werdegang

Hermanns Eltern
Spruchkammerurteil (Entlasteter)
Verleihung des Ehrendoktorats an Prof. Dr. von Wissmann in Wien am 5. Mai 1976
Schriften von und Literatur über Hermann von Wissmann; ein umfangreicher Teilnachlaß befindet sich in der Universitätsbibliothek Tübingen, ein weiterer Teilnachlaß im Leibniz-Institut für Länderkunde in Leipzig.
1982 posthum erschienen

Lexikon der Geographie

Sein Vater war ein berühmter Afrikaforscher und später Reichskommissar und Gouverneur von Deutsch-Ostafrika. 1899 zogen seine Eltern nach Liezen im steirischen Ennstal. Beim Ausbruch des 1. Weltkrieges unterbrach Wissmann im 2. Semester das Studium der Geographie und Botanik in Jena und meldete sich als Kriegsfreiwilliger. 1915 kam er zur Fliegertruppe und 1917 wurde er bei einem Beobachtungsflug über Flandern abgeschossen und schwer verletzt. 1919 setzte er das Studium zuerst in Gießen und 1920-24 in München fort. 1924 wurde er mit einer von Drygalski betreuten Dissertation über ‚Das Mitter-Ennstal‘ promoviert; diese Arbeit gilt als Musterbeispiel einer landeskundlichen Monographie. 1926-28 war er Hilfsassistent bei Hans Meyer am kolonialgeographischen Seminar in Leipzig. Im Winter 1927/28 führte er mit C. Rathjens sen. eine Expedition nach Saudi-Arabien und in das Landesinnere des ‚verbotenen‘ Jemen durch. Ab diesem Zeitpunkt wurde Arabien zu seinem wichtigsten Forschungsgebiet. 1929-1931 war er Assistent bei Oberhummer in Wien. Im Frühjahr 1931 unternahm er mit dem Holländer Daan van der Meulen unter abenteuerlichen Bedingungen eine Expedition in das Europäern weitgehend verschlossene Hadramaut und erneut nach Jemen. Eines der Ergebnisse war die Karte von Hadramaut 1:250.000. 1931-1937 erhielt er eine Völkerbundprofessur für Geographie an der staatlichen Zentraluniversität in Nanking (China). Von dort unternahm er 1934-35 eine zehnmonatige Reise durch das tropische Yünnan. 1935 wurde er während eines Europaaufenthaltes mit einer gemeinsam mit C. Rathjens verfassten Arbeit über die Ergebnisse seiner Jemenreise von 1927/28 an der Universität Wien habilitiert. Der 1937 von der chinesischen Regierung ausgesprochenen Einladung, ein Forschungsinstitut für Geographie an der Academia Sinica zu gründen, konnte er wegen des ausgebrochenen Kriegs mit Japan und einer schweren Erkrankung nicht nachkommen. Er kehrte nach Deutschland zurück und übernahm 1938 die damals einzige Professur für Geographie in Tübingen. Zwei weitere Expeditionen nach Süd-Arabien unternahm er 1939 mit seiner Frau Bettina und seinem Assistenten H. v. Wasielewski und 1958/59 mit van der Meulen, dessen Sohn und A. Leidlmair. Die anschließend erstellte ‚Map of South Arabia‘ (1:500.000) ist bis heute die wichtigste Karte des Landes. Wissmann gilt als einer der letzten Vertreter der klassischen geographischen Feldforschung und Entdeckungsreisen. Trotz seiner Gehbehinderung hat er in langen Karawanenreisen und in beschwerlichen Fußmärschen Gebiete durchquert und kartographisch aufgenommen, die vorher noch kein Europäer gesehen hatte. Arabien und China, Klima, Morphologie und Vegetation, sowie die Historische Geographie von Arabia Felix waren seine wichtigsten Arbeitsgebiete. Der geniale und auch künstlerisch begabte Forscher wurde in die Akademien von Halle, Wien und Mainz aufgenommen und erhielt viele Auszeichnungen.“[1]

Chronologie

  • 1895 am Sedantag geboren
    • die ersten Lebensjahre, als sein Vater noch als Gouverneur in Deutsch-Ostafrika verweilte, verbrachte er auf Gut Etzweiler beim Großvater, dem wohlhabenden Zuckerfabrikanten und Geheimen Kommerzialrat Eugen Langen.
  • 1899 Umzug mit der Familie nach Weißenbach bei Liezen in der Steiermark auf das vom Vater gekaufte Anwesen „Langpolten“, das fortan „Wissmanngut“ heißen sollte.
    • In der Folge von Privatlehrern unterrichtet; nach dem Tod des Vaters 1905 Besuch des Großherzogliche Realgymnasium in Darmstadt.
  • 1914 Abitur in Darmstadt
  • 1914 Studium der Geographie bei G. von Zahn und Botanik bei E. Stahl in Jena
  • Erster Weltkrieg
    • 1914 Meldung als Kriegsfreiwilliger
    • Januar 1915 Eintritt in ein Ulanen-Regiment in Hannover
    • Herbst Versetzung zur Fliegertruppe, Ausbildung zum Beobachter und MG-Schütze; Feindflüge an der Westfront
    • April 1917, inzwischen zum Leutnant der Reserve befördert, über Ypern mit seinem Flugzeugführer abgeschossen und schwer verwundet. Zur Vermeidung einer Amputation wurde eine Knieresektion[2] durchgeführt, was zeit seines Lebens zu einem Hinken führte.
    • Lazarettaufenthalte in Brügge, dann Köln; anschließend Entlassung aus dem Militärdienst; Heimkehr zu seiner Mutter und seinen Schwestern auf dem Gut Weißenbach bei Liezen.
  • Mitte 1919 Studium der Geographie bei W. Sievers in Gießen
  • 1920 bis 1924 Studium der Geographie bei E. von Drygalski und K. Haushofer, der Botanik bei K. von Goebel und der Geologie bei E. Kaiser in München
  • 1924 Promotion bei E. von Drygalski in München mit der länderkundlichen Arbeit „Das mittlere Ennstal“
    • 1927 in Stuttgart mit dem Titel „Das Mitter Ennstal“ veröffentlicht.
  • 1925 bis 1928 Hilfsassistent im Kolonialgeographischen Seminar von Hans Meyer an der Universität Leipzig
  • 1929 Annahme der österreichischen Staatsbürgerschaft
  • 1929 bis 1931 Assistent von Eugen Oberhummer am Geographischen Institut an der Universität Wien
  • 1931 bis 1937 noch ohne Habilitieren auf die Stelle einer vom Völkerbund geschaffenen Professur an der Nationalen Zentral-Universität in Nanking, China berufen.
    • Dortselbst unternimmt er zahlreiche Geländefahrten, auf denen er topographische Aufnahmen durchführt und klimatische, pflanzengeografische, karstmorphologische und quartärgeologische Bedingungen untersucht, insbesondere 1933 Erforschung des tropischen Karstphänomens im Turmkarstgebiet um Guilin in Südchina und 1934–35 in der Halong-Bucht in Vietnam.
    • Frühjahr 1935 im Rahmen seines Urlaubs Rückkehr nach Wien; Habilitation mit einer länderkundlichen Arbeit bei Hugo Rudolf Franz Hassinger (1877–1952)
    • 1936 von der „Academia Sinica“ den Auftrag erhalten, in Nanking ein geographisches Forschungsinstitut aufzubauen.
    • 1937 Hochzeit in Schanghai; kurz darauf reiste von Wissmann mit seiner Gemahlin nach Deutschland zurück.
  • November 1937 im Tübinger Tropen-Genesungsheim
    • zur selben Zeit Eintritt in die NSDAP
  • 1938 nach der Gesundung, und der Fürsprache von Franz Hueber, Berufung auf das Ordinariat für Geographie an der Universität Tübingen als Nachfolger von Carl Uhlig (1872–1938).
    • nach Kriegsende Wiederanknüpfung an seine Forschungen zur Arabischen Halbinsel
    • 1948 Ablehnung einer Berufung als Nachfolger von Hugo Hassinger an den Lehrstuhl für Geographie an der Universität Wien
  • 1958 Emeritierung
  • 1976 Ehrendoktor der Philosophischen Fakultät der Universität Wien[3]

Familie

Hermann war der Sohn des Afrikaforschers, Reichskommissars und Gouverneurs von Deutsch-Ostafrika Major Dr. h. c. Hermann von Wissmann (1853–1905) und dessen Gemahlin Hedwig, geb. Langen (1867–1949). Er hatte drei Schwestern und zu ihnen, aber vor allem zu seiner Mutter eine sehr enge Beziehung. Der Vater schrieb am 24. September 1901 an seinen treuen Freund Rochus Schmidt:

„Obgleich ich auf meinen Sohn hierdurch keineswegs einen Druck ausüben will, so möchte ich ihm doch zu wissen geben, daß es mein Wunsch ist, ihn Naturwissenschaften studieren zu sehen. Ich möchte durchaus nicht, daß er ein ‚Gelehrter‘ (ein trockener Bücherwurm) wird, sondern möchte ihm durch dies Studium den höchsten Genuß des Lebens, die Freude an der Natur, recht zugänglich machen, ihn in möglichst unabhängiger Stellung sehen. Nur wenn er ein nicht durch den Reserveoffizier zu stillendes militärisches Interesse hat, möge er Berufssoldat werden, oder, wenn er sich für Geschichte interessiert, Geschichtsforscher, und vielleicht, durch dies Interesse angeregt, Diplomat werden, vielleicht auch Staatswissenschaftler.“

Ehe

Professor Dr. phil. von Wissmann heiratete 1937 in Schanghai die an der Universität Wien promovierte Geographin und Lehrerin Dr. phil. Bettina Freiin von Rinaldini (1896–1980). Die Ehe blieb kinderlos, allerdings adoptierte das Paar Antonia Maierhöfer, die 1979 während eines Bergurlaubs im Mallnitzer Tauerntal verstarb.

Mitgliedschaften

  • Mitglied der Academia Sinica, 1936
  • Korrespondierendes Mitglied der Leopoldina in Halle, 1940
  • Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz
  • Korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien, 1955
  • Ehrenmitglied der Geographischen Gesellschaft München
  • Ehrenmitglied der Geographischen Gesellschaft Wien

Auszeichnungen (Auszug)

Literatur

  • Adolf Leidlmair: Hermann von Wissmann-Festschrift, Selbstverlag des Geographischen Instituts der Universität Tübingen, 1962 (384 Seiten)

Fußnoten

  1. Wissmann, Lexikon der Geographie, 2001
  2. Wissmann (auch Wißmann), Hermann Sedan von, in: Johannes Mattes, „Wissenskulturen des Subterranen“, Vandenhoeck & Ruprecht, 2019, S. 548–551
  3. Wissmann, von, Hermann, Landesarchiv Baden-Württemberg