Lagoda, Max
Max Lagoda ( 23. Januar 1920 in Hamm, Stadtteil Bockum-Hövel; 1. April 2016) war ein deutscher Unteroffizier der Wehrmacht, zuletzt Oberfeldwebel der Luftwaffe, Bordfunker sowie Bordschütze der Fernaufklärer und Träger des Deutschen Kreuzes in Gold im Zweiten Weltkrieg. Lagoda absolvierte als Besatzungsmitglied einer Ju 88 mehr als 260 Frontflüge,[1] darunter 161 Fernaufklärereinsätze mit dem Langstrecken-Aufklärer Ju-88 D, die bis zu 12 Stunden dauerten. Er überlebte zahlreiche Abschüsse und Abstürze.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Max Lagoda wurde am 1920 in Hamm, Stadtteil Bockum-Hövel geboren. Sein Vater ( 5. Mai 1894) war Veteran des Ersten Weltkrieges, Unteroffizier bei den Pionieren und Ritter des Eisernen Kreuzes II. Klasse. Bereits in seiner Schulzeit beschäftigte sich Max mit dem Modellbau von Segelflugzeugen. Er besuchte die Volksschule und machte dann eine technische Ausbildung.
Reichsarbeitsdienst
Von Oktober 1938 bis März 1939 dauerte seine Zeit beim Reichsarbeitsdienst in Lachen-Speyerdorf (Pfalz), dann wurde er Kriegsfreiwilliger der Luftwaffe.
Zweiter Weltkrieg
Am 1. April 1939 wurde Lagoda Soldat der Wehrmacht und kam zur 6. Kompanie (Fernsprech-Bau)/Luftnachrichten-Regiment 2 (Luftnachrichten-Bau-Abteilung) nach Münster-Gremmendorf, anschließend kam er zur Funker-Schulung an die Luftwaffennachrichtenschule in Halle und an die LNS in Königgrätz). Am 1. April 1940 wurde er zum Gefreiten befördert, am 23. April 1940 erfolgte der erste Übungsflug. Am 31. August 1940 war die Ausbildung mit 19 Übungsflüge abgeschlossen. Er wollte eigentlich zur Stuka-Waffe und Bordfunker auf einer Junkers Ju 87 werden, seine Ausbilder erkannten jedoch das hohe technische Wissen und schlugen ihn für die Fernaufklärer vor.
Nun kam er mit 20 weiteren begabten Funkern zur Ausbildung als Fernaufklärer mit der Dornier Do 17 P (20 Übungsflüge) an die Aufklärer-Schule nach Gotha (der Fernaufklärerschule Großenhain unterstellt) und im Dezember 1940 kam er nach Wien-Aspern an die Blindflugschule 4, wo weitere 17 Flüge erfolgen sollten. Im Januar 1941 legte er die Prüfung zum Bordfunker- und -schütze erfolgreich ab, im Ende Januar / Anfang Februar 1941 wurde er zur Ergänzungsaufklärungsgruppe Oberbefehlshabers der Luftwaffe nach Döberitz kommandiert.
„Ran an den Feind“
Am 5. Mai 1941, nach insgesamt 76 Übungsflüge, wurde er zur Frontstaffel – 2. Fernstaffel/Aufklärungsgruppe Ob.d.L. – auf dem Flughafen Paris-Orly (Französischer Staat) versetzt. Am 6. Mai 1941 ging es per Marschbefehl in Richtung Frankreich, nach Paris per Bahn. Die Besatzung wurde zu Hauptmann Klinkicht befohlen. Es gab letzte Anweisungen für den bevorstehenden Fronteinsatz. Der Flugzeugführer Leutnant Walter Froschauer aus Innsbruck traf erst nach ein paar Tagen Urlaub in Paris ein. Mit dem Beobachter Feldwebel Alfred Pohl, einem Lübecker, machte sich Lagoda auf den Weg. Unterwegs ließ er seine Privatsachen bei seinen Eltern. In Paris, nach scheinbar endloser Bahnfahrt angekommen, meldeten sie sich telefonisch und die Fahrbereitschaft der neuen Einheit – 2.(F)/Ob.d.L., Feldpost-Nummer L 14354, Luftgaupostamt Paris – schickte sofort einen Pkw zum Bahnhof heraus. Am 13. Mai 1941 absolvierte er mit Flugzeugführer Feldwebel Erwin Heinemann seinen ersten Flug, ein Werkstattflug. Zuvor hatte es eine Begrüßung und Belehrung durch den Kapitän der 2. Staffel, Hauptmann Klaus Pritzel gegeben. Wörtlich sagte er:
- „Hier im Ausland ist vieles anders. Wir sind für die Franzosen Feinde, aber wir verhalten uns freundlich und korrekt.“
Die Staffel war mit Ju 88 und Dornier Do 215 ausgerüstet. Da er zu den frischen Besatzungen gehörte, kam er nicht für die anspruchsvollen Aufklärungsflüge über Großbritannien in Frage. Die Staffel wurde Anfang Juni 1941 nach Ostpreußen, nach Insterburg verlegt.
Er wurde bei der 2.(Fern)/Aufklärungsgruppe Ob.d.L. (2. Staffel/Aufklärungsgruppe F(ern)/Oberbefehlshaber der Luftwaffe) 1941 am zweiten Tag des Kriegsbeginns gegen Rußland im Raum Riga, östlicher Ostseeraum und Leningrad eingesetzt, um Schiffsverkehr, Flugplätze und Häfen des feindes aufzuklären. Nach erheblichen Verlusten wurde diese Einheit zur Wiederauffrischung nach Deutschland verlegt und im Frühjahr 1942 wieder in Rußland, diesmal im Südabschnitt, eingesetzt.
Lagoda flog Fernaufklärereinsätze bis in den Nahen Osten (Iran und Irak). Am 29. Juni 1941 erzielte er mit seiner Bordwaffe (Maschinengewehr) seinen einzigen bestätigten Abschuß als Bordschütze gegen ein Jagdflugzeug des Feindes, einer Polikarpow I-16 der Roten Luftwaffe. Ende 1942 erfolgte die Rückverlegung in den Stalingrader Einsatzraum bis zu seiner fliegerischen Versetzung aus der Ukraine nach Deutschland. Am 4. Februar 1943 absolvierte die 2.(F)/100 den 1000. Fernaufklärungsflug.
Schlacht im Kursker Bogen
Seinen letzten Einsatz erlebte er beim Unternehmen „Zitadelle“, der Panzerschlacht um Kursk, die die Besatzung aufklären und fotografieren mußte. Über 8000 Meter unter ihm lag das gewaltigste Schlachtfeld, das die Menschheit je gesehen hat:
- „Aber eine solche Schlacht hatte ich nie zuvor gesehen! Die ganze Gegend stand in Flammen, aus riesigen Panzergräben quoll der Rauch. Die Felder waren übersät mit brennenden Panzern, zerschossenen Fahrzeugen. Schrecklich, sich vorzustellen, wie viele Kameraden da unten jetzt sterben würden. [...] Es war unglaublich: Die Russen schoben immer neue Einheiten nach. Ich sah endlose Reihen von Panzern, Infanterie, schweren Geschützen.“
Die Junkers schoß immer wieder aus den Wolken nach unten, raste im Tiefflug direkt über die Stellungen der Sowjets hinweg. Lagoda notierte, was er sah. Sein Kamerad an der Präzisionskamera knipste im Sekundentakt Fotos.
- „Das war extrem gefährlich. Sowjetische Jagdbomber beschossen uns von überall. Vom Boden her nahmen uns Flugabwehrkanonen ins Visier. Sogar Soldaten der Bodentruppen legten sich auf den Rücken und feuerten mit MGs auf uns. Ständig bekamen wir Treffer ab.“
Alle Daten steckte Lagoda sofort in eine Meldebüchse und warf sie über deutschen Gefechtsständen ab.
- „Die Büchse segelte mit sichtbarem weißen Rauchschweif zu Boden, wurde unten geöffnet und ausgewertet.“
Letzter Feindflug an der Ostfront
Bei seinem letzten Flug wünschte sich Max Lagoda vom Flugzeugführer, den Dnjepr-Staudamm (Elektrizitätswerk) in Saporoshje anzufliegen. Dies sollten seine letzten Fotoaufnahmen in Rußland sein. Spritmangel gab es noch nicht. Mehrmals im Tiefflug umrundete die Maschine den Staudamm, der von den Russen beim Rückzug zerstört, von den Deutschen wieder aufgebaut und beim Rückzug wieder gesprengt wurde. Max Lagoda verließ die Ostfront und die 2. (Fern-)Staffel/Aufklärungsgruppe 100 am 11. August 1943 nach 154 Feindflügen mit 260 bestätigten Frontflügen.
Ausbilder und Endkampf
Im August 1943 wurde Lagoda von der Front abgezogen und in sichere Verwendung nach Erfurt-Bindersleben versetzt als Ausbilder für zukünftige Bordfunker an der Luftnachrichtenschule 5 und dann ab März 1944 Ausbilder im Wehrertüchtigungslager der Hitler-Jugend auf Burg Vogelsang. Zunächst fand die Ausbildung ohne Waffen statt, doch im September 1944 wurden sie als Flakhelfer eingesetzt, mit Max Lagoda als Zugführer. Nach Einsätzen im Ruhrkessel im Rahmen der Reichsverteidigung schickte Lagoda die Jungen nach Hause, er selbst geriet im April 1945 in Remagen in VS-amerikanischer Kriegsgefangenschaft, aus der er jedoch bereits im Juni in die Heimat entlassen wurde.
Nachkriegszeit
1946 wurde er in Siegburg Justizvollzugsbeamter und leitete als Sportbeamter 18 Jahre lang dort den Sport bei jugendlichen Gefangenen. Er suchte oft seine Kameraden und Fliegerfreunde auf, hielt vor deutschen Jugendlichen und russischen Besuchergruppen, z. B. von der Universität Razan, Vorträge über seinen Einsatz als Fernaufklärer und bereiste historische Museen (noch am 27. September 2014 besuchte er Finnland, wo er einen Vortrag im Luftfahrtmuseum bei Helsinki hielt).
Veteranenverbände
Lagoda war aktives Mitglied der „Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger“ sowie weiterer Traditionsverbände (z. B. des „Deutschen Luftwaffenrings e. V.“).
Autor
Nach seiner Pension im Jahre 1980 widmete er sich der historischen Fliegerei und arbeitete seine Erlebnisse aus sechs Jahren Krieg in einem Buch auf. Der Helios Verlag schreibt:
- „Der Bordfunker eines Fernaufklärers gehörte zu den wichtigsten Personen an Bord einer Ju 88. Er hielt Kontakt zu der Leitstelle und gab dieser meist in 30-minütigem Abstand Nachricht. Einer dieser wenigen Bordfunker bei den Fernaufklärern der deutschen Luftwaffe war Max Lagoda. Von der Grundausbildung über die Bordfunkerausbildung kam er zum Einsatzverband der 2. Staffel der Fernaufklärer, die dem Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe, also Hermann Göring, unterstand. Er flog 161 [Fern-]Feindflüge, die ihn über Leningrad, Helsinki, die Krim, Kaukasus, Mossul, Teheran, Kaspisches Meer und auch Stalingrad brachten. Er hatte das Glück, immer derjenige zu sein, der wieder nach Hause kam. [...] Seine Kenntnisse wurden 1942 auf Bordfunkerschulen gebraucht und deshalb ging er als hochdekorierter Bordfunker zur Luftnachrichtenschule 5 nach Halle an der Saale. Ende 1944 wurden nur noch wenige Bordfunker durch die sich abzeichnende militärische Niederlage Deutschlands gebraucht und er kam 1944/45 zum Einsatz mit Flakgeschützen zur Tieffliegerabwehr.“
Tod
Oberfeldwebel a.D. Max Lagoda verstarb am 1. April 2016. Trotz seiner 96 Jahre war er bis zuletzt geistig und körperlich sehr vital. Er war Mitte März 2016 in der „Aces High Aviation Gallery“ zur Signierstunde in England eingeladen.
Familie
Der Witwer Max Lagoda lebte zuletzt in Lohmar-Birk (Marienhöhe 22) und hatte zwei Töchter (darunter Heike, verheiratet Langens), von denen eine bereits vor seinem Tode verstorben ist.
Auszeichnungen (Auszug)
- Deutsches Schutzwall-Ehrenzeichen
- Fliegerschützenabzeichen
- Eisernes Kreuz (1939), 2. und 1. Klasse
- Ehrenpokal für besondere Leistung im Luftkrieg am 13./19. Oktober 1942 als Unteroffizier und Bordfunker
- Krimschild
- Frontflugspange für Aufklärer in Bronze, Silber und Gold
- Gold im August 1942
- Anhänger zur goldenen Frontflugspange (Sternenanhänger) für 250 Feindflüge
- Deutsches Kreuz in Gold am 17. Oktober 1943 als Feldwebel und Bordfunker in der 2. (Fern-)Staffel/Aufklärungsgruppe 100
Bildergalerie
Lagoda beim RAD
Feldwebel Max Lagoda mit seiner Ausbildungsgruppe der 2. Bordfunker-Ausbildungs-Kompanie der Luftflotten-Nachrichten-Schule 5 in Erfurt[2]
Max Lagoda als Ehrengast bei einem Vortrag im Finnischen Luftfahrtmuseum n der Nähe des Flughafens Helsinki-Vantaa in der Stadt Vantaa am 27. September 2014[3]
Gruppenfoto zum 60jährigen Bestehen der Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger (2014). Hinten von links: Martin Hofmann, Hugo Broch, Karl König, Heinz Kühn, Max Lagoda, Willy Göpner, Toon Pauli. Vorne von links: Willi Reschke, Ludwig Bauer, Ernst Büntgens, Günther Halm, Eberhard Heder, Wilhelm Langsam.
Max Lagoda (links) und Hugo Broch (rechts) in Brühl 2015 (OdR)
Werke
- Ein Blick in die Vergangenheit – Kriegserinnerungen eines Fernaufklärers aus Rußland und dem Orient, Helios (2011), ISBN 978-3869330471
Literatur
- Unteroffizier Max Lagoda, Teil 1, 2016 (archiviert)
- Aus den Erinnerungen eines Fernaufklärers, B17 Museum, April 2016 (archiviert)
Verweise
- „Ich wollte nur Flieger werden“ – Max Lagoda, 95 Jahre, berichtet in einem Grumman Tiger, Filmbeitrag von Jörg H. Trauboth, 2015