Schutztruppe
Schutztruppe (auch: Kaiserliche Schutztruppe) war die offizielle Bezeichnung der militärischen Einheiten in den deutschen Kolonien in Afrika von 1891 bis 1918. Der Begriff „Schutztruppe“ geht auf die Entscheidung des Reichskanzlers Otto von Bismarck zurück, für die erworbenen beziehungsweise eroberten Überseegebiete den Begriff „Schutzgebiet“, d. h. Protektorat, anstelle von Kolonie zu verwenden. Die Schutztruppe war das Symbol deutscher Reichsmacht außerhalb der unmittelbaren Reichsgrenzen und die Exekutive deutscher Interessen, dazu gehörte auch der Schutz der Siedler, kolonialen Handelsherren, Afrikaforscher und Zivilisten aller Herren Länder im deutschen Herrschaftsbereich und deren Grenzgebiet.
Der 8. Februar 1889 (Beginn der Aufstellung der Wissmann-Truppe) ist gemäß A.K.O. (Allerhöchster Kabinettsorder) vom 16. September 1911 der Stiftungstag der Schutztruppe.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Auftrag
Die Schutztruppen bildeten einen vom kaiserlichen Heer und der kaiserlichen Marine unabhängigen Teil des Militärs des Deutschen Reiches unter dem ständigem Oberbefehl des Deutschen Kaisers und der Verwaltung des Reichs. Der örtliche Oberbefehl oblag dem Gouverneur, dem der Kommandeur der jeweiligen Schutztruppe unterstand. Mit Ausnahme von Deutsch-Südwestafrika bestanden diese Einheiten überwiegend aus einheimischen Reichsnegern unter dem Befehl von deutschen Offizieren und Unteroffizieren.
In den deutschen Kolonien Deutsch-Ostafrika, Kamerun und Deutsch-Südwestafrika befanden sich eigene Schutztruppen, die die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Inneren zur Aufgabe hatten. Zu ihren Aufgaben gehörte die Eroberung von nicht vertraglich erworbenen Kolonialterritorien, die Niederschlagung von Aufständen, Grenzsicherung und Sicherung von Expeditionen. Für eine Kriegsführung gegen andere koloniale Streitkräfte waren sie weder ausgebildet noch ausgerüstet.
In den Kolonialgebieten Deutsch-Neuguinea, Samoa und in Togoland bestanden lediglich Polizeieinheiten, da hier kein umfangreicher Widerstand gegen die deutsche Machtergreifung erwartet wurde. Das deutsche Militär im chinesischen Kiautschou bestand aus Marineinfanteristen der kaiserlichen Marine, da diese Kolonie dem Reichsmarineamt unterstellt war.
Entstehung
Die Schutztruppen entstanden in den deutschen Kolonien aus Einheiten, die ursprünglich entweder als Polizeitruppe oder als privatrechtliche Militärverbände verfaßt waren:
- Ostafrika: Als 1888 im späteren Deutsch-Ostafrika der Aufstand der Küstenbevölkerung gegen Herrschaftsansprüche der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft ausbrach, die keine eigenen bewaffneten Kräfte unterhielt, reagierte die Reichsregierung zunächst mit der Schaffung der „Wissmann-Truppe“, einer vom Reichskommissar Wissmann persönlich angeworbenen Freiwilligenarmee. Diese privatrechtliche Einheit wurde durch Reichsgesetz vom 22. März 1891 zur Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika umgewandelt und zunächst dem Marineamt zugeordnet. Die Wissmann-Truppe gilt als Vorreiter aller Schutztruppen.
- Südwestafrika: die Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika bildete eine kleine Polizeieinheit, die sich aber bereits 1889 nicht mehr gegen den mörderischen Rebellion der Herero durchsetzen konnte. Daraufhin richtete das Reich 1889 eine eigene Polizeitruppe bzw. „wissenschaftliche Expedition“ (so genannt, um die Einreise durch englisches Gebiet unproblematisch zu gestalten; über Rotterdam nach Liverpool und von dort nach Teneriffa) unter dem Hauptmann Curt von Francois („Francois-Truppe“; Allerhöchste Kabinettsordre vom 16. Mai 1889 gab von Francois die Strafbefugnis eines Korpskommandeurs in Kriegszeiten über die Truppe, wie über die im lande ansässigen Europäer) ein, der Schutzverträge mit den Häuptlingen der Herero aushandelte. Juristisch nicht abschließend geklärt ist das Datum der genauen Überführung der Truppe zur „Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika“. Die bisher häufig dazu zitierte Allerhöchste Kabinettsorder vom 3. Mai 1894 bildete dazu anscheinend keine Grundlage. Die „Francois-Truppe“ wurde mit dem Gesetz vom 9. Juni 1895 in die Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika unter Theodor Leutwein überführt, die 1904 von Lothar von Trotha übernommen wurde.[1]
- Kamerun: Auch in Kamerun wurde zunächst 1891 eine Polizeitruppe aufgestellt, die mit dem Gesetz vom 9. Juni 1895 zur Schutztruppe umgebildet wurde.[2][3]
Truppenstärke
1913 bestanden die Schutztruppen in Deutsch-Ostafrika aus 410 Deutschen und 2.682 Askari, in Deutsch-Südwestafrika aus 1.967 Deutschen und in Kamerun aus 185 Deutschen und 1.560 Einheimischen. Bei militärischen Expeditionen und Fernunternehmungen, insbesondere während des Ersten Weltkrieges, kamen eine große Anzahl Träger hinzu.
Aufstellung der Schutztruppen
- Kommando der Schutztruppen[4] (ab 1897): Berlin – Reichskolonialamt (zentrale Militär-Verwaltungsbehörde)
Deutsch-Ostafrika
- Deutsch-Ostafrika – Kommando Daressalam
- Stärke: 68 Offiziere, 42 Ärzte, 150 deutsche Beamte, Feuerwerker und Unteroffiziere, 2.472 afrikanische Soldaten
Deutsch-Südwestafrika
- Deutsch-Südwestafrika – Kommando Windhuk
- Stärke: 90 Offiziere, 22 Ärzte, 9 Veterinäre, 59 Beamte, Feuerwerker, 342 Unteroffiziere, 1.444 deutsche Soldaten
- Gericht des Kommandos, Intendantur, Sanitätsamt und Vermessungstrupp
- Nordbezirk Kommando Windhuk
- 1. Kompanie: Regenstein, Seeis
- 4. Kompanie (MG): Okanjande
- 6. Kompanie: Outjo und Otavi
- 2. Batterie: Johann-Albrechts-Höhe
- Verkehrszug 1: Karibib
- Proviantamt: Karibib
- Pferdedepot: Okawayo
- Artillerie- und Train Depot: Windhuk
- Lazarett: Windhuk
- Hauptsanitätsdepot: Windhuk
- Bekleidungsdepot: Windhuk
- Ortskommandantur: Windhuk
- Ortskommandantur u. Proviantamt: Swakopmund
- Südbezirk Kommando: Keetmanshoop
- 2. Kompanie: Ukamas
- 3. Kompanie: Kanus
- 5. Kompanie (MG): Chamis und Churutabis
- 7. und 8 Kompanie: Gochas und Arahoab (Kamelreiter (Kavallerie) und MG), Lazarett.
- 1. Batterie: Narubis
- 3. Batterie: Kranzplatz bei Gibeon
- Verkehrszug 2: Keetmanshoop
- Artillerie- und Train-Depot: Keetmanshoop
- Lazarett- und Sanitätsdepot: Keetmanshoop
- Bekleidungsdepot: Keetmanshoop
- Proviantamt: Keetmanshoop
- Garnisonverwaltung: Keetmanshoop
- Pferdedepot: Aus
- Kamelgestüt: Kalkfontein
- Ortskommandantur und Proviantamt: Lüderitzbucht
Kamerun
- Stärke: 61 Offiziere, 17 Ärzte, 23 Beamte, Feuerwerker, 98 deutsche Unteroffiziere, 1.550 afrikanische Soldaten
- 1. Kompanie (Stammkompanie) und Artilleriedetachement: Duala
- 2. Kompanie: Bamenda, Wum und Kentu
- 3. Kompanie: Mora und Kusseri
- 4. Kompanie (Expeditionskompanie): Soppo
- 5. Kompanie: Buar und Carnot
- 6. Kompanie: Mbaiki, Nola und Nguku
- 7. Kompanie: Garua, Nassarau (Nassarao), Mubi, Marua, Lere
- 8. Kompanie: Ngaundere
- 9. Kompanie: Dume und Baturi
- 10. Kompanie: Ojem und Mimwoul
- 11. Kompanie: Akoafim, Ngarabinsam und Minkebe
- 12. Kompanie: Bumo, Fianga, Gore und Schoa
Kommandeure der Schutztruppe
Die Kommandeure der Schutztruppe waren Inhaber der Befehlsgewalt in der kolonialen kaiserlichen Schutztruppe während ihres Bestehens von 1891[6] bis 1918. Der Kriegsherr (Oberbefehlshaber) der Schutztruppe war unmittelbar der Kaiser. Diese Regelung, analog zu derjenigen der Kaiserlichen Marine, stand im Gegensatz zu den restlichen Truppenkontingenten des Reichs, die in Friedenszeiten den jeweiligen deutschen Bundesfürsten als Kontingentsherrn[7] unterstanden, wobei dem Kaiser als Obersten Kriegsherrn ein Inspektionsrecht zustand.
Die Schutztruppen waren dem Reichskanzler in seiner gleichzeitigen Eigenschaft als Staatssekretär des Reichs-Kolonialamts (RKA) nachgeordnet, der von einem Unterstaatssekretär vertreten wurde. Das 1907 gegründete Reichs-Kolonialamt war in vier Abteilungen gegliedert. Drei bearbeiteten die Geschäfte der kolonialen Zivilverwaltung, die vierte, das Kommando der Schutztruppen,[8] war für die Militärverwaltung zuständig.[9]
Kommandeure im Kommando der Schutztruppen
- Oberstleutnant Ferdinand Quade (1. April 1907 – 18. Oktober 1908)
- Generalmajor Franz Georg von Glasenapp (18. Oktober 1908 – 6. April 1914)
- Oberst Ernst von Below (7. April 1914)
Kommandeure der Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika
- Emil von Zelewski (1. April 1891 – 17. August 1891)
- Oberst Friedrich von Schele (23. Oktober 1893 – 25. März 1895)
- Oberstleutnant Lothar von Trotha (25. Mai 1895 – 17. August 1897)
- Generalmajor Eduard von Liebert (22. September 1897 – 12. März 1901)
- Major Gustav Adolf Graf von Götzen (12. März 1901 – 14. April 1906)
- Oberstleutnant Kurt von Schleinitz (28. Mai 1907 – 13. April 1914)
- Generalmajor Paul von Lettow-Vorbeck (13. April 1914 – 25. November 1918)
Kommandeure der Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika
- Major Curt von Francois (1. Juni 1894 – 6. Januar 1895)
- Oberst Theodor Leutwein (10. November 1897 – 16. Mai 1904)
- Generalleutnant Lothar von Trotha (17. Mai 1904 – 21. Mai 1906)
- Generalmajor Berthold von Deimling (22. Mai 1906 – 31. März 1907)
- Oberst Ludwig von Estorff (1. April 1907 – 19. März 1911)
- Oberstleutnant Joachim von Heydebreck (19. November 1912 – 12. November 1914, tödl. Unfall)
- Oberstleutnant Victor Franke (13. November 1914 – 9. Juli 1915, Kapitulation)
Kommandeure der Schutztruppe für Kamerun
- Hauptmann Max von Stetten (8. Juli 1894 – 6. August 1896)
- Major Oltwig von Kamptz (18. Oktober 1897 – 17. April 1901)
- Oberst Kurt Pavel (18. Mai 1901 – 31. Januar 1903)
- Generalmajor Wilhelm Mueller (6. April 1903 – 18. Februar 1908)
- Oberstleutnant Harry Puder (18. Februar 1908 – 13. September 1913)
- Major Carl Zimmermann (13. April 1914 – Februar 1916)
Bildergalerie
Leutnant Paul Leutwein in Uniform der Schutztruppe Deutsch-Südwestafrikas, um 1905
Oberstleutnant Ludwig von Estorff (zu Pferde), mit Mütze Hauptmann Franz Epp
Askari mit deutscher Reichsdienstflagge
Das Denkmal der deutschen Schutztruppe in Daressalam
Beginn kriegerischer Handlungen durch Belgien am 7. und durch England am 8. August 1914 (Beschießung von Daressalam). Die kleine Schutztruppe unter Oberstleutnant Paul von Lettow-Vorbeck wehrt vom 2. bis 5. November den britischen Invasionsversuch bei Tanga erfolgreich ab.
Siehe auch
- Heia Safari!: Kampflied der Schutztruppe Deutsch-Ostafrikas
- Maji-Maji-Aufstand
- Reichskolonialbund
Archiv (2. November 2018)
Literatur
- Mit der Schutztruppe durch Deutsch-Afrika, 1905 (PDF-Datei Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!; Bestellmöglichkeit des Nachdrucks)
- Franz Volkmer: Denkwürdige Männer aus der Grafschaft Glatz; in: Blätter für Geschichte und Heimatkunde der Grafschaft Glatz, Band I, 1906–1910, S. 17–18
- Wolfgang-Eisenhardt Maillard, Jürgen Schröder: Das Offizierkorps der Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika im Weltkrieg 1914–18, Traditionsverband ehemaliger Schutz- und Überseetruppen e. V., 2003
- William Stephenson: Der Löwe von Afrika. Der legendäre General Paul von Lettow-Vorbeck und sein Kampf um Ostafrika. München: Goldmann, 1984. ISBN 3-442-06719-7
- Leutwein, Theodor: Elf Jahre Gouverneur in Deutsch-Südwestafrika. 4. Auflage, Namibia Wissenschaftliche Gesellschaft, Windhuk, Namibia 1997, ISBN 99916-40-07-X
- Schutztruppen-Ordnung für die Kaiserlichen Truppen in Afrika 1898/1908. Organisatorische Bestimmungen und Uniformierung, 1908 (Bestellmöglichkeit des Nachdrucks)
- Walther Beckmann: Unsere Kolonien und Schutztruppen - Das Ehrenbuch der Überseekämpfer; Nachdruck der Originalausgabe von 1934 (Bestellmöglichkeit)
- Claus Nordbruch:
- Völkermord an den Herero in Deutsch-Südwestafrika 1904?, in: Rolf Kosiek / Olaf Rose (Hgg.): Der Große Wendig, Band 1, Grabert Verlag, Tübingen 2006, S. 80–90
- Der ›Vernichtungsbefehl‹ des Generals Lothar von Trotha, in: Rolf Kosiek / Olaf Rose (Hgg.): Der Große Wendig, Band 1, Grabert Verlag, Tübingen 2006, S. 91–100