Woyrsch, Udo von
Udo Gustav Wilhelm Egon von Woyrsch ( 24. Juli 1895 auf Rittergut Schwanowitz, Landkreis Brieg, Niederschlesien; 14. Januar 1983 in Biberach an der Riß, Oberschwaben) war ein deutscher Offizier des Deutschen Heeres, der Freikorps Grenzschutz Ost, der Vorläufigen Reichswehr und der Allgemeinen SS sowie Mitglied des Preußischen Staatsrates auf Lebenszeit, Mitglied des Reichstages zur Zeit des Nationalsozialismus, SS-Obergruppenführer, General der Polizei und Herr auf Schwanowitz und Pramsen.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Udo von Woyrsch wurde am 24. Juli 1895 geboren. 1908 kam er in das Kadettenkorps, indem er den größten Teil seiner Jugend verlebte. 1914 legte er das Fähnrichexamen ab und am 10. August 1914, kurz nach Kriegsbeginn, wurde er zum Leutnant befördert. Udo von Woyrsch war vom ersten Kriegstage bis zum 9. Februar 1919 ununterbrochen Soldat, bis zur Novemberrevolte an der Front.
Nach dem ersten Weltkrieg stellte er sich zur Verteidigung seiner schlesischen Heimat zur Verfügung und wurde Offizier im Grenzschutz Ost. Seit seiner Entlassung aus dem Militärdienst 1920 verwaltete er als Landwirt das Gut seines Vaters, Schwanowitz. Schon frühzeitig trat er in die NSDAP (Mitglieds-Nr. 162.349) und die SS (Mitglieds-Nr. 3.689) ein.
Drittes Reich
In Anerkennung seiner Verdienste um die SS in Schlesien ernannte ihn Ministerpräsident Hermann Göring zum preußischen Staatsrat. Von März 1933 bis Kriegsende war er für den Wahlkreis Breslau Mitglied des Reichstages. Am 1. Januar 1935 wurde er zum SS-Obergruppenführer befördert, dem damals höchsten Rang[1] in der SS bis auf den Reichsführer SS.
Am 3. September 1939 wurde er von Heinrich Himmler zum „Sonderbefehlshaber der Polizei“ ernannt und erhielt das Kommando über die Einsatzgruppe z. b. V. im Polenfeldzug. Am 15. April 1941 wurde er zum General der Polizei ernannt. Vom 20. April 1940 bis Februar 1944 war von Woyrsch Höherer SS- und Polizeiführer des SS-Oberabschnittes Elbe (HSSPF SSOA Elbe). Er verlor dieses Amt, da er sich in den NS-internen Intrigen in Dresden nicht gegen den sächsischen Gauleiter Martin Mutschmann durchsetzen konnte.
Kurzchronologie
- 1905 bis 1908 Besuch des Gymnasiums in Brieg
- 1908 Besuch der Kadettenanstalt in Wahlstatt
- Besuch der Hauptkadettenanstalt Groß-Lichterfelde
- 1. März 1914 Fähnrich
- aus dem Kadettenkorps kommend dem Husaren-Regiment „von Schill“ (1. Schlesisches) Nr. 4 überwiesen
- zur Kriegsschule II (Lichterfelde) kommandiert
- 10. August 1914 Leutnant
- Anfang September mit dem Ulanen-Regiment „Kaiser Wilhelm II., König von Preußen“ (3. Königlich Sächsisches) Nr. 21 (4. Königlich Sächsische Kavallerie-Brigade Nr. 40/8. Kavallerie-Division/Höherer Kavallerie-Kommandeur Nr. 3) in Feld gezogen
- Schlacht an den Masurischen Seen (Goldap – Angerburg), Aufklärungsgefechte zwischen Pilica und Bzura, Schlacht bei Warschau, Kämpfe an der Rawka
- an Gelbsucht erkrankt, einige Wochen in einem Hilfslazarett in Frankfurt an der Oder
- Anfang Januar 1915 Rückkehr zum Stammregiment; im Ersten Weltkrieg dann Ordonnanzoffizier in einer Eskadron, Maschinengewehr-Offizier und zeitweise Eskadronführer.
- Er diente eine kurze Zeit im Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 7, in einer Kavallerie-Schützen-Regiment und zuletzt im Stab 12. Kavallerie-Brigade, wo er im November 1918 kurze Zeit in die Hände der Bolschewisten geriet.
- Dezember 1918 Ordonnanzoffizier im Generalstab des Generalkommandos Brest-Litowsk
- Februar 1919 Ordonnanzoffizier im Generalstab des Armee-Oberkommandos Süd (Breslau) des Grenzschutzes Ost; Stabschef: Fritz von Loßberg
- anschließend Ordonnanzoffizier im Generalstab des Generalkommandos des VI. Armee-Korps
- nach der Teilnahme am Lüttwitz-Kapp-Putsch aus dem Militärdienst verabschiedet
- Anfang September mit dem Ulanen-Regiment „Kaiser Wilhelm II., König von Preußen“ (3. Königlich Sächsisches) Nr. 21 (4. Königlich Sächsische Kavallerie-Brigade Nr. 40/8. Kavallerie-Division/Höherer Kavallerie-Kommandeur Nr. 3) in Feld gezogen
- 15. Mai 1920 zum Oberleutnant a. D. befördert
- ab Oktober 1920 Ausbildung in der Landwirtschaft
- Mai 1923 Übernahme des väterlichen Gutes
- 1. Oktober 1920 Mitglied der NSDAP; in den Kreistag und Kreisausschuß seines Heimatskreises Brieg gewählt
- 6. Juni 1930 SS-Mann
- Eintritt in die Allgemeine SS; kurz darauf mit der Führung der SS in Schlesien beauftragt
- 13. November 1930 SS-Sturmbannführer
- 11. März 1931 SS-Standartenführer
- 1. März bis 1. September 1931 mit der 16. und 23. Standarte der SS beauftragt
- 11. März bis 1. September 1931 Führer der 8. Standarte der SS
- 1. September 1931 SS-Oberführer
- 4. September 1931 bis 15. März 1932 Führer des SS-Abschnitts VI in Brieg
- 15. März 1932 SS-Gruppenführer
- mit der Führung der SS-Gruppe Südost beauftragt (bis 16. November 1933)
- 24. April 1932 Mitglied des Preußischen Landtages
- 5. März bis 14. Oktober 1933 Mitglied des Reichstages
- 10. Juli 1933 auf Vorschlag des RFSS in den Preußischen Staatsrat berufen
- 12. November 1933 bis 8. Mai 1945 erneut Mitglied des Reichstages
- 16. November 1933 bis 1. Januar 1935 Führer des SS-Oberabschnitts Südost
- 18. Dezember 1934 SS-Obergruppenführer mit Wirkung vom 1. Januar 1935
- mit Wirkung vom 19. Januar 1935 zur besonderen Verwendung des Reichsführer-SS (SS-Führer z. b. V. RFSS) unter gleichzeitiger Enthebung von der Dienststellung als Führer des SS-Oberabschnitts Südost
- 16. Mai 1936 Schiedmann im Großen Schiedshof des Reichsführers-SS
- 17. Oktober 1938 vierwöchige Kommandierung zum Chef der Ordnungspolizei General der Polizei Kurt Daluege
- 1. bis 22. September 1939 Sonderbefehlshaber der Polizei und Führer der Einsatzgruppe z. b. V., zugleich mit der Führung der Polizei-Gruppe 1 bei der 14. Armee (AOK 14) beauftragt
- 20. April 1940 „für die Dauer des Krieges“ zum Höheren SS- und Polizeiführer „Elbe“ mit dem Dienstsitz in Dresden
- 15. April 1941 General der Polizei
- 11. Februar 1944 Heinrich Himmler, der die Streitigkeiten seines Freundes von Woyrsch satt hatte und die Beschwerden nicht mehr bewältigen konnte, riet ihm schriftlich, um die sofortige Enthebung von dessen Dienststellung aus „Krankheitsgründen“ zu bitten, was von Woyrsch auch kurz darauf tat. Noch am selben Tag ließ von Woyrsch dem Kommandostab „RFSS“ im Felde mit der entsprechenden Bitte funkte, ebenfalls mit Datum 11. Februar 1944 wurde dieser „Bitte“ zwecks „Wiederstellung Ihrer Gesundheit“ stattgegeben. Von Woyrsch wurde seiner Dienststellung als Höherer SS- und Polizeiführer „Elbe“ enthoben und von Himmler in den Persönlichen Stab des RFSS „zu meiner besonderen Verwendung“ versetzt und aus Gründen der Verwaltungsvereinfachungsmaßnahmen vorläufig in der Sektion Reichsleitung weitergeführt.[2]
- Januar 1945 der SD-Außenstelle (Hirschberg 3400) zugeteilt, allerdings ohne besonderen Auftrag. Reichsführer SS ordnete an, von Woyrsch möge „seinen zweckmäßigsten Einsatz selbst bestimmen“ und dabei den Persönlichen Stab über die Art des Einsatzes und seinen Aufenthalt Nachricht geben.
- 11. Mai 1945 in britische Kriegsgefangenschaft geraten
- 27. Oktober 1948 von der Spruchkammer in Hamburg-Bergedorf zu zehn Jahren Haft verurteilt; nach einer Revision wurden auf das Urteil bislang verbüßte Haftzeiten angerechnet. Danach wurde er in die Strafanstalt Esterwegen verlegt. Bereits 1952 wurde er wieder entlassen.
- 2. August 1957 vom Schwurgericht beim Landgericht Osnabrück wegen seiner Rolle im Röhm-Putsch zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt, kam jedoch bereits 1960 wieder in Freiheit.
Nachkriegszeit
Udo von Woyrsch wurde 1948 wegen „Mitgliedschaft in einer verbrecherischen Organisation“ zu 20 Jahren Haft verurteilt, aber bereits 1952 wieder entlassen. In einem zweiten Gerichtsprozeß wurde er 1957 in Oldenburg wegen seiner Rolle im sogenannten „Röhm-Putsch“ zu 10 Jahren Haft verurteilt, jedoch 1960 wieder entlassen.
Familie
Er entstammte einem alten südböhmischen, ab etwa 1500 in Troppau (Mährisch Schlesien) ansässigen Adelsgeschlecht und war der Sohn des königlich preußischen Kammerherrn, Landschaftsdirektors und Gutsbesitzers Günther von Woyrsch (1858–1923), Herr auf den Gütern Schwanowitz und Pramsen (beide Landkreis Brieg), Groß- und Klein-Masselwitz und Pilsnitz (alle drei Landkreis Breslau), und der Gertrud Gräfin von Pfeil und Klein-Ellguth (1866–1956). Sein Onkel war der preußische Generalfeldmarschall Remus von Woyrsch (1847–1920).
Geschwister
Er hatte vier Geschwister: Ines Marie Cäcilie Erna (verheiratet Gräfin von Roedern), Erika Margarethe (verheiratet von Voß, von Uechtritz und Steinkirch), Siegfried Remus Ewald, Herr auf Pilsnitz bei Breslau, und Horst Remus Günther, 1929 bis 1935 Herr auf Lindenbusch (Kreis Liegnitz), ab 1936 Herr auf Gut Groß-Zauche (Kreis Trebnitz).
Ehen
Von Woyrsch heiratete in erster Ehe am 25. Juni 1924 auf Gut Pischkowitz in Niederschlesien Marie-Eva Edelgard Elfriede Ottilie von Eichborn ( 5. März 1902 auf Gut Pischkowitz; 18. Dezember 1987 in Anaheim, Orange County, Kalifornien), die Tochter des Gutsbesitzers Wolfgang Andreas von Eichborn auf Pischkowitz und der Edelgard, geb. von Rosen aus dem Hause Neudorf. Aus der Ehe ist die Tochter Tatjana Marie Eva Cäcilie ( 4. Juni 1925 in Breslau) entsprossen. Diese Ehe wurde am 18. April 1932 in Brieg (Niederschlesien) geschieden, allerdings wurde das Urteil aufgrund einer Berufung durch die Ehefrau erst am 19. Mai 1933 rechtskräftig. Tochter Tatjana lebte fortan beim Vater.
In zweiter Ehe heiratete Woyrsch am 21. September 1934 in Bad Salzbrunn (Niederschlesien) Inez Freiin von Tschammer und Quaritz ( 21. Dezember 1908 in Nieder-Tschirnau, Landkreis Guhrau, Niederschlesien; 2. September 2001), die Tochter des Gutsbesitzers Siegfried Freiherr von Tschammer und Quaritz auf Quaritz und der Edith, geb. von Lieres und Wilkau (Haus Stephanshain). Aus dieser Ehe sind drei Söhne und eine Tochter entsprossen.
Auszeichnungen (Auszug)
- Eisernes Kreuz (1914), II. und I. Klasse
- Militärverdienstkreuz (Österreich), III. Klasse mit der Kriegsdekoration
- Schlesischer Adler, II. und I, Klasse
- Abzeichen des SA-Treffens Braunschweig 1931
- Abzeichen des Reichsparteitags Nürnberg 1933
- SS-Zivilabzeichen (Nr. 29)
- Ehrenkreuz für Frontkämpfer
- Julleuchter der SS am 16. Dezember 1935
- SA-Sportabzeichen in Bronze
- Deutsches Reichssportabzeichen in Gold
- Medaille zur Erinnerung an den 13. März 1938
- Ungarischer Verdienstorden, Komturkreuz mit Stern am 24. August 1938
- Medaille zur Erinnerung an den 1. Oktober 1938 mit der Spange „Prager Burg“
- SS-Ehrenwinkel
- SS-Ehrenring
- SS-Ehrendegen am 24. Juli 1939
- SS-Dienstauszeichnung, 3. und 2. Stufe
- Kriegsverdienstkreuz (1939), II. und I. Klasse
- Dienstauszeichnung der NSDAP in Bronze und Silber
- Goldene Parteiabzeichen der NSDAP am 30. Januar 1943
- Kriegsverdienstkreuz (1939), II. und I. Klasse mit Schwertern am 20. April 1943 (gleichzeitig)
Literatur
- Das Deutsche Führerlexikon, Otto Stollberg G.m.b.H., Berlin 1934
- Männer im Dritten Reich, Orientalische Cigaretten-Compagnie „Rosma“ GmbH, 1934
Fußnoten
- Geboren 1895
- Gestorben 1983
- Deutscher Politiker
- Deutscher General
- Deutscher Polizist
- Freikorps-Mitglied
- NSDAP-Mitglied
- SS-Mitglied
- Reichstagsabgeordneter (Weimarer Republik)
- Reichstagsabgeordneter (Deutsches Reich 1933–1945)
- SS- und Polizeiführer
- Angehöriger der Waffen-SS
- Preußischer Staatsrat
- Landtagsabgeordneter (Preußen)
- Träger des Eisernen Kreuzes I. Klasse (1914)
- Träger des Goldenen Parteiabzeichens der NSDAP
- Person im Ersten Weltkrieg (Deutsches Reich)