Graudenz
Staat: | Deutsches Reich |
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Gau: | Westpreußen |
Landkreis: | Graudenz |
Provinz: | Westpreußen |
Einwohner (1910): | 40.325 |
Höhe: | 50 m ü. NN |
Koordinaten: | 53° 29′ N, 18° 46′ O |
Graudenz befindet sich seit 1945 unter Fremdherrschaft. Das Gebiet ist von Polen vorübergehend besetzt, die einheimische Bevölkerung wurde vertrieben oder ermordet und deren Eigentum gestohlen.
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Graudenz ist eine der bedeutendsten Städte Westpreußens. Die Feste Graudenz hieß 1893–1920 und 1939–1945 nach dem bekannten Generalfeldmarschall der Koalitionskriege „Feste Courbière“.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Frühe Zeit
Erste Siedlungsspuren stammen aus dem 10. Jahrhundert. Urkundlich erstmals erwähnt wurde Graudenz 1222 als Grudenc. Der Ort gehörte zum Kulmer Land, das Konrad von Masowien 1225/26 dem Deutschen Orden im Tausch gegen die Bekämpfung der Pruzzen anbot und 1230 durch den Vertrag von Kruschwitz an diesen abtrat.
Von der 1231 errichteten Burg und Komturei des Deutschen Ordens sind heute nur noch Reste der Mauern erhalten. 1291 erhielt Graudenz das Stadtrecht (Kulmer Handfeste) und wurde in den folgenden Jahren mit Stadtmauern umgeben. Die Stadt erlebte eine erste Blütezeit und entwickelte sich im 14. Jahrhundert zu einem Zentrum des Getreidehandels.
Unter polnischer Krone
1466 mußte der Deutsche Orden das Kulmer Land im Zweiten Thorner Frieden an Polen abtreten. Aufgrund der günstigen geographischen Lage entwickelte sich Kulm zum Sitz des Landtags von Polnisch-Preußen, ebenso fanden hier die Ständetage und Generalversammlungen statt. Im Rahmen einer Ständeversammlung hielt Nikolaus Kopernikus 1522 einen Vortrag über das Münzwesen. Im 16. Jahrhundert entwickelte sich Graudenz zu einem Zentrum des Handwerks und des Handels, wurde aber durch die Kriege des 17. Jahrhunderts wieder zurückgeworfen.
Im Zweiten Nordischen Krieg wurde die Stadt 1655 von den Schweden eingenommen und 1659 von polnischen Truppen zurückerobert, wobei sie fast gänzlich zerstört wurde. Trotz der sich fortsetzenden Kriege und inneren Konflikte wurde Graudenz im Barockstil prachtvoll wieder aufgebaut („Graudenzer Barock“).
Unter preußischer Krone
Durch die Erste Teilung Polens 1772 kam Graudenz unter die Herrschaft Friedrichs II. von Preußen, der hier eine große, später weiter ausgebaute Festung errichten ließ (s.u.). Graudenz wurde Teil der Provinz Westpreußen und Kreisstadt im Regierungsbezirk Marienwerder.
Nach dem Bau der Eisenbahnlinie von Thorn nach Marienburg, der Errichtung einer Brücke über die Weichsel und der Fertigstellung einer west-östlichen Verbindung durch die Eisenbahnlinie Konitz–Preußisch Eylau entwickelte sich die Stadt im 19. Jahrhundert zu einem schnell wachsenden Industriestandort u. a. mit Eisengießereien, Maschinenbau, Wagenbau und Textilindustrie. Zwischen 1880 und 1905 verdoppelten sich die Einwohnerzahlen von 17.321 auf 35.958. 1900 wurde Graudenz kreisfreie Stadt.
Republik Polen
1920 wurde Graudenz mit etwa 40.300 Einwohnern (1910) trotz der deutschen Bevölkerungsmehrheit (84 % in der Stadt, 58 % im Landkreis Graudenz) aufgrund des verlorenen Ersten Weltkrieges (Friedensvertrag von Versailles) als Teil des Polnischen Korridors ohne Volksabstimmung von Deutschland abgetrennt und der polnischen Provinz Pommern zugeschlagen.
Graudenz entwickelte sich zwischen den Kriegen zum wirtschaftlichen Zentrum der Region. Daneben wurde die Stadt zum bedeutenden Kultur- und Bildungszentrum und einem der größten Garnisonstädte Polens, u. a. mit einem in Polen berühmten Ausbildungszentrum für die Kavallerie.
Zweiter Weltkrieg
Am 3. September 1939 eroberte die deutsche Wehrmacht Graudenz, das als Teil des Reichsgaus Danzig-Westpreußen wieder in das Deutsche Reich eingegliedert wurde. Kommandant von Graudenz wurde ab Obtober 1939 bis Oktober 1941 Oberst Hanns-Adolf Voigt, und erneut ab Juni 1942 bis 31. August 1944 als Generalmajor. Die Stadt wurde am 9. Februar 1945 zur Festung erklärt, nachdem die Stadt von der Roten Armee eingekesselt worden war. Die etwa 9.000 Mann umfassenden Verteidiger unter Generalleutnant Ludwig Fricke kapitulierten nach heldenhaften Kämpfen am 6. März 1945. Im Zuge der Kampfhandlungen während der Belagerung war die Stadt zu etwa 60 % zerstört worden. Graudenz wurde nun ein Bestandteil des polnischen Staates, die deutsche Bevölkerung wurde – soweit sie noch nicht geflohen war – mit Gewalt vertrieben.
Die Festung
Da nach der Ersten Teilung Polens die beiden Hauptfestungen in Westpreußen, Danzig und Thorn, in polnischem Besitz geblieben waren, ordnete König Friedrich II. den Bau einer Festung auf einer Anhöhe an der Weichsel zwischen Graudenz und Marienwerder an. Die Bauarbeiten begannen 1774, mußten an diesem Standort jedoch wieder aufgegeben werden, da er sich als hochwassergefährdet erwies.
Deshalb verlegte man den Standort der Festung auf eine Erhöhung des Weichselufers ca. 1,5 km nördlich der Stadt Graudenz. Die 1776 in Anwesenheit Friedrichs II. begonnenen Arbeiten dauerten bis 1789. Der Grundriß des an die Weichsel angelehnten Festungswerks zeigte die Form eines halben Achtecks. Zu den eigentlichen Festungsbauten kamen Außenwerke, die dem Schutz der Hauptwerke dienten, z. B. das „Hornwerk“, eine Befestigung, die den Zugang von Norden her absicherte.
Verteidigung durch Courbiere
Belagert wurde die Festung nur einmal, während der Napoleonischen Kriege. Von Januar bis Dezember 1807 verteidigte sich die Garnison unter Generalfeldmarschall Wilhelm René de l'Homme de Courbière erfolgreich gegen französische Truppen, während die meisten anderen preußischen Festungen kapitulierten. Die Belagerung wurde zwar formell bereits am 9. Juli 1807 mit Unterzeichnung des Tilsiter Friedens beendet, dauerte jedoch noch bis Dezember desselben Jahres an.
Weitere Ereignisse
Nach seinem Tod 1811 wurde Courbière auf dem Festungsgelände bestattet. Nach dem Ende des Kriegs erfolgten weiter Ausbauten u. a. um die sog. Courbière-Schanze auf dem gegenüberliegenden linken Weichselufer. 1872 kam die zeitweilige Abrüstung der Festung, die aber weiterhin Garnison und Truppenübungsplatz blieb. Durch den Bau der Weichselbrücke von Graudenz 1885/86 wuchs die strategische Bedeutung, weshalb die Festung modernisiert und 1889–1905 mit einem neuen Befestigungsring aus Forts und gepanzerten Artillerieunterständen umgeben wurde. Seit 1893 trug sie den Namen „Feste Courbière“. Der 1913 gefällte Beschluß zum weiteren Ausbau der Festung wurde aufgrund des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges nur noch in Ansätzen ausgeführt.
Im 19. Jahrhundert diente die Festung auch als Gefängnis. Im Ersten Weltkrieg diente sie als Kriegsgefangenenlager für Offiziere der Entente. Nach dem Übergang an Polen übernahm die polnische Armee die Festung. Überlegungen, sie zur Beschäftigung von Arbeitslosen abzutragen, wurden nicht umgesetzt, stattdessen wurde sie Garnison eines polnischen Kavallerieregiments.
Im Zweiten Weltkrieg spielten die Festungsanlagen keine nennenswerte Rolle und wurden von der deutschen Wehrmacht ohne große Mühe eingenommen. Danach dienten sie erneut als Depot, für Manöver und als Gefängnis. In den Befestigungsanlagen auf den Pfaffenbergen entstand eine Hinrichtungsstätte. Beim Angriff der Roten Armee Anfang 1945 erwiesen sich die alten Befestigungswerke teilweise noch als ernsthafte Hindernisse für die Eroberung der Stadt.
Nach der Kapitulation der Verteidiger am 6. März 1945, deren Verlauf Lew Kopelew in seinem Buch „Aufbewahren für alle Zeit“ beschreibt, brachte man im Fort nun deutsche Kriegsgefangene unter. Danach standen die Festungswerke jahrelang leer, bis sie erneut von der polnischen Armee übernommen wurden. Zwar wurden Teile der Festung zugeschüttet, abgetragen oder sind stark zerfallen, doch ist Graudenz auch heute noch ein bedeutendes Beispiel für die europäische Festungsarchitektur des 18. und 19. Jahrhunderts.
Personen
Bekannte, in Graudenz geborene Personen
- Helmut Arpke (1917–1942), Offizier der Luftwaffe, Fallschirmjäger und Träger des Ritterkreuzes des Eisernen Kreuzes
- Gerhard Ball (1908–1941), Hauptmann der Aufklärungstruppe und Träger des Ritterkreuzes des Eisernen Kreuzes
- Rudolf Buhse (1905–1997), Offizier der Reichswehr und der Wehrmacht
- Max Donisch (1880–1941), Komponist, Musikschriftsteller und Leiter der Musikabteilung des Deutschlandsenders
- Erdmut Dauter (geb. 1922), Schauspielerin und Kabarettistin
- Hans Karl Fritzsche (1914–1999), Verräter, Offizier und Ministerialbeamter
- Viktor Karl Ludwig von Grumbkow (1849–1901), Generalmajor
- Kurt Kaphahn (1882–?), Jurist und Präsident des Landesarbeitsamts in Niedersachsen
- Waldemar Kophamel (1880–1934), U-Boot-Kommandant
- Hans Kyser (1882–1940), Schriftsteller, Drehbuchautor, Hörspielautor und Filmregisseur
- Karl Kyser (1879–?), Jurist und Amtsgerichtsrat
- Horst Neumann-Duesberg (1907–1990), Jurist, Hochschullehrer (Göttingen), Erfinder der Rechtsfigur der „relativen Person der Zeitgeschichte“ als „Leitfossil“ des Presserechts und des Datenschutzrechts
- Karl Rudolf von Ollech (1811–1884), General der Infanterie der Preußischen Armee
- Alexander Pohlmann (1865–1952), deutscher Verwaltungsjurist, Landwehroffizier und Politiker
- Georg Pohlmann (1861–1946), deutscher Generalleutnant des Deutschen Heeres
- Julius von Riemann (1855–1935), Offizier im Deutschen Kaiserreich
- Gustav Roethe (1859–1926), germanistischer Mediävist
- Johann Stobäus (1580–1646), Komponist
- Kurt Weyher (1901–1991), Admiral
- Gerhard Witting (1889–1981), Tenor
Weitere
- Adolf Krumm (1886–1933), unter polnischer Besatzung ermordeter Familienvater
- Erich Rieboldt (1884–1933), unter polnischer Besatzung ermordeter Familienvater
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