Ludin, Hanns

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Hanns Ludin (1905–1947)

Hanns Elard Ludin (Lebensrune.png 10. Juni 1905 in Freiburg im Breisgau; Todesrune.png 9. Dezember 1947 in Preßburg) war ein deutscher Reserveoffizier der Reichswehr und der Wehrmacht sowie SA-Obergruppenführer, Politiker und Diplomat, der in der Zeit des Nationalsozialismus ab 1941 als „Gesandter I. Klasse und Bevollmächtigter Minister“ des Deutschen Reichs bei der Tiso-Regierung im „Schutzstaat Slowakei“. Er wurde nach einem Schauprozeß als „Kriegsverbrecher“ hingerichtet.

Ludins Unterschrift

Leben

Abiturent Hanns Elard Ludin, 1924
Wahlkämpfer Adolf Hitler, Hanns Ludin und Hermann Göring
SA-Führer Hanns Ludin, Reichsparteitag der NSDAP 1937
Ludwig Beck an Hanns Ludin, 1938
Von links: Otto Herzog, Dr. Karl Strölin, Werner von Blomberg, Hanns Elard Ludin und Prof. Christian Mergenthaler
Erla Ludin mit ihren drei Töchtern und dem neuen Sohn Tilman auf einem Foto von 1939
Die Ludins mit ihren ersten vier Kindern, 1940
Erla Ludin mit ihrer Tochter Erika in Preßburg
Gesandter Hanns Ludin in Preßburg

Ludin war einziger Sohn des Freiburger Gymnasialprofessors Friedrich Ludin und dessen Frau Johanna, einer Malerin. Im Elternhaus kaisertreu, christlich und deutsch-national erzogen, trat er 1924 nach seinem Abitur am Berthold-Gymnasium Freiburg in die Reichswehr ein. Am 1. Dezember 1927 wurde er zum Leutnant befördert. Am 10. März 1930 wurde er zusammen mit Leutnant Richard Scheringer und Oberleutnant Hans Friedrich Wendt,[1] alle aus dem 5. Artillerie-Regiment in Ulm, wegen „des Versuchs einer nationalsozialistischen Zellenbildung innerhalb der Reichswehr“ verhaftet. Im Ulmer Reichswehrprozess wurden alle drei am 7. Oktober 1930 zu je 18 Monaten Festungshaft verurteilt. Ludin wurde in die Festungshaftanstalt in Rastatt eingeliefert. Im Juni 1931 wurde er begnadigt. Danach trat er in die NSDAP ein und wurde Mitglied der SA

Kurzchronologie

  • 1911 bis 1914 Vorschule Freiburg i. Br.
  • 1914-1924 Humanistisches Bertholdsgymnasium Freiburg i. Br.
  • 1924 bis 1930 Dienstzeit in der Reichswehr[2]
    • Eintritt als Offizieranwärter (Fahnenjunker) in das 5. (Hessisch-Württembergische) Artillerie-Regiment in Ulm
  • 1927 Leutnant
  • 10.3.1930 Verhaftung (mit Richard Scheringer und Hans Friedrich Wendt) wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ (nationalsozialistische Zellenbildung in der Reichswehr)
    • siebenmonatige Untersuchungshaft
  • 1.10.1930 Eintritt in die NSDAP (Mitgliedsnummer: 556.230)
    • Sommer 1932 Ortsgruppenleiter in Freiburg i. Br.
  • 4.10.1930 vom Reichsgericht in Leipzig zu 18 Monaten Festungshaft (Rastatt) verurteilt und Entlassung aus der Reichswehr
    • Adolf Hitler gehörte während der Verhandlung zu den geladenen Zeugen.
  • 5.6.1931 vorzeitige Begnadigung durch den Reichspräsidenten und Haftentlassung
  • 15.6.1931 Eintritt in die SA, Untergruppe Baden, Karlsruhe
  • Juli 1931 hauptamtlicher SA-Führer (Gausturm Baden)
  • 1931 bis 1933 Tätigkeit als SA-Führer, Schriftleiter, Politischer Leiter und Redner
  • 1932 bis 1945 seit der 6. Wahlperiode Mitglied des Reichstags, NSDAP, Wahlkreis 32/Baden
  • März/April 1933 Kommissarischer Polizeipräsident von Karlsruhe
  • Juli 1933 Rehabilitierung als Reserveoffizier der Reichswehr, Beförderung zum Oberleutnant der Reserve im Wehrkreis 32 (Baden)
    • bis 1939 Teilnahme an diversen Wehrübungen
  • April 1933 Beförderung zum SA-Gruppenführer (bis 1941 Führer der SA-Gruppe Südwest, Stuttgart)
    • Obwohl er Ernst Röhms Anspruch eines Primats der SA vor der Reichswehr teilte, wurde er in dem Machtkampf des 30. Juni 1934 von Hitler, der ihn sehr mochte und vertraute, unter Belassung aller Ämter verschont.
  • 1934/35 Studium der Geschichte und Volkswirtschaft an den Universitäten Freiburg und Tübingen
    • März 1935 Plan einer geschichtswissenschaftlichen Promotion bei Dr. phil. Friedrich Focke, deutscher Klassischer Philologe und von 1925 bis 1946 als Professor für Gräzistik an der Universität Tübingen
  • 1936 Austritt aus der evangelisch-lutherischen Kirche; fortan „gottgläubig“
  • 1937 Beförderung zum SA-Obergruppenführer
  • 1939 bis 1940 Kriegsteilnahme im Westen als Batterieführer; Westfeldzug 1940
  • Januar 1941 bis Kriegsende (Frühjahr 1945) in das Auswärtige Amt übernommen
    • als Nachfolger von Manfred Freiherr von Killinger Gesandter des Großdeutschen Reiches in Preßburg (Slowakei)
      • Am 29. März 1942 besuchte Ludin mit Volksgruppenführer Franz Karmasin die deutschen Sprachinseln, besonders die Zips. In Käsmark fand eine

Kundgebung statt. Am 30. März 1942 besuchten die beiden die Ostslowakei, wo sie in Preschow herzlich begrüßt wurden.

  • 1945 Juni US-amerikanisches Internierungslager Natternberg
  • 5.10.1946 vom CIC Ludwigsburg völkerrechtswidrig an die tschechischen Mörderbanden ausgeliefert (als Zeuge im Tiso-Prozeß)
  • 1947 Schauprozeß in Preßburg
    • 3.12.1947 Todesurteil
    • 9.12.1947 Hinrichtung

Einführung

Er war ein Wanderer zwischen den Welten. Kaum einzuordnen war Hanns Elard Ludin in „linke“ und „rechte“ Schablonen. Zweifellos war er, der für seine Treue zum Deutschen Reich mit dem Tod bezahlen mußte, ein treuer und aufrechter Nationalist. Während die politische Korrektheit heute ein Schwarz-Weiß-Bild über das Dritte Reich malt, ist Ludin der Beweis dafür, daß nicht jeder, der sich für das Deutsche Reich einsetzte, ein „blinder Gefolgsmann“ war.

Zu den zu Unrecht Vergessenen der jüngeren deutschen Geschichte zählt Hanns Elard Ludin, der am 10. Juni 1905 in Freiburg im Breisgau geboren wurde und vor allem durch seine Rolle als Angeklagter im sogenannten Ulmer Reichswehrprozeß im September/Oktober 1930 bekannt wurde. Dieses Verfahren ermöglichte seinerzeit Adolf Hitler die Ablegung seines „Legalitätseides“, der die Versicherung des nationalsozialistischen Parteiführers beinhaltete, die Macht in Deutschland nur auf legalem Wege anzustreben. Ebenso wie seine Kameraden Wendt und Scheringer wurde Ludin damals wegen seiner 1929 aufgenommenen Verbindungen zur NSDAP, die angeblich auf die Bildung einer illegalen Parteizelle in der Reichswehr abzielten, vor dem Leipziger Reichsgericht angeklagt.

Am 1. Mai 1931 wurden die SA.-Uniformen für kurze Zeit in Baden verboten. Das hieß aber nicht etwa Müßigkeit für die SA., sondern auch in dieser Zeit kam man zusammen und nützte der Bewegung, so gut es möglich war. Gleich nach Aufhebung des Verbotes wurde der Bevölkerung durch große Aufmärsche in Radolfzell, Wahlwies und Markdorf gezeigt, daß die SA. Adolf Hitlers steht und durch noch so viel Verbote nicht unterzukriegen ist. Mit unverminderter Kraft wälzte sich die nationalsozialistische Welle vorwärts, und die SA. durfte durch ihre Zähigkeit manch schönen Erfolg für sich buchen. Im Mai 1931 war es eine besondere Freude und Ehre der Konstanzer SA., den aus der Festungshaft kommenden Leutnant Ludin begrüßen zu können. Durch seine hervorragenden Eigenschaften als Führer und Kamerad verstand es der damalige Oberführer der badischen SA., Ludin, sich im Sturm alle Herzen der SA.-Männer zu erobern. In ununterbrochener Folge mußte die SA. Dienst machen, und es war für sie ein großes Erleben, als sie in einer Stärke von 500 Mann, der damals gewaltigste Aufmarsch, durch das schwarze Überlingen marschierte. Unter Vorantritt der SA.-Kapelle Ulm und dem Spielmannszug des Sturmes 8 marschierten sie hinein in das historische Überlingen, und so manchem der Bevölkerung schlug das Herz schneller; nun wachgerüttelt, ahnte er wohl den Beginn einer neuen Zeit. Da wieder, mitten im allerbesten Aufbau, kam das Uniform-Verbot und sollte nun über ein Jahr dauern. Macht nichts; stolz und sicher zogen die braunen Scharen Adolf Hitlers weiter ihre Bahn! Durfte die SA. keine Uniformen tragen, so tat sie in Zivil ihren schweren Dienst, und so hatte sie im August 1931, als die Marxisten noch einmal in Konstanz versuchten, ihr Haupt zu erheben, in Wollmatingen im Gasthaus „zum Rößle“ eine schwere Saalschlacht zu bestehen. Die Konstanzer SA. aber machte reinen Tisch, sie gab diesen roten Gesellen einen derartigen Denkzettel, der ihnen für alle Zeiten das Wiederkommen verdarb. Damit war der größte Widerstand der Marxisten in Konstanz gebrochen. Der nun vom Führer befohlene Großangriff in Baden brachte auch für unsere SA. ungeheure Arbeit mit sich. Schon morgens vor Tau und Tag konnte man an den Ausgängen von Konstanz ganz verdächtige Gestalten in Räuberzivil aus der Stadt herausschleichen sehen, die nichts anderes darstellten als die brave SA. bei der Arbeit. Nichts konnte sie abhalten, auch Gefängnis und Zuchthaus nicht, ihre Pflicht dem Führer und der Bewegung gegenüber zu erfüllen. Immer größer und größer wurde der Zustrom in die SA., und damit dieselbe schlagkräftiger. Der Geist – aus dem Herzen erwachsen, der Glaube – im Herzen geboren, die Liebe zu ihrem Führer machte sie stark und groß! Versammlungen auf Versammlungen folgten. Immer tiefer in die Herzen der Volksgenossen hinein marschierte der Nationalsozialismus. Trotz Erwerbslosigkeit und schwerer Not gelang es dem Gemeinschaftssinn der SA., für ihre erwerbslosen Kameraden ein SA.-Heim im „Schauinsland“ zu gründen. Am 7. November 1931 konnte die SA. bei der Besichtigung durch den Oberführer Ludin einen guten Erfolg verzeichnen; der Sturm 8 wurde als der beste badische Sturm erklärt. Dies war vor allem der umsichtigen Führung des damaligen Sturmführers Ernst Steuer zu verdanken.

Das Leben des aus soliden bürgerlichen Verhältnissen stammenden Hanns Elard Ludin verlief bis zu seinem Ende am 9. Dezember 1947 unter dem Preßburger Galgen ebenso abenteuerlich wie vor allem geradlinig. Anders als die anfangs ebenfalls für den Nationalsozialismus begeisterten Gefährten Wendt und Scheringer blieb Ludin aber seiner Partei treu. Wendt hingegen wandte sich später der „Schwarzen Front“, also der von Otto Strasser gegründeten linken NSDAP-Abspaltung, zu, während Richard Scheringer auf der pommerschen Festung Gollnow, wo er seine gegen ihn verhängte Gefängnisstrafe absitzen mußte, dank seiner dort zustande gekommenen Kontakte zu Kommunisten der KPD beitrat. Ludin dagegen, in Rastatt inhaftiert, machte nach seiner im Juni 1931 erfolgten Freilassung innerhalb der SA Karriere.

Die verliebte Erla von Jordan schreibt ihrem künftigen Mann Hanns Ludin stolze Briefe ins Gefängnis. Sie nennt ihn einen Helden, weil er mit diesem Prozeß so viel Nutzen für das öffentliche Ansehen und die nationale Idee gebracht habe. Ein Held wird er ihr ein Leben lang bleiben, und sie tut alles dafür, daß er es auch ihren Kindern und Enkeln bleibt. „So lange sie lebte“, sagt Malte Ludin, hä„tte ich mich an den Film nicht gewagt. Sie lebte lange.“ Sie überlebte ihren Mann um fast 50 Jahre, wurde 91 Jahre alt und starb vor zehn Jahren an Krebs. Nach der Haft, im Juni 1931, tritt Ludin sofort in die NSDAP ein. Er beginnt seine politische Karriere als Führer des SA-Gausturms Baden. Ludin hat Ernst von Salomon, seinem Mitgefangenen im amerikanischen Lager, einmal erklärt, aus welchen Gründen er zum Nationalsozialisten wurde: „Er sah einfach den ursprünglichen Hort der angemessenen Tugenden, das liberale Bürgertum, gewissermaßen biologisch zu schwach geworden; er sah andere, neue und jüngere Mächte aufsteigen, bereit, die alten soziologischen Schichtungen abzulösen, – und in diese nun das Beständige hineinzutragen, das dünkte ihn seine eigentliche Aufgabe. Er habe nach einer Gelegenheit gesucht, in großem Rahmen pädagogisch zu wirken, durch Vorbild und Beispiel männliche Tugenden zu pflegen, Kameradschaft, Treue, Anständigkeit.“

Karriere

Zuletzt hatte er dort den Rang des Führers der „Gruppe Südwest“ mit Sitz in Stuttgart inne. Der junge SA-Obergruppenführer, der seit Juli 1932 auch dem Reichstag als Abgeordneter angehörte, bemühte sich dabei von Anfang an um die Gewinnung der Arbeiterschaft für den „Deutschen Sozialismus“. Diesem Ideal blieb er während der ganzen Herrschaft des Dritten Reiches verbunden. Die Solidarität mit Andersdenkenden war ihm in diesem Zusammenhang stets eine Selbstverständlichkeit. Richard Scheringer, bis zu seinem Tode im Mai 1986 Mitglied des DKP-Parteivorstandes, berichtete beispielsweise verschiedentlich in seinen unter dem Titel „Das große Los“ erschienenen Memoiren von diesen Aktivitäten des SA-Obergruppenführers Ludin, die ihm zuletzt nach dem 30. Juni 1934, also der sogenannten Röhm-Revolte, das Leben rettete.

Durch des Führers unerforschliche Gnade überlebte Hanns Ludin 1934 als einer der wenigen SA-Führer den Röhm-Putsch, die „Nacht der langen Messer“, […] „Ich wurde“, so zitiert Ernst von Salomon in seinem Buch Hanns Ludin, „mit einer Reihe anderer SA-Führer auf offener Straße durch die entgegenkommende Kolonne des Führers angehalten. Wir mußten in einer Reihe antreten, und der Führer ging von einem zum andern, jeden betrachtend, mit einem Blick, den ich zum ersten Male so empfand, wie er mir immer geschildert wurde, ohne daß ich beistimmen konnte, mit einem Blick, den ich nun auch als ,magisch' empfand. Hitler sagte kein Wort. Nur, als er bei mir angekommen war, sagte er, ohne Betonung und gleichsam in Gedanken verloren: ,Ludin', – und ich wußte nicht, ob ich damit zum Tode oder zum Leben verurteilt war. Ich war zum Leben verurteilt.“

Der eben selber nur knapp der eigenen Hinrichtung entgangene Ludin setzte sich zu diesem Zeitpunkt, so der Zeitzeuge Scheringer, auf sein Motorrad, um ihn, den Kommunisten, in Kösching bei Ingolstadt vor der drohenden Festnahme zu warnen. Später erschien er dort mehrfach, um durch seine demonstrative Anwesenheit auf dem Bauernhof des späteren bayerischen KPD-Landesvorsitzenden dessen gesellschaftliche Reputation zu verbessern, der im Zweiten Weltkrieg als Artillerieoffizier bis zuletzt seine Pflicht erfüllte. Auch Ludin stand selbstverständlich nach dem 1. September 1939 an der Front.

Keine zehn Jahre nach seinem Parteieintritt war Hanns Ludin Diplomat. Im Januar 1941 wird er Botschafter, also „Gesandter I. Klasse und Bevollmächtigter Minister des Großdeutschen Reiches“ in der vom Dritten Reich abhängigen Slowakei – was einen Jahresverdienst von 47.500 Reichsmark bedeutete. Die Familie zieht nach Preßburg (heute Bratislava) und genießt ein schönes, friedliches, wohlständiges Leben in einer der wenigen Ecken von Europa, in die der Weltkrieg kaum drang. Noch im April 1945 feiert Ludin den Geburtstag des Führers.

Bis 1941 war er als Hauptmann und Batterieführer in Polen und Frankreich zu finden. Das Jahr 1941 konfrontierte ihn dann allerdings mit neuen Aufgaben. Er wurde, gleich anderen hohen SA-Führern, in den Auswärtigen Dienst des Deutschen Reiches übernommen. Hierbei löste Ludin im genannten Jahr den Gesandten Manfred von Killinger, der selber aus der SA hervorgegangen war und bis 1935 das Amt des sächsischen Ministerpräsidenten bekleidete, als Vertreter Berlins in der Slowakischen Republik ab. Bis zum Kriegsende setzte sich der Badener Ludin für einen gerechten Interessenausgleich zwischen Deutschland und der mit ihm verbündeten Slowakei ein.

Daran konnte auch der im Sommer 1944 ausbrechende sogenannte Slowakische Nationalaufstand nichts ändern, der mit seinen zahlreichen Morden an Angehörigen der karpartendeutschen Volksgruppe einen furchtbaren Vorgeschmack auf die Exzesse des Frühsommers 1945 brachte. In enger Kooperation mit dem slowakischen Staatspräsidenten Monsignore Josef Tiso und den Organen von dessen Slowakischer Volkspartei schuf er zugleich wichtige Voraussetzungen für den Fortbestand der deutsch-slowakischen Waffenbrüderschaft.

Kriegsende und Gefangenschaft

Freiwillig stellte er sich den Amerikanern, um sich ihnen gegenüber für seine Arbeit in der Slowakei zu verantworten. Der mit ihm im VS-amerikanischen Internierungslager Natternberg bei Plattling inhaftierte Schriftsteller Ernst von Salomon berichtete in seinem berühmt gewordenen autobiographischen Roman „Der Fragebogen“ ausführlich von dieser letzten Etappe in Ludins Leben, das in des Wortes buchstäblicher Bedeutung der Herausbildung eines wahren, vorgelebten Sozialismus gegolten hatte.

„Es geschah 1946 bei einem Sonderappell in einem amerikanischen Lager im bayrischen Natternberg. Es hatte an höherer Stelle Beschwerden über die Hygiene im Lager gegeben; der Appell sollte zeigen, was passiert, wenn man sich beschwert. Die deutschen Gefangenen mußten nach dem Alphabet zum Spießrutenlaufen antreten und einzeln durch ein Spalier von amerikanischen Soldaten laufen, die mit Gummiknüppeln zuschlugen: ‚Bei Ludin wurde der Appell abgebrochen‘, berichtet ein Augenzeuge. ‚Ludin war aufgerufen worden. Sie droschen auf ihn ein. Ludin ging gleichmütig weiter. Als er bei Wislowski angelangt war, verlor er einen seiner Holzschuhe. Er machte kehrt und angelte mit dem nackten Fuß nach seinem Schuh. Wislowski lief hinter ihm her und schlug auf ihn ein. Dabei verlor Wislowski seinen Gummiknüppel. Ludin bückte sich und hob ihn auf und überreichte ihn Wislowski. Das Lager lachte, das ganze Lager von L bis Z lachte wie befreit ... Ludin, alter, braver Ludin, verstehe einer die Welt! Ludin verstand sie.‘ Es ist die Umsetzung von Jesus' Bergpredigt: ‚Ich aber sage euch, daß ihr nicht widerstrebt dem Übel, sondern: Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.‘ Die Peiniger werden ausgelacht, und der Gepeinigte ist der moralisch überlegene Held. Er heißt Hanns Elard Ludin. Sein Mitgefangener und Freund Ernst von Salomon beschreibt die Geschichte in seinem autobiographischen Buch ‚Der Fragebogen‘, das 1951 erschien und ein Bestseller in der Bundesrepublik wurde. Selbst wenn Ludin die Welt verstanden haben sollte, wie Salomon schreibt – er hat sie seinen sechs Kindern und seinen Enkeln nicht mehr erklären können.“[3]

Mehrfach boten sich ihm in diesem niederbayerischen Lager sichere Fluchtmöglichkeiten. Ludin verweigerte sich diesen jedoch standhaft, wollte er doch, wie von Salomon auf Seite 649 seines schon unmittelbar nach dem Erscheinen sehr positiv aufgenommenen Werkes schreibt, „die Verantwortung für alles, was in der Slowakei geschah“ auf sich nehmen. Diesen Weg der Wahrheit ging er weiter bis an sein bitteres Lebensende. Von den Amerikanern an die Tschechoslowakei des fanatischen Deutschenhassers Edvard Beneš ausgeliefert, wurde ihm in Preßburg der Prozeß als „Agent einer feindlichen Macht“ gemacht.

Tod durch Strangulation

Zum Tode durch Erdrosseln verurteilt, lehnte er stolz jedes Gnadengesuch ab. Sein alter Kamerad Richard Scheringer bemühte sich hingegen um eine Revision dieses Terrorurteils, was ihm aber natürlich nicht gelingen konnte. Die letzte Seite des „Fragebogens“ ist dem Ende des ehemaligen deutschen Gesandten Hanns Elard Ludin gewidmet:

„Entsetzlich abgemagert in seinem viel zu weit gewordenen grauen Flanellanzug bekam er den Strick um den Hals gelegt. Der Henker drehte ihn langsam zusammen. Hanns Ludin litt zwanzig Minuten. Seine letzten Worte waren ein Gedenken an seine Frau und seinen Sohn Tille und der Ruf:
‚Es lebe Deutschland!‘“

Konsequent und geradlinig ging dieser echte deutsche Sozialist am 9. Dezember 1947 in den Tod.

Familie

Hanns war der Sohn und einziges Kind von Prof. Dr. phil. Friedrich „Fritz“ Georg Ludin (1875-1941) aus Steinen bei Lörrach, Leiter eines Gymnasiums in Freiburg i. Br., und dessen Frau Johanna, geb. Tanner (1875-1963), Tochter des Kaufmanns Eugen Tanner in Lörrach und der Bertha, geb. Hihn. Er wurde evangelisch-lutherisch erzogen, ist aber 1936 aus der Kirche ausgetreten.

Ehe

1932 heiratete Ludin seine Verlobte Erla von Jordan (1905–1997) aus Straßburg im Reichsland Elsaß-Lothringen. Erla von Jordan kam 1905 als Tochter eines preußischen Beamten zur Welt. Sie lebte mit ihren Eltern Gustav und Marie von Jordan sowie ihren vier Geschwistern in Straßburg. Im Jahr 1918 wurde die Familie von den Franzosen vertrieben und zog nach Freiburg um. Dort lernte Erla auf dem Gymnasium ihren späteren Ehemann kennen. Kurze Zeit später trennen sich jedoch ihre Wege, denn Erla begann eine Berufsausbildung. 1925 traf sie erneut auf Hanns und von nun an blieb der Kontakt bestehen. Hanns, der in der Zwischenzeit sein Abitur bestanden hat, war in die Reichswehr eingetreten. Aus der Ehe sind sechs Kinder entsprossen:

  • Erika (1933–1998), geschiedene Senfft
    • Sie ist ihres Vaters ganzer Stolz und wird als seine Älteste mit besonders intensiver Aufmerksamkeit beschenkt. Bis zu ihrem 12. Lebensjahr erlebt sie eine unbeschwerte Kindheit, die besonders durch die schöne Zeit in Preßburg, aber auch durch ihren Besuch des Internats Schloß Salem geprägt werden. Den Verlust des geliebten Vaters hatte sie nie überwunden. Im Filmteil „Meine große Schwester“ des Bruders Malte erklärt er als Einleitung: „Erika war seine Erstgeborene. Sie traf der Verlust am heftigsten.“ Sie machte Berufsausbildung zur Fotografin in Hamburg. 1960 heiratete Erika den angehenden Juristen Heiner Senfft und brachte im darauf folgenden Jahr ihre Tochter Alexandra[4] zur Welt. Drei Jahre später folgte Sohn Johann Heinrich. Das Familienglück scheint jedoch nur perfekt, ihre Ehe zerbricht. Sie stirbt 1997 mit 64 Jahren, ein Jahr nach Mutter Erlas Tod, einen qualvollen Tod – sie rutschte in einer Badewanne mit zu heißem Wasser aus und starb kurze Zeit später an ihren Verbrühungen.
  • Barbara (Lebensrune.png 1935), verheiratete Faull
  • Ellen (Lebensrune.png 1938), verheiratete Nierhaus
  • Tilman (1939–1999), Kaufmann
  • Malte (Lebensrune.png 1942), Journalist
    • Malte konfrontiert in seinem Film „2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß“ die Mitglieder seiner Herkunftsfamilie mit der eigenen Familiengeschichte. Er interviewt seine Mutter, Geschwister, Schwager, Neffen und Nichten und befragt sie nach ihrer jeweiligen Haltung bezüglich des werdegangs des Ehemanns, Vaters, Schwagers und Onkels. Der Film verdeutlicht, wie unterschiedlich die Kinder- und Kindeskindergeneration des Hanns Ludin mit dem Angehörigen umgehen. Erla Ludins Rolle im Film konzentriert sich auf ihre Stellung als Familienoberhaupt und Wächterin über die Familienehre. Sie ist diejenige, die würdevoll und voller Treue über das Andenken ihres Mannes wacht.
  • Andrea (Lebensrune.png 1943), Sekretärin

Auszeichnungen (Auszug)

Literatur

Fußnoten

  1. Hans Friedrich Wendt, am 5. Dezember 1903 in Celle geboren, entstammte einer Offiziersfamilie. Wendt, der seine schulische Laufbahn unterbrochen hatte, trat nach zweijährigem Praktikum in der Landwirtschaft im November 1922 als Offiziersanwärter in die Reichswehr ein. Im Winter 1923 beurlaubt, holte er im Frühjahr 1924 seine Reifeprüfung nach und wurde am 1.12.1928 zum Leutnant, am 1.10.1929 schließlich zum Oberleutnant befördert. Zum 1.12.1929 schied Wendt aus der Reichswehr aus und übernahm eine Stelle in der Zeugmeisterei der NSDAP in Kassel.
  2. Ludin, Hanns Elard, Landesarchiv Baden-Württemberg
  3. Elser, Nachträge zur Biographie
  4. In ihrem Buch „Schweigen tut weh – eine deutsche Familiengeschichte“ erzählt Alexandra Senfft von der Lebensgeschichte ihres Großvaters und seiner Familie sowie vom damit verbundenen Leid seiner Angehörigen und Nachkommen. Im Vordergrund des Buches steht die Rekonstruktion der Leidensgeschichte ihrer Mutter Erika.