Ulbricht, Walter
Walter Ernst Paul Ulbricht ( 30. Juni 1893 in Leipzig; 1. August 1973 am Döllnsee nördlich von Berlin) war ein deutscher Politiker. Der gelernte Tischler war Mitglied der KPD und später der SED und Staatsratsvorsitzender der DDR. Er war ein überzeugter Stalinist, als Machthaber der DDR zeigte er während der 1960er Jahre allerdings auch etliche Liberalisierungstendenzen und konnte innerhalb des prosowjetischen Ostblocks eigenständige Positionen behaupten, was schließlich zu seiner Ablösung durch den des Russischen nicht mächtigen, aber kritiklos moskauhörigen Erich Honecker führte.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Walter Ulbricht wurde am 30. Juni 1893 in Leipzig geboren. Sein Vater war Schneider und Vertrauensmann der in Leipzig besonders radikalen SPD. Während seiner Tischlerlehre trat der junge Ulbricht 1906 der Sozialistischen Arbeiterjugend bei und beschäftigte sich im Arbeiterjugend-Bildungsverein besonders mit Geschichte und Politik. 1912 trat er der SPD bei.[1] Er gehörte zum antirevisionistischen Flügel um Karl Liebknecht und war 1914 gegen die Kriegsunterstützung der SPD.
Weimarer Republik
Nachdem er 1918 zweimal wegen Zersetzungspropaganda und Desertion (Fahnenflucht) verhaftet worden war,[2] trat er dem Spartakusbund bei und beteiligte sich 1919 an der Gründung der KPD in Leipzig. Er arbeitete zunächst als Redakteur bei lokalen KP-Zeitungen.[3] Von 1921 bis 1923 war er Sekretär der Bezirksleitung Großthüringen in Jena.
Schon 1923 saß Walter Ulbricht im Zentralkomitee (ZK) der KPD, dem er ab 1927 ständig angehörte. Außerdem war er ab 1926 Mitglied des sächsischen Landtages. Mitte der zwanziger Jahre erhielt er in Moskau eine gründliche Ausbildung als Spitzenfunktionär. Zeitweise war er als Instrukteur in Prag und Wien tätig. Er bekleidete hohe Funktionen im Militärapparat der Bolschewisten und wurde zur Weimarer Zeit vorübergehend steckbrieflich gesucht. Ab 1928 saß er im Deutschen Reichstag. Er half 1931 Erich Mielke bei der Ermordung zweier beliebter Berliner Hauptleute der Schutzpolizei. Die Immunität als Mitglied des Reichstages rettete ihn vor zweijähriger Festungshaft, die gegen ihn 1931 wegen Hochverrats verhängt worden war. 1932 erfolgte die Amnestie.
Drittes Reich
Im Oktober 1933 verschwand er aus dem Deutschen Reich.
Zunächst hielt er sich in Prag, dann in Paris auf. 1936 wirkte er als Kommissar der Roten Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg. 1937 war er als Nachfolger Münzenbergs KP-Hauptsprecher im Pariser Volksfrontausschuß. 1938 tauchte Ulbricht in der Sowjetunion auf. 1939/40 verteidigte er den Hitler-Stalin-Pakt heftig gegen Kritik aus den eigenen Reihen. Das Abkommen biete Gewähr, daß die reaktionärsten Vertreter des Kapitalismus, die Herrschenden in London, nicht den Endsieg davontrügen und sei Grundlage einer Friedenspolitik. Nach Ausbruch des deutsch-sowjetischen Krieges betrieb er Propaganda im Sowjetrundfunk und forderte Landser mit Lautsprechern zu Fahnenflucht und Sabotage auf. Außerdem half er beim Aufbau des Spitzelsystems in Kriegsgefangenenlagern für deutsche Soldaten. Er zählte zu den Gründern des „Nationalkomitees Freies Deutschland“ und übernahm dort eine Führungsposition.
Der Landesverräter kehrt mit dem Feind zurück
Ende April 1945 kehrte er im Troß der Roten Armee nach Deutschland zurück. Zunächst fungierte er als stellvertretender SED-Chef. 1950 rückte er zum Generalsekretär auf. Nach dem Tode Wilhelm Piecks war er auch Staatsratsvorsitzender. Als Diktator schaltete er parteiinterne Opposition (Zaisser-Herrnstadt/Wollweber-Schirdewan) ebenso aus, wie er brutal-stalinistisch jeden Widerstand in der Bevölkerung unterdrücken ließ. In seine Amtszeit fällt die mit Hilfe der Sowjets vollzogene Niederwerfung des 17. Juni-Volksaufstandes.
Einen Höhepunkt des Kalten Krieges bedeutete der Berliner Mauerbau im Jahre 1961. Wenige Wochen zuvor hatte Ulbricht anläßlich einer internationalen Pressekonferenz noch verkündet: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“
Ulbricht war der Jugend und technischen Entwicklungen immer zugetan und verabscheute wirtschaftliche Abhängigkeiten. Daß sich die DDR zum führenden Industriestaat des Ostblocks entwickelte, lag auf der ausführenden Seite am Fleiß der Mitteldeutschen, die unter kommunistischen Bedingungen Außerordentliches vollbrachten. In den 1950er und 1960er Jahren betonte Ulbricht den Wunsch nach Wiedervereinigung. Dann jedoch ging er auf separatistischen Kurs. Ab 1971 erfolgte schrittweise die Entmachtung Ulbrichts, die dann in seinem Sturz durch seinen früheren Ziehsohn Erich Honecker endete. Vor seinem Sturz hatte er nur noch das rein repräsentative Amt des Staatsratsvorsitzenden inne. Ulbricht erhielt sämtliche hohen Orden der DDR und viele Auszeichnungen der anderen „sozialistischen Bruderländer“. Die Genossen erklärten ihn zum Ehrenbürger der Stadt Leipzig.
Die Aufbauleistungen, welche unter Ulbricht erreicht worden sind, wurden von Honecker durch abenteuerliche Wirtschaftsprojekte, wie z. B. das zu ehrgeizige Wohnungsbauprogramm und die große Umstellung der Industrie auf die Konsumgüterproduktion, zunichte gemacht.
Tod
Diktator Walter Ulbricht verstarb 1973 am Döllnsee nördlich von Ost-Berlin.
Familie
Walter Ulbricht war zweimal verheiratet: ab 1920 mit Martha Schmellinsky und ab 1953 mit der Parteifunktionärin der SED Lotte Kühn. Das Paar hatte 1946 ein Waisenkind namens Beate ( 1944; 1991), Tochter einer bei einem Luftangriff auf Leipzig ums Leben gekommenen ukrainischen Zwangsarbeiterin, adoptiert, die nach der Wende als verwahrloste Frau in Berlin verstarb.[4] Der Spitzname von Walter Ulbricht war „Spitzbart“ und sein „Nu Nu“ (sächsische Zustimmungsfloskel) sowie sein Leipziger Dialekt wurden oft nachgeahmt. Ulbricht war auch bekannt dafür, in seinen Reden das Bindewort ja an allen möglichen und unmöglichen Stellen einzufügen.
Personenkult
Noch zu Lebzeiten Walter Ulbrichts, besonders in den 1950er Jahren, wurden in der DDR Betriebe, Einrichtungen und Sportstätten nach ihm benannt, so die Leuna-Werke und das Synthesewerk Schwarzheide, die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft und das spätere Stadion der Weltjugend. Ebenso gab es eine Briefmarkenserie.
Zitate
- „Es muß demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand behalten.“
- „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“
Bildergalerie
Walter Ulbricht während eines Auftrittes 1931 im Saalbau Berlin-Friedrichshain. Im Vordergrund der Gegenredner Dr. Goebbels.
Wahrscheinlich gefälschtes Bild aus der DDR-PropagandakücheV. Parteitag der SED 1958. Von links nach rechts: Heinrich Rau, N.S. Chruschtschow, Walter Ulbricht und Otto Grotewohl.
Hörbeitrag
- Walter Ulbricht (KPD) – Reichstagsrede am 23. Februar 1932
Siehe auch
Literatur
- Mario Frank: Walter Ulbricht. Eine deutsche Biographie, Siedler-Verlag, ISBN 978-3886807208
Verweise
- Tabellarischer Lebenslauf
- Wolfgang Leonhard: Vor 20 Jahren begann die ›Gruppe Ulbricht‹ ihre Arbeit – Legende und Wirklichkeit, Die Zeit, 7. Mai 1965
- Harold Hurwitz: Zwangsvereinigung und Widerstand der Sozialdemokraten in der Sowjetischen Besatzungszone und Berlin, Verlag Wissenschaft und Kritik, Köln 1990 [Sonderdruck ohne ISBN für den Verein für politische Bildung und soziale Demokratie e.V. (DDR), 173 S.]
- Wie Walter Ulbricht und Nikita Chruschtschow den Mauerbau beschlossen, Welt-online, Mai 2009
- Klaus J. Groth: Sein Aufstieg begann mit einem Mord, Preußische Allgemeine Zeitung, 9. Juli 2018
Fußnoten
- Geboren 1893
- Gestorben 1973
- Deutscher Politiker
- DDR-Politiker
- Kommunist
- SPD-Mitglied
- USPD-Mitglied
- KPD-Mitglied
- Landtagsabgeordneter (Freistaat Sachsen)
- Landtagsabgeordneter (Sachsen-Anhalt 1946–1952)
- Reichstagsabgeordneter (Weimarer Republik)
- Nationalkomitee Freies Deutschland
- Mitglied des ZK der SED
- Abgeordneter der Volkskammer
- Träger des Karl-Marx-Ordens
- Träger des Vaterländischen Verdienstordens (Ehrenspange)
- Träger des Nil-Ordens
- Held der Sowjetunion
- Ehrenbürger von Berlin