Lancelle, Otto
Otto Quirin Lancelle ( 27. März 1885 in Xanten; gefallen 3. Juli 1941 ostwärts Kraslava, Lettland) war ein deutscher Seekadett der Kaiserlichen Marine sowie Offizier der Preußischen Armee, des Deutschen Heeres, der Freikorps (Grenzschutz Ost), der Vorläufigen Reichswehr und der Wehrmacht, zuletzt Generalleutnant, Divisionskommandeur und Ritter des Ordens „Pour le Mérite“ mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes (posthum) im Zweiten Weltkrieg.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Familie
Lancelle war das elfte von dreizehn Kindern eines preußischen Offiziers. Sein Urgroßvater war 1791 vor dem Terror der Jakobiner nach Deutschland geflohen und stammte aus der Normandie.
Wirken
Erster Weltkrieg
Nach dem Abitur trat Lancelle am 1. April 1905 der Marine (Crew 05) bei. Am 11. Dezember 1905 wechselte er von der Kaiserlichen Marine zum Heer der Kaiserlichen Armee, kam nach Wesel in das Klevesche Feldartillerie-Regiment Nr. 43 und beendete den Ersten Weltkrieg als Regimentskommandeur. Er gehörte zu den höchstdekorierten Soldaten des Deutschen Reiches. Herausragenden Anteil hatte Lancelle am legendären Durchbruch von Brzeziny am 23./24. November 1914, der den russischen Vormarsch stoppte. Karl Litzmann nannte Lancelle „seinen besten Soldaten“.[1]
Zwischenkriegszeit
Mit der Vorläufigen Reichswehr kämpfte er gegen kommunistische Umtriebe in München und nach Oktober 1919 im Grenzschutz Ost in Oberschlesien. 1920 zählte er zu den Mitbegründern des Stahlhelm, wurde 1922 Mitglied der NSDAP und war 1923 Teilnehmer am Marsch auf die Feldherrnhalle. Zu dieser Zeit war Lancelle militärischer Führer des gesamten Wehrwolf. Er war Mitglied im Deutsch-Völkischen Offiziersbund (gemeinsam mit Konstantin Hierl und Curt Freiherr Loeffelholz von Colberg), Anfang 1924 war er Führer im Frontbann, Ende des Jahres Mitglied der SA. 1931 wurde Lancelle als SA-Oberführer Referent in der Obersten SA-Führung (OSAF).
Lancelle war mit Konstantin Hierl maßgeblich am Aufbau des Reichsarbeitsdienstes beteiligt. Er richtete 1932 den ersten staatlichen Arbeitsdienst in Anhalt ein, war ab 18. Juli 1932 Führer der „Stamm- und Lehrabteilung“ in Groß-Kühnau, leitete im Jahr darauf die Reichsschule für den Arbeitsdienst in Berlin-Spandau und fungierte ab Juni 1933 als Leiter der Reichsschule des Deutschen Arbeitsdienstes in Potsdam-Wildpark (i. e. im Neues Palais) und Inspekteur der Lehrabteilungen (er war dem Inspekteur der Führerschulen unterstellt). Lancelle wurde nach einem Konflikt mit Wilhelm Decker und Konstantin Hierl im Jahr 1934 als Leiter der Reichsschule und Inspekteur der Lehrabteilungen abgesetzt. Sein Nachfolger wurde Hermann Kretzschmann. Zu Beginn des Jahres 1936 aus dem RAD aus.
Ab Januar 1935 war Lancelle erneut Mitglied des Stabes der OSAF, die inzwischen nach Berlin verlegt worden war. Ab 1935 war er Stabsmitglied der obersten SA-Führung. Am 1. Oktober 1935 wurde Lancelle im Heer der Wehrmacht reaktiviert und zunächst beim Stab des Artillerieregiments 7 verwendet. Als Oberstleutnant übernahm er am 1. April 1938 das Artillerieregiment 43 und wurde am 10. November 1938 Kommandeur des Artillerieregiments 115. In dieser Funktion folgte am Neujahrstag 1939 seine Beförderung zum Oberst.
Zweiter Weltkrieg
Im Zweiten Weltkrieg war Lancelle von Anfang an in der Wehrmacht aktiv. Mit dem Polenfeldzug wurde Lancelle zum Kommandant von Frankfurt (Oder) ernannt. Diesen Posten gab er jedoch am 24. Oktober 1939 wieder ab und wurde Kommandeur des Artillerie-Regiments 168.
Zu Beginn des Unternehmens „Barbarossa“ führte er die 121. Ostpreußische Infanterie-Division. Für seine außerordentliche Tapferkeit war Lancelle bei seinen Soldaten hochgeschätzt.
Soldatentod
Am 3. Juli 1941 befand sich Lancelle bei den Angriffsspitzen seiner Division, die ostwärts der Düna die russischen Linien durchbrachen. Bei Nahkämpfen mit den Bolschewisten fiel Lancelle (ggf. durch Scharfschützentreffer) mit zwei seiner Begleitoffiziere.[2]
In keiner kriegerischen Auseinandersetzung der letzten hundert Jahre hatte die deutsche Generalität einen so hohen Blutzoll zu leisten wie im Zweiten Weltkrieg. Während in den Jahren 1914 bis 1918 63 deutsche Generäle den Soldatentod auf der Wahlstatt fanden oder an einer dort erlittenen tödlichen Verwundung starben, belief sich die entsprechende Zahl, wie die 1953 in 3. Auflage erschienene Dokumentation „Opfergang der Generale“ von Josef Folttmann und Hanns Möller-Witten detailliert namentlich ausweist, für den Zweiten Weltkrieg auf nicht weniger als 289 gefallene bzw. an Kriegsverwundung verstorbene Generäle bzw. Admiräle aller Wehrmachtsteile (einschließlich Waffen-SS und Polizei).
Unter diesen Toten befanden sich u. a. auch sechs Offiziere, die während des Ersten Weltkrieges mit dem damals höchsten preußischen Kriegsorden für Offiziere, dem Pour le Mérite, ausgezeichnet worden waren: Generalfeldmarschall Fedor von Bock (1880–1945, Generalleutnant Otto Gabcke (1882–1942), Generalmajor z. V. Kurt Kühme (1885–1944), Generalleutnant Otto Lancelle (1885–1941), Generalmajor Wolff von Stutterheim (1893–1940) und Generalmajor Horst von Wolff (1886–1941).
Sonstiges
Mit Unterstützung der lettischen Regierung wurde am 3. Juli 1994 ein Ehrenmal für Lancelle in Lettland errichtet.
Beförderungen
- Seekadett (1. April 1905)
- Fahnenjunker (1905)
- Fähnrich (18. April 1906)
- Leutnant (27. Januar 1907)
- Oberleutnant (8. Juli 1914)
- Hauptmann (3. April 1915)
- Charakter als Major (31. März 1920)
- SA-Standartenführer (3. November 1931)
- SA-Oberführer (1. Februar 1932)
Wehrmacht
- Major (1. Oktober 1935)
- Oberstleutnant (20. April 1936)
- Oberst (1. Januar 1939)
- Charakter als Generalmajor (27. August 1939; Tannenbergtag)
- Generalmajor (1. Februar 1941)
- Generalleutnant (posthum) (21. Juli 1941)
Auszeichnungen (Auswahl)
- Preußische Rettungsmedaille am Bande
- Eisernes Kreuz (1914) II. und I. Klasse
- Ritterkreuz des Königlich Preußischen Hausordens von Hohenzollern mit Schwertern am 14. August 1917
- Pour le Mérite am 9. Oktober 1918 als Hauptmann und Führer der II. Abteilung des 2. Garde-Feldartillerie-Regimentes
- Verwundetenabzeichen (1918) in Schwarz und Silber
- Deutsches Reichssportabzeichen
Drittes Reich
- Ehrenkreuz für Frontkämpfer
- Wehrmacht-Dienstauszeichnung, IV. bis II. Klasse
- Wiederholungsspange (1939) zum Eisernen Kreuz II. und I. Klasse (1914)
- Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes am 27. Juli 1941[3] (posthum) verliehen für außerordentliche Tapferkeit als Generalmajor und Kommandeur der 121. Infanterie-Division
Literatur
- Deutscher Arbeitsdienst. Heft 7 vom 18. Februar 1934.
- Das Deutsche Führerlexikon, Otto Stollberg G.m.b.H., Berlin 1934
Verweise
Fußnoten
- Geboren 1885
- Gestorben 1941
- Deutscher Generalleutnant
- Tannenberg-General
- Militärperson (Kaiserliche Marine)
- Hauptmann (Preußen)
- Person im Ersten Weltkrieg (Deutsches Reich)
- Major (Reichswehr)
- Freikorps-Mitglied
- Stahlhelm-Mitglied
- SA-Mitglied
- NSDAP-Mitglied
- Angehöriger des Reichsarbeitsdienstes
- Generalleutnant (Heer der Wehrmacht)
- Person im Zweiten Weltkrieg (Deutsches Reich)
- Träger des Eisernen Kreuzes I. Klasse (1914)
- Träger des Hausordens von Hohenzollern
- Träger des Pour le Mérite (Militärorden)
- Träger des Ritterkreuzes des Eisernen Kreuzes
- Gefallen für Deutschland