Deutsche Schnellboote 1880–1945

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Deutsches Schnellboot auf Feindfahrt; die S-Boote wurden auch die „Stukas der See“ genannt.

Deutsche Schnellboote 1880–1945 beschreibt die Schnellboote der Kaiserlichen Marine, der Reichsmarine und der Kriegsmarine von 1880 bis 1945. Die Kriegsschiffe waren ein offensives Kampfmittel für den küstennahen Einsatz. Im Zweiten Weltkrieg versenkten die deutschen Schnellboote mehr als 40 Kriegsschiffe und beschädigten weitere 14 schwer. Über 100 Handelsschiffe wurden versenkt, weitere 15 stark beschädigt. Die zahlreichen nicht dokumentierten Beschädigungen an feindlichem Schiffsraum, die Bindung der feindlichen Abwehr, die Einsätze zur Unterstützung des Heeres sowie zuletzt die Rückführung deutscher Soldaten und die Evakuierung von Vertriebenen sowie Flüchtlingen in der Ostsee und somit ihre Rettung vor den Horden der Rotarmisten runden die erfolgreichen Einsätze der Flottillen ab. S-Boote waren an allen Küsten Europas, in Nordafrika und im Schwarzen Meer im Einsatz.

Entwicklung bis 1914

Nach Auflösung der ersten deutschen Bundeskriegsflotte (1848–1852), die unter der Führung von Konteradmiral Karl Rudolf Brommy stand, wurden am 3. Januar 1853 in Vegesack 26 Kanonenschaluppen versteigert. Diese 19 Meter langen Schiffe lagen in demselben Hafenbecken in Vegesack, in dem später die Schnellboote der Reichs- und Kriegsmarine lagen und heute wieder die S-Boote der Schnellbootgeschwader der Marine der Bundeswehr Bord an Bord liegen. Als im Jahr 1875 der junge Bootsbauer Friedrich Lürssen nach einer dreijährigen Dienstzeit in einem preußischen Pionierbataillon den Betrieb seines Vaters in Lemwerder verließ und nach Vegesack übersiedelte, wußte er noch nicht, was ihn erwartete. Die modernen Werften der jungen Seestadt Bremerhaven machten dem Vegesacker Schiffbau seit 1871 schwer zu schaffen, so daß es in Vegesack sehr viele arbeitslos gewordene Bootsbauer gab.

Nachdem das deutsche Kaiserreich vier Jahre vorher gegründet worden war, entstand gerade in jenen Tagen, als Friedrich Lürssen am 23. Juni 1875 mit seinem Schwiegervater die Betriebsgründung vornahm, rund um Vegesack eine blühende Industrie mit neuzeitlichen Dampfmaschinen. 1860 war von dem österreichischen Fregattenkapitän Johann Luppis ein selbstbeweglicher Torpedo, der Fisch-Torpedo, erfunden worden, welcher von dem englischen Ingenieur Whitehead verbessert und im Jahr 1866 in Fiume vorgeführt wurde. 1879 baute die Firma Schwartzkopf bei Berlin unter der Bezeichnung C/79 den ersten deutschen Torpedo. Ein Jahr später, nachdem der Ingenieur Gottlieb Daimler zusammen mit Wilhelm Maybach im Jahr 1883 den ersten schnellaufenden Fahrzeugmotor konstruiert und gebaut hatte, wurde von der Kaiserlichen Marine im Jahr 1884 das erste Dampf-Torpedoboot in Dienst gestellt, welches im Jahr 1880 entworfen worden war. Die Leitung der neu gegründeten Torpedoinspektion übernahm 1886 der Korvettenkapitän Alfred von Tirpitz, der die Torpedoboote schuf.

Das erste Motorboot mit Daimlermotor baute die Lürssen-Werft in Bremen-Vegesack schon im Jahr 1890. Bis 1910 baute die Werft rund 700 weitere Zivilmotorboote, deren Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit immer wieder auf vielen Regatten erprobt wurde. Mit Beendigung des Studiums als Schiffsbauingenieur trat im Jahr 1906 der Sohn Otto Lürssen mit seinem Studienkollegen und Schwager Karl Vertens in den Schiffsbaubetrieb seines Vaters ein. Damit begann für die Bootswerft Friedrich Lürssen in Bremen-Vegesack eine neue Ära. Noch im selben Jahr bauten die beiden jungen Ingenieure ein Strömungsbassin für Modellschleppversuche. Außerdem waren sie von der Idee besessen, den Bau von Motorrennbooten zu wagen. Schon mit dem auf der Lürssen-Werft in Vegesack konstruierten und gebauten Motorrennboot „Donnerwetter“, welches mit einem 30- bis 40-PS-Motor eine Geschwindigkeit von 34 bis 38 km/h erreichte, gewann Otto Lürssen in den Jahren 1908 und 1909 sämtliche Motorbootregatten auf der Weser und dem Bodensee. Das im Jahr 1911 auf der Werft gebaute Boot „Lürssen-Daimler“ erreichte mit einem 102-PS-Motor bei einer Länge von 8,05 m und einer Breite von 1,6 m eine Geschwindigkeit von etwa 50 km/h. Diesem Boot folgten die in den Jahren 1912 und 1913 ähnlich gebauten Boote „Saurer-Lürssen“ und „Boncourt“. Bei einer Länge von 9,7 m, einer Breite von 2,72 m und einer Seitenhöhe von 0,91 m erreichten diese, mit einem 100-PS-Motor ausgestattet, eine Geschwindigkeit von etwa 37 kn. Die mit diesen Booten gesammelten Erfahrungen sollten der Lürssen-Werft bei dem späteren Bau von Torpedo-Schnellbooten zugute kommen. Durch Versuche mit kleinen, schnellen Motorbooten, die ferngelenkt, im Ernstfall mit einer 700-kg-Sprengladung im Bug, gegen das feindliche Ziel gesteuert werden sollten. Schon im Jahr 1909 interessierte sich die Kaiserliche Marine für die von Werner von Siemens gemachten Fernlenkversuche mit dem Dampfer „Teltow“. Sie erteilte der Lürssen-Werft den Auftrag zum Bau des knapp 9 m langen Versuchsboots „Racker“, welches über zwei Drähte von einer Landstation ferngelenkt wurde. Durch die Entwicklung und den Bau von Fernlenkbooten wurde ebenfalls eine Grundlage für die Schnellbootwaffe geschaffen.

Im Jahr 1908 unternahm Wilhelm von Siemens das auf den Namen „Racker“ getaufte Versuchsboot. Es war ein Verdrängungsboot von 8–9 m Länge und erreichte bei Versuchen auf dem Schweriner See eine Geschwindigkeit von etwa 27 kn. Als Fernlenkboot gebaut, wurde es durch zwei Drähte, die von einer selbsttätig rotierenden Spule bis zu einer Länge von 50 km abgespult werden konnten, von einer Landstation aus gelenkt. Das nächste Versuchsboot, die „Havel“, ebenfalls von der Lürssen-Werft als Fernlenkboot gebaut, war 11 m lang. Mit zwei Motoren von je 100 PS ausgerüstet, erreichte dieses Boot bei den Versuchen auf dem Schweriner See schon im Jahr 1911 eine Geschwindigkeit von 33 kn. Mit diesen Fernlenkbooten, „Racker“ und „Havel“, wurden in den Jahren 1912 und 1913 auf der Flensburger Förde mehrere Versuche durchgeführt, die aber infolge häufiger Störungen nicht abgeschlossen wurden. Beide Boote wurden der Kaiserlichen Marine übergeben, aber von dieser nicht weiter verwendet. Die unter der Leitung von Kapitänleutnant Hermann Ehrhardt durchgeführten Versuche verliefen ebenfalls nicht zufriedenstellend.

Grundsätzlich waren drei Faktoren für die Entwicklung der Schnellboote bestimmend:

  1. Der Torpedo als autonome und mit vernichtender Waffenwirkung ausgestattete neue Waffe
  2. Der bereits bei den Torpedobooten erkannte operative Vorteil hoher Geschwindigkeiten
  3. Der Motor als neues Antriebsmittel für kleinere Fahrzeuge

Entwicklung der deutschen Schnellboote im Ersten Weltkrieg

Die Anfänge der deutschen Schnellbootwaffe liegen im Ersten Weltkrieg, als die aus zivilen Beständen stammenden Arbeitsboote, die sich seit 1916 um die Räumung der Netzsperren vor der Küste Flanderns bemühten, Schutz vor den Bewachern der Sperren benötigten. 1917 wurden als Ergänzung der Netzarbeitsboote vier eigens dafür konstruierte und mit einer 3,7-cm-Maschinenkanone bewaffnete Netzarbeitsboote (LM 1 bis LM 4) und zwei zusätzliche Sicherungsboote (LM 5 und LM 6) mit einem 45-cm-Bug-Torpedorohr und einem Maschinengewehr in Dienst gestellt. Alle Boote wurden mit drei Wellenanlagen mit je einem 210-PS-Maybach-CX-6-Zylinder-Viertakt-Otto-Luftschiffmotor ohne Wendegetriebe (auf Rückwärtsfahrt wurde verzichtet) ausgestattet. Die Boote hatten eine Besatzung von sieben bis acht Mann. Sie erreichten eine Geschwindigkeit von ca. 30 kn, der Fahrbereich lag bei 150 bis 200 sm, und die Einsatzdauer betrug fünf bis sieben Stunden. Die ursprünglich geplanten Heck-Torpedorohre wurden in der Bauphase durch jeweils ein Bug-Torpedorohr ersetzt. Die Schußabgabe war bei bis zu 20 kn Eigenfahrt möglich. Die Boote wurden mit einigem Erfolg gegen die Sperrsicherungsfahrzeuge eingesetzt. Noch 1918 wurden 15 Boote einer zweiten Serie (LM 7 bis LM 21) in Dienst gestellt. Damit verfügte die Kaiserliche Marine über 21 Schnellboote, von denen sieben in der Ostsee und 14 in Flandern stationiert waren. Die Boote des Marinekorps Flandern wurden der Motorbootdivision (Kapitänleutnant Renatus Ellendt) unterstellt. Die Erbauer dieser ersten Schnellboote waren Lürssen, Oertz, Naglo und Roland. Die Boote LM 1 und LM 2 gingen am 5. März 1918 bzw. am 17. April 1918 durch Benzin- bzw. Motorexplosion verloren. Als Ersatz dafür wurden LM 22 und LM 23 in Auftrag gegeben.

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges wurden die Versuche mit den Fernlenkbooten von der Kaiserlichen Marine wieder aufgenommen. Unter der Leitung des Oberst Schwedler und dem Betriebsingenieur Klose wurden die „FL-Boote“ zunächst auf der Kieler Förde vor Friedrichsort und danach in Travemünde auf ihre Verwendungsfähigkeit für den Fronteinsatz erprobt. Bis Ende 1916 standen der Kaiserlichen Marine 17 Fernlenkboote – die noch von einer Landstation am Draht gelenkt wurden – zur Verfügung. Die ersten „FL-Boote“ wurden im Februar 1915 in Zeebrügge zur Bekämpfung der englischen Monitore eingesetzt, welche die deutschen Stellungen und Stützpunkte an der flandrischen Küste immer wieder angriffen und beschossen.

U-Boote konnten dort wegen des flachen Wassers nicht eingesetzt werden. Man hatte versucht, die englischen Monitore auf ausgelegte Minenfelder laufen zu lassen, doch englische Minensuchboote hatten vor dem Einsatz der Monitore stets Minengassen geräumt. Aus diesem Grund kamen vor der flandrischen Küste diese kleinen, schnellen Fernlenkboote zur Bekämpfung der englischen Monitore zum Einsatz, die im Jahr 1916 auch vor Kurland eingesetzt wurden. Ab 1917 gelang es, die Fernlenkboote mit Funkentelegraphie von einer Landstation oder von einem Flugzeug aus zu lenken. Zur Beseitigung der von den englischen Monitoren vor Zeebrügge ab Sommer 1916 gegen U-Boote und Torpedoboote ausgelegten Netzsperren benötigte das Marinekorps Flandern ebenfalls kleine, schnelle Boote, die in der Lage waren, den die Netzsperren bewachenden englischen Zerstörern und Monitoren auszuweichen. Im Herbst 1916 forderte ebenfalls der Befehlshaber der Ostseestreitkräfte Boote des gleichen Typs für den Einsatz in der Irbenstraße.

Das auf der Lürssen-Werft im Jahr 1913 gebaute Motorrennboot „Boncourt“ und die aus zivilen Beständen erworbenen Boote „Ursus“ und „Max“ sowie die kleinen Boote „Quelle“ und „Brasse“ wurden für diesen Zweck umgebaut. Da diese ehemaligen Sportboote zu schwach waren und sich im See-Einsatz nicht bewährten, wurden im Januar 1917 sechs neue Boote bei der Lürssen-, der Naglo- und der Oertz-Werft von der Kaiserlichen Marine in Auftrag gegeben. Das von dem Marinekorps in Flandern 1916 zurückgegebene ehemalige Rennboot „Boncourt“, welches für die Verwendung im See-Einsatz zu schwach war, sollte im selben Jahr von der Lürssen Werft zu einem Depeschenboot umgebaut werden. Während dieses Umbaues kam dem Werftbesitzer Otto Lürssen – aufgrund der bekannten Erfahrungen mit den Fernlenkbooten vor Flandern – der Gedanke, das Boot mit einem Bugtorpedorohr zu versehen. Nach mehreren Versuchen führte er das Boot den Marinedienststellen in Kiel vor. Die Kaiserliche Marine erteilte ihm daraufhin den Auftrag, ein neues Versuchsboot zu bauen, welches bei einer Geschwindigkeit von 30 bis 40 kn und einer Besatzung von zwei bis vier Mann einen Fahrbereich von ca. 200 bis 250 sm haben sollte. Am 1. April 1917 wurde das Boot mit einer Länge von 11,2 m, einer Breite von 2,5 und einer Seitenhöhe von 1 m fertiggestellt. Mit zwei Maybachmotoren von je 240 PS ausgerüstet, erreichte dieses Boot eine Geschwindigkeit von 34 kn. Die Bewaffnung bestand aus einem 35-cm-Bugtorpedorohr, welches fast mit der Wasserlinie abschnitt. Das aus Holz gebaute Boot wurde von der Marine unter der Bezeichnung „Sonderkommando Gleitboot“ in Dienst gestellt. Es durfte nicht unter 17 sm laufen, da sonst eine ausreichende Kühlung der Motoren nicht gewährleistet werden konnte. Bei höchster Fahrtstufe warf es soviel Spritzwasser zur Seite, daß ein Ausguck nach Backbord- oder Steuerbordseite unmöglich wurde. Die Erprobungen dieses neuen Bootstyps wurden 1917 unter der Leitung von Oberstleutnant z. S. Rabe vom Torpedoversuchskommando in Kiel durchgeführt.

Dabei rammte das Boot vor Friedrichsort ein getaucht fahrendes U-Boot und wurde stark beschädigt. Korvettenkapitän Holzapfel und weitere Mitglieder des Erprobungsteams vom Torpedoversuchskommando verunglückten dabei tödlich. Die ersten sechs mit Luftschiffmotoren in Dienst gestellten Boote einer Serie, die vom Kaiserlichen Marineamt im Januar 1917 zum Bau in Auftrag gegeben worden waren, wurden als „L-Boote“ bezeichnet. Zur Vermeidung einer Verwechslung mit Luftschiffen wurden die bereits in Dienst gestellten Boote sowie alle Neubauten aus dieser Serie später als „LM-Boote“ bezeichnet. Aufgrund der Erfolge der ersten „LM-Boote“ vor der flandrischen Küste, welche neben dem Räumen der Netzsperren auch in der Bekämpfung der küstenbeschießenden englischen Monitore eingesetzt worden waren, entschloß sich das Kaiserliche Marineamt im Juni 1917 dazu, die „LM-Boote 7 bis 19“ in Auftrag zu geben. Die Boote „LM 20“ und „LM 21“ wurden im August und Oktober desselben Jahres in Auftrag gegeben. Die Boote „LM 7“ bis „LM 21“ erreichten bei einer Wasserverdrängung von 6–7,5 t, einer Länge von 16–17 m, mit drei Maybachmotoren von je 240 PS eine Geschwindigkeit von 31,8 kn.

Als Bewaffnung erhielten diese Boote ein MG und ein 45-cm-Torpedorohr am Bug. Von den anderen Booten abweichend, erhielten lediglich die Boote „LM 20“ und „LM 21“ statt des MGs eine 2-cm-Maschinenkanone. Bis zur Fertigstellung dieser „LM-Boote“ wurden im Sommer 1917 die Fernlenkboote „FL 1, 2, 6, 9, 10, 11, 13, 15“ und „17“ mit einer 3,7-cm-Kanone ausgerüstet, um offensiv an der flandrischen Küste als sogenannte Schnellboote gegen die englischen Monitore und Zerstörer unter der Bezeichnung „L 20“ bis „L 28“ eingesetzt zu werden. Mit der Indienststellung der Boote „LM 14“ bis „LM 21“ wurden die Boote „L 20“ bis „L 28“ im Dezember 1917 wieder zu Fernlenkbooten umgebaut. Der Kaiserlichen Marine standen Anfang 1918 die Boote „LM 1“ bis „LM 21“ zur Verfügung. Von diesen 21 „LM-Booten“ wurden sieben in der Ostsee vor Kurland und 14 vor der flandrischen Küste eingesetzt.

Als Ersatz für die im Sommer 1918 verlorengegangenen Boote „LM 1“ und „LM 2“ wurden die Boote „LM 22“ und „LM 23“ bei der Lürssen-Werft in Auftrag gegeben, welche anstelle der Torpedorohre lediglich eine 3,7-cm-Maschinenkanone erhalten sollten. Die Kaiserliche Marine bestellte im August 1918 auf Wunsch der österreichisch-ungarischen Marine die Boote „LM 24“ bis „LM 33“ für die Verteidigung der von den italienischen MAS-Booten immer wieder angegriffenen und blockierten Otranto-Straße. Von den bis zum Kriegsende in Auftrag gegebenen 33 LM-Booten wurden die 12 Boote „LM 22“ bis „LM 33“ nicht mehr fertiggestellt. Die später weitergebauten vier Boote „LM 22“, „LM 23“, „LM 27“ und „LM 28“ fanden etwa ab 1926 bei der Reichsmarine für getarnte Versuche Verwendung. Mit der Weiterentwicklung der LM-Boote wurde im März 1918 die Oertz-Werft entsprechend den folgenden militärischen Forderungen beauftragt. Diese neuen Boote sollten bei einem Aktionsbereich von 300 sm eine Geschwindigkeit von 34 kn erreichen und mit zwei 50-cm-Bugtorpedorohren sowie mit zwei 2-cm-Maschinenkanonen ausgerüstet sein. Bei dem Bau dieser Boote war vorgesehen, daß je ein Boot mit Siemens-&-Halske-Despujol-Otto-Motor und Deutz-Otto-Motor, zwei Boote mit Körting-Otto-Motoren und vier Boote mit Junkers-Linke-Hoffmann-We.-Diesel-Motoren ausgerüstet wurden. Die Namen der Boote, „Lüsi I“ und „Lüsi II“, „Köro I“ bis „II“, „Juno I“ bis „IV“, setzten sich aus der Werft- und Motorenbezeichnung zusammen.

Neuaufbau der Schnellbootwaffe

Versuchsboot „Narwal“ vor dem Zuwasserlassen, etwa 1928
Sperrverband „Ostsee“; am 16. April 1929 stellte die Reichsmarine den „Ostseesperrverband“ auf. Der Verband bestand aus 24 Sperrübungsfahrzeugen und einer Reihe sogenannter Bewachungsfahrzeuge. Zu den Bewachungsfahrzeugen zählten UZ-Boote (U-Boot-Zerstörer) mit dem Zusatz „(S)“ für Schnellboot. Diese setzten sich zusammen aus den ehemaligen LM-Booten mit den Bezeichnungen UZ (S) 13, 14, 15, 16, 17, 20 und 21, aus den Booten ex „Lür“ als UZ (S) 11, ex „K“ als UZ (S) 12, ex „Narwal“ als UZ (S) 18 und ex-„Lüsi 1“ bzw. „Liesel“ als „UZ (S) 19". Aber alle Versuche zeigten, daß mit Booten dieser Größe die Forderungen der Reichsmarine nach seegängigen, schnellen Booten mit zwei Torpedorohren 53,7 cm und Flak bewaffnet mit einer möglichst hohen Reichweite und Geschwindigkeiten von mehr als 30 kn nicht erfüllt werden konnten. Daneben baute die Lürssen-Werft die zwei Turbinen-Schnellboote „Bremse“ und „Brummer“. Es waren 55-t-Boote mit den Abmessungen 29,00 m, 4,40 m Breite und 1,50 m Tiefgang, die mit zwei Kesseln und einer Hochdruck-Dampf-Turbinenanlage mit 1.600 PS je Turbine eine Geschwindigkeit von 29 kn über ein Rädergetriebe und zwei Propeller erreichten. Sie bewährten sich im See-Einsatz, wurden aber durch die einsetzende Diesel-Entwicklung für Schnellboote zu Einzelfahrzeugen. Die Entwicklung eines neuen großen Schnellbootes bei der Lürssen-Werft auf der Grundlage des für amerikanische Auftraggeber gebauten Expreß-Kreuzers „Oheka II“ und des daraus abgeleiteten Versuchsbootes „Lür“ führte zu dem als „S 1“ bekannten Typ-Bootes von 26,85 m Länge, 4,20 m Breite und 1,10 m Tiefgang, das aber genau wie die Boote „S 2“ bis „S 5“ noch mit Otto-Motoren ausgerüstet war. „S 1“ wurde am 7. August 1930 als UZ (S) 16 in Dienst gestellt. Es wurde am 31. März 1931 zum Wachboot „W 1“ und am 16. März 1932 zum Schnellboot „S 1“. Die Tarnbezeichnung „S“ für Schnellboot wurde damit zur offiziellen Typ-Bezeichnung.
Schnellboot der Reichsmarine 1934
„S 19“ der Kriegsmarine; 34,62 m lang, 5,10 m breit, mit 17 bis 21 Mann Besatzung und 3 x Daimler-Benz MB 501 Diesel-Motoren 1.500/2.000 PS; Geschwindigkeit: 37,5 bzw. 39,5 kn
Tarnfarbbeispiele der Schnellboote der Kriegsmarine
Die Entwicklung der deutschen Schnellboote von Wolfgang, Müller.jpg

Die meisten Marinen vernachlässigten nach dem Ersten Weltkrieg das Schnellboot, das als Kriegsschiff der küstennahen Verwendung dann bald in Vergessenheit geriet. Italien und Frankreich waren die ersten Staaten, die der Weiterentwicklung der Schnellbootwaffe erhöhte Aufmerksamkeit schenkten. Nach einiger Zeit baute man auch in England wieder Schnellboote, zunächst für die Marinen kleinerer Staaten, denen die verhältnismäßig billigen Boote eine willkommene Ergänzung ihres zahlenmäßig schwachen Kriegsbestandes schienen. Das Deutsche Reich, aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrages im Ausbau einer für das Reich mit seinen langen Küstenstrecken dringend nötigen Flotte größerer Kriegsschiffe stark gehemmt, hatte die Weiterentwicklung der torpedotragenden Schnellboote in England, Frankreich und Italien aufmerksam verfolgt.

Die Reichsmarine war nach 1920 bei ihrem Wiederaufbau zunächst nicht einmal in der Lage, die ihr durch das Versailler Diktat zugestandenen Kriegsschiffe – sechs alte Linienschiffe, sechs leichte Kreuzer und 24 Torpedoboote, dazu einige Schul- und Versuchsfahrzeuge – mit einem Personalbestand von 15.000 Mann voll zu besetzen. So konnte sie sich, im Hinblick auf die besonderen Bedingungen der Küsten und des Küstenvorfeldes in der Nordsee und Ostsee, zunächst nur theoretisch mit einer Weiterentwicklung der sich im Ersten Weltkrieg immerhin bewährten „FL“- und „LM-Boote“ zur Schnellbootwaffe beschäftigen. In einer nicht veröffentlichten Winterarbeit des Jahres 1921/22 gab der damalige Oberleutnant z. S. Ruge, Führer der Minensuchboote im zweiten Weltkrieg und später als Vizeadmiral erster Inspekteur der Bundesmarine, den Anstoß zur Weiterentwicklung der Schnellbootwaffe. Von der deutschen Marineleitung wurde diese Arbeit, in welcher der damalige Oberleutnant z. S. Ruge die Kenntnisse und Erfahrungen über die deutschen, englischen und italienischen Motorschnellboote des ersten Weltkrieges zusammengestellt hatte, aufmerksam studiert und anerkannt. Sie führte zur Aufnahme von Plänen für die Weiterentwicklung der „FL“- und „LM-Boote“ zu Schnellbooten. So sind in langjähriger Entwicklungsarbeit und aufmerksamem Studium diese Kleinkriegsschiffstypen, die Schnellboote der Reichs- und späteren Kriegsmarine, die inzwischen von der Lürssen-Werft in Bremen-Vegesack für die Bundesmarine konstruktionsmäßig ständig weiter verbessert wurden, entstanden.

Neubeginn auf ziviler Basis

Im Oktober 1920 erhielt Kapitän zur See Lohmann als Chef der Seetransportabteilung in der Reichsmarine von Admiral zur See Behnke die Ermächtigung zur Gründung einer zentralen Verwaltungsstelle für verschiedene geheimzuhaltende Vorhaben, unter dem Namen „Navis GmbH“, mit dem Sitz in Berlin. Eine praktische Verwirklichung der Pläne für die Weiterentwicklung schneller Motor-Torpedoboote (Schnellboote) für den weiträumigen Einsatz im Bereich der Nord- und Ostsee erfolgte erst, nachdem im Jahr 1924 Kapitän zur See Lohmann, unterstützt durch den Leiter der Marinedienststelle in Lübeck, Korvettenkapitän Anschütz, die Gründung der Travemünder Yachthafen AG (Trayag) vorgenommen hatte. Nach dem Ausbau eines Stützpunktes mit Werftbetrieb im Travemünder Yachthafen für die Erprobung der schnellen Motor-Torpedoboote wurde Korvettenkapitän Beierle (ehemalige k. u.k. Kriegsmarine) mit der Leitung des Stützpunktes beauftragt. Die deutschen Seeoffiziere aus dem Ersten Weltkrieg, Kapitänleutnant Eduard Rabe, Waldemar von Fischer, Jasper, Manfred von Killinger, Lange, Siegfried Tschirch, Vermehren und Ludwig Ballerstedt, stellten sich als Kommandanten der Boote zur Verfügung. Die technische Betreuung der Boote übernahmen der Maschinenmaat Schlie, der bereits die Fernlenkboote vor Flandern betreute, sowie der mit den Luftschiffmotoren vertraute Motorenmeister Mietke. Im Jahr 1925 übernahm der Vizeadmiral a. D. von Trotha nach der Gründung des Hochseesportverbandes die Hanseatische Yachtschule als Präsident. Die Yachtschule in Neustadt/Ostsee diente zur Förderung des maritimen Gedankens sowie der Ausbildung von Funkern und Personal für kleine, schnelle Motorboote.

Mit dem Ankauf bzw. der Übernahme durch die Reichsmarine der zeitweilig auch in Privathand gewesenen deutschen Kriegs-„LM-Boote“ „LM 20“, „LM 21“, „LM 22“, „LM 23“, „LM 27“ und „LM 28“ und des erst nach Kriegsende fertiggestellten Bootes „Lüsi I“, konnten erste Versuche durchgeführt werden. Die zum Teil überbeanspruchten Motoren der Boote konnten gegen neuwertige, in England als Kriegsbeute lagernde Luftschiffmotoren, welche von der Reichsmarine zurückgekauft wurden, ausgetauscht werden. Nachdem die Boote durch den Austausch der Motoren fahrbereit gemacht worden waren, wurden die ersten systematischen Erprobungen in ziviler und getarnter Form – natürlich ohne Bewaffnung – durchgeführt. Unter der Führung von Kapitän zur See Lohmann wurden die Boote, welche die Namen „Bertha“, „Bodo“, „Liesel“, „Lotte“, „Max“, „Moritz“, „Siegfried“ und „Ursula“ erhielten, zu einer Flottille zusammengestellt. Drei dieser Boote erhielten im Jahr 1926 Mercedes-Benz-Otto-Motoren neuester Konstruktion. Diese viel zu kleinen Boote, welche im Ersten Weltkrieg für den Einsatz vor Flandern und Kurland gebaut wurden, eigneten sich aufgrund der bei den Erprobungen gemachten Erfahrungen nicht für eine technische Weiterentwicklung, so daß Neukonstruktionen erforderlich wurden.

Trotz der geringen Mittel, die der Reichsmarine zur Verfügung standen, entschloß sich diese in den Jahren 1926 bis 1929 zu einem breit angelegten Erprobungsprogramm. Im Rahmen dieses Programms wurden verschiedene Boote für Versuchszwecke gebaut: Das bei der Werft Abeking & Rasmussen in Bremen-Vegesack gebaute und im Herbst 1926 in Dienst gestellte Versuchsboot „K“ erreichte bei einer Wasserverdrängung von etwa 6 t und mit zwei Otto-Motoren zu je 450 PS ausgerüstet eine Geschwindigkeit von etwa 40 kn. Das in den Jahren 1925 bis 1926 von der Lürssen-Werft in Bremen-Vegesack gebaute Versuchsboot „Lür“ erreichte bei einer Wasserverdrängung von etwa 23 t mit drei Maybach-Otto-Motoren zu je 450 PS ausgerüstet eine Geschwindigkeit von ca. 35,5 kn. Dieses Boot entstand in Anlehnung an die schnellen Luxus-Motorboote, welche die Lürssen-Werft zu dieser Zeit in amerikanischem Auftrag als Sportboote baute. Außerdem sollte dieses Boot die mit dem kleinen Boot „Lüsi 1“ in den kurzen Wellen der Nord- und Ostsee gewonnenen Erfahrungen erhärten und damit die Eigenschaften der größeren und schnelleren Rundspant-Boote für den Einsatz in den küstennahen Gewässern des Nordsee- und Ostseebereichs vermitteln. Das von der Kaspar-Werft in Gemeinschaftsarbeit mit der Trayag in Travemünde gebaute und im Herbst 1926 in Dienst gestellte Versuchsboot „Narwal“ erreichte bei einer Wasserverdrängung von 26,4 bis 31 t mit drei Atlantik-12-Zylinder-V-Otto-Motoren ausgerüstet eine Geschwindigkeit von ca. 34,8 kn. Es war zu dieser Zeit das größte Gleitschnellboot der Reichsmarine. Bei den Erprobungen dieser Boote auf ihre Verwendbarkeit stellte sich heraus, daß die Rundspant-Boote „Lüsi I“ und „Lür“ die besseren Eigenschaften bei Seegang hatten. Nach Abschluß dieser technischen Erprobungen entschloß sich die Reichsmarine zum Bau der Rundspant-Boote.

Nach dem Ersten Weltkrieg waren der Reichsmarine einige 40 t bis 60 t große „UZ-Boote“ (U-Boot-Zerstörer) verblieben, die mit zwei bis drei Otto-Motoren ausgerüstet bei einer Länge von 26 bis 31 m, einer Breite von 4 m und einem Tiefgang von 1,2 m eine Geschwindigkeit von 16 kn erreichten. Sie fanden bei der Reichsmarine als Wach-und Ausbildungsboote Verwendung und dienten bei Manövern als Ersatz für Schnellboote. Die ersten taktischen Versuche hinsichtlich zweckmäßiger Schnellbooteinsätze wurden, nachdem die 1. Halbflottille dieser aus den Kriegsjahren 1916 bis 1917 stammenden 16 kn laufenden „UZ-Boote“ unter der Führung von Kapitänleutnant Weichhold zusammengestellt worden war, von Juli bis September 1926 durchgeführt. Mit den in den folgenden Jahren vorübergehend in Dienst gestellten Booten wurden die taktischen Versuche sporadisch wiederholt. Im April 1929 wurde von der Reichsmarine der Ostsee-Sperrverband, bestehend aus 24 Sperrübungsfahrzeugen – Minenräumbooten aus den Jahren 1905 bis 1917 –, und Bewachungsfahrzeugen aufgestellt. Die Bewachungsfahrzeuge wurden aus ehemaligen „LM-Booten“ mit der Bezeichnung „UZ“ zu einer Halbflottille unter der Führung von Kapitänleutnant Bürkner zusammengestellt. Mit dem Tarnbuchstaben „S“ (Schnellboot) als Zusatz standen der Reichsmarine von Juli bis August 1929 auf der Grundlage der Charterung die ehemaligen „LM-Boote“ „UZ (S) 11“ ex „Lür“, „UZ (S) 12“ ex „K“, „UZ (S) 18“ ex „Narwal“, „UZ (S) 19“ ex „Lüsi I“, „UZ (S) 13, 14, 15, 16, 17, 20, 21“ – als die ehemaligen „LM-Boote 20, 21, 22, 23, 24, 27 und 28“ – zur Verfügung, die jedoch später endgültig von der Reichsmarine übernommen wurden.

Mit einer Verfügung vom 14. Mai 1930 ordnete das Reichswehr-Ministerium die Aufstellung einer der Torpedo- und Mineninspektion in Kiel unterstellten „UZ-(S)“-Versuchsgruppe an. Diese Gruppe sollte ab Sommer 1930 unter der Führung von Leutnant zur See Klaus Ewerth und dem Oberleutnant zur See (Ingenieuroffizier) Ernst Dorn die Versuche und Erprobungen mit den „UZ-(S)-Booten“ fortführen. Mit der Aufstellung dieser Gruppe wurden allmählich die zunächst als Zivilboote getarnten alten Schnellboote in den aktiven Dienst überführt und damit die Vorbereitung des Aufbaus einer neuen Schnellbootwaffe geschaffen. Im Zuge einer Typenbereinigung wurden die UZ-(S)-Boote „UZ (S) 12, 13, 14, 18, 20“ am 31. März 1931, „UZ (S) 19“ am 6. September 1932 und „UZ (S) 15, 17, 21“ am 9. Juni 1933 außer Dienst gestellt und durch Neubauten ersetzt. Die außer Dienst gestellten „UZ-(S)-Boote 15, 17, 19, 20“ wurden am 15. September 1933 an Kolumbien verkauft und dort von der kolumbianischen Marine mit den Bootsbezeichnungen „A“, „B“, „C“ und „D“ in Dienst gestellt. Sie waren noch bis Ende 1946 im Dienst der kolumbianischen Marine.

Im Jahre 1928 interessierte sich das Konstruktionsamt der Reichsmarine aufgrund der durchgeführten Erprobungen für die Entwicklung eines Schnellbootes, das den Anforderungen und Vorstellungen der Marine entsprach. Die Pläne des bei der Lürssen-Werft in Bremen-Vegesack für amerikanische Auftraggeber im Jahr 1926 gebauten schnellen Luxusmotorbootes „Oheka II“ sollten auf ihre Verwendungsfähigkeit für den Bau deutscher Schnellboote geprüft werden. Das 22,5 t schwere, 22,5 m lange, 3,7 m breite und 2,1 m hohe Luxusmotorboot erreichte mit drei Maybach-Motoren zu je 550 PS eine Geschwindigkeit von etwa 34 kn. Die besonderes leichte Bauweise und günstige Linienführung dieses Bootstyps gewährleistete ein hohes Maß an Seefähigkeit, Festigkeit und Schnelligkeit.

Der Chef der Marineleitung, Admiral Erich Raeder, ließ daher im Februar 1929 unter Abänderung der Maße des schnellen Bootes „Oheka II“, einen Entwurf ausarbeiten, der nach umfangreichen Schleppversuchen zum Bau des ersten deutschen Schnellbootes bei der Lürssen-Werft in Bremen-Vegesack im November 1929 führte. An den umfangreichen Konstruktionsvorarbeiten waren das Konstruktionsamt der Reichsmarine unter der Leitung von Ministerialdirektor Presse, der Oberbaurat für Schiffbau Burkhardt, der Marinebaurat Fenselau, Ministerialrat Laudahn und der Ingenieur Docter als Sachbearbeiter für Motorenbau sowie von der militärischen Seite der für die Halbflottille vorgesehe Chef Kapitänleutnant Bey und Oberleutnant Ing. Dorn in Zusammenarbeit mit der Lürssen-Werft und der Firma Daimler-Benz beteiligt. Alle Bauzeichnungen für dieses erste Schnellboot wurden von der Lürssen-Werft angefertigt. Den Entwurf für den Linienriß, dessen Form für alle Folgebauten bis zu den letzten Schnellbooten des Zweiten Weltkrieges beibehalten wurde, fertigte Amtmann Keller vom Konstruktionsamt der Reichsmarine an.

Das nach Abschluß aller konstruktiven Entwicklungsarbeiten und den Schleppversuchen bei der Lürssen-Werft im November 1929 in Auftrag gegebene Boot wurde am 7. August 1930 von der Reichsmarine unter der Bezeichnung „UZ (S) 16“ in Dienst gestellt. Dieses Boot hatte eine Wasserverdrängung von 39,2 t, eine Länge von 28 m, eine Breite von 4,5 m und einen Tiefgang von 1,6 m. Mit drei Daimler-Benz-Otto-Motoren zu je 900 PS erreichte dieses Boot eine Geschwindigkeit von etwa 32 kn. Die Bewaffnung des ersten Schnellbootes bestand aus zwei auf der Back seitlich an Back- und Steuerbord angebrachten abnehmbaren 53-cm-Torpedorohren, einer 2-cm-Kanone und einem MG.

Am 31. März 1931 wurde das erste Schnellboot „UZ (S) 16“ aus Tarnungsgründen in Wachboot „W 1“ umbenannt. Mit der erneuten Umbenennung des Bootes in „S 1“ am 16. März 1932 wurde die bisher verwendete Tarnbezeichnung „UZ (S) Schnellboot“ zur offiziellen Typenbezeichnung dieser Bootsklasse in der Reichs- und späteren Kriegsmarine. Aufgrund der mit diesem ersten Schnellboot „S 1“ durchgeführten umfangreichen Erprobungen setzte sich in der deutschen Marineleitung die Gewißheit durch, mit der Entwicklung von „S 1“ bezüglich der Einsatzmöglichkeit im Bereich der Nord- und Ostsee ein tatsächlich befriedigendes Torpedoschnellboot geschaffen zu haben.

Die im Sommer 1930 unter der Führung von Leutnant zur See Ewert aufgestellte „UZ-(S)-Halbflottille“ unterstand im Jahr 1931 als Versuchsgruppe, bestehend aus dem Führerboot „W 1“, „UZ (S) 18“ ex „Narwal“, „UZ (S) 15“ ex „Moritz“, „UZ (S) 19“ ex „Lüsi I“, noch immer der Torpedo- und Mineninspektion in Kiel. Halbflottillenchef war Kapitänleutnant Erich Bey, sein Adjutant Oberleutnant zur See Eckermann und Halbflottillen-Ing. Kapitänleutnant Ing. Dorn. Aufgrund der bei der Erprobung von „S 1“ gewonnenen Erfahrungen wurden im Jahr 1931 die Schnellboote „S 2 bis S 5“ als Neubauserie bei der Lürssen-Werft in Auftrag gegeben und die Boote von dieser von April bis Juli 1932 an die Reichsmarine abgeliefert. Diese neuen Schnellboote hatten eine Wasserverdrängung von 45 t, waren 27,7 m lang, 4,2 m breit und hatten einen Tiefgang von 1,25 m. Mit drei Daimler-Benz-12-Zylinder-Otto-Motoren, mit Kompressoraufladung zu je 1.100 PS ausgerüstet, erreichten diese Boote eine Geschwindigkeit von 33,8 kn.

Weiterhin war auf den Booten „S 2 bis S 5“ zur Erhöhung des Aktionsradius und für Schleichfahrt noch ein 100-PS-Maybach-Marschmotor eingebaut worden, der über einen Kettenantrieb auf die Mittelwelle der Boote wirkte. Die Bewaffnung der Boote bestand aus einem 53-cm-Torpedorohr und einer 2-cm-Kanone. Die seit 1931 unter dem Kommando von Kapitänleutnant Bey stehende „UZ-(S)-Versuchsgruppe“ wurde 1932 mit den Schnellboot-Neubauten „S 2 bis S 5“ ausgerüstet. Nach der Indienststellung der Boote „S 2“ am 22. April 1932 (Kommandant Oberleutnant z. S. Eckermann), Führerboot „S 3“ am 27. Mai 1932 (Kommandant Oberleutnant z. S. Rösing), „S 4“ am 20. Juni 1932 (Kommandant Oberleutnant z. S. Fuhrke), „S 5“ am 14. Juli 1932 (Kommandant Oberleutnant z. S. Stockmann) erfolgte die Umbenennung in „1. Schnellboot-Halbflottille“. Halbflottillenchef war weiterhin Kapitänleutnant Bey, stellvertretender Halbflottillenchef wurde Oberleutnant z. S. Manhardt von Manstein und Halbflottillen-Ingenieur Oberleutnant Ing. Bartel. Als Schnellbootbegleitschiff diente der Tender „Nordsee“ unter der Führung von Oberleutnant z. S. Zimmermann. Nach der Umbenennung im Jahr 1932 gehörte die 1. Schnellboot-Halbflottille aus taktischen Gründen zum Bereich der Flotte. Sie unterstand bis 1937 direkt dem Befehlshaber der Aufklärungsstreitkräfte. Die Eigenschaft der Schnellboote als Torpedoträger wurde zunächst noch weiterhin geheimgehalten.

Nach der Indienststellung von „S 2 bis S 5“ erhielten die Motorenfirmen MAN und Daimler-Benz vom Konstruktionsamt der Reichsmarine den Auftrag zur Entwicklung eines leichten Schnellboot-Dieselmotors. Damit sollte die bei der Verwendung von Benzinmotoren bestehende Gefahr eines Brandes ausgeschaltet werden. Aufgrund der mit den Schnellbooten „S 2 bis S5“ durchgeführten umfangreichen Erprobungen und der Weitergabe der dabei gewonnenen Erfahrungen an das Marine-Konstruktionsamt war mit dem Schnellboot „S 6“, welches im November 1933 zur 1. Schnellboot-Halbflottille kam, aus militärischer Sicht gesehen ein entscheidender Fortschritt erzielt worden. Dieses Boot war erstmals mit drei 7-Zylinder-Dieselmotoren zu je 1.320 PS ausgerüstet, mit welchen das Boot bei einer Länge von 32,36 m, einer Breite von 5,6 m und einem Tiefgang von 1,42 m eine Geschwindigkeit von 36,5 kn erreichte. Mit diesen in „S 6“ eingebauten 7-Zylinder-Diesel-Motoren besaß die deutsche Marine als erste Seemacht Schnellboot-Dieselmotoren mit ausreichender Leistung, welche gleichzeitig infolge geringen Brennstoffverbrauchs den Aktionsradius des Bootes vergrößerten. Damit war außerdem die bei den Otto-Motoren bestehende akute Brand- und Explosionsgefahr weitgehend gebannt.

Im Jahre 1933 wurden als Folgeserie die Schnellboote „S 7“ bis „S 13“ bei der Lürssen-Werft in Auftrag gegeben, die von September 1934 bis Dezember 1935 in Dienst gestellt wurden. Die Schnellboote „S 7“, „S 8“ und „S 9“, welche zum gleichen Typ wie „S 6“ gehörten, waren ebenfalls mit den 7-Zylinder-Dieselmotoren ausgerüstet. Sie wurden nach ihrer Indienststellung, „S 7“ am 10. Oktober 1934 und „S 8“ am 6. September 1934, der 1. S-Boot-Halbflottille zugeteilt, die seit Oktober 1934 unter der Führung von Kapitänleutnant Schubert stand. Nachdem „S 9“ nach der Indienststellung am 12. Juni 1935 ebenfalls der 1. S-Boot-Halbflottille zugeteilt worden war, wurde diese in 1. Schnellbootflottille umbenannt. Im Laufe des Jahres 1935 wurden die ebenfalls 1933 in Auftrag gegebenen Boote „S 10“ am 7. März 1935, „S 11“ am 3. August 1935, „S 12“ am 31. August 1935 und „S 13“ am 7. Dezember 1935 in Dienst gestellt. Diese Boote waren mit je drei von der Firma Daimler-Benz gerade fertiggestellten 16-Zylinder-V-Viertakt-Dieselmotoren zu je 1.320 PS ausgerüstet, deren Leistung durch Aufladung zunächst um 25 Prozent und später um 50 Prozent erhöht wurde. Mit diesen Motoren, welche die gleiche Leistung wie die MAN-Dieselmotoren hatten, aber aufgrund ihrer Zuverlässigkeit erheblich frontbrauchbarer waren, erreichten die Boote eine Geschwindigkeit von 36,5 kn. Diese von den Schnellbooten „S 7“ bis „S 13“ erzielte Geschwindigkeit von 36,5 kn entsprach noch nicht den militärischen Anforderungen für den Kriegseinsatz.

Die im Frühjahr 1934 in Auftrag gegebenen S-Boote „S 14“ bis „S 17“ wurden mit je drei von MAN inzwischen entwickelten 11-Zylinder-Viertakt-Dieselmotoren zu je 2.050 PS ausgerüstet. Diese größeren Boote erreichten bei einer Wasserverdrängung von 92 t, einer Länge von 34,62 m, einer Breite von 5,26 m und einem Tiefgang von 1,67 m eine Geschwindigkeit von 39,8 kn. Die Bewaffnung der Boote blieb dagegen die gleiche. Sie führten lediglich zwei Reservetorpedos mit. Nach ihrer Indienststellung, „S 14“ am 12. Juni 1936, „S 15“ am 4. Februar 1937, „S 16“ am 22. Dezember 1937 und „S 17“ am 18. März 1938, kamen die Boote zur 1. S-Boot-Flottille, welche damit über zwölf einsatzfähige Boote verfügte, von denen sechs zur aktiven Flottille gehörten. Die restlichen sechs Boote gehörten zum Reserveverband der Flottille und dienten zur Ausbildung des Nachwuchses. Als die technischen und taktischen Voraussetzungen in den Jahren von 1932 bis 1938 für Einsatz und Verwendung geschaffen waren, konnten auch die operativen Grenzen der neuen und jungen Schnellbootwaffe festgelegt werden. Neben den Fahr-, Schieß- und Manöverabschnitten mußte in längeren ununterbrochenen Fahrten die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit der Boote bei Wind und Seegang, die selbst bei hoher Marschfahrt einen großen Aktionsradius hatten, ohne, daß sie zum Mutterschiff bzw. zum Stützpunkt zurückkehren mußten, erprobt werden.

Die Fahrtstrecke von 700 sm bedeutete ein Operationsgebiet, das die gesamte Nordsee zwischen der deutschen Küste, England und Norwegen umfaßte und in der Ostsee bis zu den baltischen Inseln reichte. Neben diesen Erprobungen mußte auch die Leistungsfähigkeit der Besatzung durch längere ununterbrochene Fahrten festgestellt werden. Im Mai 1937 wurde daher eine Dauerfahrt mit hoher Marschfahrt von Helgoland nach Kiel um Skagen herum durchgeführt. Für diese 500 sm lange Strecke benötigten die Boote etwa 20 bis 24 Stunden. Die Schnellboote „S 10“ bis „S 13“ hielten die Fahrt störungsfrei durch, während die mit MAN-Dieselmotoren ausgerüsteten Boote mit Motorenstörungen unterwegs liegenblieben oder oft mit erheblicher Verspätung Kiel erreichten. Bei einer im Juli 1937 erneut durchgeführten Dauerfahrt von Cuxhaven nach Ymuiden hielten die Boote „S 8“ bis „S 15“ bei hohem Seegang und zeitweise Nord-West-Wind von 7 bis 8 die Fahrstrecke von 250 sm bei einer Marschfahrt von 25 kn ohne Störungen gut durch. Unter der Führung von Kapitänleutnant Sturm führte die Flottille im Sommer 1938 eine Auslandsreise nach Wisby auf Gotland durch, bei welcher sich die bisher gewonnenen Erfahrungen bestätigten.

S-Boote im Zweiten Weltkrieg

Während die bei den Dauerfahrten mit den Daimler-Benz-Dieselmotoren in V-Form ausgerüsteten Boote „S 10“ bis „S 13“ die Fahrt störungsfrei auch bei schwerer See und hoher Marschfahrt fast bis zum Ausfahren des Aktionsradius durchgehalten hatten, erfüllten die neuen auf den Booten „S 14“ bis „S 17“ eingebauten 2.000-PS-MAN-Dieselmotoren infolge häufiger Störungen nicht die an sie gestellten Forderungen. Inzwischen hatte die Firma Daimler-Benz einen größeren und leichteren 20-Zylinder-Dieselmotor in V-Form von 2.000 PS entwickelt, welcher sich in den Schnellbooten „S 18“ bis „S 25“ vorzüglich bewährte. Durch Aufladung konnte die Leistung des Motors zunächst um 25 Prozent und später um 50 Prozent gesteigert werden, wodurch die Boote eine Geschwindigkeit zwischen 43,5 kn und 45 kn erreichten. Dieser Dieselmotor vom Typ MB 501 wurde damit und den später daraus abgeleiteten Folgemotoren zum Standardmotor der deutschen Schnellboote. Der offensichtlich für Schnellboote weniger geeignete MAN-Motor wurde vom Konstruktionsamt der Marineleitung für eine zukünftige Verwendung beim Bau von Schnellbooten abgelehnt.

So entstand in unermüdlicher Entwicklungsarbeit aller Stellen, beginnend mit dem Boot „S 18“ kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges, ein Schnellboot, welches auf allen Kriegsschauplätzen beweisen konnte, daß es im Vergleich mit den Schnellbooten fremder Marinen das beste Boot seiner Art war. Die im Dezember 1936 bzw. Anfang Januar 1937 in Auftrag gegebenen Boote „S 18“ bis „S 25“ wurden mit dem neuen Dieselmotor MB 501 ausgerüstet. Nach der Indienststellung der Boote „S 18“ am 14. Juli 1938, „S 19“ am 6. Oktober 1938, „S 20“ am 21. März 1939, „S 21“ am 19. Dezember 1938, „S 22“ am 12. Mai 1939, „S 23“ am 12. Juli 1939 wurden diese der im August 1938 aufgestellten 2. Schnellboot-Flottille zugewiesen. Die nach Kriegsbeginn in Dienst gestellten Boote „S 24“ am 18. September 1939 und „S 25“ am 9. Dezember 1939 kamen ebenfalls zur 2. Schnellboot-Flottille. Somit befanden sich Ende 1939 zwei Schnellboot-Flottillen mit zusammen 20 Booten in Fahrt.

Die folgenden 1940 in Dienst gestellten Boote „S 26“ am 21. Mai 1940, „S 27“ am 5. Juli 1940, „S 28“ am 1. September 1940 und „S 29“ am 28. November 1940 erhielten erstmals die vom Konstruktionsamt der Marineleitung vorgeschlagene Back, in der die Torpedorohre eingebaut waren. Damit wurde das Freibord im Vorschiff um 0,5 m erhöht. Durch die daraus resultierende zusätzliche Reserveverdrängung im Vorschiffsbereich fuhren die Boote bei starkem Seegang und hoher Fahrtstufe wesentlich trockener.

Filmbeiträge

„Asse zur See“ (1943, Kulturfilm)
Die Deutsche Wochenschau, September 1940 (Nr. 522), u. a. mit Schnellbooten und Ritterkreuzverleihung (ab 17.30 min)

Siehe auch

Literatur

  • Harald Fock: Die deutschen Schnellboote 1914–1945, Koehlers Verlagsgesellschaft (2001)
  • Manfred Dörr: Matrosenhauptgefreiter Erich Neundörfer – Fotoerinnerungen aus seiner Zeit in der 3. Schnellbootflottille. In: IMM, Heft 156, 2012, S. 33–36
  • Hans Frank: Die deutschen Schnellboote im Einsatz – Von den Anfängen bis 1945, Verlag E.S. Mittler & Sohn GmbH, Hamburg/Berlin/Bonn, ISBN 3-8132-0866-4

Verweise