Film im Nationalsozialismus
Wie auch auf den Gebieten der Architektur, der Musik, Literatur und Kunst erlebte auch der Film im Nationalsozialismus durch gezielte Förderung eine besondere Blüte.
In den späten 1930er und frühen 1940er Jahren entstanden vor allem Unterhaltungsfilme („Die Feuerzangenbowle“, 1944); Filme zum Thema Friedrich der Große, regelmäßig mit Otto Gebühr), aber auch Durchhalte- und Propagandafilme („Jud Süß“ und „Der ewige Jude“).
Es gab aber auch viele Werke, die mit dem eigentlichen Menschenbild und der Weltanschauung nichts zu tun hatten und ihr sogar zuwider liefen, siehe „Viktor und Viktoria“ (1933), „Der Maulkorb“ (1938) und die Filme von Helmut Käutner und Curt Goetz. Auch die Musik vieler Musikfilme war beschwingter, als es den Klischees über völkische Folklore entspricht (vgl. Peter Kreuder u. a.).
1943 und 1944, auf dem Höhepunkt des Bombenkrieges, wurden Zuschauerzahlen von jeweils über einer Milliarde erreicht. Die an den Kinokassen erfolgreichsten Filme waren:
- Opfergang (Veit Harlan, 1944), 10 Mio. Reichsmark
- Die große Liebe (Rolf Hansen, 1942) – 8 Mio. Reichsmark
- Wunschkonzert (Eduard von Borsody, 1940) – 7,6 Mio. RM
- Frauen sind doch bessere Diplomaten (Georg Jacoby, 1941) – 7 Mio. RM
- Wiener Blut (Willi Forst, 1942) – 7 Mio. RM
Die dem Kinofilm zugemessene Wichtigkeit wurde auch durch die Aufrechterhaltung von aufwendigen Filmprojekten – z. B. Herstellung eines deutschen Langfilms in Farbe noch 1943 – und Großproduktionen praktisch bis zum Kriegsende deutlich (vgl. „Kolberg“). Technisch innovatives leistete Leni Riefenstahl mit ihren Reichsparteitags- und Olympia-Dokumentationen sowohl für den Dokumentar-, als auch für den Sportfilm (1936–1938).
Inhaltsverzeichnis
Deutscher statt jüdischer Film
Die Tatsache, daß sich 85 Prozent des gesamten Filmwesens in jüdischen Händen befanden, ist für den Zustand der deutschen Filmkunst und der deutschen Filmwirtschaft in der Zeit vor 1933 bezeichnender als alle Statistiken und Darstellungen. Der Film war weiter nichts als ein reines Wirtschaftsunternehmen, mit dem man recht viel verdienen wollte. Die Filmschaffenden waren rechtlos und meist schlecht bezahlt. Soziale Einrichtungen für sie gab es meist überhaupt nicht. Wenige Spitzenspieler erhielten dafür Gagen in geradezu märchenhaften Höhe. Jüdische Filmdirektoren und -regisseure steckten den Hauptverdienst in ihre Tasche. Der Film wurde zu einem Spekulationsobjekt. Wenn einmal ein Film Erfolg hatte, so konnte sofort mit einer Serie gleichartiger Filme gerechnet werden, in denen, verflacht und seicht, das gleiche Thema bis zur Bewußtlosigkeit ausgewalzt wurde. Die Filmproduktion war auf wenige Monate zusammengedrängt, während die Filmschaffenden, insbesondere die vielen Hilfsarbeiter und Komparsen, in den übrigen Monaten erwerbslos waren. Da es für die Zulassung zur Filmproduktion keinerlei Beschränkungen gab, war die Zahl der Neugründungen und Zusammenbrüche außerordentlich groß. 300 Verleihfirmen stritten sich um die Filmproduktion. Da viele von ihnen nicht leben und nicht sterben konnten, kamen nicht selten die Filmproduzenten durch den Zusammenbruch der Verleihfirmen um den Lohn ihrer Arbeit.
Nach dem Wahlsieg der NSDAP wurde das Signal zum Kampf um den deutschen Film auf der ganzen Linie durch eine Rede von Dr. Goebbels im „Kaiserhof" am 28. März 1933, noch nicht zwei Wochen nach der Begründung des Propagandaministeriums, gegeben. Durch Errichtung der Film-Kreditbank wurde der Versuch unternommen, die ärgsten wirtschaftlichen Schäden der letzten Jahre für den Teil der Filmindustrie zu beheben, der sich als würdig erwies. Am 19. Mai 1933 sprach Dr. Goebbels vor allen Filmschaffenden der Reichshauptstadt in den Berliner Tennishallen. Hier gab folgende Parole aus:
- „Man mache sich von dem Glauben frei, daß die gegenwärtige Krise des deutschen Films eine materielle ist. Die Filmkrise ist vielmehr eine geistige. Sie wird bestehen, so lange wir nicht den Mut haben, den deutschen Film von der Wurzel aus zu reformieren."
Am 28. Juni 1933 wurde durch eine Verordnung des Reichspropagandaministers die grundsätzliche Bestimmung über das Ausschließen der Juden und der Ausländer getroffen. Es wurde festgesetzt, daß jeder, „der in Zukunft am Kulturgut Film mitarbeiten will, deutscher Staatsangehöriger und deutschstämmig sein muß". Nach dieser Bestimmung konnten ausländische Künstler im deutschen Film nur dann noch mitwirken, wenn künstlerische oder kulturelle Gründe dafürsprachen. In diesem Falle bedurfte es einer besonderen Genehmigung des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda.
Wie auf allen anderen Gebieten, so setzte auch hier sofort das Warngeschrei ein, daß eine völlige Entjudung des Films unmöglich sei und das Ende des Films bedeuten würde. Das Gegenteil wurde unter Beweis gestellt. Nach gewissen Anfangsschwierigkeiten nahmen Filmkunst und Filmwirtschaft einen Aufschwung in Deutschland wie nie zuvor. Der beste Wertmesser dafür ist das glänzende Abschneiden Deutschlands auf der Internationalen Filmausstellung 1936 in Venedig.
Ein weiterer Beweis ist das außerordentliche Ansteigen der Zahlen der Besucher deutscher Filmtheater. Sie stiegen von
235.000.000 im Jahre 1932 auf
315.000.000 im Jahre 1936.
Die Gesamteinnahmen der deutschen Filmtheater stiegen von
176.000.000 RM im Jahre 1932 auf
220.000.000 RM im Jahre 1935 und auf
250.000.000 RM im Jahre 1936 (Schätzung).
Im Juli 1933 wurde die vorläufige Reichsfilmkammer errichtet. Sie umfaßte sämtliche Firmen der Filmherstellung, der Filmbearbeitung, des Filmvertriebes, der Voraussetzung der Vergebung von Urheber- und Patentrechten und alle Filmschaffenden, sowohl die künstlerischen als auch alle sonstigen Arbeitnehmer. Im September 1933 wurde im Rahmen der Reichskulturkammer die endgültige Reichsfilmkammer geschaffen.
Die ersten praktischen Maßnahmen betrafen die Abstellung des Zweischlagersystems, eine Regelung der Eintrittspreise. Das Verbot unerlaubter Werbemaßnahmen durch Ausgabe von Freikarten, die Unterbindung jeglichen Zugabewesens, die fast gänzliche Befreiung der Festpreise im Vermietgeschäft zwischen Verleihern und Filmtheatern, die besonders für die Theater ungünstig gewesen waren. Die Abrechnungskontrolle zwischen Theater und Verleih wurde neu geregelt. Es wurden im ganzen Maßnahmen getroffen, wie sie von den großen Filmgesellschaften, vor allem von der UFA, in vergangenen Jahren schon mehrfach vorgeschlagen und zum Teil auch durchgesetzt worden waren. Im Februar 1934 wurde das Reichslichtspielgesetz zur Ablösung des Gesetzes aus dem Jahre 1920 verkündet. Nach diesem Gesetz gab es nur noch eine Prüfstelle für Filme in Berlin. Die Anerkennung und die Verkündung des Prädikates für Filme wurden in eine Hand gelegt. Dieses Gesetz zielte nicht auf Verbotsmaßnahmen, sondern auf positive Mitarbeit der staatlichen Einrichtungen am deutschen Film ab. Bei allen Maßnahmen stand die Arbeitskraft des damaligen Staatssekretärs im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, der später Reichswirtschaftsminister wurde, Walther Funk, zur Verfügung. Er wandte inmitten der Arbeit am Aufbau des Ministeriums dem Film stets sein besonderes Interesse zu.
Die Grundsätze, die bei allen praktischen und künstlerischen Maßnahmen der ersten Zeit zur Geltung kamen, faßte Josef Goebbels inmitten der ersten Aufbauarbeit in einer Rede zusammen, die er im Februar 1934 vor den Filmschaffenden hielt. Man habe eine Filmproduktion im Jahre 1933 übernommen, die sich „in heilloser Verfahrenheit" befand. Kapital wurde fehlgeleitet. Die Filmwirtschaft habe damals die Gefahr der finanziellen Krise durch grotesk übersteigerte Monsterfilme zu überwinden versucht, die sich nicht rentieren konnten. Es habe auch bei den Filmen, die künstlerisch gemeint, aber nicht künstlerisch gedreht waren, ernste Rückschläge gegeben.
Die Zahl der Filmtheater stieg auf 5.302, die Zahl der Sitzplätze auf 1.943.049. Die Zahl der neuerrichteten Filmtheater betrug 461. 92 geschlossen gewesene Betriebe wurden wiedereröffnet. Durch eine straff geführte Regelung der Eintrittspreise und durch die Senkung der Vergnügungssteuer von 10,5 auf 7,5 Prozent wurde zum einen die wilde Konkurrenz unterbunden, zum anderen den Theatern wirtschaftlich wieder eine stärkere Lebensmöglichkeit gegeben.
Durch die Gründung der Filmkreditbank wurde der gesamten Filmwirtschaft eine gesunde wirtschaftliche Basis geschaffen und auch das künstlerische Niveau des Films dadurch gehoben, daß für die Herstellung wirklich brauchbarer und der nationalsozialistischen Auffassung entsprechender Filme durch Kreditgabe und Verbilligung des Geldes erhebliche Erleichterungen geschaffen wurden. Durch die Verteilung der Produktion von wenigen Monaten auf das ganze Jahr wurden die Ateliers laufend ausgenutzt, die gewerblichen Arbeiter wieder das ganze Jahr über beschäftigt, und die Komparsen, deren Los ganz besonders bedauernswert war, ebenfalls das ganze Jahr über zur Mitarbeit herangezogen. Die Zahl der Komparsen, die in der Zeit des Wirtschaftselends viel zu groß war, wurde von 4.000 auf 1.200 vermindert. Anstelle von 300 Verleihfirmen standen zu der Zeit 15 größere und ca. 25 kleinere Bezirksverleiher. Der Filmverleih wurde dadurch übersichtlich und gesundete auch wirtschaftlich.
An die Stelle der Filmagenten trat der Filmnachweis, dessen sich auch die Produktionsfirmen zu bedienen hatten. Während früher die Filmschaffenden vogelfrei waren und sich niemand um ihr soziales Los kümmerte, hob der nationalsozialistische Staat die unbeschränkte Arbeitszeit, die willkürliche Gagenfestsetzung und die Sonntagsarbeit ohne Zuschlag auf. An die Stelle der Ausbeutung trat die Tarifordnung vom 17. Januar 1935.
Zahlreiche Filme erhielten hohe und lobende Prädikate.
Der nationale Filmpreis konnte in jedem Jahre für eine Leistung vergeben werden, die wirklich als überragend bezeichnet werden kann. Er wurde zugesprochen:
- 1934: „Flüchtlinge",
- 1935: „Triumph des Willens",
- 1936: „Traumulus",
- 1937: „Der Herrscher".
Auf dem Gebiete der Filmtechnik wurde besonderes geleistet. Insbesondere brachte Deutschland das Problem des Farbfilms ein gutes Stück vorwärts und entwickelte mehrere Systeme, die nun ihre Brauchbarkeit unter Beweis stellen konntenen. Als besonders wertvolle Einrichtung erwies sich das Reichsfilmarchiv, das für die kulturpolitische Arbeit Deutschlands von außerordentlicher Bedeutung war.
Theater
Die Folge der Theaterskandale, der Verjudung des Theaterwesens und damit seines Niedergangs zeigte sich nicht nur auf kulturellem, sondern auch auf wirtschaftlichem Gebiet. Es war nicht allein die Wirtschaftskrise, die allmählich zu einer immer unhaltbarer werdenden Lage im ganzen Theaterleben führte, zahlreiche Theater zum Erliegen brachte, Verkürzungen der Spielzeit notwendig machte und bei einem großen Teil der Theaterzusammenbrüche das Personal die seit vielen Monaten geschuldeten Gagen kostete. 37 große gemeinnützige Theater stellten bis 1931 teilweise ihren Betrieb ein, zum anderen Teil verkürzten sie die Spielzeit ganz erheblich. Allein bis zur Spielzeit 1930/31 ging die Zahl der beschäftigten Bühnenmitglieder um mehr als 3.000 Personen zurück. Das war ein wesentlicher Teil aller Bühnentätigen Deutschlands. Eine große Zahl weiterer Theater verminderte die Zahl des Personals um mehr als 20 Prozent. Im Jahre 1932 mußten außer zahlreichen privaten Theatern weitere sieben gemeinnützige große Bühnen geschlossen werden, darunter die preußischen Staatstheater in Kassel und Wiesbaden und das Staatliche Schiller-Theater in Berlin. Die Gagen des Solopersonals wurden bis 1932 um bis zu 20 Prozent gekürzt. 1932 bezogen bereits 49,8 Prozent aller Bühnenkräfte, soweit sie überhaupt noch eine Anstellung hatten, weniger als 300 RM. im Monat. Dadurch, daß die Zahl der ganzjährig spielenden Theater mehr und mehr absank, wurden auch die Jahresverträge zahlreicher Bühnenkräfte durch Saisonverträge ersetzt und ihre Wirtschaftslage dadurch weiter herabgedrückt. Da jeder Schauspieler oder Sänger darauf angewiesen war, in den Jahren des Erfolges Rücklagen für später zu bilden, so ergab sich ganz zwangsläufig aus einem solchen wirtschaftlichen Absinken das Entstehen eines Proletariats von alten, wirtschaftlich nicht versorgten Künstlern. Von 63 Prozent im Jahre 1929 sank die Zahl der Künstler mit Jahresverträgen auf 49 Prozent im Jahre 1932, während die übrigen also nicht mehr mit 12 Monatsbezügen rechnen konnten, sondern das Einkommen weniger Monate auf 12 Monate aufteilen mußten. Insgesamt betrug der Abbau des Personalstandes der deutschen Theater von 1928/29 auf 1931/32 5.878 Personen von insgesamt 28.500 im Jahre 1928/29.
Märchenfilme
Die Märchenfilmproduktion im Dritten Reich war eine der produktivsten Perioden in der Geschichte des deutschen Märchenfilms: Zwischen 1935 und 1943/44 wurden fast 20 Märchen für ein Kinderpublikum adaptiert und aufgeführt – nicht eingerechnet sind die damals zwar fertiggestellten, aber als verschollen geltenden Filme. Werden die literarischen Vorlagen mit den sechs Kurz- und 13 Spielfilmen verglichen, so waren die Brüder Grimm überproportional vertreten: 14 Drehbücher lehnten sich an bekannte Grimmsche Kinder- und Hausmärchen an. Nur vier Adaptionen gingen auf Kunstmärchen des 19. Jahrhunderts zurück, die von Wilhelm Hauff, Hans-Christian Andersen, Theodor Storm und Friedrich Hebbel verfaßt wurden. Eine Verfilmung fand in einer deutschen Sage bzw. in der daraus entstandenen volkstümlichen Ballade von August Kopisch ihre Vorlage („Die Heinzelmännchen von Köln“) – wurde aber ausdrücklich als Märchenfilm bezeichnet (1939, R: Hubert Schonger).
In diesen Filmen wurde die einfache Lebenswelten Grimmscher Volksmärchen, in denen vor allem Tugenden wie Ehre, Mut, Tapferkeit, Pflichtgefühl, Gehorsam und Opferbereitschaft eine Rolle spielen, gezeigt. Das hieß gleichzeitig aber auch, die meist kurzen Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm filmadäquat auszufabulieren. Mit neu eingefügten Parallelhandlungen, in denen auch stumpfe Motive, d. h. kurze und unmotivierte Auftritte von Märchenfiguren, erzählerisch aufgewertet wurden, sollte das gelingen.
So wurde zum Beispiel in „Schneeweißchen und Rosenrot“ (1938, R: Alfred Stöger) im Gegensatz zur Grimmschen Vorlage dem Schwesternpaar gleich zu Beginn ein Brüderpaar gegenübergestellt. Mit den damit einhergehenden zwei Liebesfabeln erscheint die spätere Doppelhochzeit zwischen Schneeweißchen und Rosenrot und den Prinzen greifbarer. Zudem wurde das Figurentableau um neue Charaktere erweitert – oft in Verbindung mit Komik: Der Diener Knickebein – eine tolpatschige Nebenfigur, die zudem für humoristische Momente sorgt – unterstützt in „Schneeweißchen und Rosenrot“ den Prinzen bei der Suche nach seinem in einen Bären verzauberten Bruder.
Die Fokussierung auf Märchen der Brüder Grimm bot aber auch Vorteile, zum Beispiel die Raum- und Zeitlosigkeit der Literaturvorlagen („Es war einmal ...“). Hier war es möglich, das Märchen im Film exakt historisch zu konkretisieren, beispielsweise in einer bestimmten Epoche anzusiedeln. In Ansätzen wurde das auch in der Märchenfilmproduktion erfolgreich verwirklicht. So orientieren sich Raum, Zeit und Kostüme in „Dornröschen“ (1936, R: Alf Zengerling) am deutschen Spätmittelalter und „Das tapfere Schneiderlein“ (1941, R: Hubert Schonger) kämpft im deutschen Rokoko erfolgreich gegen Riesen, Einhorn und Wildschwein.
Räumliche und zeitliche Bezüge zur Gegenwart bietet dagegen die moderne Rahmenhandlung in „Rotkäppchen und der Wolf“ (1937, R: Fritz Genschow), die das eigentliche Grimmsche Märchen dramaturgisch geschickt einbettet. Obwohl Kunstmärchen meist schon mit geographischen und oftmals auch zeitlichen Ausmalungen festgelegt sind, werden beispielsweise in „Der kleine Muck“ (1943/44, R: Franz Fiedler) Raum, Zeit und Kostüme verändert. Die Märchenwelt aus Tausendundeiner Nacht – in der Literaturvorlage von Wilhelm Hauff kongenial beschrieben – weicht einem deutschen Renaissance-Barock-Milieu.
Die Renaissance-Barock-Welt für „Der kleine Muck“ entsant in einem Münchner Atelier. Wird die Anzahl der reinen Studio-/Atelierproduktionen mit den Adaptionen verglichen, die zum Großteil auch Außenaufnahmen einbeziehen, ist das Verhältnis ausgeglichen: Für „Der gestiefelte Kater“ (1935) wurden die Anlagen der drei Albrechtsschlösser bei Dresden genutzt. „Dornröschen“ (1936) entstand in der Löwenburg bei Kassel. Für Außenaufnahmen des Films „Die verzauberte Prinzessin“ (1939) fuhr der Drehstab nach Jugoslawien und drehte in Sarajewo, Mostar sowie Ragusa. „Der Froschkönig“ (1940, alle R: Alf Zengerling) wurde auf der Pfaueninsel bei Berlin verfilmt.
Dennoch fügten Regisseure und Produzenten Aufnahmen aus (älteren) Kulturfilmen ein, in denen Landschaften oder Tiere zu sehen sind, um beispielsweise zeitliche Abfolgen im Märchenfilm zu visualisieren. So wurde in „Schneeweißchen und Rosenrot“ (1938, R: Alfred Stöger) der Wechsel der Jahreszeiten mit realen Naturaufnahmen im Zeitraffer bildlich umgesetzt, obwohl die Adaption komplett im Studio produziert wurde. Eingefügte Schnitte wurden aber oftmals noch aus einem ganz anderen Grund in den Film montiert – um das Märchenwunder darzustellen.
Denn in Märchen mit sprechenden Tierfiguren stieß auch die Filmdramaturgie der 1930er und 1940er Jahre des 20. Jahrhundert an ihre Grenzen, wie die kostümierten Schauspieler in „Der gestiefelte Kater“ (1935) und „Der Froschkönig“ (1940, beide R: Alf Zengerling) zeigen. Mitunter wählten Regisseure einen Mittelweg, der aber nicht immer ästhetisch funktionierte: Als sich vor den Augen des gestiefelten Katers der böse Zauberer in einen Löwen verwandelt, wird erst ein kostümierter Schauspieler als Löwe gezeigt, dann folgen kurz reale Aufnahmen eines echten brüllenden Löwen.
Zweifellos kamen in der Märchenfilmproduktion zwischen 1933 und 1945 auch klassische Tricktechniken zum Einsatz, um das Märchenwunder auf der Leinwand umzusetzen. Mit Hilfe des Stopptricks erscheint beispielsweise „Rumpelstilzchen“ (1940), um Stroh zu Gold zu spinnen. Und per Überblendung wird „Der Froschkönig“ (1940) entzaubert. Bisweilen war auch die Zeitraffertechnik eine Möglichkeit – mittels Wettlaufs oder Zauberpantoffeln – das wunderbare darzustellen, zum Beispiel in „Der Hase und der Igel“ (1940, alle R: Alf Zengerling) und „Der kleine Muck“ (1943/44, R: Franz Fiedler).
Auch mit der Einbindung klassischer Animationstechniken im Schauspielerfilm wurde Anfang der 1940er Jahre experimentiert. So wurden drei Kurzfilme mit realer Handlung in einer Länge zwischen 15 und 33 Minuten produziert, die jeweils mit Sachtrickszenen kombiniert wurden. Für „Der süße Brei“ (1940, R: Erich Dautert) entstanden beispielsweise die Drehorte maßstabgetreu im Miniaturformat, um diese von einer zähen Flüssigkeit überschwemmen zu lassen.
Siehe auch
Literatur
- Carl Neumann / Curt Belling / Hans-Walther Betz: Film-„Kunst“, Film-Kohn, Film-Korruption – Ein Streifzug durch vier Filmjahrzehnte, Faksimile-Nachdruck der 1937 im Verlag Hermann Scherping, Berlin, erschienenen Originalausgabe, ISBN 978-3-9816535-4-0, Buchvorstellung
- Der Film in Staat und Partei (1936)