Sandrock, Adele
Adele Sandrock ( 19. August 1863 in Rotterdam; 30. August 1937 in Berlin) war eine deutsch-niederländische Schauspielerin.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Kaiserreich
Adele Sandrock wurde am 19. September 1864 als Adele Feldern-Förster als Tochter eines ehemaligen Offiziers, der später als Kaufmann tätig war, in Rotterdam (Niederlande) geboren; mit ihren sieben Geschwistern wuchs sie in Rotterdam und Berlin auf. Von ihrer Mutter, der niederländischen Schauspielerin Nans ten Hagen, erhielt sie – ebenso wie ihre Schwester Wilhelmine (1862–1948) – Schauspielunterricht.
1878 debütierte die Sandrock am Berliner Privattheater „Urania“ in Charlotte Birch-Pfeiffers Lustspiel „Mutter und Sohn“, 1880 war sie kurze Zeit am Hoftheater Meiningen engagiert, nach Tourneen kam sie 1885/86 an das Deutsche Volkstheater nach Wien, ab 1887 spielte sie am Deutschen Theater in Budapest, wurde in jenen Jahren meist als sentimentale Liebhaberin oder Vamp, aber auch in heiteren Rollen besetzt.
Mit der Figur der Isabella in „Der Fall Clemenceau“ von Dumas-D'Arthois gelang der Sandrock 1889 am Theater an der Wien der künstlerische Durchbruch. Ab 1889 stand sie für weitere sechs Jahre am Deutschen Volkstheater in Wien auf der Bühne, wo sie den Dramatiker Arthur Schnitzler (1862–1931) kennenlernte, mit dem sie ab Herbst 1893 eine enge Beziehung verband. Während der 15 Monate langen stürmischen Romanze, die bis zum Frühjahr 1895 andauerte, schrieb sie ihm insgesamt 257 Briefe und Telegramme. Danach wechselte sie 1896 für zwei Jahre an das Hofburgtheater, an dem zwischen 1884 und 1898 auch ihre Schwester wirkte.
Die differenzierte Darstellung tragischer Rollen im klassischen Fach sowie ihr Einfühlungsvermögen in moderne Bühnenfiguren wie in Stücken von Ibsen und Schnitzler, dem sie – ähnlich wie ihrem zeitweiligen Verlobten, dem Schriftsteller Alexander Roda Roda (1872–1945) – auch als Vorbild für einige Bühnengestalten diente, ließen Adele Sandrock zum Star der Wiener Theaterszene avancieren.
Das Temperament der Schauspielerin kam jedoch nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Privatleben (in Skandalen und Vertragsbrüchen) zur Geltung. So verließ Adele Sandrock 1898 mit einem Eklat das Burgtheater und begab sich auf Tournee, die sie durch große Teile Europas führte. Zwischen 1902 und 1905 wirkte sie wieder in Wien am Deutschen Volkstheater und anderen Bühnen, vermochte jedoch ihre Erfolge nicht zu wiederholen. 1905 übersiedelte sie nach Berlin, wo sie bis 1910 an Reinhardts Deutschem Theater engagiert war; daneben setzte sie auch weiterhin ihre Gastspielreisen fort.
Mit ihrem Abgang vom Hofburgtheater war ihre Karriere ins Stocken geraten, woran auch Auftritte als „Hamlet“ (1899) und ein Versuch im Gesangsfach als Gounods „Margarethe“ (1904) nichts ändern konnten. Ihre Bühneninterpretationen galten inzwischen als antiquiert und zu dramatisch, einen Zugang zu einer moderneren Darstellungsweise gelang ihr nicht vollständig.
Beim Film war Adele Sandrock seit Beginn der 10er Jahre des vergangenen Jahrhunderts tätig, hatte in dem Stummfilm „Marianne, ein Weib aus dem Volk“ (1911) neben Henny Porten ihr Leinwanddebüt und war mit zahlreichen weiteren Filmen in diesem neuen Medium recht erfolgreich.
Weimarer Republik
Erst 1920 wurde Adele Sandrock durch ihre Verkörperung der Lady Bracknell in Oscar Wildes „Bunbury“ für das Fach der komischen Alten entdeckt und begann damit – immerhin über 50 Jahre alt – ihre zweite Karriere.
Drittes Reich
Später feierte sie in einer großen Anzahl von Tonfilmen vor allem des leichten Genres durch ihre unnachahmliche Komik Triumphe, die ihr zu bleibendem Ruhm verhalfen. Wo immer eine starrköpfige Schwieger- oder Großmutter zu besetzen war, trat Adele Sandrock auf den Plan. Ihr altmodisch-exaltierter Bühnenstil, der sie ebenso unerträglich machte wie die herrschsüchtigen „Drachen“, die sie verkörperte, trug zuweilen Zeichen einer Selbstparodie. In mehr als 100 Rollen prägte die Schauspielerin, von Kritiker als „die letzte Heroine des deutschen Theaters“ bezeichnet, das Bild der egozentrischen, ihre Umgebung tyrannisierenden Alten, mimte meist Adlige jedweder Couleur oder sonstige Damen der gehobenen Gesellschaft. Mit ihrem Ernst und ihrem überzogenem Pathos wurde sie in ihren späten Jahren überwiegend von Komödienregisseuren eingesetzt.
Adele Sandrock, von vielen als das „Urgestein“ des Films der 20er und 30er Jahre bezeichnet, war zeitlebens unverheiratet und wohnte in Berlin mit ihrer zwei Jahre älteren Schwester zusammen. Sie starb am 30. August 1937 im Alter von 73 Jahren in Berlin nach 16monatigem Krankenlager an den altersbedingten Nachwirkungen eines Unfalls; ihre letzte Ruhestätte fand sie auf dem evangelischen Friedhof in Wien-Matzleinsdorf – ihrem letztem Wunsch entsprechend soll sie im Kostüm der „Kameliendame“ beigesetzt worden sein.
Anläßlich des 74. Geburtstags wurde am 19. August 1939 das von dem Bildhauer Prof. Zinsler geschaffene Grabdenkmal, unter Beibehaltung einer Idee von Wilhelmine Sandrock, auf dem Matzlensdorfer Friedhof enthüllt.[1] Das Grab soll die Merkzeichen eines deutschen Menschen und Künstlers als antiken Bau zeigen, dessen Säulen die tragische und die heitere Muse ihr Spiel ausüben.[2]
BRD
1989 wurde in Berlin am Haus Leibnizstraße 60, wo die charismatische Mimin zwischen 1837 und 1905 gelebt hatte, eine Gedenktafel enthüllt. Nachdem diese entwendet und schließlich von der Kriminalpolizei sichergestellt worden war, wurde die Tafel wieder am Haus an der Leibnizstraße angebracht; eine zweite Tafel hängt um die Ecke an der Mommsenstraße in Berlin. In Berlin erinnert auch die „Adele-Sandrock-Straße“ im Ortsteil Hellersdorf an die legendäre Künstlerin.
„Es knallt“ (1933, Kurzfilm mit Adele Sandrock, Karl Valentin und Liesl Karlstadt)
Liste der Bühnenrollen
- Alexandre Dumas der Jüngere, Die Kameliendame (Rolle der Marguerite Gautier)
- Alexandre Dumas der Jüngere und Armand d’Artois, Der Fall Clémenceau (Rolle der Isabella)
- Johann Wolfgang von Goethe, Egmont (Rolle der Martha von Parma)
- Franz Grillparzer
- Henrik Ibsen, Rosmersholm (Rolle der Rebekka West)
- Heinrich Laube, Graf Essex (Rolle der Lady Nottingham)
- Gotthold Ephraim Lessing, Emilia Galotti (Rolle der Emilia und der Orsina)
- Victorien Sardou
- Friedrich Schiller
- Kabale und Liebe (Rolle der Luise und der Lady Milford)
- Maria Stuart (Rolle der Maria Stuart)
- Arthur Schnitzler
- Das Märchen (Rolle der Fanny Theren)
- Liebelei (Rolle der Christine)
- William Shakespeare, Richard III. (Rolle der Anna)
- Hermann Sudermann, Heimat (Rolle der Magda)
- Frank Wedekind, Die Büchse der Pandora (Rolle der Gräfin Geschwitz)
- Oscar Wilde, Bunbury (Rolle der Lady Bracknell)
Filmographie
- 1919: Malaria
- 1919: Der Galeerensträfling
- 1919: Gebannt und erlöst
- 1920: Die letzten Kolczaks
- 1920: Der verlorene Schatten
- 1920: Patience
- 1920: Der siebente Tag
- 1920: Herztrumpf
- 1920: Das Haupt des Juarez
- 1920: Exzellenz Unterrock
- 1920: Die Tänzerin Barberina
- 1920: Manolescus Memoiren
- 1921: Marizza, genannt die Schmugglermadonna
- 1921: Verlogene Moral
- 1921: Das goldene Netz
- 1921: Grausige Nächte
- 1921: Die schwarze Pantherin
- 1921: Der Roman der Christine von Herre
- 1921: Violet
- 1921: Die Schuld des Grafen Weronski
- 1922: Die siebente Nacht
- 1921: Lady Hamilton
- 1921: Kinder der Finsternis
- 1922: Der Absturz
- 1922: Die Tänzerin Navarro
- 1922: Dr. Mabuse, der Spieler
- 1922: Lucrezia Borgia
- 1923: Die Magyarenfürstin
- 1923: Die Prinzessin Suwarin
- 1923: Die Liebe einer Königin
- 1923: Der Hof ohne Lachen
- 1923: Helena
- 1923: Alt-Heidelberg
- 1924: Die Radio-Heirat
- 1924: Die Fahrt ins Verderben
- 1924: Die Schmetterlingsschlacht
- 1925: Aschermittwoch
- 1925: Das Mädchen mit der Protektion
- 1926: Deutsche Herzen am deutschen Rhein
- 1926: Trude, die Sechzehnjährige
- 1926: Nixchen
- 1926: Die vom Schicksal Verfolgten
- 1926: Die Waise von Lowood
- 1927: Der Himmel auf Erden
- 1927: Die Geliebte
- 1927: Die drei Niemandskinder
- 1927: Frühere Verhältnisse
- 1927: Ein rheinisches Mädchen beim rheinischen Wein
- 1927: Die rollende Kugel
- 1927: Der Meister von Nürnberg
- 1927: Arme kleine Siff
- 1927: Das Mädchen mit den fünf Nullen
- 1927: Im Luxuszug
- 1927: Die Stadt der tausend Freuden
- 1927: Königin Luise
- 1927: Feme
- 1927: Deutsche Frauen – Deutsche Treue
- 1928: Sechs Mädchen suchen Hauptquartier
- 1928: Die Durchgängerin
- 1928: Lotte
- 1928: Der Ladenprinz
- 1928: Leontines Ehemänner
- 1928: Mary Lou
- 1928: Kaczmarek
- 1928: Serenissimus und die letzte Jungfrau
- 1928: Die Zirkusprinzessin
- 1929: Verirrte Jugend
- 1929: Aufruhr im Junggesellenheim
- 1929: Der Erzieher meiner Tochter
- 1929: Die Drei um Edith
- 1929: Fräulein Else
- 1929: Katharina Knie
- 1930: Donauwalzer
- 1930: Der Nächste, bitte
- 1930: Skandal um Eva
- 1930: Die große Sehnsucht
- 1930: Die zärtlichen Verwandten
- 1930: Ein Walzer im Schlafcoupé
- 1930: 1000 Worte Deutsch
- 1930: Eine Freundin so goldig wie Du
- 1930: Seitensprünge
- 1930: Die Königin einer Nacht
- 1930: Ihre Majestät die Liebe
- 1931: Walzerparadies
- 1931: Die Försterchristel
- 1931: Der Schrecken der Garnison
- 1931: Die Schlacht von Bademünde
- 1931: Die schwebende Jungfrau
- 1931: Der verjüngte Adolar
- 1931: Jeder fragt nach Erika
- 1931: Strohwitwer
- 1931: Der Kongreß tanzt
- 1932: Goldblondes Mädchen, ich schenk’ Dir mein Herz – Ich bin ja so verliebt ...
- 1932: Ein steinreicher Mann
- 1932: Der Sieger
- 1932: Einmal möcht’ ich keine Sorgen haben
- 1932: Ein toller Einfall
- 1932: Ballhaus goldenen Engel
- 1932: Das schöne Abenteuer
- 1932: Ich will nicht wissen, wer Du bist
- 1932: Liebe, Scherz und Ernst
- 1932: Friederike
- 1932: Der tolle Bomberg
- 1932: Die Liebe auf den ersten Ton
- 1932: Der große Bluff
- 1932: Der verliebte Blasekopp
- 1932: Kaiserwalzer / Audienz in Ischl
- 1933: Eine Frau wie Du
- 1933: Die Tochter des Regiments
- 1933: Morgenrot
- 1933: Kleines Mädel – großes Glück
- 1933: Glückliche Reise
- 1933: Es knallt
- 1934: Der Störenfried
- 1934: Der Flüchtling aus Chicago
- 1934: Zigeunerblut
- 1934: Ich heiße Benjamin
- 1934: Die Töchter ihrer Exzellenz
- 1934: Die englische Heirat
- 1934: Ein Walzer für Dich
- 1934: Gern hab’ ich die Frau’n geküßt
- 1934: Ich sing’ mich in Dein Herz hinein
- 1934: Der Fall Brenken
- 1934: Da stimmt was nicht
- 1934: Der Herr Senator
- 1934: Ich sehne mich nach Dir
- 1934: Der letzte Walzer
- 1934: Alles hört auf mein Kommando
- 1934: Der Herr ohne Wohnung
- 1934: Petersburger Nächte
- 1934: Frühjahrsparade
- 1935: Amphitryon (Hoch aus den Wolken kommt das Glück)
- 1935: |Alle Tage ist kein Sonntag
- 1935: Ein falscher Fuffziger
- 1935: Der Himmel auf Erden
- 1935: Der blaue Diamant
- 1935: Der Taler der Tante Sidonie
- 1935: Eva
- 1935: Mach’ mich glücklich
- 1935: Der Kampf mit dem Drachen
- 1935: Der Gefangene des Königs
- 1935: Ich liebe alle Frauen
- 1935: Ein Teufelskerl
- 1935: Knox und die lustigen Vagabunden
- 1935: Es waren zwei Junggesellen
- 1935: Die Gesangsstunde (Kurzfilm)
- 1935: Kirschen in Nachbars Garten
- 1936: Der schüchterne Casanova
- 1936: Rendezvous in Wien
- 1936: Die große und die kleine Welt
- 1936: Engel mit kleinen Fehlern
- 1936: Flitterwochen
- 1936: Skandal um die Fledermaus
- 1936: Die Puppenfee
- 1936: Der Favorit der Kaiserin
Schriften
- Mein Leben, Ergänzt und herausgegeben von Wilhelmine Sandrock, Buchwarte-Verlag, 1940