Ehrenmord

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Ehrenmord ist ein Begriff, der die vorsätzliche Tötung bzw. Ermordung eines Menschen bezeichnet, durch die – aus der Sicht des Täters – die Ehre des Täters, einer dritten Person oder Personengruppe oder des Getöteten wiederhergestellt wird. Anders als Fememorde (die ein illegales Gericht voraussetzen), kann der sogenannte „Ehrenmord“ sich bloß auf die „Gefühle“ und „Sorgen“ eines einzelnen Mörders beziehen. In der Terminologie des Strafgesetzbuches ist ein „Ehrenmord“ ein Verbrechen aus niederen Beweggründen. Bei der Wahl zum Unwort des Jahres 2005 belegte „Ehrenmord“ hinter „Entlassungsproduktivität“ den zweiten Platz.

Nach Schätzungen des Weltbevölkerungsberichts der UNO werden alljährlich weltweit mindestens 5.000 Mädchen und Frauen wegen „sittlicher Ehre“ ermordet.[1] Die soziale Rechtfertigung dieser Morde erfahren sie durch einen traditionellen Ehrenkodex, der bestimmte Verhaltensregeln festlegt. Die Ehre einer Person oder der Familie, einer Gruppe oder sogar des Landes werden dabei als besonders hohes und schützenwertes Gut eingestuft, das es zu wahren und zu verteidigen gelte. Insbesondere stark traditionverhaftete Menschen, Gruppen oder Gesellschaften, wie häufig in islamisch geprägten Ländern – dort ebenfalls bei nicht-moslemischen Minderheiten, wie z. B. der Fall der Jesidin Du’a Khalil Aswad zeigt – orientieren sich stark an alten Sitten, Bräuchen und Ritualen. Bei Gesichtsverlust, d. h. Verstoß gegen einen Ehrenkodex, werden zur „Wiederherstellung der Ehre“ in bestimmten Fällen auch Mordtaten verübt.

Die auffällige Häufung von Ehrenmorden im islamischen Kulturkreis, auch innerhalb von Einwandererpopulationen, läßt darauf schließen, daß islamisch-fundamentalistische bzw. islamisch-antiwestliche Grundeinstellungen bei den Tätern die Anwendung der vorislamischen Praxis begünstigen. In Kreisen des „aufgeklärten Islam“ wird das Fehlen einer dezidierten Frontstellung bei moslemischen Einwanderern gegen Ehrenmorde gelegentlich bemängelt (so im Falle der türkischen Anwältin Seyran Ateş: „Migranten tun zu wenig gegen Ehrenmorde“).[2]

Die Netzseite Ehrenmord.de dokumentiert die bekannt gewordenen Fälle in der BRD. Vor bundesrepublikanischen Gerichten ist ein Kulturrabatt auf Urteile gegen ausländische Gewaltverbrecher erprobte Rechtspraxis.

Ehrbegriff

Im Wertesystem vieler traditionell streng patriarchaler Gesellschaften hängt die „gesellschaftliche Ehre“ der Männer in einer Familie auch vom normgerechten Verhalten ihrer weiblichen Angehörigen ab. „Ehrenmorde“ richten sich primär gegen Frauen, auch wenn Männer in diesem Zusammenhang ebenfalls Opfer werden. Männer werden Opfer anderer traditioneller „Ehrenverbrechen“ wie „Blutrache“.

Als Verletzung der sittlichen Ehre gilt, wenn eine Frau die ihrem Geschlecht auferlegten Regeln und Normen verletzt, beispielsweise wenn eine Frau eine außereheliche sexuelle Beziehung eingeht bzw. auch nur im Verdacht steht, dies getan zu haben. Von der Verletzung der sexuellen Ehre gilt die ganze Familie als betroffen, vor allem ihre männlichen Verwandten, die als verantwortlich für den Schutz der Ehre gelten. Die „Ehre“ gilt auch als verletzt, wenn eine Frau vergewaltigt wird oder wenn sie sich zu außerehelichem sexuellem Kontakt verleiten läßt.

Um das Phänomen des Fememordes aufgrund der „Ehre“ zu verstehen, muß ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß eine junge Frau und deren Angehörige in einer streng patriarchalischen Kultur, etwa in ländlichen Gebieten der Türkei oder Pakistans, durch vorehelichen Beischlaf gerade dann gesellschaftlich geächtet wird, wenn die ehrverletzende Person nicht getötet wird. Es gilt dann, daß die Frauen dieser Familie beliebig belästigt werden können und deren Männer von ihrem sozialen Umfeld gemieden und geschlagen werden – so lange, bis der psychische und physische Leidensdruck der Familie so groß wird, daß sie die betroffene Frau doch umbringt. Dieser „Ehrendruck“ soll für eine Aufrechterhaltung einer Sexualmoral sorgen, der zufolge Sexualität (und darunter wird bereits Händchenhalten und das Schreiben von Liebesbriefen verstanden) tatsächlich nur und ausschließlich innerhalb der zumeist arrangierten Ehe stattfindet.

Ehrverletzung

Je nachdem, wie streng der Ehrbegriff ausgelegt wird, verletzt eine Frau die Familienehre sehr schnell. Es reicht, wenn sie einen für sie auserwählten Ehemann ablehnt (→ Zwangsheirat) oder ihren Ehemann verlassen will. In Ländern wie Afghanistan oder Pakistan reicht bereits der Wille zu einer solchen „Tat“ oder gar der Verdacht, diesen Willen zu haben, damit sich die männlichen Verwandten in ihrer Ehre fundamental gefährdet oder geschädigt sehen.

Ein Mann und seine Familie sind in diesem kulturellen Verständnis auch dann „entehrt“, wenn die Frau keine „Schuld“ an den Vorkommnissen trägt: zum Beispiel, wenn sie vergewaltigt wird oder wenn sich ein „unpassender“ Mann in sie verliebt. Die afghanische Frauenrechtsorganisation RAWA machte Fälle von Ehrenmorden infolge eines zufälligen Blickes einer Frau auf einen Mann bekannt. Im Verständnis dieser Kulturen geht es weniger darum, die Frau, die Schande über die Familie gebracht hat, zu bestrafen, sondern eher darum, den „Fleck“, den „Schmutz“ aus der Familie zu entfernen. In der Zielsetzung ist der Ehrenmord daher mit einer Verstoßung vergleichbar.

Für Aufsehen in der BRD sorgte 2005 der Mord an der jungen Kurdin Hatun Sürücü aus der Türkei durch ihren jüngsten Bruder. Die eingebürgerte Frau lebte zusammen mit ihrem Sohn in Berlin, nachdem sie sich zuvor von ihrem Ehemann in der Türkei, einem Cousin, getrennt hatte. Die Verbindung mit ihrem Mann war eine Zwangsehe gewesen, die traditionell von ihrer Familie arrangiert worden war. Der Geschwistermord wurde 2006 mit einer Jugendstrafe von neun Jahren und drei Monaten geahndet. Dabei wurde die „besondere Schwere der Schuld” festgestellt, was eine vorzeitige Entlassung auf Bewährung ausschließt. Die zwei mitangeklagten kurdischen Brüder wurden wegen mangelnden Tatnachweises freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft, die ein höheres Strafmaß gefordert hatte, hat Revision gegen das Urteil eingelegt. Das Berliner Gericht erklärte in seiner Urteilsbegründung, daß die Rechtfertigung eines Mordes mit Religion und familiärem Ehrgefühl nicht als mildernder Tatumstand, sondern im Gegenteil als niederer Beweggrund gewertet werden müsse. Der BGH hob die Freisprüche gegen die Brüder der ermordeten Hatun Sürücü auf und verwies den Fall zur erneuten Entscheidung an eine andere Kammer des Berliner Landgerichts zurück.

Wiederherstellung der Familienehre

Aufgrund der sozialen Struktur in den von Ehrenmorden betroffenen Ländern werden Ehrverletzungen vom sozialen Umfeld sehr streng sanktioniert. Deshalb darf die Ehrenmordproblematik nicht als „Männerproblem“ verstanden werden. Es handelt sich dabei vielmehr um eine „Familiensache“: Üblicherweise wird die gesamte erweiterte Familie über die Angelegenheit informiert und entscheidet gemeinsam über das weitere Vorgehen.

So sind zwar meist nahe männliche Verwandte (Väter, Brüder, Ehemänner) die Täter, an der Tatvorbereitung sind jedoch auch Frauen beteiligt. Da die Anstiftung zum Mord in den meisten Ländern ebenfalls als schwere Straftat gilt, sind juristisch gesehen häufig auch Frauen Täterinnen, auch wenn bei Ehrenmorden die Schuld häufig nicht zweifelsfrei den Familienoberen zugeordnet werden kann.

Geschichte

Altertum

Die Todesstrafe wegen sexueller Vergehen ist seit den Zeiten des antiken Babylon (1700 v. d. Z.) (Codex Hammurabi) bekannt.

Wenn die Ehefrau eines Mannes mit einem anderen Mann beim Beischlaf ergriffen wird, bindet man beide und wirft sie ins Wasser.
Wenn jedoch der Herr der Ehefrau seine Ehefrau am Leben läßt, dann wird auch der König seinen Diener am Leben lassen.
Wenn die Ehefrau eines Mannes wegen eines anderen Mannes ihren Ehemann töten läßt, dann wird man diese Frau pfählen.
Wenn ein Mann nach dem Tode seines Vaters im Schoße seiner Mutter schläft, wird man beide verbrennen.
§§ 127 ff.

Die ältesten den Ehrenmord legitimierenden Gesetze stammen aus dem Recht des assyrischen Reiches. Ehrenmorde basierten auf der Vorstellung, die Jungfräulichkeit einer Frau sei der Besitz ihrer Familie.

Amerika

In Peru wurden zwischen 1200 v. d. Z. und 1532 angebliche Ehebrecher damit bestraft, daß man sie mit Händen und Füßen an eine Wand fesselte und sie dem Hungertod preisgab. Ein Mann durfte seine Frau töten, wenn er sie bei außerehelichem Verkehr überraschte oder einen solchen vermutete, hingegen verfiel eine Frau selbst der Todesstrafe, wenn sie ihren Ehemann wegen der gleichen Sache tötete. Von 150 v. d. Z. bis 1521 praktizierte man im Tal von Mexiko die Steinigung bzw. Erdrosselung für den Ehebruch der Frau, nachdem der Ehemann diesen bewiesen hatte.

Asien

Innerhalb bestimmter chinesischer, japanischer und anderer südostasiatischer Kulturen war den Ehemännern die Ermordung untreuer Frauen zum Schutze der Familienehre gestattet. In einigen (historischen wie auch gegenwärtigen) indischen bzw. Hindu-Kulturen kommt es vor, daß frisch verheiratete Frauen von ihren Ehemännern wegen unzureichender Mitgift ermordet werden.

Europa

Im alten Rom war dem pater familias oder dem Familienältesten das Recht vorbehalten, eine unverheiratete, aber sexuell aktive Tochter oder eine ehebrecherische Frau zu töten.

Neuzeit

Selbst in der historischen Rechtsprechung einiger VS-amerikanischer Bundesstaaten galt bis in die Gegenwart die Tötung von Frauen durch ihre Ehemänner nicht als Verbrechen. Zwar findet gegenwärtig in Nordamerika diese Praxis weithin keinen Gebrauch mehr, allerdings wurde sie durch bestimmte Einwanderergruppen aus Nordafrika und dem Nahen Osten in den letzten Jahrzehnten wiederbelebt.[3]

Ehrenmorde gelten allgemein als vorsätzliche Delikte und werden normalerweise unterschieden von Verbrechen aus Leidenschaft, die weltweit auftreten. Verbrechen aus Leidenschaft haben häufig einen speziellen Status vor dem Gesetz. Im französischen Strafrecht galt dies als Straftatbestand und wurde erst 1975 ersetzt, nachdem ein Ehemann seine Frau getötet hatte, als er sie beim Ehebruch ertappte.[4] Dieses Gesetz ging in die Rechtsgrundsätze vieler Nationen ein, die ihre moderne Rechtsprechung auf den Code Napoleon gründeten. Jedoch werden Verbrechen aus Leidenschaft auf einen bestimmten Bereich begrenzt und von einem vorsätzlichen Verbrechen gegen einen ehebrecherischen Gatten unterschieden.

Ehrenmorde werden zuweilen selbst an geraubten Frauen verübt, da eine alleinstehende geraubte Frau bei der Heirat keinen Brautpreis erbringt und folglich der Familie als „wertlos“ gilt.

Auch Homosexualität kann die Ursache für einen Ehrenmord durch Angehörige sein. Wie jüngste Entwicklungen in der Türkei zeigen, kann die legale Ächtung zur Folge haben, daß Ehrenmorde als Suizide oder Unfälle getarnt werden.[5]

Weit verbreitetes Vorkommen

Ehrenmorde kommen gehäuft in armen Ländern und hier in Gemeinschaften vor, die besonders von Exklusion bedroht sind vor. Eine Umfrage unter türkischen Studenten zeigte jedoch, daß auch in gebildeteren Kreisen die Duldung dieser Verbrechen weit verbreitet ist.[6] In allen betroffenen Kulturen und Religionen sind die Opfer überwiegend Mädchen und Frauen. Einem Bericht der pakistanischen Menschenrechtskommission zufolge waren 28 von 36 (78 %) in einem Monat registrierten Ehrenmordopfern weiblich.[7]

Zwar werden Fälle von Ehrenmord auch aus Ländern wie Brasilien, Ecuador und Italien berichtet,[1] jedoch sind sie im wesentlichen ein Phänomen islamischer Gesellschaften oder Parallelgesellschaften. Allerdings verfügt der „Ehrenmord“ in der islamischen Gesetzgebung, der Scharia, über keinerlei Basis (tatsächlich existiert dieser Begriff in der islamischen Gesetzgebung gar nicht, wovon die „Ehrenmörder“ zumeist gar nichts wissen). Er fällt somit nach islamischer Erkenntnis in die Kategorie des Mordes, welcher laut Scharia die Todesstrafe zur Folge hat. Gemäß der Scharia ist ein Menschenleben ein hohes Gut und darf nur aufgrund eines Urteils eines hohen Gerichts ausgelöscht werden – zu einem Urteil berechtigt ist weder ein Dorfmullah noch ein beleidigter Mann. Nach islamischem Recht (das nicht mit dem Recht, das in den derzeit existierenden islamischen Staaten gesprochen wird, identisch ist) kann das Gericht nach der Feststellung der Schuld des Angeklagten ein Todesurteil verhängen. Die Angehörigen des Opfers entscheiden dann, ob das Todesurteil vollstreckt wird oder sie dem Täter verzeihen. In diesem Fall wandelt sich die Strafe zu einer Gefängnisstrafe. Der Koran legt den Gläubigen ans Herz, lieber zu verzeihen als auf die Todesstrafe zu bestehen. Jedoch muß man hinzufügen, daß im Koran auch Verse zu finden sind, die einen Ehrenmord – aus islamischer Sicht – durchaus legitimieren können. So heißt es in Sure 4, Vers 34:

„Die Männer sind den Weibern überlegen wegen dessen, was Allah den einen vor den anderen gegeben hat... Diejenigen (Weiber) aber, für deren Widerspenstigkeit ihr fürchtet – warnet sie, verbannet sie in die Schlafgemächer und schlagt sie“.

Des weiteren heißt es in Sure 4, Vers 15:

„Und wer von euern Weibern eine Hurerei begeht, so nehmet vier von euch zu Zeugen wider sie. Und so sie es bezeugen, so schließet sie ein in die Häuser, bis der Tod ihnen naht oder Allah ihnen einen Weg gibt.“

Ehrenmordproblematik drängt nach Europa

In westlichen (Industrie-)Ländern geschehen Ehrenmorde vorwiegend in Großstädten und Ballungszentren. Manchmal geschehen diese als Folge eines Konflikts von Immigranten der dritten oder vierten Generation. In Großbritannien beispielsweise liefen im Jahr 2007 Mordermittlungen in rund 100 Fällen sogenannter Ehrenmorde.[8]

Polizei und Justiz westlicher Staaten nehmen die Bedrohung durch Ehrenmord oft nicht ernst genug, nicht selten mit fatalen Folgen für die Opfer.[9][10] Im Fall der von ihrem Ex-Ehemann Kazim Mahmud Raschid auf offener Straße in München lebendig verbrannten 24jährigen Sazan Bajez-Abdullah wurden Verstöße gegen das seit einem Jahr bestehende Kontaktverbot erst nach der Gewalttat geahndet, und das Verwaltungsgericht München lehnte einen Antrag der Ermordeten auf Prozeßkostenhilfe für einen Asylantrag postum ab, weil „Gefährdungen wegen Familienehre“ lediglich „Probleme [seien], die in den allgemeinen Regeln des Iraks und den gesellschaftlichen Gepflogenheiten und religiösen Normen wurzeln“.[11] Ganz ähnlich blieb im Fall der von ihrer Familie ermordeten 20jährigen Kurdin Banaz Mahmod die Polizei in Birmingham trotz konkreter Hinweise auf die Gefährdung gänzlich untätig.[8]

Der „Ehrenmord“ ist kein isoliertes Phänomen einer islamischen Kultur, sondern vielmehr in allen traditionsbestimmten Gesellschaften (und darüber hinaus in der westlichen Welt) auch dort bekannt, wo der Zusammenhalt der Gruppe bis herunter zur Familie und einem Paar kategorisch über die individuelle, persönliche Freiheit des Einzelnen gestellt wird. Daher ist der „Ehrenmord“ in Italien ein klassisches Merkmal der Mafia, Camorra usw. und findet sich auch in westlichen Gesellschaften. In deutschen Familien geschehen durchaus auch „Ehrenmorde“, sie werden aber nie so genannt, sondern figurieren vielmehr unter der Bezeichnung „Verzweiflungstat“, „erweiterter Selbstmord“ oder unter dem begrifflichen Fehlgriff „Familiendrama“. Wenn Menschen sich oder andere töten, überwinden sie mehrere Hemmschwellen. Sich entehrt oder in extremer Weise mißachtet zu fühlen, befördert diese Selbstüberwindung.

In jüngster Zeit verweigerten einzelne deutsche Gerichte den orientalischen Täterfamilien zumindest das Sorgerecht für hinterbliebene Kleinkinder der Opfer.[12][13]

Rechtliche Situation

Die Strafgesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland unterscheidet bei den vorsätzlichen Tötungsdelikten u. a. zwischen Totschlag und Mord. Als Totschlag wird die einfache Tötung bezeichnet; sie ist mit mindestens fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht. Eine Tötung ist dann als Mord mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen, wenn sie aus besonders verachtenswerten Motiven oder auf besonders verwerfliche Weise begangen wurde. Ehrenmorde werden häufig als Tötung „aus niedrigen Beweggründen“ eingestuft und somit als Mord bestraft.

In der Rechtswissenschaft ist jedoch umstritten, ob ein Täter dann lediglich als Totschläger zu bestrafen ist, wenn er sehr eng in einem Kulturkreis verwurzelt ist, in dem Ehrenmorde anerkannt sind.[14] Dies wird damit begründet, daß der Täter in solchen Fällen aus seiner Sicht gerade nicht aus besonders verachtenswerter Gesinnung handelt, sondern sein Tun für gesellschaftlich gerechtfertigt, wenn nicht gar zwingend geboten hält. Dagegen wird eingewendet, daß das deutsche Strafgesetzbuch grundsätzlich an jeden Menschen – gleich welcher Herkunft – gleiche Maßstäbe anlegt und ein Zweiklassenstrafrecht nicht duldet. Das deutsche Recht dürfe sich nicht auf diese Weise rückständigen oder sonst rechtlich mißbilligten Moral- und Wertevorstellungen öffnen.

Rechtslage in den einzelnen Ländern

Obwohl in allen Staaten der Welt bei Mord und Totschlag in der Regel hohe Strafen verhängt werden, gibt es auch Staaten, in denen Ehrenmorde ungesühnt bleiben. Dies ist insbesondere der Fall in besonders streng archaisch organisierten Gesellschaften. Richter tolerieren oftmals kulturell-traditionell motivierte Verbrechen – entgegen den Strafgesetzen. In Ländern wie z. B. der Türkei werden oft Minderjährige zur Tat angestiftet, um Strafmilderung zu erreichen. Inzwischen stehen in der Türkei Ehrenmorde auch bei Jugendlichen unter sehr hoher Strafandrohung, was dazu geführt hat, daß die Zahl der Ehrenmorde dort drastisch abgenommen hat.

In anderen Ländern wie etwa Jordanien oder Pakistan gilt die milde oder sogar ausbleibende Strafe für Ehrenmorde als Garant der Aufrechterhaltung der Sexualmoral, und die gelegentlich angestrebte Gleichstellung von Ehrenmorden mit anderen Morden wird aus diesem Grunde gerade von Islamisten wütend bekämpft. Noch im Jahre 2003 lehnte das Parlament in Jordanien eine vom Senat vorgeschlagene Verschärfung der Strafen für Ehrenmord ab, weil dies „religiöse Traditionen verletze“.[15] In Pakistan wiederum wird die „abschreckende Wirkung“ betont, welche angeblich Ehrenmorde bezüglich „sexuell unmoralischen“ Verhaltens, besonders von Frauen, hätten.[16]

Menschenrechtsorganisationen, Vereinte Nationen und NGOs

Bis weit in die 1990er Jahre wurden Ehrenmorde nicht als Menschenrechtsverletzungen behandelt, sondern als in die jeweilige nationale Gesetzgebung fallende „normale Verbrechen“. Erst auf Druck von Frauenrechtsorganisationen, wie beispielsweise Terre des Femmes, fingen in den letzten Jahren nichtstaatliche Organisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch an, diese Problematik aus einer Menschenrechtsperspektive zu betrachten. Terre des Femmes Deutschland begann am 25. November 2004 die zweijährige Kampagne NEIN zu Verbrechen im Namen der Ehre. In Schweden rief die Organisation Kvinnoforum[17] mit Unterstützung der EU das europaweite Projekt Shehrazad – Combating violence in the name of honour[18] ins Leben, um Gewalt gegen Mädchen und junge Frauen in patriarchalen Familien vorzubeugen.

2006 rief das Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen zusammen mit Migrantenselbstorganisationen die Kampagne „ihre Freiheit – seine Ehre.“ ins Leben.[19][20]

Umgang in den Medien

Politische Korrektheit in den Medien

Eigentlich hätte der Kriminalroman „Wem Ehre gebührt“ über einen sogenannten Ehrenmord im September 2009 erscheinen sollen.

„Der Düsseldorfer Droste Verlag hat das Buch ‚Wem Ehre gebührt‘ von Gabriele Brinkmann aus Furcht vor möglichen Repressalien durch Islamisten kurzfristig aus dem Programm genommen. Eine Expertin habe eine Textpassage als gefährlich eingestuft, berichtet das Magazin ‚Der Spiegel‘. Da die Autorin sich geweigert habe, die Stelle zu ändern, habe der Verlag die Rechte an dem Buch zurückgegeben. Spätestens nach den Mohammed-Karikaturen wisse man, daß man Sätze oder Zeichnungen, die den Islam diffamieren, nicht veröffentlichen könne, ohne ein Risiko einzugehen, begründete der Verleger seine Entscheidung. Gabriele Brinkmann wies die Vorwürfe der Islamfeindlichkeit zurück und berief sich auf die Freiheit der Rede und der Kunst.“[21]

Bekannte Opfer (Auswahl)

Filmbeiträge

Ehrenmord und Islam?
Informativer Beitrag über das Thema Ehrenmord – Halima Krausen
Ehrenmord - Reaktionen moslemischer Schüler

Siehe auch

Literatur

  • Hülya Ateş / Fabian Fatih Goldbach: Verstoß = Liebe. Tagebuch einer türkisch-deutschen Liebesbeziehung, BoD, Norderstedt 2002, ISBN 3-8311-3603-3
  • Fatma B.: Hennamond, Hammer, Wuppertal 2001, ISBN 3-87294-815-6
  • Dagmar Burkhart: Eine Geschichte der Ehre, WBG, Darmstadt 2006, ISBN 3-534-18304-5 (darin: Transkultureller Kontext. „Honour-and-Shame“-Gesellschaften)
  • Hanife Gashi: Mein Schmerz trägt Deinen Namen. Ein Ehrenmord in Deutschland, Rowohlt, Reinbek 2005, ISBN 3-498-02499-X
  • Ilhan Kizilhan: „Ehrenmorde“ – Der unmögliche Versuch einer Erklärung. Hintergründe – Analysen – Fallbeispiele, Regener, Berlin 2006, ISBN 3-936014-08-6
  • Souad: Bei lebendigem Leib, Blanvalet, München 2005, ISBN 3-442-36268-7
  • Ahmet Toprak: Das schwache Geschlecht – Die türkischen Männer. Zwangsheirat, häusliche Gewalt, Doppelmoral der Ehre, Lambertus, Freiburg 2005, ISBN 3-7841-1609-4
  • Werner Schiffauer: Die Gewalt der Ehre. Erklärungen zu einem türkisch-deutschen Sexualkonflikt, Suhrkamp, Frankfurt 1983, ISBN 3-518-37394-3
  • Christine Schirrmacher / Ursula Spuler-Stegemann: Frauen und die Scharia. Die Menschenrechte im Islam, Hugendubel, Kreuzlingen 2004, ISBN 3-7205-2527-9
  • Rahel Volz: Verliebt, verlobt, verheiratet, in: Menschenrechte für die Frau. Zeitschrift für Frauenrechte, Nr. 4, 2002, S. 4–7

Filme

  • Zur Ehe gezwungen – Frauen flüchten vor ihren Familien, Fernsehfilm von Renate Bernhard und Sigrid Dethloff, Erstausstrahlung in der ARD, 2. März 2005

Verweise

Karikaturen

Fußnoten

  1. 1,0 1,1 Ending Violence against Women and Girls, Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen , in: The State of World Population, 2000, Chapter 3
  2. Ateş: Migranten tun zu wenig gegen Ehrenmorde, Der Tagesspiegel, 6. Februar 2007
  3. Matthew A. Goldstein: The biological roots of heat-of-passion crimes and honor killings, in: Politics and the Life Sciences. September 2002, vol. 21, no. 2 (PDF; Internet Archive)
  4. Ranwa Yehia in Getting away with murder, The Daily Star, 27. August 1999
  5. „Virgin suicides“ save Turks’ „honor“, International Herald Tribune, 13. Juli 2006
  6. Mariam Lau: Türkische Studenten halten Ehrenmorde für legitim, Die Welt, 27. Oktober 2006
  7. Corpses found in a box: Dead couple victim of honour-killing: police, Daily Times (Pakistan), 26. Mai 2007
  8. 8,0 8,1 Banaz musste sterben, weil sie „zu westlich“ lebte, Die Welt, 12. Juni 2007
  9. Familienrichter ließ mutmaßlichen Mörder trotz Haftbefehl laufen – Zwei Morde, weil Justiz langsam war?, WDR, 12. März 2007
  10. Doppelmord-Prozess: Seine Blicke waren fürchterlich, Spiegel Online, 14. November 2007
  11. Münchner „Ehrenmord“-Prozess: Ein gespenstisches Bekenntnis, Stern, 4. Oktober 2007
  12. Prozesse: Kein Sorgerecht für Vater nach „Ehrenmord“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. Januar 2008
  13. Sürücü-Familie erhält kein Sorgerecht, Der Tagesspiegel, 17. August 2007
  14. Herbert Tröndle / Thomas Fischer: Strafgesetzbuch und Nebengesetze. 53. Auflage, C. H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-53900-9, § 211 Rn. 14 ff.
  15. Jordan quashes “honour crimes” law, Al-Dschasira, 7. September 2003
  16. Licence To Kill, BBC, 4. September, 2000
  17. Weltnetzseite des Kvinnoforums (engl.)
  18. Shehrazad – Combating violence in the name of honour, Terre des Femmes
  19. Weltnetzseite von „ihre Freiheit – seine Ehre“
  20. Kampagne gegen Ehrenmorde: „Für die Freiheit seiner Schwester kämpfen“, Spiegel Online, 24. November 2006
  21. Verlag zieht Ehrenmord-Krimi aus Angst zurück, Deutschlandradio Kultur, 4. Oktober 2009