Was die Welt nicht wollte: Hitlers Friedensangebote 1933–1939

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[1] Die Feinde Deutschlands behaupten heute, daß Adolf Hitler der größte Störenfried der Geschichte sei, daß er alle Völker mit Überfall und Unterdrückung bedrohe, daß er eine furchtbare Kriegsmaschine geschaffen habe, um ringsum Verwüstung und Unheil anzurichten. Sie verschweigen dabei geflissentlich eine entscheidende Tatsache: Sie selbst waren es, die den Führer des deutschen Volkes dazu getrieben haben, schließlich das Schwert zu ziehen. Sie selbst zwangen ihn, zuletzt das mit Macht zu erkämpfen, was er vom ersten Augenblick an durch Überredung zu gewinnen trachtete: die Sicherheit seines Landes. Sie taten das nicht nur, indem sie ihm am 3. September 1939 den Krieg erklärten, sondern indem sie ihm schon vorher Schritt für Schritt den Weg zu einer friedlichen Auseinandersetzung mit ihnen sieben Jahre hindurch versperrten.

Durch Adolf Hitlers ganzes Auftreten seit Beginn seines Wirkens für das deutsche Reich zieht sich wie ein roter Faden der stets wiederholte Versuch, die Regierungen der anderen Staaten zu einer gemeinsamen Erneuerung Europas zu bewegen. Aber dieser Versuch scheiterte jedesmal daran, daß nirgends Bereitschaft bestand, auf ihn einzugehen, weil der alte Ungeist des Weltkrieges überall herrschte, weil in London, in Paris und bei den Vasallen der Westmächte nur ein Wille bestimmend war: die Gewalt von Versailles zu verewigen.

Ein kurzer Blick auf die wichtigsten Ereignisse liefert uns hierfür den unwiderleglichen Beweis.

Als Adolf Hitler antrat, war Deutschland genau so ohnmächtig und geknebelt, wie es die Sieger von 1918 wollten. Völlig entwaffnet, nur mit einem Heer von 100 000 Mann ausgestattet, das lediglich in seinem Innern als Polizeitruppe dienen sollte, lag es inmitten eines eng geschlossenen Ringes von bis an die Zähne bewaffneten und miteinander verbündeten Nachbarn. Zu den alten Gegnern im Westen: England, Belgien und Frankreich waren im Osten und Süden neue aufgestellt und künstlich geschaffen worden; vor allem Polen und die Tschecho-Slowakei. Der vierte Teil des deutschen Volkes war vom Rumpfe des Mutterlandes gewaltsam abgetrennt und an Fremde vergeben. Das Reich, allseitig verstümmelt und jeglicher Verteidigungsmittel [2] beraubt, konnte Tag für Tag zum wehrlosen Opfer irgendeines beutelustigen Anwohners werden.

Da ließ Adolf Hitler zum erstenmal seinen Appell an die Vernunft der Umwelt ertönen. Am 17. Mai 1933, wenige Monate nach seiner Ernennung auf den Posten des Reichskanzlers, hielt er im deutschen Reichstag eine Rede, der wir folgende Sätze entnehmen:

Deutschland wäre auch ohne weiteres bereit, seine gesamte militärische Einrichtung überhaupt aufzulösen und den kleinen Rest der ihm verbliebenen Waffen zu zerstören, wenn die anliegenden Nationen ebenso restlos das gleiche tun.

... Deutschland ist ferner ohne weiteres bereit, auf die Zuteilung von Angriffswaffen dann überhaupt Verzicht zu leisten, wenn innerhalb eines bestimmten Zeitraumes die Rüstungsnationen ihrerseits diese Angriffswaffen ebenfalls vernichten und durch eine internationale Konvention die weitere Anwendung verboten wird.

... Deutschland ist nun jederzeit bereit, auf Angriffswaffen zu verzichten, wenn auch die übrige Welt ihrer entsagt. Deutschland ist bereit, jedem feierlichen Nichtangriffspakt beizutreten; denn Deutschland denkt nicht an einen Angriff, sondern an seine Sicherheit!

Die Antwort blieb aus.


Unbekümmert fuhren die anderen fort, ihre Waffenarsenale zu füllen, ihre Sprengstofflager anzuhäufen, ihre Truppen zu vermehren. Zugleich erklärte der Völkerbund, das Organ der Siegermächte, Deutschland müsse erst eine „Probezeit“ durchmachen, bevor man bereit sei, mit ihm über eine Abrüstung der übrigen Länder zu sprechen. Nun löste sich Hitler am 14. Oktober 1933 von diesem Völkerbund, mit dem es keine Verständigung gab. Kurz darauf jedoch, am 18. Dezember 1933, trat er mit einem neuen Vorschlag zur Besserung der internationalen Verhältnisse hervor. Dieser Vorschlag enthielt folgende 6 Punkte:

  1. Deutschland erhält die volle Gleichberechtigung.
  2. Die hochgerüsteten Staaten verpflichten sich untereinander, eine weitere Erhöhung ihres derzeitigen Rüstungsstandes nicht mehr vorzunehmen.
  3. Deutschland tritt dieser Konvention bei mit der Verpflichtung, aus freiem Willen von der ihm gegebenen Gleichberechtigung nur einen so maßvollen tatsächlichen Gebrauch zu machen, daß darin keine offensive Gefährdung irgendeiner anderen europäischen Macht zu sehen ist.
  4. Alle Staaten anerkennen gewisse Verpflichtungen einer humanen Kriegsführung bzw. einer Vermeidung gewisser Kriegswaffen in ihrer Anwendung gegen die zivile Bevölkerung.
  5. Alle Staaten übernehmen eine gleichmäßige allgemeine Kontrolle, die die Einhaltung dieser Verpflichtungen prüfen und gewährleisten soll.
  6. Die europäischen Nationen garantieren sich die unbedingte Aufrecht- [3] erhaltung des Friedens durch den Abschluß von Nichtangriffspakten, die nach Ablauf von 10 Jahren erneuert werden sollen.

Im Anschluß hieran wurde eine Erhöhung des deutschen Heeres auf 300 000 Mann beantragt, da diese Zahl der Heeresstärke entspreche, „die Deutschland angesichts der Länge seiner Landesgrenzen und angesichts der Heeresstärke seiner Nachbarn benötigt“, um sein bedrohtes Gebiet vor Angriffen zu decken. Der Verfechter einer friedlichen Übereinkunft versuchte also nun, dem fehlenden Abrüstungswillen der anderen dadurch Rechnung zu tragen, daß er für sein Land eine beschränkte Aufrüstung begehrte. Ein jahrelanger Notenwechsel, der sich hieraus ergab, endete schließlich jäh durch ein glattes Nein von Frankreichs Seite. Dieses Nein war noch überdies von gewaltigen Verstärkungen der Streitkräfte in Frankreich, England und Rußland begleitet.


Damit verschlechterte sich das Verhältnis für Deutschland noch mehr als bisher. Damit wurde die Gefahr für das Reich so gewaltig, daß Adolf Hitler sich zum Handeln gedrängt sah. Am 16. März 1935 führte er die allgemeine Wehrpflicht wieder ein. Aber in unmittelbarer Verbindung mit dieser Maßnahme verkündete er abermals ein Anerbieten zu weitestgehenden Vereinbarungen, die darauf ausgingen, jeden künftigen Krieg von Grund aus human zu gestalten, ja ihn durch Ausschaltung von Zerstörungsmitteln geradezu unmöglich zu machen. In seiner Rede vom 21. Mai 1935 führte er aus:

Die deutsche Reichsregierung ist bereit, sich an allen Bestrebungen aktiv zu beteiligen, die zu praktischen Begrenzungen uferloser Rüstungen führen können. Sie sieht den einzig möglichen Weg hierzu in einer Rückkehr zu den Gedankengängen der einstigen Genfer Konvention des Roten Kreuzes. Sie glaubt zunächst nur an die Möglichkeit einer schrittweisen Abschaffung und Verfemung von Kampfmitteln und Kampfmethoden, die ihrem innersten Wesen nach im Widerspruch stehen zur bereits geltenden Genfer Konvention des Roten Kreuzes.

Sie glaubt dabei, daß, ebenso wie die Anwendung von Dumdum-Geschossen einst verboten und im großen und ganzen auch praktisch verhindert wurde, auch die Anwendung anderer bestimmter Waffen zu verbieten und damit auch praktisch zu verhindern ist. Sie versteht darunter alle jene Kampfwaffen, die in erster Linie weniger den kämpfenden Soldaten als vielmehr den am Kampfe selbst unbeteiligten Frauen und Kindern Tod und Vernichtung bringen.

Die deutsche Reichsregierung hält den Gedanken, Flugzeuge abzuschaffen, aber das Bombardement offenzulassen, für irrig und unwirksam. Sie hält es aber für möglich, die Anwendung bestimmter Waffen international als völkerrechtswidrig zu verbannen und die Nationen, die sich solcher Waffen [4] dennoch bedienen wollen, als außerhalb der Menschheit und ihrer Rechte und Gesetze stehend zu verfemen.

Sie glaubt auch hier, daß ein schrittweises Vorgehen am ehesten zum Erfolg führen kann. Also: Verbot des Abwerfens von Gas-, Brand- und Sprengbomben außerhalb einer wirklichen Kampfzone. Diese Beschränkung kann bis zur vollständigen internationalen Verfemung des Bombenabwurfes überhaupt festgesetzt werden. Solange aber der Bombenabwurf als solcher freisteht, ist jede Begrenzung der Zahl der Bombenflugzeuge angesichts der Möglichkeit des schnellen Ersatzes fragwürdig.

Wird der Bombenabwurf aber als solcher als völkerrechtswidrige Barbarei gebrandmarkt, so wird der Bau von Bombenflugzeugen damit bald als überflüssig und zwecklos von selbst sein Ende finden. Wenn es einst gelang, durch die Genfer Rote-Kreuz-Konvention die an sich mögliche Tötung des wehrlos gewordenen Verwundeten oder Gefangenen allmählich zu verhindern, dann muß es genau so möglich sein, durch eine analoge Konvention den Bombenkrieg gegen die ebenfalls wehrlose Zivilbevölkerung zu verbieten und endlich überhaupt zur Einstellung zu bringen.

Deutschland sieht in einer solchen grundsätzlichen Anfassung dieses Problems eine größere Beruhigung und Sicherheit der Völker als in allen Beistandspakten und Militärkonventionen.

Die deutsche Reichsregierung ist bereit, jeder Beschränkung zuzustimmen, die zu einer Beseitigung der gerade für den Angriff besonders geeigneten schwersten Waffen führt. Diese Waffen umfassen erstens schwerste Artillerie und zweitens schwerste Tanks. Angesichts der ungeheuren Befestigungen der französischen Grenze würde eine solche internationale Beseitigung der schwersten Angriffswaffen Frankreich automatisch den Besitz einer geradezu hundertprozentigen Sicherheit geben.

Deutschland erklärt sich bereit, jeder Begrenzung der Kaliberstärken der Artillerie, der Schlachtschiffe, Kreuzer und Torpedoboote zuzustimmen. Desgleichen ist die deutsche Reichsregierung bereit, jede internationale Begrenzung der Schiffsgrößen zu akzeptieren. Und endlich ist die deutsche Reichsregierung bereit, der Begrenzung des Tonnengehaltes der U-Boote oder auch ihrer vollkommenen Beseitigung für den Fall einer internationalen gleichen Regelung zuzustimmen.

Darüber hinaus aber gibt sie abermals die Versicherung ab, daß sie sich überhaupt jeder internationalen und im gleichen Zeitraum wirksam werdenden Waffenbegrenzung oder Waffenbeseitigung anschließt.

Auch jetzt fanden Hitlers Ausführungen nicht den geringsten Widerhall. Statt dessen verbündete sich Frankreich mit Rußland, um dadurch sein Übergewicht auf dem Kontinent noch zu vermehren und den Druck auf Deutschland von Osten her ins Gigantische zu steigern.


Adolf Hitler mußte [5] daher angesichts des klar in Erscheinung tretenden Vernichtungswillens der Gegenseite eine neue Aktion zur Sicherung des Deutschen Reiches vornehmen. Er besetzte am 3. März 1936 das seit Versailles von jedem militärischen Schutz entblößte Rheinland mit Truppen und schloß so das riesige Einfallstor des westlichen Nachbarn. Wiederum verknüpfte er jedoch diese notgedrungene Abwehrtat mit einem großzügigen Plan zur allgemeinen Versöhnung und zum Ausgleich aller Gegensätze. Am 31. März 1936 entwickelte er folgenden Friedensplan:

  1. Um den kommenden Abmachungen für die Sicherung des europäischen Friedens den Charakter heiliger Vertrage zu verleihen, nehmen an ihnen die in Frage kommenden Nationen nur als vollkommen gleichberechtigte und gleichgeachtete Glieder teil. Der einzige Zwang für die Unterzeichnung dieser Verträge kann nur in der sichtbaren von allen erkannten Zweckmäßigkeit fester Abmachungen für den europäischen Frieden und damit für das soziale Glück und das wirtschaftliche Wohlergehen der Völker liegen.
  2. Um die Zeit der Unsicherheit im Interesse des wirtschaftlichen Lebens der europäischen Völker möglichst abzukürzen, schlägt die deutsche Regierung vor, den ersten Abschnitt bis zur Unterzeichnung der Nichtangriffspakte und damit der garantierten europäischen Friedenssicherung auf vier Monate zu begrenzen.
  3. Die deutsche Regierung versichert unter der Voraussetzung eines sinngemäßen gleichen Verhaltens der belgischen und französischen Regierung, für diesen Zeitraum keinerlei Verstärkung der im Rheinland befindlichen Truppen vorzunehmen.
  4. Die deutsche Regierung versichert, daß sie die im Rheinland befindlichen Truppen während dieses Zeitraumes nicht näher an die belgische und französische Grenze heranführen wird.
  5. Die deutsche Regierung schlägt zur Garantierung dieser beiderseitigen Versicherungen die Bildung einer Kommission vor, die sich aus Vertretern der Garantiemächte England und Italien und einer desinteressierten neutralen dritten Macht zusammensetzt.
  6. Deutschland, Belgien und Frankreich sind berechtigt, je einen Vertreter in diese Kommission zu entsenden. Deutschland, Belgien und Frankreich besitzen das Recht, dann, wenn sie glauben, aus bestimmten Vorgängen auf eine Veränderung der militärischen Verhältnisse innerhalb dieses Zeitraumes von vier Monaten hinweisen zu können, ihre Wahrnehmungen der Garantiekommission mitzuteilen.
  7. Deutschland, Belgien und Frankreich erklären sich bereit, in einem solchen Fall zu gestatten, daß diese Kommission durch die englischen [6] und italienischen Militärattachés notwendige Feststellungen treffen läßt und hierüber den beteiligten Mächten berichtet.
  8. Deutschland, Belgien und Frankreich versichern, daß sie die sich daraus ergebenden Beanstandungen in vollem Umfange berücksichtigen werden.
  9. Im übrigen ist die deutsche Regierung bereit, auf der Basis voller Gegenseitigkeit mit ihren beiden westlichen Nachbarn jeder militärischen Beschränkung an der deutschen Westgrenze zuzustimmen.
  10. Deutschland, Belgien und Frankreich und die beiden Garantiemächte kommen überein, daß sie, sofort oder spätestens nach Abschluß der französischen Wahlen, unter Führung der Britischen Regierung in Beratungen eintreten über den Abschluß eines 25jährigen Nichtangriffs- bzw. Sicherheitspaktes zwischen Frankreich und Belgien einerseits und Deutschland andererseits.
  11. Deutschland ist einverstanden, daß in diesem Sicherheitsabkommen England und Italien wieder als Garantiemächte unterzeichnen.
  12. Sollten sich aus diesen Sicherheitsabmachungen besondere militärische Beistandsverpflichtungen ergeben, so erklärt sich Deutschland bereit, auch seinerseits solche Verpflichtungen auf sich zu nehmen.
  13. Die deutsche Regierung wiederholt hiermit den Vorschlag für den Abschluß eines Luftpaktes als Ergänzung und Verstärkung dieser Sicherheitsabmachungen.
  14. Die deutsche Regierung wiederholt, daß sie bereit ist, falls die Niederlande es wünschen, auch diesen Staat in dieses westeuropäische Sicherheitsabkommen einzubeziehen.
  15. Um dem Werk dieser aus freiem Willen erfolgenden Friedenssicherung zwischen Deutschland einerseits und Frankreich andererseits den Charakter eines versöhnenden Abschlusses einer jahrhundertelangen Entzweiung zu geben, verpflichten sich Deutschland und Frankreich, darauf hinzuwirken, daß in der Erziehung der Jugend der beiden Nationen sowohl als in öffentlichen Publikationen alles vermieden wird, was als Herabsetzung, Verächtlichmachung oder unpassende Einmischung in die inneren Angelegenheiten der anderen Seite geeignet sein könnte, die Einstellung der beiden Völker gegeneinander zu vergiften. Sie kommen überein, eine gemeinsame Kommission am Sitze des Völkerbundes in Genf zu bilden, die beauftragt sein soll, einlaufende Beschwerden den beiden Regierungen zur Kenntnisnahme und Überprüfung vorzulegen.
  16. Deutschland und Frankreich verpflichten sich, im Verfolg der Absicht, dieser Abmachung den Charakter eines heiligen Vertrages zu geben, die Ratifizierung durch eine Abstimmung von den beiden Völkern selbst vornehmen zu lassen.[7]
  17. Deutschland erklärt sich bereit, seinerseits in Verbindung zu treten mit den Staaten an seiner Südost- und Nordostgrenze, um diese zum Abschluß der angebotenen Nichtangriffspakte unmittelbar einzuladen.
  18. Deutschland erklärt sich bereit, sofort oder nach Abschluß dieser Verträge wieder in den Völkerbund einzutreten. Die deutsche Regierung wiederholt dabei ihre Erwartung, daß im Laufe einer angemessenen Zeit auf dem Wege freundschaftlicher Verhandlungen die Frage der kolonialen Gleichberechtigung sowie die Frage der Trennung des Völkerbundstatuts von seiner Versailler Grundlage geklärt wird.
  19. Deutschland schlägt vor, ein internationales Schiedsgericht zu bilden, das für die Einhaltung dieses Vertragswerkes zuständig sein soll und dessen Entscheidungen für alle bindend sind.

Nach dem Abschluß eines solchen großen Werkes der europäischen Friedenssicherung hält es die deutsche Reichsregierung für dringend notwendig, Versuche zu unternehmen, einem uferlosen Wettrüsten durch praktische Maßnahmen Einhalt zu gebieten. Sie würde darin nicht nur eine Erleichterung der finanziellen und wirtschaftlichen Lage der Völker sehen, sondern vor allem eine psychologische Entspannung.

Die deutsche Reichsregierung verspricht sich aber nichts von dem Versuch universaler Regelungen, der von vornherein zum Scheitern verurteilt sein würde und daher nur von denen vorgeschlagen werden kann, die am Zustandekommen eines praktischen Ergebnisses nicht interessiert sind. Sie glaubt, daß demgegenüber die Verhandlungen und Ergebnisse auf dem Gebiet der Beschränkung maritimer Rüstungen belehrend und anregend wirken können.

Die deutsche Reichsregierung schlägt daher vor: die spätere Einberufung von Konferenzen mit jeweils nur einer, aber klar umrissenen Aufgabe.

Sie sieht es als die zunächst wichtigste Aufgabe an, den Luftkrieg in die moralische und menschliche Atmosphäre der seinerzeit durch die Genfer Konvention dem Nichtkriegsteilnehmer oder dem Verwundeten zugebilligten Schonung zu bringen. So wie die Tötung wehrloser Verwundeter oder Gefangener oder die Verwendung von Dumdumgeschossen oder die Führung des warnungslosen U-Boot-Krieges durch internationale Konventionen geregelt bzw. verboten worden sind, muß es einer zivilisierten Menschheit gelingen, auch auf den Gebieten neuer Waffenanwendung die Möglichkeit einer sinnlosen Entartung zu unterbinden, ohne dem Zweck der Kriegführung zu widersprechen.

Die deutsche Regierung schlägt daher für diese Konferenzen zunächst als praktische Aufgaben vor:

  1. Verbot des Abwurfes von Gas-, Gift- und Brandbomben. [8]
  2. Verbot des Abwurfes von Bomben jeglicher Art auf offene Ortschaften, die sich außerhalb der Reichweite der mittleren schweren Artillerie der kämpfenden Fronten befinden.
  3. Verbot der Beschießung von Ortschaften mit weittragenden Kanonen außerhalb einer Gefechtszone von 20 km.
  4. Abschaffung und Verbot des Baues von Tanks schwerster Art.
  5. Abschaffung und Verbot schwerster Artillerie.

Sowie sich aus solchen Besprechungen und Abmachungen die Möglichkeiten der weiteren Begrenzung der Rüstungen ergeben, sind diese wahrzunehmen.

Die deutsche Regierung erklärt sich schon jetzt bereit, jeder solchen Regelung, soweit sie international gültig wird, beizutreten.

Die deutsche Reichsregierung glaubt, daß, wenn auch nur ein erster Schritt auf dem Wege zur Abrüstung gemacht ist, dies von außerordentlicher Tragweite für die Einstellung der Völker zueinander sein wird, und damit auch für die Wiederkehr jenes Vertrauens, das die Voraussetzung für die Entwicklung von Handel und Wohlstand bildet.

Um dem allgemeinen Wunsche nach einer Wiederherstellung günstiger wirtschaftlicher Verhältnisse zu entsprechen, ist sie daher bereit, im Sinne der gemachten Vorschläge sofort nach Abschluß des politischen Vertragswerkes mit den in Frage kommenden Ländern in einen Gedankenaustausch über wirtschaftliche Fragen einzutreten und alles in ihrer Macht Stehende zur Verbesserung der Wirtschaftslage in Europa sowie der von dieser nicht zu trennenden Weltwirtschaft im allgemeinen beizutragen.

Die deutsche Reichsregierung glaubt, mit dem oben niedergelegten Friedensplan ihren Beitrag geleistet zu haben zum Aufbau eines neuen Europas auf der Basis der gegenseitigen Achtung und des Vertrauens zwischen souveränen Staaten. Manche Gelegenheiten zu dieser Befriedung Europas, zu der Deutschland in den letzten Jahren so oft die Hand bot, sind versäumt worden. Möge dieser Versuch einer europäischen Verständigung endlich gelingen.

Die deutsche Reichsregierung glaubt zuversichtlich, durch die Vorlegung des obigen Friedensplanes den Weg hierzu nunmehr freigemacht zu haben.

Wer diesen umfassenden Friedensplan heute liest, wird daraus erkennen, welchen Weg die Entwicklung Europas nach Adolf Hitlers Wunsch eigentlich hätte nehmen sollen. Hier war die Möglichkeit zum wahren Aufbau gegeben, von hier hätte eine wirkliche Wende zum Heil aller Völker ausgehen können. Allein abermals fand der einsame Rufer für den Frieden kein Gehör. Nur England antwortete mit einem mehr höhnisch gehaltenen Fragebogen, der jedes ernste Eingehen auf den wirklichen Kern der Sache vermied. Daneben jedoch verriet dieses selbe England seine eigentlichen Absichten, indem es sich [9] zum Schutzherrn Frankreichs aufwarf und genau wie in der Zeit vor dem Weltkrieg regelmäßige militärische Besprechungen seines Generalstabes mit dem der Republik einleitete.


Jetzt konnte kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß die Westmächte die alten Pfade zur kriegerischen Auseinandersetzung beschritten und zielbewußt einen neuen Schlag gegen Deutschland vorbereiteten. Dabei war Adolf Hitlers ganzes Sinnen und Trachten darauf gerichtet, gerade den Westmächten zu beweisen, daß er mit ihnen im besten Einverständnis bleiben wollte. Zahlreiche Schritte in dieser Richtung hatte er im Laufe der Jahre unternommen, von denen wir wenigstens einige anführen wollen. Mit England vereinbarte er das Flotten-Abkommen vom 18. Juni 1935, auf Grund dessen die deutsche Flotte nur 35 vom Hundert der britischen Flotte betragen sollte. Dadurch wollte er nach seinen eigenen Worten dartun, daß das Reich „weder die Absicht, noch die Notwendigkeit, noch das Vermögen“ habe, „in irgendeine neue Flottenrivalität einzutreten“, die sein Verhältnis zu Großbritannien bekanntlich vor dem Weltkrieg so verhängnisvoll getrübt hatte.

Frankreich versicherte er bei jeder sich bietenden Gelegenheit seines Wunsches, mit ihm in Frieden zu leben. Er sprach wiederholt den ausdrücklichen Verzicht auf Elsaß-Lothringen unumwunden aus. Als das Saargebiet durch die Abstimmung seiner Bevölkerung in das Reich zurückkehrte, erklärte er am 1. März 1935:

Wir hoffen, daß durch diesen Akt einer ausgleichenden Gerechtigkeit, der Wiedereinsetzung natürlicher Vernunft, wir hoffen, daß durch diesen Akt das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich sich endgültig bessert. So, wie wir den Frieden wollen, müssen wir hoffen, daß auch das große Nachbarvolk gewillt und bereit ist, diesen Frieden mit uns zu suchen. Es muß möglich sein, daß zwei große Völker sich die Hand geben, um in gemeinsamer Arbeit den Nöten entgegenzutreten, die Europa unter sich zu begraben drohen.

Ja sogar mit Polen, dem östlichen Verbündeten der Westmächte, strebte er ein besseres Übereinkommen an, obwohl sich dieses Land 1919 Millionen von Deutschen widerrechtlich einverleibt hatte und sie seitdem dauernd aufs Schlimmste unterdrückte. Am 26. Januar 1934 schloß er mit ihm einen Nichtangriffspakt, in dem die beiden Regierungen vereinbarten, „sich in den ihre gegenseitigen Beziehungen betreffenden Fragen, welcher Art sie auch sein mögen, unmittelbar zu verständigen“.

So stemmte er nach allen Seiten seinen entschlossenen Friedenswillen den feindlichen Plänen entgegen und bemühte sich, dadurch Deutschland zu schützen. Als er nun aber sah, daß man sich in London und Paris zum Angriff rüstete, mußte er abermals zu neuen Abwehrtaten greifen. Das Lager der Gegner war, wie wir oben sahen, durch das Bündnis zwischen Frankreich und Rußland ungeheuer ausgedehnt worden. Dazu kam noch, daß sich die [10] beiden Mächte eine Verbindungslinie im Süden des Reiches geschaffen hatten, indem die bereits mit Frankreich verbündete Tschecho-Slowakei ebenfalls einen Vertrag mit Rußland abschloß, der sie nun zur Brücke zwischen dem Osten und Westen machte. Die Tschecho-Slowakei aber beherrschte das Hochland Böhmens und Mährens, das Bismarck bekanntlich die Zitadelle Europas genannt hat. Und diese Zitadelle schob sich tief in den deutschen Raum hinein. Die Bedrohung Deutschlands nahm also wahrhaft überwältigende Formen an.

Adolf Hitler wußte ihr in genialer Weise zu begegnen. Die durch den Terror der Schuschnigg-Regierung in Deutsch-Österreich auf den Bürgerkrieg hintreibenden Zustände gaben ihm die Gelegenheit, dort rettend einzugreifen und das Brudervolk im Südosten, das durch den Zwang der Siegermächte 1919 zum Dasein eines hoffnungslos dahinsiechenden „Freistaates“ verurteilt worden war, ins Reich zurückzuführen. Nachdem er so bereits neben der erwähnten Verbindungslinie zwischen Frankreich und Rußland Fuß gefaßt hatte, setzte in dem künstlich aus den verschiedensten Nationalitäten zusammengewürfelten Mischstaate der Tschecho-Slowakei der Auflösungsprozeß ein, bis nach der Befreiung des Sudetenlandes und der Absonderung der Slowakei die Tschechen selbst um den Schutz des Deutschen Reiches baten. Damit gelangte die Brücke der Gegner in Adolf Hitlers Hand. Zugleich war die direkte Verbindung zu dem seit längerer Zeit als Freund gewonnenen Italien hergestellt.

Während der Erringung dieses strategischen Erfolges zur Sicherung seines Landes hat Adolf Hitler sich wiederum mit großem Eifer um ein friedliches Auskommen mit den Westmächten bemüht. In München, unmittelbar nach der von England, Frankreich und Italien gebilligten Befreiung der Sudetendeutschen traf er eine Verabredung mit dem britischen Ministerpräsidenten N. Chamberlain, deren Wortlaut der folgende war:

Wir haben heute eine weitere Besprechung gehabt und sind uns in der Erkenntnis einig, daß die Frage der deutsch-englischen Beziehungen von allererster Bedeutung für beide Länder und für Europa ist.

Wir sehen das gestern abend unterzeichnete Abkommen und das deutsch-englische Flottenabkommen als symbolisch für den Wunsch unserer beiden Völker an, niemals wieder gegeneinander Krieg zu führen.

Wir sind entschlossen, auch andere Fragen, die unsere beiden Länder angehen, nach der Methode der Konsultation zu behandeln und uns weiter zu bemühen, etwaige Ursachen von Meinungsverschiedenheiten aus dem Wege zu räumen, um auf diese Weise zur Sicherung des Friedens Europas beizutragen.

30. September 1938. Adolf Hitler, Neville Chamberlain.


[11] Zwei Monate später vereinbarte auf Hitlers Veranlassung Reichsaußenminister von Ribbentrop die nachstehende Übereinkunft mit Frankreich:

Der deutsche Reichsminister des Auswärtigen, Herr Joachim von Ribbentrop,

und der französische Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Herr Georges Bonnet,
haben bei ihrer Zusammenkunft in Paris am 6. Dezember 1938 im Namen und im Auftrag ihrer Regierungen folgendes vereinbart:

  1. Die deutsche Regierung und die französische Regierung sind übereinstimmend der Überzeugung, daß friedliche und gutnachbarliche Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich eines der wesentlichsten Elemente der Konsolidierung der Verhältnisse in Europa und der Aufrechterhaltung des allgemeinen Friedens darstellen. Beide Regierungen werden deshalb alle ihre Kräfte dafür einsetzen, daß eine solche Gestaltung der Beziehungen zwischen ihren Ländern sichergestellt wird.
  2. Beide Regierungen stellen fest, daß zwischen ihren Ländern keine Fragen territorialer Art mehr schweben, und erkennen feierlich die Grenze zwischen ihren Ländern, wie sie gegenwärtig verläuft, als endgültig an.
  3. Beide Regierungen sind entschlossen, vorbehaltlich ihrer besonderen Beziehungen zu dritten Mächten, in allen ihre beiden Länder angehenden Fragen in Fühlung miteinander zu bleiben und in eine Beratung einzutreten, wenn die künftige Entwicklung dieser Fragen zu internationalen Schwierigkeiten führen sollte.

Zu Urkund dessen haben die Vertreter der beiden Regierungen diese Erklärung, die sofort in Kraft tritt, unterzeichnet.

Ausgefertigt in doppelter Urschrift in deutscher und französischer Sprache in Paris am 6. Dezember 1938.

Joachim von Ribbentrop,
Reichsminister des Auswärtigen

Georges Bonnet,

Minister für auswärtige Angelegenheiten.

Nach menschlicher Berechnung hätte man nun annehmen können, daß die Bahn für einen gemeinsamen Aufbau durch alle führenden Mächte frei sei und daß den Friedensbestrebungen des deutschen Führers endlich Erfolg beschieden sein werde. Aber das Gegenteil trat ein. Kaum war Chamberlain von München nach Hause zurückgekehrt, als er dort zur Aufrüstung im [12] weitesten Umfang aufrief und eine neue ganz gewaltige Einkreisung Deutschlands in die Wege leitete. An Stelle von Frankreich übernahm jetzt England die Führung in der weiteren Umzingelung des Reiches, um so einen vielfachen Ersatz für die verlorengegangene Tschecho-Slowakei zu gewinnen. Es eröffnete Verhandlungen mit Rußland, es schloß Garantie-Verträge mit Polen, Rumänien, Griechenland und der Türkei ab. Das waren Alarmsignale höchster Stärke.


Adolf Hitler war gerade damit beschäftigt gewesen, die störenden Reibungen mit Polen für immer aus der Welt zu schaffen. Er hatte zu diesem Zweck einen ungemein entgegenkommenden Vorschlag gemacht, durch das die rein deutsche Freistadt Danzig zum Reiche zurückkehren und eine schmale Straße durch den polnischen Korridor, der das deutsche Gebiet im Nordosten seit 1919 in unerträglicher Weise zerriß, die Verbindung zwischen den getrennten Strecken herstellen sollte. Dieser Vorschlag, der Polen überdies einen 25jährigen Nichtangriffspakt und andere Vorteile in Aussicht stellte, wurde jedoch in Warschau abgelehnt, weil man dort, in dem Bewußtsein, einen Hauptpfeiler der gegen Deutschland von London aus aufgestellten Front zu bilden, jegliches auch noch so kleine Zugeständnis ablehnen zu können glaubte. Ja, noch mehr! In dem gleichen Bewußtsein ging Polen alsbald aggressiv vor, bedrohte seinerseits Danzig und schickte sich an, die Waffen gegen Deutschland zu erheben.

Damit stand die Stunde des Losschlagens der gegen das Reich in ein System gebrachten Länder unmittelbar bevor. Adolf Hitler rettete mit letzter, äußerster Anstrengung für den Frieden, was er nur retten konnte. Am 23. August gelang es Ribbentrop, in Moskau mit Rußland einen Nichtangriffspakt zustande zu bringen. Zwei Tage später machte der deutsche Führer selbst ein letztes, wahrhaft erstaunliches Angebot an England, indem er sich bereit erklärte, „... mit England Abkommen zu treffen, die ... nicht nur die Existenz des britischen Weltreiches unter allen Umständen deutscherseits garantieren würden, sondern auch, wenn es nötig wäre, dem Britischen Reich die deutsche Hilfe sicherten, ganz gleich, wo immer eine solche Hilfe erforderlich sein sollte“. Zugleich war er bereit, eine vernünftige Begrenzung der Rüstungen zu akzeptieren, die der „neuen politischen Lage entsprachen und wirtschaftlich tragbar wären“. Endlich versicherte er erneut, daß er an den westlichen Problemen nicht interessiert sei, und daß „eine Grenzkorrektur im Westen außerhalb jeder Erwägung stehe“.

Die Antwort hierauf war ein am selben Tage unterzeichneter Beistandspakt zwischen Großbritannien und Polen, der den Ausbruch des Krieges unvermeidbar machte. Denn nunmehr entschloß man sich in Warschau alsbald zur allgemeinen Mobilmachung gegen Deutschland und begann mit tätlichen Überfällen nicht nur auf die Deutschen in Polen, die schon längst in furchtbarer Weise massakriert wurden, sondern direkt auf reichsdeutsches Gebiet.


[13] Aber selbst als England und Frankreich den Krieg, den sie wollten, erklärt hatten und als Deutschland durch einen ruhmreichen Feldzug ohnegleichen der polnischen Gefahr im Osten Herr geworden war, selbst dann erhob Adolf Hitler noch einmal seine Stimme im Namen des Friedens. Er tat es, obwohl er nun die Hände frei hatte, um gegen den feindlichen Westen loszuschlagen. Er tat es, obwohl in London und Paris der Kampf gerade gegen ihn persönlich in maßlosem Haß als Kreuzzug gepredigt wurde. In diesem Augenblick besaß er die überlegene Selbstbeherrschung, in seiner Rede vom 6. Oktober 1939 der Weltöffentlichkeit einen neuen Plan zur Befriedung Europas zu unterbreiten. Dieser Plan lautete folgendermaßen:

Die in meinen Augen weitaus wichtigste Aufgabe ist aber die Herstellung nicht nur der Überzeugung, sondern auch des Gefühls einer europäischen Sicherheit.

  1. Dazu ist es notwendig, daß eine unbedingte Klarheit über die Ziele der Außenpolitik der europäischen Staaten eintritt. Insoweit es sich um Deutschland handelt, ist die Reichsregierung bereit, eine restlose und volle Klarheit über ihre außenpolitischen Absichten zu geben. Sie stellt dabei an die Spitze dieser Erklärung die Feststellung, daß der Versailler Vertrag für sie als nicht mehr bestehend angesehen wird, bzw. daß die deutsche Reichsregierung und mit ihr das ganze deutsche Volk keine Ursache und keinen Anlaß für irgendeine weitere Revision erblicken, außer der Forderung nach einem dem Reich gebührenden und entsprechenden kolonialen Besitz, in erster Linie also auf Rückgabe der deutschen Kolonien. Diese Forderung nach Kolonien ist begründet nicht nur im historischen Rechtsanspruch auf die deutschen Kolonien, sondern vor allem in dem elementaren Rechtsanspruch auf die deutschen Kolonien [als] Rohstoffquellen der Erde. Diese Forderung ist keine ultimative, und sie ist keine Forderung, hinter der die Gewalt steht, sondern eine Forderung der politischen Gerechtigkeit und der wirtschaftlichen allgemeinen Vernunft.
  2. Die Forderung nach einem wirklichen Aufblühen der internationalen Wirtschaft in Verbindung mit der Steigerung des Handels und des Verkehrs setzt die Inordnungbringung der Binnenwirtschaften bzw. der Produktionen innerhalb der einzelnen Staaten voraus. Zur Erleichterung des Austausches dieser Produktionen aber muß man zu einer Neuordnung der Märkte kommen und zu einer endgültigen Regelung der Währungen, um so die Hindernisse für einen freien Handel allmählich abzubauen. [14]
  3. Die wichtigste Voraussetzung aber für ein wirkliches Aufblühen der europäischen und auch außereuropäischen Wirtschaft ist die Herstellung eines unbedingt garantierten Friedens und eines Gefühls der Sicherheit der einzelnen Völker. Diese Sicherheit wird nicht nur ermöglicht durch die endgültige Sanktionierung des europäischen Status, sondern vor allem durch das Zurückführen der Rüstungen auf ein vernünftiges und auch wirtschaftlich tragbares Ausmaß. Zu diesem notwendigen Gefühl der Sicherheit gehört vor allem aber eine Klärung der Anwendbarkeit und des Verwendungsbereichs gewisser moderner Waffen, die in ihrer Wirkung geeignet sind, jederzeit in das Herz eines jeden einzelnen Volkes vorzustoßen und die damit ein dauerndes Gefühl der Unsicherheit zurücklassen werden. Ich habe schon in meinen früheren Reichstagsreden in dieser Richtung Vorschläge gemacht. Sie sind damals – wohl schon, weil sie von mir ausgingen – der Ablehnung verfallen.

Ich glaube aber, daß das Gefühl einer nationalen Sicherheit in Europa erst dann einkehren wird, wenn auf diesem Gebiet durch klare internationale und gültige Verpflichtungen eine umfassende Fixierung des Begriffes erlaubter und unerlaubter Waffenanwendung stattfindet.

So wie die Genfer Konvention einst es fertig brachte, wenigstens bei den zivilisierten Staaten die Tötung Verwundeter, die Mißhandlung Gefangener, den Kampf gegen Nichtkriegsteilnehmer usw. zu verbieten, und so, wie es gelang, diesem Verbot im Laufe der Zeit zu einer allgemeinen Respektierung zu verhelfen, so muß es gelingen, den Einsatz der Luftwaffe, die Anwendung von Gas usw., des U-Bootes, aber auch die Begriffe der Konterbande so festzulegen, daß der Krieg des furchtbaren Charakters eines Kampfes gegen Frauen und Kinder und überhaupt gegen Nichtkriegsteilnehmer entkleidet wird. Die Perhorreszierung bestimmter Verfahren wird von selbst zur Beseitigung der dann überflüssig gewordenen Waffen führen.

Ich habe mich bemüht, schon in diesem Kriege mit Polen die Luftwaffe nur auf sogenannte militärisch wichtige Objekte anzuwenden bzw. nur dann in Erscheinung treten zu lassen, wenn ein aktiver Widerstand an einer Stelle geleistet wurde. Es muß aber möglich sein, in Anlehnung an das Rote Kreuz eine grundsätzliche, allgemeingültige internationale Regelung zu finden. Nur unter solchen Voraussetzungen wird besonders in unserem dicht besiedelten Kontinent ein Friede einkehren können, der dann befreit von Mißtrauen und von Angst die Voraussetzung für eine wirkliche Blüte auch des wirtschaftlichen Lebens geben kann. Ich glaube, es gibt keinen verantwortlichen europäischen Staatsmann, der nicht im tiefsten Grunde seines Herzens die Blüte seines Volkes wünscht. Eine Realisierung dieses Wunsches ist aber nur denkbar im Rahmen einer allgemeinen Zusammenarbeit der Nationen dieses Kontinents. Diese Zusammenarbeit sicherzustellen, kann daher nur das Ziel jedes [15] einzelnen wirklich um die Zukunft auch seines eigenen Volkes ringenden Mannes sein.

Um dieses große Ziel zu erreichen, werden doch einmal die großen Nationen in diesem Kontinent zusammentreten müssen, um in einer umfassenden Regelung ein Statut auszuarbeiten, anzunehmen und zu garantieren, das ihnen allen das Gefühl der Sicherheit, der Ruhe und damit des Friedens gibt.

Es ist unmöglich, daß eine solche Konferenz zusammentritt ohne die gründlichste Vorarbeit, d. h. ohne die Klärung der einzelnen Punkte und vor allem ohne eine vorbereitende Arbeit. Es ist aber ebenso unmöglich, daß eine solche Konferenz, die das Schicksal gerade dieses Kontinents auf Jahrzehnte hinaus bestimmen soll, tätig ist unter dem Dröhnen der Kanonen oder auch nur unter dem Druck mobilisierter Armeen. Wenn aber früher oder später diese Probleme doch gelöst werden müssen, dann wäre es vernünftiger, an diese Lösung heranzugehen, ehe noch erst Millionen an Menschen zwecklos verbluten und Milliarden an Werten zerstört sind.

Die Aufrechterhaltung des jetzigen Zustandes im Westen ist undenkbar. Jeder Tag wird bald steigende Opfer fordern. Einmal wird dann vielleicht Frankreich zum erstenmal Saarbrücken beschießen und demolieren. Die deutsche Artillerie wird ihrerseits als Rache Mülhausen zertrümmern. Frankreich wird dann selbst wieder als Rache Karlsruhe unter das Feuer der Kanonen nehmen und Deutschland wieder Straßburg. Dann wird die französische Artillerie nach Freiburg schießen und die deutsche nach Kolmar oder Schlettstadt. Man wird dann weiterreichende Geschütze aufstellen, und nach beiden Seiten wird die Zerstörung immer tiefer um sich greifen, und was endlich von den Ferngeschützen nicht mehr zu erreichen ist, werden die Flieger vernichten. Und es wird sehr interessant sein für einen gewissen internationalen Journalismus und sehr nützlich für die Fabrikanten der Flugzeuge, der Waffen, der Munition usw., aber grauenhaft für die Opfer. Und dieser Kampf der Vernichtung wird sich nicht nur auf das Festland beschränken. Nein, er wird weit hinausgreifen über die See. Es gibt heute keine Inseln mehr.

Und das europäische Volksvermögen wird in Granaten zerbersten, und die Volkskraft wird auf den Schlachtfeldern verbluten. Eines Tages wird aber zwischen Deutschland und Frankreich doch wieder eine Grenze sein, nur werden sich an ihr dann statt blühender Städte Ruinenfelder und endlose Friedhöfe ausdehnen.

Das Schicksal dieses Aufrufes war das gleiche wie das aller früheren Appelle Adolf Hitlers im Namen der Vernunft, im Namen eines wahren europäischen Aufbaus. Die Gegner versagten ihm die Beachtung. Jede Antwort von ihrer Seite blieb auch diesmal aus. Sie hielten starr an der Haltung fest, die sie von Anfang an eingenommen hatten.


[16] Bedarf es angesichts dieser Reihe von geschichtlichen Tatsachen noch näherer Ausführungen über die Frage, warum sie das taten? Sie hatten Versailles geschaffen, und als Versailles in Stücke zu gehen drohte, wollten sie den Krieg, um ein noch viel schlimmeres Versailles folgen zu lassen. Genau die Vorwürfe, die sie heute gegen Adolf Hitler und Deutschland erheben, fallen einzig und allein auf sie zurück und kennzeichnen ihr Handeln. Sie sind die Friedensstörer, sie sinnen auf gewaltsame Unterdrückung anderer Völker, sie trachten danach, Europa in Verwüstung und Unheil zu stürzen. Wäre dem nicht so, dann hätten sie längst die ihnen hingestreckte Hand ergriffen oder wenigstens ganz zuletzt eingeschlagen, um ehrlich an einer Neuordnung mitzuarbeiten und dadurch den Völkern „Blut, Tränen und Schweiß“ im Übermaß zu ersparen.

Die Weltgeschichte ist das Weltgericht. Und sie wird hier wie immer in ihren ganz großen Entscheidungen ein gerechtes Urteil fällen.

Quelle: 96-book.png HTML Internet Archive: PDF EPUB DjVu BlätternFriedrich Stieve: Was die Welt nicht wollte: Hitlers Friedensangebote 1933–1939, Zentralverlag der NSDAP., Franz Eher Nachf. GmbH., Berlin 1940


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