Tippelskirch, Kurt von

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General der Infanterie von Tippelskirch

Kurt Oskar Heinrich Ludwig Wilhelm von Tippelskirch (Lebensrune.png 9. Oktober 1891 in Berlin; Todesrune.png 10. Mai 1957 in Lüneburg) war ein deutscher Offizier der Preußischen Armee, Kaiserlichen Heeres, der Reichswehr und der Wehrmacht. Er war u. a. Chef der Abteilung Fremde Heere im Generalstab des Heeres, Eichenlaubträger zum Ritterkreuz und zuletzt General der Infanterie sowie Befehlshaber (m. d. F. b.) der Heeresgruppe Weichsel. Bereits unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges verfaßte der Militärhistoriker ein Werk, das die Vorgänge aus der Sicht eines Augenzeugen schilderte.

Leben

Kurt von Tippelskirch.jpg

Nach dem Besuch der Hauptkadettenanstalt in Groß-Lichterfelde trat von Tippelskirch am 24. Juni 1909 als Fahnenjunker in die Preußische Armee ein. Er absolvierte die Danziger Kriegsschule und wurde am 3. März 1910 zum Königin Elisabeth Garde-Grenadier-Regiment Nr. 3 versetzt. In diesem Zeitraum begann er schriftstellerisch tätig zu werden. Noch im Jahre 1914 veröffentlichte er einen Aufsatz über die spanischen Kolonialkonflikte in der renommierten Zeitschrift „Vierteljahrshefte für Truppenführung und Heereskunde“ des Großen Generalstabes.[1]

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges zog von Tippelskirch mit seinem Regiment an die Westfront, wo er an den ersten Schlachten teilnahm. Er wurde bereits in der Schlacht an der Marne schwer verwundet und geriet in Kriegsgefangenschaft, aus der er erst 1920 zurückkehren konnte. Während der Zeit als Kriegsgefangener, die er zeitweise in der Schweiz verbrachte, lernte er intensiv Französisch. Dadurch konnte er später als militärischer Dolmetscher verwendet werden.

Nach seiner Rückkehr wurde er 1920 in die Reichswehr übernommen.

Zweiter Weltkrieg

„Deutsche Zeitung im Ostland“, 3 Oktober 1942, S. 2

Den Polen- und Frankreichfeldzug sowie die Vorbereitungen zum Rußlandfeldzug bis zum Beginn des Jahres 1941 erlebte er als Oberquartiermeister IV im Generalstab des Heeres. Als solcher war er für die Beurteilung der Feindlage verantwortlich und stand zugleich im engen Kontakt mit den führenden militärischen Persönlichkeiten. Im Rußlandfeldzug führte von Tippelskirch ein Jahr lang die 30. Division, zuletzt im Kessel von Demjansk. Danach war er „Deutscher General” bei der italienischen 8. Armee am Don und erlebte in dieser Zeit aus nächster Nähe die militärische Entwicklung zur Katastrophe von Stalingrad und den Zusammenbruch der verbündeten Armeen am Don.

In den Jahren 1943 und 1944 befand er sich in der Mitte der Ostfront, zunächst ab dem 18. Februar 1943 als Kommandierender General des XII. Armeekorps (Nachfolger des verwundeten Walther Graeßner) und im Sommer als Führer der 4. Armee während des Zusammenbruchs der Heeresgruppe Mitte, bis er durch einen Flugzeugabsturz ausfiel.

Der Wehrmachtbericht vermeldete am 3. April 1944:

Zwischen dem Dnjepr und Tichauffy haben die unter dem Befehl des Generals der Infanterie von Tippelskirch und des Generals der Artillerie Martinek stehenden Truppen in siebentägigen schweren Kämpfen Durchbruchsversuche von 17 feindlichen Schützendivisionen, einer motorisierten und zweier Panzerbrigaden vereitelt und damit einen hervorragenden Abwehrerfolg errungen.[2]

Nach seiner Wiederherstellung führte er vorübergehend die 1. Armee in Lothringen und dann mehrere Monate die 14. Armee an der italienischen Front. Zuletzt übernahm Tippelskirch Ende April 1945 den Oberbefehl über die 21. Armee in Mecklenburg und Brandenburg. Als allerdings Generaloberst Gotthard Heinrici als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Weichsel entlassen wurde, erhielt Tippelskirch von Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel den Auftrag, übergangsweise die Führung dieser Heeresgruppe zu übernehmen, da Kurt Student, der vorgesehen war, die Heeresgruppe nicht mehr erreichen konnte. Er kapitulierte am 2. Mai 1945 im Raum Ludwigslust vor VS-amerikanischen Truppen.

Nachkriegszeit

Tippelskirch blieb bis zum Januar 1948 in englischer und VS-amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Er verbrachte sie im Camp 1, Island Farm Special Camp 11 bei Bridgend (Wales) und im Gefangenenlager Allendorf/Neustadt. Er half der Operational History (German) Section bei der Erstellung eines VS-amerikanischen Berichts über den Polenfeldzug.

Nach seiner Entlassung ließ er sich in Lüneburg nieder. Dort arbeitete er in den folgenden Jahren an einem Buch über die Geschichte des Zweiten Weltkrieges. Dabei stand er in engem Kontakt mit anderen ehemaligen hohen Militärs der Wehrmacht und wurde von dem britischen Historiker Basil Liddell Hart unterstützt. Dieses Werk war in Deutschland die erste Gesamtdarstellung des Krieges und erschien 1951 in erster Auflage. Es diente vielen anderen Generälen der Wehrmacht als Grundlage für ihre Memoiren (z. B. Erich von Manstein: Verlorene Siege. 1955). Im Jahr 1956 brachte Tippelskirch noch eine zweite Auflage heraus, in der er ergänzende Quellen herangezogen und einige Fehler korrigiert hatte.

Chronologie

  • Hauptkadettenanstalt Berlin-Lichterfelde,
    • mehrfach Leibpage am kaiserlichen Hof
  • 3.3.1910 Fähnrich im „Königin Elisabeth“-Garde-Grenadier-Regiment Nr. 3, Charlottenburg
  • 1911 Leutnant in der 7. Kompanie des „Königin Elisabeth“-Garde-Grenadier-Regiments Nr. 3
  • 1.10.1913 - 31.12.1913 kommandiert zur Militär-Turnanstalt
  • 9.8.1914 mit dem Regiment ins Feld
  • 6.9.1914 gerät während der Marne-Schlacht schwer verwundet in französische Kriegsgefangenschaft
  • 9.8.1919 aus der Kriegsgefangenschaft zurück und beurlaubt
  • 18.8.1919 zum Stab des Füsilier-Bataillons des Reichswehr-Infanterie-Regiments 29 versetzt
  • 11.10.1919 Führer der 9. Kompanie des Reichswehr-Infanterie-Regiments 29
  • 3.9.1920 Führer der 1. MG-Kompanie des Reichswehr-Infanterie-Regiments 29
  • 1.1.1921 Führer der 8. Maschinengewehr-Kompanie (MGK) des Infanterie-Regiments 9, Potsdam
  • 1.9.1921 Chef der 14. (Ausbildungs-)Kompanie des Infanterie-Regiments 9, Potsdam
  • 1.4.1923 Chef der 4. Kompanie des Infanterie-Regiments 9, Potsdam
  • 1.4.1924 in den Generalstabsdienst eingetreten, Führergehilfen-Ausbildung
    • zunächst in der „Heeresstatistischen Abteilung“ bzw. „Fremde Heere“ (T 3), Reichswehrministerium
  • 1.10.1926 in das Reiter-Regiment 14 versetzt und kommandiert zum Reichswehrministerium
  • 1.4 1927 zum Stab der 3. Division, Berlin, versetzt
  • 1.10.1929 wieder kommandiert zum Reichswehrministerium, in T 3
  • 1.3.1930 versetzt zum Abteilungschef T 3 („Fremde Heere“) / RWM
  • 1.10.1933 Kommandeur des III. Bataillons des Infanterie-Regiment 5, Rostock
  • 1.10.1934 durch Erweiterung jetzt Kommandeur des Infanterie-Regiments „Rostock“
  • 15.10.1935 Kommandeur des Infanterie-Regiments 27, Rostock (durch Umbenennung)
  • 28.9.1936 kommandiert zum Generalstab des Heeres / 3. Abteilung
  • 6.10.1936 Abteilungschef „Fremde Heere“ (3. Abteilung) / Generalstab des Heeres
  • 10.11.1938 Oberquartiermeister IV / Generalstab des Heeres; (Beurteilung der Feindlage; tägl. Unterrichtung durch Hptm. Engel, den Heeresadjutanten beim Führer und Oberbefehlshaber der Wehrmacht)
  • 5.2.1940 - 11.4.1940 im Sonderstab „Weserübung“ (Gruppe XXI unter General der Infanterie von Falkenhorst, u. a. mit Alfred Baentsch) / OKW (H) für das geplante Norwegenunternehmen
  • 21.6.1940 empfängt als verantwortlicher Vertreter des OKH bei Vendôme die französische Waffenstillstandsdelegation unter General Charles Huntzinger
  • 15.9.1940 - 17.9.1940 Erkundungsreise nach Rumänien. Nach Rückkehr entscheidet Hitler am 19.9.1940 über die Entsendung von „Lehrtruppen“ zum Schutz des dortigen Ölgebietes und die Errichtung von Heeres- und Luftwaffenmissionen.
  • 5.1.1941 - 4.6.1942 Kommandeur der 30. Infanterie-Division
  • 4.6.1942 Führerreserve OKH
  • 11.9.1942 - 1.2.1943 Deutscher General bei der 8. italienischen Armee in Rußland (nach Gosztony, Dienstantritt in Millerowo Ende August 1942)
  • 5.2.1943 Führerreserve
  • 18.2.1943 - 4.6.1944 Kommandierender General des XII. Armeekorps
  • 5.5.1944 - 11.5.1944 zugleich mit der Führung des II. Armeekorps beauftragt
  • 5.6.1944 - 18.7.1944 stellvertretender Führer der 4. Armee (Urlaubsvertreter für Gotthard Heinrici)
  • 18.7.1944 bei mißglückter Landung mit Fieseler Storch erheblich verletzt, Lazarett
  • 31.10.1944 - 11.11.1944 mit der stellvertretenden Führung der 1. Armee beauftragt
  • 28.11.1944 zum Oberbefehlshaber West zur Durchführung eines Sonderauftrags kommandiert
  • 12.12.1944 - 17.2.1945 mit der Führung der 14. Armee beauftragt
  • 15.2.1945 Führerreserve OKH
  • 16.4.1945 - 27.4.1945 mit der Führung der 4. Armee beauftragt
  • 27.4.1945 - 3.5.1945 Oberbefehlshaber der 21. Armee (durch Umbildung des aus Ostpreußen nach Neukrug bei Wittstock / Mecklenburg verlegten Stabes der ehemaligen 4. Armee)
  • 29.4.1945 - 1.5.1945 zugleich Führer der Heeresgruppe Weichsel (für den als OB ernannten Generalobersten Kurt Student, der, von Hannover kommend, am Nachmittag des 1.5.1945 in Schönhausen bei Schwerin übernimmt.) Der ursprünglich für diese Aufgabe vorgesehene General Hasso von Manteuffel hatte abgelehnt mit der Begründung, in dieser schwierigen Lage seine 3. Panzerarmee nicht verlassen zu können.
  • 2.5.1945 in britische Kriegsgefangenschaft
  • 3.5.1945 Unterzeichnung der Teilkapitulation im Raum Ludwigslust-Eldena-Dömitz im Hauptquartier des Brigadegenerals James M. Gavin (Kommandeur der 82. US-Luftlandedivision) im Thronsaal des großherzoglichen Schlosses in Ludwigslust. Gavin ist vom vorgesetzten britischen Feldmarschall Montgomery (Oberbefehlshaber der 21. Armeegruppe) bevollmächtigt.
  • 23.03.1956 - 10.5.1957 1. Vorsitzender des „Verbandes deutscher Soldaten“ (VDS)

Tod

Mit 65 Jahren erlitt General der Infanterie a. D. Kurt von Tippelskirch 1957 einen plötzlichem Herztod. Er ruht auf dem Zentralfriedhof in Lüneburg in einem Gemeinschaftsgrab mit seiner Gattin Elli (1893–1980); Endgrablage: Feld 14, Grab 12A/12B.

Familie

Kurt von Tippelskirch entstammte dem Adelsgeschlecht Tippelskirch und war der Sohn des preußischen Generalmajors a. D. Hans von Tippelskirch und dessen Gemahlin Helene, geb. Stuckenschmidt. Sein älterer Bruder war Generalleutnant der Luftwaffe Ulrich von Tippelskirch.

Hauptmann von Tippelskirch heiratete am 16. März 1920 seine Verlobte Elli Helene Anna Margarethe Julie Gallenkamp (Lebensrune.png 12. Januar 1893 in Wesel), die Schwester des späteren Generals der Artillerie und Ritterkreuzträgers Curt Gallenkamp. Aus der Ehe ging 1921 eine Tochter hervor, Ingeborg Elisabeth Helene von Tippelskirch.

Nach vielen Quellen ging ein Sohn aus der Ehe hervor, der spätere Major im Generalstab und Ritterkreuzträger Adolf-Hilmar von Tippelskirch. Die letzte Angabe ist jedoch falsch, da Adolf-Hilmar (gefallen 1944 an der Ostfront) Sohn von Egloff Martin von Tippelskirch und Gertrud Klara von Tippelskirch, geb. Roesicke[3] war.

Auszeichnungen (Auszug)

Beförderungen

Schriften und Werk (Auswahl)

  • Die Spanier in Marokko 1911–1913. In: Vierteljahrshefte für Truppenführung und Heereskunde. (Hrsg. von Großen Generalstab) 2/1914.
  • Geschichte des Zweiten Weltkrieges, Athenäum-Verlag, 1951
    • General der Infanterie Kurt von Tippelskirch verfaßte diese grundlegende Darstellung des gesamten Kriegsverlaufs des Zweiten Weltkrieges in den Jahren 1950 bis 1951. Es war dies das erste Werk eines deutschen Generals, das die dramatischen Ereignisse in den verschiedenen Phasen des Krieges und an den unterschiedlichen Kriegsschauplätzen in einer gut lesbaren, allgemein verständlichen Form im Zusammenhang schildert. Zahlreiche Generäle und Offiziere stellten von Tippelskirch ihre eigenen Aufzeichnungen zur Verfügung und halfen, die so kurz nach Kriegsende noch vorhandenen Lücken im Quellenmaterial zu schließen. Die sachliche und nüchterne Arbeitsmethode des gelernten Generalstäblers spiegelt sich in dieser „Geschichte des zweiten Weltkrieges” wider. So entstand eine Arbeit mit einem vornehmlich darstellenden, wertungsfreien Charakter, die das Kriegsgeschehen dennoch ganz bewußt von einem deutschen Standpunkt aus beschreibt.
  • Operativer Überblick über den Feldzug 1939 in Polen. In: WWR, 6/1954, S. 252–267.

Verweise

Fußnoten

  1. Kurt von Tippelskirch: Die Spanier in Marokko 1911–1913. In: Vierteljahrshefte für Truppenführung und Heereskunde. (Hrsg. vom Großen Generalstab), Bd.11 (1914), Heft 2.
  2. 2,0 2,1 Die Wehrmachtberichte 1939–1945, Band 3, S. 72
  3. Stammbaum von Adolf-Hilmar von Tippelskirch
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 Franz Thomas: Die Eichenlaubträger 1939–1945, Band 2: L–Z, Biblio-Verlag, Osnabrück 1998, S. 382, ISBN 3-7648-2300-3
  5. 5,0 5,1 Veit Scherzer: Die Ritterkreuzträger 1939-1945, Scherzers Militaer-Verlag, Ranis/Jena 2007, S. 746, ISBN 978-3-938845-17-2