Heinrici, Gotthard
Feodor August Gotthard Heinrici ( 25. Dezember 1886 in Gumbinnen; 13. Dezember 1971 in Baden-Württemberg) war ein deutscher Offizier des Deutschen Heeres, der Freikorps (Grenzschutz Ost), der Reichswehr und der Wehrmacht, zuletzt als Generaloberst im Zweiten Weltkrieg sowie Kommandeur von Großverbänden des Heeres (u. a. der 1. Panzerarmee) auf verschiedenen Kriegsschauplätzen. Sein Spitzname war „Unser Giftzwerg“, den Ehrennamen hatte sich der Heerführer im Ersten Weltkrieg durch seine verbissene und aggressive Kampfweise verdient.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Gotthard Heinrici wurde als einziger Sohn des Predigers Ferdinand Constantin Paul Heinrici (1859–1937; später Superintendent in Goldap und seit Herbst 1907 Erster Pfarrer an der Haberberger Trinitatiskirche in Königsberg, zugleich Superintendent) aus Gumbinnen und dessen am 25. Juni 1885 geehelichte sowie deutlich ältere Gemahlin aus Berlin Gisela Henriette Elisabeth, geb. von Rauchhaupt (die einer alten preußischen Adelsfamilie entstammte, die bereits seit dem 12. Jahrhundert immer wieder Soldaten hervorgebracht hatte; 1846–1939) geboren. Sein Großvater mütterlicherseits war der Gardeoffizier Major Edmund Rudolf Volrad Julius Fedor von Rauchhaupt (1804–1879). Sein Großvater väterlicherseits war Karl Friedrich August Heinrici (1812-1881), der in der Memelniederung die Maldeninker förderte und später als Superintendent in Gumbinnen die Stundenhalter der Gromadki zu Konferenzen zusammenrief.
Gotthard erhielt Privatunterricht und besuchte ab 1897 das Königliche Friedrichs-Gymnasium in Gumbinnen, am 1. März 1905 machte er Abitur.
Militär
Heinrici trat am 8. März 1905 als Fahnenjunker in das 6. Thüringische Infanterie-Regiment Nr. 95 ein und erhielt eine Offiziersausbildung. Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt war sein Vetter, desgleichen der Verhaltensforscher Otto Koehler, mit dem er gemeinsam im Pfarrhaus von Gumbinnen aufwuchs. Am 18. August 1906 erfolgte seine Ernennung zum Leutnant. Vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde er am 17. Februar 1914 zum Oberleutnant befördert.
Erster Weltkrieg
Heinrici kämpfte zunächst an der Ostfront, wo er an der Schlacht bei Tannenberg teilnahm. Am 18. Juni 1915 erfolgte seine Beförderung zum Hauptmann und ab 1916 war er als Kompanie- und Bataillonsführer in der Schlacht um Verdun beteiligt. Nach einer schweren Verwundung wurde er in den Stabsdienst versetzt. Bis Kriegsende war er Erster Generalstabsoffizier (Ia) der 203. Infanterie-Division. Während des Krieges wurde Heinrici elfmal ausgezeichnet, unter anderem mit beiden Klassen des Eisernen Kreuzes und dem Ritterkreuz des Hausordens von Hohenzollern mit Schwertern.
Weimarer Republik
Anfang 1919 kam er zum Infanterie-Regiment Nr. 95 zurück und ging kurz darauf im Februar 1919 mit einer Freiwilligen-Division zum Grenzschutz Ost um dort eingesetzt zu werden.
1920 wurde er in die Reichswehr übernommen, die ersten Jahre beim Stab der 1. Division. Ab dem 1. September 1924 war er Kompaniechef der 14. Kompanie im 13. (Württembergisches) Infanterie-Regiment, ab dem 1. Februar 1926 als Major. Seit Herbst 1927 wurde er für drei Jahre im Truppenamt (TA) des Reichswehrministerium in der Heeres-Organisations-Abteilung (T2) eingesetzt, ab dem 1. August 1930 als Oberstleutnant. Seit Herbst 1930 als Bataillonskommandeur des III. Bataillons im 3. (Preußisches) Infanterie-Regiment eingesetzt, wurde Heinrici zum 1. Oktober 1932 als Ia in den Stab des Gruppenkommandos 1 in Berlin versetzt.
Drittes Reich
Ab dem 1. März 1933 war Heinrici im Rang eines Oberst als Abteilungsleiter im Reichswehrministerium, später Reichskriegsministerium, eingesetzt. Am 1. Januar 1936 erfolgte die Beförderung zum Generalmajor. Mit Wirkung zum 12. Oktober 1937 wurde er zum Kommandeur der 16. Infanterie-Division ernannt und in dieser Aufgabe am 1. März 1938 zum Generalleutnant befördert.
Zweiter Weltkrieg
Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges war Heinrici Generalleutnant und mit seiner Division am Westwall eingesetzt. Am 20. April 1940 wurde er zum General der Infanterie befördert und übernahm das Kommando über das XII. Armeekorps, das er im Frankreichfeldzug (Mai/Juni 1940) gegen die Maginotlinie führte (siehe Fall Rot).
Im Rußlandfeldzug hatte Heinrici das Kommando über das XXXXIII. Armeekorps der Heeresgruppe Mitte, mit dem er an der Kesselschlacht bei Bialystok und Minsk, der Kesselschlacht bei Smolensk und der Schlacht um Moskau teilnahm. Am 18. September 1941 erhielt er das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes. Seiner Frau schrieb er in einem Brief vom 20. September 1941 aus Tschernigow:
- „Der Führer hat mir vorgestern das Ritterkreuz verliehen. Der Oberbefehlshaber der Armee, mit dem wir in Tschernigow einen Tag zusammenlagen, lud mich und den Chef plötzlich zum Abend und übergab es mir. Ich war aufs höchste überrascht. Ich hatte tatsächlich nicht damit gerechnet. Wir haben wohl manches und Entscheidendes geleistet. Aber diese Auszeichnung hatte ich nicht erwartet. Ich freue mich, daß dies Hartmut besonders glücklich machen wird. Mir selbst wäre es lieber gewesen, wenn ich in der Begründung nicht so herausgestrichen wäre.“
4. Armee
Im Winter 1941/1942 übernahm er das Kommando über die 4. Armee, mit der er westlich von Moskau kämpfte und die Front stabilisierte. Am 1. Januar 1943 wurde Heinrici zum Generaloberst befördert. Im Sommer 1943 musste sich Heinrici mit seiner 4. Armee nach Orscha zurückziehen, wo er zunächst die Front stabilisieren konnte, wofür ihm am 24. November 1943 das Eichenlaub zum Ritterkreuz verliehen wurde. Während des Rückzuges und den folgenden Monaten griff die sowjetische Westfront in elf aufeinanderfolgenden Schlachten die 4. Armee von Heinrici an. Aufgrund hervorragender Führung durch Heinrici kam es zu enormen Verlusten auf Seiten der Roten Armee. Die vergeblichen Angriffe kosteten die Rote Armee mehr als 530.000 Soldaten, die Verluste der 4. Armee beliefen sich auf „nur“ 35.000 Mann, davon 10.000 Tote und Vermisste.
Diese Erfolge trugen stark zu Heinricis Ruf als Abwehrspezialist bei. Im Zuge der sowjetischen Operation Bagration wurde die 4. Armee im Sommer 1944 aber in einem Kessel bei Minsk vernichtet und mußte neu aufgestellt werden. Heinrici hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits krank gemeldet und das Kommando am 4. Juni 1944 an General der Infanterie Kurt von Tippelskirch übergeben.
1. Panzerarmee
Am 17. August 1944 wurde Heinrici zum Kommandeur der 1. Panzerarmee ernannt, die den Kern der Heeresgruppe Nordukraine bildete. Mit dieser musste er sich über Polen und die Slowakei in schweren Rückzugsgefechten immer weiter zurückziehen. Heinrici bestätigte dabei erneut seinen Ruf als Defensivspezialist. Am 3. März 1945 wurden ihm die Schwerter zum Ritterkreuz verliehen.
Heeresgruppe „Weichsel“
Im März 1945 wurde Heinrici aufgrund seiner erfolgreichen Defensivtaktiken zum Oberbefehlshaber der Heeresgruppe „Weichsel“ ernannt. Mit dieser kämpfte er in der Schlacht um Berlin. Er war der kommandierende Offizier bei der Schlacht um die Seelower Höhen, die trotz des endenden Krieges zu sehr großen sowjetischen Verlusten führte, besonders an Panzern. Während dieser Schlacht trug er einen alten, abgewetzten Schaffellmantel und war dadurch nicht auf Anhieb als General zu erkennen.
Absetzung
Da er bei der aussichtslosen Lage Rückzüge befohlen hatte, ohne zuvor Hitler um Erlaubnis zu fragen, wurde er am 29. April 1945 von Generalfeldmarschall Keitel seines Postens enthoben und sollte vor ein Kriegsgericht gestellt werden. Der Befehl dazu wurde aber von Karl Dönitz (den Hitler zu seinem Nachfolger ernannt hatte) ignoriert. Kurt Student sollte die Heeresgruppe Weichsel übernehmen, konnte sie jedoch nicht mehr erreichen. Statt dessen übernahm Kurt von Tippelskirch die Heeresgruppe. Heinrici ergab sich am 28. Mai 1945 britischen Truppen.
Nachkriegszeit
Am 28. Mai 1945 geriet Generaloberst Heinrici in britische Kriegsgefangenschaft, zuerst kam er in das Kriegsgefangenenlager Trent Park, danach in das Speziallager XI (Island Farm/Camp 198), am 19. Mai 1948 wurde er entlassen. Danach wohnte er in Endersbach bei Waiblingen.
Tod
Generaloberst a. D. Heinrici verstarb kurz vor seinem 85. Geburtstag am 10. Dezember 1971 in Baden-Württemberg, die Quellen gehen jedoch auseinander. Vermutlich verstarb er an seinem Wohnort im Stadtteil Endersbach in Weinstadt (im Mittelbereich Waiblingen/Fellbach der Region Stuttgart), ggf. in einem Waiblinger Krankenhaus,[1] vereinzelte Quellen geben Karlsruhe an.
Ruhestätte
Der verdiente Offizier wurde auf dem Friedhof Bergäcker der Stadt Freiburg mit militärischen Ehren (Ehrengeleit der Bundeswehr) beigesetzt. 1981 folgte seine Gemahlin Gertrude, die beiden liegen nun Seite an Seite, wie sie einst gelebt hatten.
Familie
Heinrici hatte mit seiner am 16. Oktober 1920 geehelichten Frau Gertrude Theophile Elma, geb. Strupp (die als Halbjüdin deklariert wurde) zwei Kinder, Hartmut und Gisela Christa Elisabeth Alice ( 1. Januar 1926), die später Edvin Johan(n) Petersson heiratete. Beide Kinder, Vierteljuden, hatten von Adolf Hitler persönlich eine Deutschblütigkeitserklärung erhalten.
Hartmut Heinrici
Hartmut Heinrici (1921–1993) war ein tapferer Hauptmann im Zweiten Weltkrieg, der 1941 als junger Leutnant mit seinem Vater an der Ostfront kämpfte. Er war u. a. Inhaber des Eisernen Kreuzes beider Klasse, des Infanterie-Sturmabzeichens, des Verwundetenabzeichens und der Ostmedaille. Im April 1945 geriet er in Norditalien in VS-amerikanischer Kriegsgefangenschaft, mit dem Lastwagen, Zug und dem Schiff wurden die Deutschen nach Tarent im Süden Italiens verschleppt. Von Tarent aus wurden sie von der Royal Navy nach Ägypten verschifft, wo Heinrici bis September 1948 verblieb. Als protestantischer Theologe und Militärpfarrer war er später u. a. Militäroberpfarrer der Schule der Bundeswehr für Innere Führung und ab 1971 am Wissenschaftlichen Institut für Erziehung und Bildung in den Streitkräften (WInstEBSK),[2] das 1974 in „Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr“ umbenannt wurde. Zuletzt war er Evangelischer Wehrbereichsdekan I in Kiel und Dekan in Reutlingen.
Auszeichnungen (Auszug)
Kaiserreich
- Eisernes Kreuz (1914) II. und I. Klasse [3]
- II. Klasse am 27. September 1914
- I. Klasse am 24. Juli 1915
- Ritterkreuz des Königlichen Hausordens von Hohenzollern mit Schwertern am 9. August 1918[3]
- Hanseatenkreuz Hamburg[3]
- Ritterkreuz II. Klasse des Großherzoglich Sachsen-Weimarischen Hausordens der Wachsamkeit oder vom Weißen Falken mit Schwertern[3]
- Ritterkreuz II. Klasse des Herzoglich Sachsen-Ernestinischen Hausordens mit Schwertern[3]
- Großherzoglich Sachsen-Coburg-Gothaisches Karl Eduard-Kriegskreuz[3]
- Großherzoglich Sachsen-Coburg-Gothaische Karl Eduard-Medaille, II. Klasse mit Schwertern
- Reußisches Ehrenkreuz, III. Klasse mit Schwertern[3]
- Fürstlich Schwarzburgisches Ehrenkreuz III. Klasse mit Schwertern[3]
- k. u. k. Österreichisches Militär-Verdienstkreuz, III. Klasse mit der Kriegsdekoration[3]
- Verwundetenabzeichen (1918) in Schwarz
Beförderungen
- Fahnenjunker (8. März 1905)
- Fahnenjunker-Unteroffizier (19. Juli 1905)
- Fähnrich (19. Dezember 1905)
- Leutnant (18. August 1906)
- Oberleutnant (17. Februar 1914)
- Hauptmann (18. Juni 1915)
- Major (1. Februar 1926)
- Oberstleutnant (1. August 1930)
- Oberst (1. März 1933)
- Generalmajor (1. Januar 1936)
- Generalleutnant (1. März 1938)
- General der Infanterie (1. Juni 1940)
- Generaloberst (30. Januar 1943 mit Wirkung vom 1. Januar 1943)
Drittes Reich
- Ehrenkreuz für Frontkämpfer
- Wehrmacht-Dienstauszeichnung, IV. bis I. Klasse
- Wiederholungsspange (1939) zum Eisernen Kreuz II. und I. Klasse (1914)
- II. Klasse am 13. Mai 1940
- I. Klasse am 16. Mai 1940
- Verwundetenabzeichen (1939) in Bronze
- Medaille „Winterschlacht im Osten 1941/1942“
- Namentliche Nennung im Wehrmachtbericht
- Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes mit Eichenlaub und Schwertern [4]
- Ritterkreuz am 18. September 1941 als General der Infanterie und Kommandierender General des XLIII. Armee-Korps
- Eichenlaub am 24. November 1943 (333. Verleihung) als Generaloberst und Oberbefehlshaber der 4. Armee
- Schwerter am 3. März 1945 (136. Verleihung) als Generaloberst und Oberbefehlshaber der 1. Panzer-Armee
Bildergalerie
Literatur
- Johannes Hürter: Ein deutscher General an der Ostfront – Die Briefe und Tagebücher des Gotthard Heinrici 1941/42, Sutton Verlag, Erfurt 2001, ISBN 9783897023079
Verweise
Fußnoten
- Geboren 1886
- Gestorben 1971
- Deutscher Generaloberst
- Hauptmann (Heer des Deutschen Kaiserreiches)
- Person im Ersten Weltkrieg (Deutsches Reich)
- Freikorps-Mitglied
- Generaloberst (Heer der Wehrmacht)
- Generalstabsoffizier (Deutsches Reich)
- Oberbefehlshaber einer Heeresgruppe (Heer der Wehrmacht)
- Träger des Eisernen Kreuzes I. Klasse (1914)
- Träger des Hausordens von Hohenzollern
- Träger des Hanseatenkreuzes (Hamburg)
- Träger des Ritterkreuzes des Eisernen Kreuzes mit Eichenlaub und Schwertern
- Erwähnung im Wehrmachtbericht
- Hauptmann (Preußen)
- Oberst (Reichswehr)
- Kommandeur einer Infanterie-Division (Heer der Wehrmacht)
- Kommandierender General des VII. Armeekorps (Heer der Wehrmacht)
- Kommandierender General des XII. Armeekorps (Heer der Wehrmacht)
- Kommandierender General des XXXXIII. Armeekorps (Heer der Wehrmacht)
- Kommandierender General des XXXX. Panzerkorps (Heer der Wehrmacht)
- Oberbefehlshaber einer Armee (Heer der Wehrmacht)
- Person im Zweiten Weltkrieg (Deutsches Reich)
- Träger des Herzoglich Sachsen-Ernestinischen Hausordens (Ritter II. Klasse)
- Träger des Ehrenkreuzes von Schwarzburg
- Träger des Hausordens vom Weißen Falken (Ritter II. Klasse)
- Kriegsgefangener