Sturm auf die Festung Eben-Emael

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Sturm auf die Festung Eben-Emael
Teil von: Zweiter Weltkrieg
Müde, abgekämpft, aber glücklich – deutsche Fallschirmjäger nach der Eroberung von Eben-Emael im Mai 1940. Im Vordergrund mit Zigarette ist Karl Polzin ( 1915) der Sturmgruppe „Granit“, der 1941 nach der Rückkehr aus Kreta (→ Unternehmen „Merkur“) bei feucht-fröhlichen Feierlichkeiten in der Kaserne in Halberstadt aus Versehen von Oberleutnant Horst Trebes erschossen wurde.
Müde, abgekämpft, aber glücklich – deutsche Fallschirmjäger nach der Eroberung von Eben-Emael im Mai 1940. Im Vordergrund mit Zigarette ist Karl Polzin (Lebensrune.png 1915) der Sturmgruppe „Granit“, der 1941 nach der Rückkehr aus Kreta (→ Unternehmen „Merkur“) bei feucht-fröhlichen Feierlichkeiten in der Kaserne in Halberstadt aus Versehen von Oberleutnant Horst Trebes erschossen wurde.
Datum 10. Mai11. Mai 1940
Ort Fort Eben-Emael in Belgien
Ausgang Vollständiger Sieg der deutschen Truppen
Folgen Einbruch in den Festungsring von Lüttich und Besetzung der Brücken über die Maas und den Albertkanal; Voraussetzung für die Eroberung der anderen drei Festungen des Rings (Aubin-Neufchâteau, Battice und Tancremont bzw. Pepinster).
Konfliktparteien
BelgienBelgien Belgien
Deutsches Reich NSDeutsches Reich Deutsches Reich
Befehlshaber
Jean F. L. Jottrand
(Major)
Walter Koch
(Hauptmann)
Truppenstärke
1200 Soldaten 493 Soldaten
Verluste
60+ Tote (250 bis 650)[1]
40+ Verwundeter[2]
43 Tote
99 (100) Verwundete
Kriegsgefangene
1.000+ Soldaten keine

Der Sturm auf die Festung Eben-Emael war die Eroberung des belgischen Festungswerks (zum Festungsring Lüttich gehörend) bei dem kleinen Ort Eben-Emael zehn Kilometer südlich von Maastricht. Die Festung wurde am 10./11. Mai 1940 innerhalb weniger Stunden durch deutsche Fallschirmjäger der Sturm-Abteilung „Koch“ von der 7. Flieger-Division und Sturmkompanien des Heeres erobert. Die belgische Bunkeranlage war die größte Festung ihrer Zeit und galt als „uneinnehmbar“. Die Festung wurde nichtsdestoweniger blitzkriegartig von deutschen Sondertruppen am Anfang von „Fall Gelb“ eingenommen und ebenso wie die drei Brücken gegen belgische Gegenangriffe verteidigt, bis die Spitzen der deutschen 18. Armee aus Richtung Aachen eintrafen.

Einleitung

Ablauf (Zusammenfassung)

Lautlose Geheimwaffe: Lastensegler DFS 230 mit Fallschirmjäger
Lastensegler der Sturm-Abteilung „Koch“ am 10. Mai 1940 vor Eben-Emael

Am Abend des 9. Mai, wenige Stunden vor Beginn des Westfeldzuges und als u. a. getarnte Brandenburger schon längst unter dem Kommando von Wilhelm Walther aktiv waren,[3] wurde der versiegelte Befehl geöffnet und durch Oberstleutnant Hans Mikosch dem Pionier-Bataillon 51 (mot.)[4] bekanntgegeben. Ziel war das von 1932 bis 1935 gebaute, bis 1939 technisierte und mit siebzehn Gefechtspositionen versehene Fort Eben-Emael am 1932 fertiggestellten Albertkanal von Lüttich nach Antwerpen an den 45 Meter Steilwandhöhen von Loen.

Die vier Gruppen mit zusammen 493 Fallschirmjägern von Hauptmann Walter Koch, darunter ein Pionierzug (Sturmgruppe „Granit“) unter Oberleutnant Rudolf Witzig, übten den Angriff seit fünf Monaten ohne Dienstgradabzeichen und Urlaub.

Von zwei Fliegerhorsten bei Köln wurden die Lastensegler, unter den Piloten auch der Weltrekordflieger Otto Braeutigam, mit Schleppmaschinen über eine Leuchtfeuerstraße bis hinter Aachen geführt und gingen aus 2.600 Metern Höhe in einen dreißigminütigen Segelflug auf das Ziel. Artillerie und Luftwaffe zerstörten unterdessen Teile der Oberflächenbewaffnung zur Nahkampfabwehr.

Die Ersten im Kampf waren die direkt auf dem Werk gelandeten Fallschirmjäger, gefolgt von mit Floßsäcken übersetzenden Sturmkompanien aus Pionieren und Infanterie des Heeres unter FLAK-Schutz und Heeresverbänden des Infanterieregiments 151 (61. Infanterie-Division). Die Pioniere im Kanal zwischen den Steilwänden konnten vom Gegner teilweise nicht direkt unter Feuer genommen werden. Die Belgier schossen gegen die Steilwände, um Querschläger zu erzeugen. Am Westufer gelandet, rückten die Pioniere gegen die Nordspitze vor, auf der Fallschirmjäger lagen und auf die Sprengtechnik der Pioniere warteten. Das Gelände am Stichkanal war aber durch Schleusenöffnungen teilweise geflutet. Das zerschossene, irgendwie noch schwimmfähige Floßmaterial wurde herangeholt und der Anschluß an die seit 24 Stunden auf den belgischen Bunkern sitzenden Fallschirmjäger gegen sechs Uhr früh hergestellt. Jetzt wurde Geschütz um Geschütz, MG um MG gesprengt; über den Kanal waren sechs PAK nachgeführt worden.

Am 11. Mai gegen 13 Uhr kapitulierte die durch Artillerie, Luftwaffe (die Schlachtflieger der II. (Schlacht-)Gruppe/Lehrgeschwader 2 unter Otto Weiß) und vor allem die Sprengladungen der Pioniere zermürbte Besatzung.

Die Festung

Die Lage des Forts ist durch den Bau des Albert-Kanals mit einem Durchstich durch den St. Pietersberg bei Caestert maßgeblich beeinflußt worden. Durch den Kanalbau war eine 65 Meter hohe Steilwand von 1.300 Metern Länge entstanden, die dem Fort als Ostseite diente. Mit einer Basis von 800 Metern und einer Schenkellänge von 900 Metern umfaßte das Fort eine Fläche von 75 ha. Alleine das Dach des Forts hatte eine Fläche von 45 ha, was sich im Krieg als Schwachstelle erweisen sollte. Während der Bauzeit von 1932 bis 1935 wurde an der Nordwestseite vom Kanal aus ein Wassergraben bis vor den Block II gezogen. Im Süden wurde ein Trockengraben mit 6 Meter hoher Panzermauer errichtet. Das Festungsvorgelände konnte zudem durch Aufstauen des Flusses Jecker gesperrt werden.

Die Besatzung des Forts bestand aus 1.200 Mann unter dem Kommando eines Majors, der zwei Artillerieabteilungen mit je 500 Mann sowie 200 Mann Stab und Festungsspezialisten befehligte.

Die Bewaffnung des Forts war in zwei Gruppen gegliedert. Zum Einen die Artillerieblöcke auf der Fortoberfläche mit der Fernartillerie aus 120-mm- bzw. 75-mm-Geschützen in drei Panzerkuppeln und vier Kasematten. Zur zweiten Gruppe hingegen gehörte die Nahverteidigung der Gräben und des Vorfeldes mit 60-mm-Panzerabwehrgeschützen sowie Maschinengewehren.

Vor dem Hintergrund der schnellen heldenmutige Einnahme des Forts durch die Besatzungen deutscher Lastensegler wurden einige Schwachstellen offensichtlich. So waren die Kasematten weder mit einer Schartenüberdeckung noch einem Diamantgraben ausgestattet. Durch das Fehlen dieser passiven Schutzmaßnahmen war es den Fallschirmjägern möglich, ihre Hohlladungen direkt an den Scharten der Geschütze anzubringen.

Ein weiterer Schwachpunkt des Forts war das Fehlen von Hindernissen auf dem Dach. Hinzu kam, daß außer durch Mi Nord und Mi Süd keine Verteidigung der Oberfläche möglich war. Zwar konnten die erstmals eingesetzten 50-kg- bzw. 12,5-kg-Hohlladungen die Panzerkuppeln nicht durchschlagen, an den Scharten führte die Zündung der 12,5-kg-Hohlladungen jedoch zum Wegsprengen der Geschütze und zum Tod, beziehungsweise zur Verletzung der Geschützbedienung. Zudem hatten die starken Explosionen der Hohlladungen eine demoralisierende Wirkung auf die Besatzung der Kampfblöcke.

Aufgrund der baulichen Schwächen und der Wirkung der neuen Hohlladungen hatten die Kampfblöcke den Fallschirmtruppen wenig entgegenzusetzen. Waren die Truppen erst einmal in die Kampfblöcke eingedrungen, entfalteten die Hohlladungen im Inneren eine verheerende Wirkung. So sprengte eine einzelne 50-kg-Hohlladung das gesamte, mehr als 30 Meter hohe Fahrstuhlsystem im Kampfblock, nachdem eine Ladung vor der unteren Panzertür gezündet wurde.

Das Kommandounternehmen

Offizier der Sturmgruppe „Granit“ mit Maschinenpistole 40 bei dem Sturm auf die Festung Eben-Emael
Die zerstörte Albert-Kanal-Brücke bei Kanne (Belgisch-Limburg), im Vordergrund ein Bunker (eine Beobachtungs-Kasematte), Mai 1940

Der deutsche Planungsstab hatte durch Aufklärungsflüge (wahrscheinlich wurden Fotos von Zivilflugzeugen gemacht, welche die seit 1926 beflogene Strecke Köln – Paris beflogen) zahlreiche Informationen über die Festung gewonnen.[5] Ein Angriff mit konventionellen Mitteln erschien unmöglich.

Man erwog zeitweise einen Angriff auf Eben-Emael, um während des geplanten Westfeldzuges von den eigentlichen strategischen Zielen abzulenken. Die Luftaufklärungsfotos zeigten, daß so gut wie keine Flugabwehr auf dem Fort vorhanden war und daß die Besatzung des Forts auf dem Plateau gelegentlich Fußball spielte. Offensichtlich war es nicht vermint. Auf diesen Erkenntnissen fußte der deutsche Angriffsplan.

Mit Hohlladungen wurde eine Waffe gegen die gepanzerten Festungsteile entwickelt. Die schwerste dieser Hohlladungen wog 50 kg. Die Hohlladungen mußten von den Angreifern direkt auf den Panzerteilen abgelegt werden, 45 Sekunden nach Aktivieren eines Zeitzünders explodierten sie. Der sich dann entwickelnde Metallstachel durchschlug mit einer Geschwindigkeit von 15 km/s jede Panzerung. Weil die Hohlladungen äußerst empfindlich gegen Beschädigungen waren, war ein Transport per Fallschirm nicht möglich. Stattdessen wurden Lastensegler vom Typ DFS 230 verwendet, die von Transportflugzeugen Junkers Ju 52/3m (verschiedenen Flugzeugtypen wie dem Sturzkampfbomber Junkers Ju 87, dem Jäger Messerschmitt Bf 110) über deutschem Gebiet in große Höhen geschleppt und dort ausgeklinkt wurden, um dann die 30 km von der deutschen Grenze bis nach Eben-Emael im Gleitflug – nahezu geräuschlos – zurückzulegen.

Dort landeten sie im Morgengrauen des 10. Mai 1940 in Steilspiralen auf dem Dach des Forts.[6] Die wenigen Soldaten der Besatzung, die einen der Gleiter sichteten, waren der Ansicht, es seien belgische Flieger in Not, da die deutschen Gleiter von der belgischen Seite kamen, nachdem sie das Fort umflogen hatten. Ebenfalls im Morgengrauen begann der deutsche Vorstoß auf die Niederlande, Frankreich und das Luxemburg.

Zur Durchführung des Auftrages wurde der 82 Mann starke Fallschirmpionierzug (Sturmgruppe „Granit“: 1 Oberleutnant, 2 Oberfeldwebel, 22 Unteroffiziere und 57 Mann) in elf Sturmtrupps/Trupps zu je sieben bis acht Fallschirmjägern gegliedert. Sie waren mit sechs leichten MG22-Maschinenpistolen, Gewehren, Pistolen, Handgranaten und anderen Sprengmitteln bewaffnet. Kommandant des Zugs war Rudolf Witzig. Der Zug startete mit elf Lastenseglern in Köln-Ostheim (Fliegerhorst Ostheim). Das Seil, an dem Witzigs Lastensegler hing, riß; er landete bei Aachen. Auch ein weiterer Lastensegler mußte vorzeitig landen. Witzigs Lastensegler traf gegen 8.30 Uhr auf dem Dach des Forts ein (zuvor hatte Oberfeldwebel Helmut Wenzel kommandiert).

Die Brücken

Ebenfalls mit Lastenseglern wurden die Brücken bei Kanne, bei Vroenhoven und bei Veldwezelt angeflogen.

„Um 21.00 Uhr hatten wir Truppführer Oberleutnant Witzig die Klarmeldungen abgegeben und ich versammelte meine Männer noch einmal um mich, um ihnen folgendes zu sagen: ‚Kameraden, morgen früh geht es in den Einsatz! Wir müssen unter Beweis stellen, daß wir unsere Zeit nicht vertan haben und daß wir alles, was wir lernen mußten, auch gelernt haben‘. Mit diesen Worten entließ ich sie in die Quartiere. Am anderen Morgen war um 2.45 Uhr Wecken. Um 3.30 Uhr wurde angetreten und zwar in voller Ausrüstung. Oberleutnant Witzig sagte noch einige Worte zu uns, dann gab er den entscheidenden Befehl: An die Maschinen!“ — Oberjäger Peter Arent (Ritterkreuz am 4. Dezember 1942), Führer Trupp 3, Sturmgruppe „Granit“

Die meisten Gefallenen waren vor der Albert-Kanal-Brücke bei Kanne zu beklagen. Leutnant Martin Schächter fand sie zerstört vor, den Belgiern gelang eine Sprengung noch vor der Landung der Fallschirmjäger. Alle drei Brücken waren wichtig, denn es galt, eine Verstärkung des Feindes in der Festung durch herbeigerufene Truppen aus Wonck und Lüttich kommend zu verhindern. Zwei der Brücken wurden erobert, bei Kanne erfolgten schwere Kämpfe. Stoßtruppführer Schächter wurde schwer verwundet. Von seinen 120 Mann fielen 22, 26 wurden verwundet. Dennoch hielt die Sturmgruppe „Eisen“ das Ufer, bis deutsche Panzerverbände und Infanterie anrückten und den Feind endgültig warfen.

Kampfhandlungen

Rudolf Witzig kurz nach dem erfolgreichen Unternehmen. Allen Männern des Fallschirmjäger-Pionierzug „Granit“ war es unter Todesstrafe verboten, über Ihre Einheit oder Ihren Auftrag zu sprechen. Sie wurden daraufhin vergattert. Nicht einmal Ihre Familienangehörigen wußten, wo sie während der Vorbereitungen für das Unternehmen waren oder welchen Auftrag sie hatten. Der Fallschirmjäger-Stahlhelm „M38“ weist hier noch die typische Tarnlackierung auf, die später durch verschiedene Tarnbezüge ersetzt wurde.
Trupp 3 der Sturmgruppe „Granit“ nach dem Einsatz, von links: Franz, Stopp, Müller, Arent, Supper, Kupsch (nicht dabei der verletzte Merz).

Das Fort war zwar alarmiert, aber noch nicht voll gefechtsbereit: Werk 13 war noch nicht besetzt, Werk 31 hatte noch keine Munition und die 7,5-cm-Kanonen des Werkes 12 waren noch eingefettet; Werk 24 konnte nicht gefechtsbereit gemacht werden, da der Munitionsaufzug nicht funktionierte und auch Teile der Zünderstellmaschine fehlten. Major Jottrand erhielt kurz nach 5 Uhr einen Anruf von einem oberhalb der Erdoberfläche stationierten Beobachter:

„Flieger über der Festung! Ihre Motoren sind ausgeschaltet! Sie schweben fast regungslos in der Luft!“

Um 5.25 Uhr, etwa 15 Minuten vor Sonnenaufgang (die Piloten konnten ihre Landeplätze ausreichend erkennen), landeten neun Lastensegler mit Fallschirmpionieren auf dem Dach der Festung. Sieben landeten jeweils in unmittelbarer Nähe ihrer Kampfziele; zwei an der Nordspitze der Festung, von wo sie zunächst nicht in den Kampf eingreifen konnten. Bei der Landung wurden sie von vier Maschinengewehren beschossen, von denen aber alsbald zwei wegen Ladehemmungen ausfielen, während das dritte Maschinengewehr vom ersten landenden Segler umgerissen und das vierte von dessen ausgestiegener Besatzung ausgeschaltet wurde.

Binnen zehn Minuten nach der Landung sprengten die sieben Sturmtrupps – jeweils mit einer aufgesetzten Hohlladung – alle Artilleriewerke des Forts (außer 9), dazu die FIaMG (Werk 29), den Infanterieblock 30 und einen Entlüftungsschacht (Werk 10). Die Werke 12 und 18 wurden bis auf Sohlentiefe gesprengt. Die Angreifer vernebelten einige Beobachtungskuppeln. Das Fort war nun „blind“, die Verteidiger konnten sich keinen Überblick über die Lage verschaffen.

„Von Sturmgruppe Granit: Objekt erreicht. Alles in Ordnung!“ — Funkspruch von Oberfeldwebel Helmut „Teddy“ Wenzel („Kuppelknacker von Eben Emael“; EK II und I für dieses Kommando) um 5.40 Uhr an die Sturmabteilung Koch.

Später versuchten die deutschen Angreifer mehrfach, einen Weg in das Innere des Forts zu sprengen, dies gelang jedoch erst den nachrückenden Pioniersprengtrupps teilweise.

Eine verbogene Lüfterschaufel erzeugte soviel Lärm, daß die Verteidiger glaubten, die Angreifer würden den Hügel unterminieren, um ihn zu sprengen. Die enormen Detonationen der Hohlladungen, die den ganzen Hügel erschütterten, trugen ebenfalls zu diesen Befürchtungen bei.

Es gelang den deutschen Luftlandetruppen der Sturmabteilung des Hauptmanns Koch, in das Fort selbst einzudringen, indem sie in die Kasematte „Maastricht 1“ ein Loch sprengten. Die belgische Besatzung der Kasematte wurde durch die Explosion getötet. Die Besatzung des Forts versperrte den Zugang zur Kasematte daraufhin mit dafür vorgesehenen Stahlprofilen und Sandsäcken. Hinter diesem 50 bis 80 Zentimeter starken Hindernis bezogen die belgischen Soldaten Stellung und warteten darauf, daß die Deutschen durch die verbarrikadierten Türen brechen würden. Dies erwies sich als taktischer Fehler, da die Fallschirmjäger dadurch genügend Zeit erhielten, um eine 50-kg-Hohlladung an den Türen zu befestigen und per Zeitzünder zur Explosion zu bringen.

Der Explosionsdruck der Hohlladung zerstörte die Barrikade und tötete die hinter den Türen verschanzten feindlichen Soldaten. Im Gang standen Fässer oder Kisten mit Chlorkalk zur Desinfektion der Toiletten, die durch den Explosionsdruck platzten und Dämpfe freisetzten. Diese verteilten sich in den Gängen, so daß die Belgier annahmen, die Deutschen würden Giftgas einsetzen. Zudem zerstörte der Druck der Explosion die 20 Meter hohe Stahlkonstruktion der Geschützturmtreppe, so daß die Deutschen den Turm nicht mehr als Zugang nutzen konnten. Nach dieser Erfahrung sahen die Deutschen davon ab, weitere Türme auf diese Art zu erobern, da das Fort nach der Eroberung weitergenutzt werden sollte.

Weil dem Festungskommandanten zu diesem Zeitpunkt klar wurde, daß nur die Zurückerlangung des Plateaus den Verlust des Forts verhindern könne, befahl er den Ausfall. Um das Plateau wieder zu nehmen, hätte die Fort-Besatzung von unten dorthin vorstoßen müssen, denn es gab von oben keinen Zugang auf das Plateau. Die Verteidiger waren zwar zahlenmäßig 10:1 überlegen, sie setzten aber zu wenig Kräfte ein, um die deutschen Soldaten vom Dach des Forts zu treiben. Zudem hatten die Deutschen dort eine gute Verteidigungsposition und konnten ihre Stellungen halten. Die belgische Führung in Lüttich konnte sich ebenfalls nicht zu einem entschlossenen Gegenangriff durchringen. Bis 14:00 Uhr befand sich Eben Emael fast völlig unter der Kontrolle des Fallschirmpionierzuges.

Auch Oberjäger Arent trat mit seinem Trupp 3 wieder in Aktion. Er beteiligte sich an einem Unternehmen gegen die noch feuernde Anlage 3 mit einer Pak- und MG-Kuppel, was jedoch fehlschlug. Nicht genommen waren bislang auch das Werk 23, das aus einer Versenkungskuppel das Feuer wieder aufgenommen hatte und ebenso die Kasematte 9 mit ihrer Artillerie. Der Fallschirmpionierzug ließ sich aber trotz Beschuß nicht mehr vertreiben und richtete sich auf dem Festungsplateau in und zwischen den niedergekämpften Werken zur Verteidigung ein. Bei Einbruch der Dunkelheit erhielt Arent den Befehl, die Kasematte 12 wieder zu räumen, da die Gefahr eines überraschenden Feindausbruchs bestand. Vor dem Verlassen ließ er noch den Zugang in das unterirdische Festungsinnere mit einer 50-kg-Hohlladung sprengen.

Kommandant und Besatzung konnten nicht erkennen, welche Kräfte das Fort angriffen. Dazu kam ein erheblicher psychischer Druck, denn sie befürchteten wegen der Erschütterungen, die Anlage könne einstürzen. Damals waren Hohlladungen und ihre Wirkung noch weitgehend unbekannt. So blieb es für die Besatzung rätselhaft, wie ihre Geschütze derart schnell ausgeschaltet werden konnten.

Am nächsten Morgen erreichten Entsatztruppen des Heeres auf dem Landweg Fort Eben-Emael. Als erster kämpfte sich Oberfeldwebel Josef Portsteffen vom Pionierbataillon 51 gegen 7:00 Uhr morgens in einem Schlauchboot unter Feindfeuer über den Albert-Kanal setzend zu den Fallschirmjägern durch. Einige Stunden gab es harte Kämpfe um das Eingangswerk und den Kanal.

Der Fort-Kommandant Major Jottrand bat den belgischen Generalstab um eine Entscheidung, ob er aufgeben solle oder nicht. Die belgische Führung überließ dem Major diese Entscheidung. Er kapitulierte am 11. Mai um 11:30 Uhr. 24 belgische und sechs deutsche Soldaten waren bei den Kämpfen ums Leben gekommen. Alle übrigen belgischen Soldaten gerieten in Kriegsgefangenschaft. Diese wurden streng getrennt von anderen Kriegsgefangenen gehalten, um zu verhindern, daß Informationen über den Einsatz der Lastensegler und Hohlladungen nach außen drangen.

Erwähnungen in den Wehrmachtberichten

Datum Wortlaut im Wehrmachtbericht
Samstag, 11. Mai 1940 (Sondermeldung) Das stärkste Fort der Festung Lüttich, Eben-Emael, das die Übergänge über die Maas und den Albert-Kanal bei und westlich Maastricht beherrscht, hat sich Sonnabendnachmittag ergeben. Der Kommandant und 1000 Mann wurden gefangen genommen. Das Fort wurde schon am 10. Mai durch eine ausgesuchte Abteilung der Luftwaffe unter Führung von Oberleutnant Witzig und unter Einsatz neuartiger Angriffsmittel kampfunfähig gemacht und die Besatzung niedergehalten. Als es einem von Norden angreifenden Verband des Heeres nach hartem Kampf gelungen war, die Verbindung mit der Abteilung Witzig herzustellen, hat die Besatzung ihre Waffen gestreckt.[7]
Sonntag, 12. Mai 1940 Zwischen Hasselt und Maastricht ist der Übergang über den Albert-Kanal erzwungen. Das Fort Eben-Emael, südlich Maastricht, der stärkste Eckpfeiler Lüttichs, ist, wie schon durch Sondermeldung bekanntgegeben, in deutscher Hand. Der Kommandant und die Besatzung von 1000 Mann haben sich ergeben.[8]
Adolf Hitler und die Offiziere der Sturm-Abteilung Koch (später: Luftlande-Sturm-Regiment 1) bei der Ritterkreuzverleihung am 16. Mai 1940. Vorne, v. l. n. r.: Leutnant Egon Delica, Hauptmann Walter Koch (Kommandeur der LL-Sturm.Abt „Koch“), Adolf Hitler, Leutnant der Reserve Joachim Meissner (stellv. Führer Sturmgruppe „Eisen“) und Oberleutnant Gustav Altmann (Führer Sturmgruppe „Stahl“). Hinten, v. l. n. r.: Oberleutnant Rudolf Witzig (Führer Sturmgruppe „Granit“), Oberleutnant Otto Zierach, Leutnant Helmut Ringler, Oberleutnant Walter Kiess (Chef Lastensegler) und Oberarzt Dr. Rolf Jäger (Truppenarzt).[9] U. a. erhielt Leutnant Martin Schächter ebenfalls das Ritterkreuz, konnte aber aufgrund seiner Verwundungen nicht an der Verleihungszeremonie teilnehmen. Aus unbekannten Gründen nicht auf dem Bild: Leutnant Gerhard Schacht (Führer Sturmgruppe „Beton“) und Feldwebel Helmut Arpke (Sturmgruppe „Stahl“).

Sturm-Abteilung Koch

  • Sturmgruppe „Stahl“:
    • Brücke bei Veldwezelt
    • Führer: Oberleutnant Gustav Altmann
    • Einsatzstärke: 92 Mann mit Lastenseglern, 40 min. später weitere 24 Mann im Fallschirmsprung.
    • Verluste: 8 Gefallene, 30 Verwundete
  • Sturmgruppe „Beton“:
    • Brücke bei Vroenhoven
    • Führer: Leutnant Gerhard Schacht
    • Einsatzstärke: 134 Mann mit Lastenseglern.
    • Verluste: 7 Gefallene, 24 Verwundete
  • Sturmgruppe „Eisen“
    • Albert-Kanal-Brücke bei Kanne (Belgisch-Limburg)
    • Führer: Leutnant Martin Schächter (Joachim Meißner nach Schächters Verwundung)
    • Einsatzstärke: 90 Mann mit Lastenseglern, 40 min. später weitere 25 Mann im Fallschirmsprung.
    • Verluste: 22 Gefallene, 26 Verwundete, ein Vermißter
  • Sturmgruppe „Granit“:
    • Festung Eben Emael
    • Führer: Oberleutnant Rudolf Witzig
    • Einsatzstärke: 85 Mann mit Lastenseglern
    • Verluste: 6 Gefallene, 20 Verwundete
Oberstleutnant Mikosch und Oberfeldwebel Portsteffen bei der Verleihung des Ritterkreuzes im Führerhauptquartier „Felsennest“ am 21. Mai 1940. „Von der deutschen Soldaten, die sich durch die kühne Entsetzung der Eroberer des Forts Eben-Emael ausgezeichnet hatten, schmückte der Führer den Oberstleutnant Mikosch und den Oberfeldwebel Portsteffen mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes“ in: „Großdeutschland im Weltgeschehen. Tagesbildberichte 1940.“ Fotograf: Heinrich Hoffmann (1885-1957)

Ritterkreuz

Zahlreiche Fallschirmjäger und Piloten der Lastensegler des Kommandounternehmens erhielten u. a. das EK 2 und 1. Zwölf dieser Haudegen erhielten das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes persönlich von Adolf Hitler bei einer feierlichen Ritterkreuzverleihungszeremonie am 16. Mai 1940 im Führerhauptquartier „Felsennest“ verliehen:

Weitere Ritterkreuze für das Kommandounternehmen:

  • Generalleutnant Kurt Student am 12. Mai 1940 für die Führungsleistungen bei dem Einsatz seiner Fallschirmjäger während Eben-Emael und des Westfeldzuges.
  • Oberstleutnant Hans Mikosch am 21. Mai 1940 als Kommandeur des Pionier-Bataillons 51 (mot.)
  • Oberfeldwebel Josef Portsteffen am 21. Mai 1940 als Stoßtruppführer in der 1. Kompanie des Pionier-Bataillons 51 (mot.)

Literatur

  • Hauptmann Piehl: Ganze Männer – Vom Leben und Erleben der deutschen Fallschirmjäger, mit einem Geleitwort des Kommandierenden Generals des XI. Fliegerkorps General der Flieger Student, Verlagshaus Bong & Co. (1942)
  • Dunstan, Simon: Fort Eben Emael - The key to Hitler’s victory in the West. (Osprey, Fortress 30). 2005.
  • Elmayer-Vestenbrugg, Rudolf von: SA.-Männer im Kampf um Fort Eben Emael. In: SA.-Männer im feldgrauen Rock. 1941. S. 158-166.
  • Heckmann, Dieter: Sperrfort Eben-Emael - Sturm auf Belgiens stärkste Festung. In: Clausewitz - Das Magazin für Militärgeschichte. Heft 6. 2012. S. 66-69.
  • McNab, Chris: The Fall of Eben Emael – Belgium 1940. (Osprey, Raid 38). 2013.
  • Oebser, Jens: Deutsche Luftlandungen am 10. Mai 1940 - Fort Eben-Emael und die Brücken am Albert-Kanal,[10] Historicus-Verlag (2009), ISBN 978-3981316001
  • OKW (Hg.): Sieg über Frankreich, 1940, S. 56-58
  • Walther Melzer: Albert-Kanal und Eben-Emael, Vowinckel (1957)
  • James E. Mrazek: Lastensegler auf Eben Emael. Vorspiel zu Dünkirchen 1940, Motorbuch (1995), ISBN 978-3879436279
  • Otmar Rogge: Angriff nach vertikaler Umfassung. Eben-Emael – 10.Mai 1940, Technische Schule (2004)

Verweise

Fußnoten

  1. Hier handelt es sich nur um die Toten innerhalb der Festung, es fielen auch eine unbekannte Zahl (geschätzte 200) Belgier (Ardennenjäger und Artilleristen) während der deutschen Eroberung der drei Brücken und weitere, die versuchten (u. a. aus Wonck und Lüttich kommend) Eben-Emael zu erreichen. Quellen schätzen die Toten auf belgischer Seite auf ca. 650 innerhalb 31 Stunden.
  2. Hier handelt es sich nur um die Verletzen innerhalb der Festung, es wurden auch eine unbekannte Zahl Belgier während der deutschen Eroberung der drei Brücken verwundet.
  3. In der Nacht zum 10. Mai 1940 haben beim Unternehmen „Morgenröte“ Brandenburger mit weniger als 50 verwegenen Kommandosoldaten und ein paar holländischen Kampfdolmetschern fünf Maas-Brücken erobert. Dieses Geheimunternehmen wurde jedoch nicht an die Belgier gemeldet, ansonsten wäre die Festung Eben-Emael ggf. vorbereitet gewesen.
  4. Aufgestellt am 12. Oktober 1937 als Korps-Pionier-Bataillon mit dem Friedensstandort Rosslau.. Zur Aufstellung wurde Personal des Pionier-Bataillon 13 der 4. Infanterie-Division, des Pionier-Bataillon 19 der 19. Infanterie-Division und des Pionier-Bataillon 16 der 16. Infanterie-Division verwendet. Das Bataillon wurde am 21. Mai 1942 in Panzer-Pionier-Bataillon 51 unter Eingliederung einer am 24. Februar 1942 aufgestellten Panzer-Pionier-Kompanie der 23. PD umbenannt und der 23. Panzer-Division unterstellt.
  5. www.koelner-luftfahrt.de
  6. Die Kufen der Segler waren zum Erreichen einer zusätzlichen Bremswirkung mit Stacheldraht umwickelt.
  7. W. Nicolai: Die Wehrmachtberichte 1939–1945. Band 1, S. 144 f.
  8. W. Nicolai: Die Wehrmachtberichte 1939–1945. Band 1, S. 145.
  9. Felsennest: Hitler empfing am 16. Mai 1940 (manche Quellen behaupten, es war der 13. Mai) Fallschirmjäger, die bei der Eroberung des belgischen Forts Eben-Emael eine wichtige Rolle spielten, um ihnen das Ritterkreuz zu verleihen. Felsennest war der Deckname eines Führerhauptquartiers in Rodert, einem Stadtteil von Bad Münstereifel in der Eifel.
  10. Am 10. Mai 1940, um 5.35 Uhr überschritt das deutsche Heer geschlossen die Westgrenze mit Ziel Frankreich. Im selben Moment landete bereits eine kleine Fallschirmjäger-Abteilung an ihren Zielen im belgischen Hinterland. Mit von Hitler persönlich erteiltem Sonderauftrag sollte die „Sturmabteilung Koch“ (das spätere Luftlande-Sturm-Regiment 1) wichtige Brücken und das waffenstarrende Sperrfort Eben Emael im Handstreich einnehmen und für die nachfolgenden Panzerverbände sichern. Durchführung und Ergebnis waren spektakulär und in der Kriegsgeschichte bis dahin noch nie dagewesen. Absolute Geheimhaltung, eine minutiöse Detailplanung, das Überraschungsmoment und der Einsatz völlig neuer Waffen machten diesen Sieg erst möglich. In Lastenseglern flogen die Angreifer lautlos die Ziele an und landeten punktgenau inmitten ihrer überraschten Gegner. Mit neuartigen Hohlladungen wurden stärkste Bunker und Panzerkuppeln zerstört. Innerhalb nur eines Tages gelang den wenigen Fallschirmjägern, was Freund und Feind kaum für möglich gehalten hatten: die Einnahme zweier strategisch wichtiger Brücken und einer der stärksten Festung der Welt – Fort Eben Emael. Es war der Auftakt eines modernen Krieges und verschaffte einer neuen Taktik Eingang im Planungsdenken aller Generalstäbe der Welt: „Angriff nach vertikaler Umfassung “. Das vorliegende Buch schildert Ziele, Planung und den Kampfverlauf um das belgische Fort Eben Emael und die Brücken am Albertkanal bei Veldwezelt, Vroenhoven und Kanne im Zusammenhang mit den Ereignissen im Operationssektor Maastricht.
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