Reitzenstein, Gert Freiherr von
Gert Freiherr von Reitzenstein ( 20. August 1918 in Berlin-Friedenau; nach Juni 1981) war ein deutscher Offizier der SS, zuletzt SS-Hauptsturmführer der Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Gert trat in die Fußstapfen seines von ihm so bewunderten großen Bruders und trat im Frühling 1937 nach der Volljährigkeit und dem Abitur von der Hitlerjugend zur Allgemeinen SS über (SS-Nr. 311.267). Nach kurzer Zeit war er SS-Mann und SS-Sturmmann in der SS-Leibstandarte „Adolf Hitler“, deren Ärmelstreifen er stolz trug. Schließlich kam er in den I. Sturmbann der SS-Standarte „Deutschland“ der SS-Verfügungstruppe, wo sein Bruder Sturmführer war. Er besuchte einen Friedens-Junker-Lehrgang an der SS-Junkerschule Bad Tölz, dann den Zugführerlehrgang und wurde im September 1939 zum SS-Untersturmführer befördert.
Zweiter Weltkrieg
Im Polenfeldzug und im Westfeldzug 1940 diente er als 2. Zugführer im 4. Sturm/SS-Standarte „Deutschland“. Die SS-Verfügungsdivision wurde dabei im Winter 1940/41 in Südfrankreich in eine motorisierte Infanterie-Division umgegliedert, er diente nun in der 4. Kompanie/I. Bataillon/SS-Regiment „Deutschland“/SS-Division „Reich“ (mot.), wie seine Truppe nun hieß. Die 4. Kompanie unterstand SS-Obersturmführer Hans-Joachim Ortmann, das Regiment unterstand SS-Oberführer Felix Steiner. Am 1. Juni 1941 wurde er als Zugführer in die 1. Kompanie/SS-Regiment „Deutschland“ versetzt, am 6. Juli 1941 wurde er zum Führer seiner alten 4. Kompanie/SS-Regiment „Deutschland“ ernannt, am 11. August 1941 wurde er an der Ostfront schwer verwundet.
Nach Lazarett und Genesung wurde er dem SS-Freikorps „Danmark“, wo er im Stab als Ic (Feindlageoffizier) diente. Das Freikorps wurde in der Kesselschlacht von Demjansk eingesetzt. Hier hat das Korps unter schwierigen Bedingungen und mit bedeutenden Verlusten den gerade erkämpften Korridor zum Kessel verteidigt. Von den ursprünglichen ca. 1.200 Mann fielen 73 und 274 wurden verwundet. Außerdem waren viele im sumpfigen Gebiet von Krankheiten befallen. Der Kommandeur, Christian Frederik von Schalburg, fiel am 2. Juni, und wenige Tage später fiel auch sein Nachfolger, der deutsche SS-Hauptsturmführer Hans Albert von Lettow-Vorbeck. Nach dem Rückkehr von der Front i, Juli/August 1942 wurde Freiherr von Reitzenstein Chef der 7. Kompanie/SS-Regiment (mot.) „Der Führer“, das ab 9. November 1942 SS-Panzergrenadier-Regiment 4 „Der Führer“ hieß. Im Herbst 1943 wurde er in die 12. SS-Panzer-Division „Hitlerjugend“ versetzt, wo er schließlich Kompaniechef in der SS-(Panzer-)Aufklärungs-Abteilung 12 unter Gerhard Bremer wurde:
- 1. Kompanie: Obersturmführer Peter Hansmann
- 2. Kompanie: Obersturmführer Walter Hauck
- 3. Kompanie: Obersturmführer Heinz Beiersdorf
- 4. Kompanie: Obersturmführer Peter Hansmann
- 5. (schwere) Kompanie: Obersturmführer Gert von Reitzenstein
Bei der Abwehr der anglo-amerikanischen Invasion Europas am 6. Juni 1944 wurde von Reitzenstein erneut verwundet. Es folgten die Ardennenoffensive, die Plattenseeoffensive und die Schlacht um Wien.
Endkampf
Am 12. April 1945 wurde ihm befohlen, die Kampfgruppe „Goldammer“ abzulösen. Die Kampfgruppe hatte ihren Gefechtsstand im Kogelhof, 500 m entfernt von Glashütte, 3,2 km südwestlich von Laaban. Während die alte Kampfgruppe vor allem über die schwere Panzerjäger-Abteilung 560 verfügte (vorwiegend nun im Infanterieeinsatz), erhielt die „Kampfgruppe von Reitzenstein“ gerade einmal einen SS-Untersturmführer als Adjutanten, zwei VW-Kübelwagen und einen Fahrer. Kein Personal, keine Kommunikation, keinen Sanitätsoffizier usw. Noch in der Nacht ging er vom Reutelgraben zu Fuß zum Schöpfl im Wienerwald, um den Kontakt zu den eingegrabenen Kompanien herzustellen. Er stellte fest, daß seine Männer dort und im Raum St. Corona am Wechsel, die er mit dem Kübelwagen erreichte, auch aus Reste des Artillerie-Regiments 12, einer Luftwaffen-Erdkampfkompanie und einer Grenadierkompanie des Heeres bestand. Während die Männer am Schöpfl mit ein paar gepanzerten Fahrzeugen halbwegs gut ausgestattet waren, hatten die Männer im Raum St. Corona keine Pak, keine Raketenwerfer, keine Granatwerfer, nur zwei schwere MG zur Verfügung. Am 13. April 1945 traf SS-Hauptsturmführer Götz Großjohann (1912–1998) über Wien mit seiner 6. Kompanie vom SS-Panzer-Regiment 12 ein, zwar ohne Panzer, aber mit schwere MGs und die Zugführer mit Maschinenpistolen. Bald war die einstige Hauptkampflinie der schweren Panzerjäger-Abteilung 560 wieder besetzt, wenngleich deutlich schwächer. Um 20 Uhr des 13. April 1945 griffen die Russen die deutschen Stellung auf dem Berg Schöpfl an und konnten ihn erobern. Freiherr von Reitzenstein organisierte sofort einen Stoßtrupp und noch in der Nacht konnte der Feind geworfen werden.
Der Russe griff die Kampfgruppe „von Ribbentrop“ an, auch der Verteidigungsraum von Großjohann, der jedoch die feindliche Pak mit einem eingetroffenen Panzer IV abwehren konnte. Am Morgen des 17. April 1945 griff die Rote Armee erneut den Schöpfl und St. Corona an, aber die Männer konnten trotz großer Verluste halten. Dann aber setzte der Russe alles gegen den Schöpfl ein, griff aus Nord, Ost und West kommend an. Bis Mittag war der Berg verloren, Freiherr von Reitzenstein hatte keine Reserven und mußte seine Männer über Süden abziehen. Dennoch gab er nicht aus, bildete eine Sturmabteilung, und bis 15.30 Uhr waren die Stellungen wieder in deutscher Hand. Am 19. April 1945, um 18,30 Uhr, war es soweit, der Russe überrannte St. Corona, zwei Kompanien, vor allem die der Luftwaffe, wurden aufgerieben. Freiherr von Reitzenstein hatte einen westlichen Ausgang freigekämpft, die Reste seiner Männer versammelte er auf höhe 554 westlich vom Reutelsgraben gegenüber der Erhebung „Hirschenstein“. Nun kam die Kampfgruppe „Bremer“ mit zwei Spähwagen und vier gepanzerte Mannschaftswagen als Verstärkung. Am 21. April 1945 mußte sich die Kampfgruppe „von Reitzenstein“ nach Gadinger 2,3 km südöstlich von St. Corona zurückziehen. Noch in der Nacht mußte die Kampfgruppe sich auf Befehl der Division vom Feind lösen und eine Linie Hainfeld–Altenmarkt besetzen. Erneut verbrachte von Reitzenstein mit seinem Adjutant die Nacht zu Fuß, um die Stellungen seiner Männer aufzusuchen und um ihnen Mut zuzusprechen. In der Nacht vom 22. auf den 23. April 1945 mußte die Kampfgruppe mit Gefechtsstand am Kollmannhof Panzerspähtrupps des Feindes abwehren. Schwere Kämpfe folgten bis Ramsau. Am 26. April 1945 verteidigte die Kampfgruppe erfolgreich Araberg, aber alles war umsonst. Die Division zog sich immer weiter über Rohr an der Schwarzau in Richtung Linz zur Demarkationslinie an der Enns zurück und kapitulierte am 8. Mai 1945.
Kriegsgefangenschaft und Ermittlungsverfahren
Gert Freiherr von Reitzenstein geriet in US-amerikanischer Kriegsgefangenschaft und wurde später von den US-Amerikanern an die Franzosen ausgehändigt. Während der Schlacht um Caen an der Invasionsfront soll es, als Rache für wahllos von den Briten ermordeten SS-Angehörigen, am 8. Juni 1944 bei Château d'Audrieu (bei Putot-en-Bessin) zu Erschießungen von kanadischen Kriegsgefangenen durch Angehörige der SS-Panzer-Aufklärungs-Abteilung 12 „Hitlerjugend“ unter Gerhard Bremer (der an diesem Tag schwer verwundet wurde) gekommen sein. Auch Freiherr von Reitzenstein, als stellvertretender Abteilungsführer, gehörte zu den Verdächtigen, allerdings wurde er, wie Bremer (wenngleich er weiterhin in Haft blieb) und die anderen, im August 1948 entlastet und schließlich freigelassen. Das Verfahren wurde von den Franzosen offiziell am 19. März 1952 eingestellt.
Nachkriegszeit
Noch 1981 beriet er Hubert Meyer für sein Buch Kriegsgeschichte der 12. SS-Panzerdivision „Hitlerjugend“, 1982 im Munin-Verlag erschienen.
Familie
Gert war der Sohn des Fabrikdirektors und Oberingenieurs (von 1907 bis 1918 Mitglied der Deutschen Physikalischen Gesellschaft), später Kaufmann in Pichelsdorf bei Spandau, Bodo Albin Curt Freiherr von Reitzenstein ( 12. September 1885 in Berlin) und dessen Frau Kaethe Anna Adelheid, geb. Hoerter (15. August 1889 in Hannover). Er hatte zwei ältere Geschwister, Bruder Albin und Schwester Gerda ( 11. Februar 1913 in Perchtoldsdorf bei Wien). Sein Großvater war Albin Friedrich Wilhelm Theodor Freiherr von Reitzenstein (1852–1927), zuletzt preußischer Oberstleutnant und Generalleutnant a. D. in chinesischen Diensten. Die Ehe der Eltern wurde in der Zwischenkriegszeit geschieden, Albins Vater heiratete in zweiter Ehe Anna Maria Elsbeth Ohnesorge.
Beförderungen als SS-Führer
- 9.9.1939 SS-Untersturmführer
- 1.7.1941 SS-Obersturmführer
- 20.4.1943 SS-Hauptsturmführer
Auszeichnungen (Auszug)
- Deutsches Reichssportabzeichen in Bronze
- SA-Sportabzeichen in Bronze
- Medaille zur Erinnerung an den 13. März 1938
- Medaille zur Erinnerung an den 1. Oktober 1938
- Ehrendegen „Reichsführer-SS“
- Eisernes Kreuz (1939) 2. und 1. Klasse
- 2. Klasse am 19. Juni 1940
- 1. Klasse am 25. Juli 1941
- Goldenes HJ-Ehrenzeichen
- Infanterie-Sturmabzeichen am 1. April 1941
- Medaille „Winterschlacht im Osten 1941/42“
- Verwundetenabzeichen (1939) in Schwarz und Silber
- Schwarz am 14. Oktober 1941
- Nahkampfspange des Heeres in Bronze (ggf. auch Silber)
- Deutsches Kreuz in Gold am 9. April 1943[1] als SS-Obersturmführer und Chef der 7. Kompanie/SS-Panzer-Grenadier-Regiment 4 „Der Führer“/SS-Panzer-Grenadier-Division „Das Reich“