Hintersatz, Wilhelm
Wilhelm Hintersatz, ab 1919 Wilhelm Harun-el-Raschid Bey (bei der SS als Wilhelm Harun-el-Raschid Bey-Hintersatz geführt; 26. Mai 1886 in Senftenberg, Lausitz; 29. März 1963 in Lübeck) war ein deutscher Offizier der Preußischen Armee, des Deutschen Heeres, der Osmanischen Armee, der Freikorps, der Wehrmacht und der Waffen-SS, zuletzt SS-Standartenführer und Kommandeur des Osttürkischen Waffen-Verbandes der SS (→ Ostlegionen) im Zweiten Weltkrieg sowie wissenschaftlicher Rutengänger und Schriftsteller (oft nur mit dem Kürzel H. e. R.).
Inhaltsverzeichnis
Beförderungen und Werdegang
- 1904 nach Abitur Eintritt in das Infanterie-Regiment „von Stülpnagel“ (5. Brandenburgisches) Nr. 48 als Fahnenjunker
- 15. Februar 1905 Leutnant
- 17. Februar 1914 Oberleutnant
- u. a. Ordonnanzoffizier in der 9. Infanterie-Brigade/III. Armeekorps (die Brigade unter Konrad Graf Finck von Finckenstein wurde am 29. März 1915 aufgelöst)
- vom 15. Februar bis 23. Februar 1915 Unterstützung von Oberleutnant von der Heyden bei der Ausbildung der ersten finnischen Freiwilligen des späteren Königlich-Preußischen Jäger-Bataillons Nr. 27 in der Privatwohnung des Vater von der Heyden (Lützowstraße 109–110) zur Überbrückung der Wartezeit, bis die offizielle Ausbildung begann.[3]
- 18. Juni 1915 Hauptmann
- Kommandierung zur Flugzeugführerausbildung; bis April 1916 Staffelführer in der Fliegertruppe; da er später u. a. auch das Flandernkreuz verliehen bekam, erscheint es durchaus möglich, daß er den Seefliegern bzw. den Marine-Feldfliegern des Marinekorps Flandern zugeteilt war.
- Ausbilder finnischer Freiwilliger beim III. Armee-Korps, die später den Kern der von der Sowjetunion unabhängigen finnischen Armee werden sollten
- 1916/17 Adjutant der 21. Landwehr-Division
- September 1917 als Ausbilder der deutschen Militärmission zum Generalstab der Osmanischen Armee kommandiert
- 1919 mit dem Charakter als Major a. D. aus der Vorläufigen Reichswehr verabschiedet
- 1919/20 Konvertierung zum Islam, Änderung des Namens in Wilhelm Harun-el-Raschid Bey; sein Vorbild Hārūn ar-Raschīd („Aaron der Rechtgeleitete“), der auch eine historische Rolle in „Tausendundeine Nacht“ spielt, war ein abbasidischer Kalif (Bagdad), der gegen das Oströmische Reich kämpfte und diplomatische Beziehungen zu Karl dem Großen pflegte, den er schätzte und als Verbündeten ansah.
- 1920 bis 1921/22 Adjutant und Berater von Generalleutnant Enver Pascha, u. a. bei seiner Mission nach Turkestan, zuletzt als kaiserlich ottomanischer Oberst (Miralai), wobei der Dienstgrad nicht belegt ist
- 1923 Leiter der Zentrale des Sicherheits- und Ermittlungsdienstes der Deutschen Reichswerke AG
- Harun-el-Raschid Bey soll zuvor ein eigenes Wachschutzunternehmen auf dem Truppenübungsplatz „Altes Lager“ bei Jüterbog betrieben haben.
- 1937 Harun-el-Raschid Beys gleichnamiger Vater Wilhelm Hintersatz, der ehemalige Königliche Kreisschulinspektor und unierte evangelischer Oberpfarrer der Altlutherischen Kirche, verstirbt in Senftenberg.
Zweiter Weltkrieg
- 1939 Reaktivierung als Major z. V. des Heeres
- zuletzt Oberst, wann aber die Beförderung zum Oberstleutnant und dann Oberst stattfand, ist unbekannt.
- u. a. Berater beim Sonderstab F für die Aufstellung deutsch-arabischer Sonderverbände (288 und 287)
- 24. August 1944 Übernahme in die Waffen-SS (SS-Nr. 496.147) unter Einberufung in das Amt A I des SS-Hauptamtes
- Verbindungsoffizier des Reichssicherheitshauptamtes der SS zum Großmufti von Ägypten
- 24. August 1944 Waffen-Sturmbannführer der SS
- mit Urkunde vom 4. November 1944 rückwirkend SS-Sturmbannführer (mit RDA vom 30. Juni 1943)
- 1. September 1944 Waffen-Obersturmbannführer der SS
- mit Urkunde vom 4. November 1944 rückwirkend SS-Obersturmbannführer der Waffen-SS
- Oktober 1944 Waffen-Standartenführer der SS
- mit Urkunde vom 4. November 1944 mit Wirkung vom 1. Oktober 1944 zum aktiven SS-Standartenführer der Waffen-SS befördert
- am 23. Dezember 1944 Rangdienstalter (RDA) vom 26. August 1944 erhalten
- 20. Oktober 1944 (laut Urkunde Reichsführer-SS mit Wirkung vom 1. Oktober 1944) bis Mai 1945 Kommandeur des Osttürkischen Waffen-Verbandes der SS (nach dem Warschauer Aufstand an der Seite der SS-Sturmbrigade „Dirlewanger“ aus dem Ostmuselmanischen SS-Regiment 1 der beabsichtigten Ostmuselmanischen SS-Division hervorgegangen)
- 3. Dezember 1944 Gerichtsherr des Osttürkischen Waffen-Verbandes der SS mit den Rechten eines Divisionskommandeurs; im Dezember 1944 desertierten 450 bis 500 Soldaten der 3.000 Mann der SS-Waffen-Gruppe „Turkistan“ in der Slowakei, allerdings kehrten rund 300 zurück. Harun-el-Raschid Bey war nun für die Bestrafung der von ihm so hochgeschätzten Muselmanen, die jedoch oft die Erwartungen nicht erfüllten, verantwortlich.
- 3. Januar 1945 mit Wirkung vom 1. Dezember 1944 vom SS-Hauptamt zum SS-Führungshauptamt „Osttürkischer Waffen-Verband der SS“ versetzt
- Am 26. April 1945 hat Harun-el-Raschid Bey als Kommandeur des OTWV im Norden Italiens einen Vertrag mit dem örtlichen Partisanen-Kommando des „Comitato Volontari della Libertà“ (CVL) unterschrieben, wonach die Soldaten in der Kaserne in Merate bleiben würden, bis die VS-amerikanischen Truppen eintrafen. Dies geschah am 30. April 1945, die ganze Einheit ging in die Gefangenschaft der 1. VS-amerikanischen Panzer-Division, später in Rimini. Über eine Auslieferung der Angehörigen des Verbandes an die Rote Armee ist bisher nichts bekannt, sie ist aber, wie bei den Kosaken, mit Sicherheit anzunehmen. Schätzungen zufolge wurden bis zu 8.000 Moslems von den Briten, aber vor allem von den VS-Amerikanern an die Sowjetunion ausgeliefert. Ihr Schicksal ist unbekannt, aber nicht schwer vorstellbar.
Kriegsgefangenschaft und Nachkriegszeit
Der 1940 geborene Torgut Harun (zur Schulzeit hieß er bis zur Namensänderung noch Torgut Harun-el-Raschid Bey), Sohn von Wilhelm Harun-el-Raschid Bey und letztes lebendes Mitglied der Familie, schrieb zum bis dahin unbekannten Schicksal des Vaters und des Osttürkischen Waffen-Verbandes der SS auf Facebook am 5. Mai 2017:
- „SS-Standartenführer und Oberst Harun-el-Raschid Bey war mein Vater, der am 29. März 1963 in Lübeck verstarb und mit militärischen Ehren durch den Bundesgrenzschutz beigesetzt wurde! Seine Einheit ging in Merate (Oberitalien) in amerikanische Gefangenschaft! Mein Vater kam ins Zuchthaus Schweikelberg, seine Leute wurden vom Ami an die Sowjets ausgeliefert und umgebracht! Viele von ihnen stürzten sich mit Familien von der hohen Brücke bei Merate in den Tod. Nur wenige konnten sich der Gefangenschaft entziehen und kamen später auf Umwegen nach Deutschland! Trotz schwerer Verwundungen wurde mein Vater in der Gefangenschaft mißhandelt, die meisten seiner Orden geraubt (von jüdischen amerik. Armeeangehörigen)! Einige Orden nahmen schwarze Soldaten in Obhut und gaben sie meinem Vater bei seiner Entlassung zurück! Der muslimische Divisionsgeistliche Nureddin Namangani besuchte unsere Familie 1956 in Husby bei Flensburg! Er selbst lebte in München! Leider hatte mein Vater selten über den Krieg gesprochen, dazu war ich auch noch zu jung (ich wurde 1940 geb.)!“
Tod
Nach Krieg und Kriegsgefangenschaft wohnte Oberst a. D. Wilhelm Harun-el-Raschid Bey in Husby bei Flensburg und zuletzt in Lübeck, wo er auch 1963 verstarb und mit militärischen Ehren beigesetzt wurde.
Auszeichnungen (Auszug)
- Malteserkreuz (vermutlich Mitglied des Malteserordens, ggf. des Johanniterordens)
- Rettungsmedaille am Bande am 19. Mai 1909
- Annenorden, II. und I. Klasse
- II. Klasse mit Schwertern
- Kaiserlich russisches Georgenkreuz, III. und II. Klasse
- Sankt-Stanislaus-Orden, III., II. und I. Klasse
- II. Klasse mit Schwertern
- I. Klasse am 10. Juli 1914
- Eisernes Kreuz (1914), II. und I. Klasse
- II. Klasse am 14. September 1914
- I. Klasse am 12. Dezember 1915
- Militär-Flugzeugführer-Abzeichen (Preußen)
- Herzoglich Sachsen-Ernestinischer Hausorden, Ritterkreuz I. Klasse am 7. April 1917
- Hamburgisches Hanseatenkreuz am 28. Juni 1917
- Verdienstmedaille vom Roten Halbmond
- Eiserner Halbmond am 24. Dezember 1917
- Silberne Liakat-Medaille mit Schwertern und Gefechtsspange
- Medjidie-Orden, II. Klasse mit Schwertern (Halsorden mit Bruststern)
- Abzeichen der Königin Thamar
- Verwundetenabzeichen (1918) in Silber am 11. Mai 1918
- Militärverdienstkreuz (Österreich), III. Klasse am 20. Mai 1918
- Kriegsverdienstkreuz (Lippe) am Band für Kämpfer am 14. Juni 1918
- Flieger-Erinnerungsabzeichen
- Finnischer Orden der Weißen Rose, Komturkreuz II. Klasse mit Schwertern (Halsorden); hierzu bekam er die Ehrenstaatsbürgerschaft Finnlands durch Carl Gustaf Emil Mannerheim.
- Deutsches Feld-Ehrenzeichen (Hamburger Feldehrenzeichen)
- Ehren- und Erinnerungskreuz des Marinekorps Flandern
- Deutsche Ehrendenkmünze des Weltkriegs (Deutsche Ehrenlegion) am Schwarzweißrotem Bande
- Ungarische Weltkriegs-Erinnerungsmedaille
- Ehrenkreuz für Frontkämpfer
Werke (Auswahl)
- Marschall Liman von Sanders und sein Werk, Eisenschmidt-Verlag, Berlin 1932
- Schwarz oder Weiß? „Ad Imperium Romanum versus!“, Joh. Kasper & Co., Berlin 1940
- Achtung! Erdstrahlen sind Gefahr für Mensch, Tier und Pflanzenhaltung! Die Wünschelrute warnt!, Eisenschmidt-Verlag, Wiesbaden und Berlin 1952
- Aus Orient und Occident – Ein Mosaik aus buntem Erleben, Deutscher Heimat-Verlag, Bielefeld 1954
Verweise
- Von Krieg zu Krieg – Der Nahe Osten, Spiegel TV, 2011