Die Juden sind unser Unglück

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Anspielung auf „Juden sind unser Unglück“ auf einer nationalen Demonstration in Dortmund

Das Schlagwort Die Juden sind unser Unglück geht auf einen Aufsatz des deutschen Historikers Heinrich von Treitschke zurück. Die um den Aufsatz entbrannte publizistische Auseinandersetzung wurde als Berliner Antisemitismusstreit (1879 bis 1881) bekannt. Der Satz wird heute besonders mit dem Nationalsozialismus und der judengegnerischen Wochenzeitung „Der Stürmer“ von Julius Streicher in Verbindung gebracht.

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Ueberblickt man alle diese Verhältnisse – und wie Vieles ließe sich noch sagen! – so erscheint die laute Agitation des Augenblicks doch nur als eine brutale und gehässige, aber natürliche Reaction des germanischen Volksgefühls gegen ein fremdes Element, das in unserem Leben einen allzu breiten Raum eingenommen hat. Sie hat zum Mindesten das unfrei­willige Verdienst, den Bann einer stillen Unwahrheit von uns genommen zu haben; es ist schon ein Gewinn, daß ein Uebel, das Jeder fühlte und Niemand berühren wollte, jetzt offen besprochen wird. Täuschen wir uns nicht: die Bewe­gung ist sehr tief und stark; einige Scherze über die Weis­heitssprüche christlich-socialer Stump-Redner genügen nicht sie zu bezwingen. Bis in die Kreise der höchsten Bildung hin­auf, unter Männern, die jeden Gedanken kirchlicher Un­duldsamkeit oder nationalen Hochmuths mit Abscheu von sich weisen würden, ertönt es heute wie aus einem Munde: die Juden sind unser Unglück!

Heinrich von Treitschke, Unsere Aussichten. In: Preußische Jahrbücher, 1879


Heinrich von Treitschke bezog sich mit dem Hinweis auf die „Agitation des Augenblicks“ auf die sogenannte Berliner Bewegung, in der die deutsche Judengegnerschaft zum ersten Mal klarere Konturen angenommen hatte. Auslöser war der „Gründerkrach“ gewesen, in den sich eine erkleckliche Zahl jüdischer Bankiers und Spekulanten verstrickt hatte und der eine Menge kleiner und mittlerer Existenzen vernichtete. Das gab dem Hofprediger Adolf Stoecker Gelegenheit, um seine im Kern konservative Weltanschauung mit sozialistischen Ideen zur Basis einer neuen „christlich-sozialen“ Bewegung zu machen, die eine erhebliche Massengefolgschaft gewann.

Treitschke war als Liberaler kein Gefolgsmann Stoeckers. Er machte sich die Formel „Die Juden sind unser Unglück“ nicht zu eigen, sondern verwies auf ein On-dit. Dasselbe geht aus dem unmittelbar folgenden Absatz deutlich hervor:

„Von einer Zurücknahme oder auch nur einer Schmälerung der vollzogenen Emancipation kann unter Verständigen gar nicht die Rede sein; sie wäre ein offenbares Unrecht, ein Abfall von den guten Traditionen unseres Staates und würde den nationalen Gegensatz, der uns peinigt, eher verschärfen als mildern. Was die Juden in Frankreich und England zu einem unschädlichen und vielfach wohlthätigen Elemente der bürgerlichen Gesellschaft gemacht hat, das ist im Grunde doch die Energie des Nationalstolzes und die festgewurzelte nationale Sitte dieser beiden alten Culturvölker. Unsere Ge­sittung ist jung; uns fehlt noch in unserem ganzen Sein der nationale Stil, der instinctive Stolz, die durchgebildete Eigenart, darum waren wir so lange wehrlos gegen fremdes Wesen. Jedoch wir sind im Begriff uns jene Güter zu erwer­ben und wir können nur wünschen, daß unsere Juden die Wandlung, die sich im deutschen Leben als eine nothwendige Folge der Entstehung des deutschen Staates vollzieht, recht­zeitig erkennen.“

Treitschke dachte keineswegs an eine Aufhebung der bürgerlichen Gleichberechtigung, sondern verlangte die vollständige Assimilation. Ferner sagte er, daß die Aussichten auf Verwirklichung gering seien, man an dem idealen Ziel aber festhalten müsse. Die Hemmung liege vor allem in einer Wesensverschiedenheit von Deutschen und Juden; später sprach Treitschke davon, daß es sich bei „Ariern“ und „Semiten“ um zwei „Klassen“ der weißen Rasse handele, deren Ansprüche schwer gegeneinander abzugleichen seien.

Trotz des schärfer werdenden Tons in der Auseinandersetzung hielt er an dieser Auffassung fest und hoffte, daß nach „der vollzogenen Emancipation im Laufe der Jahre auch die innere Verschmelzung und Versöhnung folgen“ werde. Mit dieser Argumentation bewegte sich Treitschke im Rahmen der zu seiner Zeit üblichen Auffassungen, auch und gerade des liberalen Lagers. Robert Oppenheimer schrieb er später, daß er bei seinen Stellungnahmen immer an ihn als einen jüdischen Freund gedacht und es für ausgeschlossen gehalten habe, damit in den Ruch des Rassenhasses zu kommen.

Literatur