Feuchtinger, Edgar

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Generalleutnant (hier ggf. noch als Generalmajor) Edgar Feuchtinger in Nordfrankreich, 1944

Edgar Feuchtinger (Lebensrune.png 9. November 1894 in Metz; Todesrune.png 21. Januar 1960 in Berlin) war ein deutscher Kadettenschüler der Preußischen Armee (Kadettenanstalt Karlsruhe und Hauptkadettenanstalt) sowie Offizier des Kaiserlichen Heeres, der Reichswehr und der Wehrmacht, zuletzt (bis März 1945) Generalleutnant, danach einfacher Kanonier und verurteilter Kriegsgewinnler im Zweiten Weltkrieg.

Zweiter Weltkrieg

Einmarsch in Südfrankreich und Neuaufstellung der 21. Panzer-Division

Am 27. November 1942 befehligte Feuchtinger die Kampfgruppe A, die im Rahmen des Unternehmens „Lila“ die Stadt Toulon besetzte und versuchte, die dort stationierten Schiffe der französischen Flotte unter ihre Kontrolle zu bringen. Am 7. April 1943 erhielt er das Kommando über die Schnelle Artillerie-Brigade 931. In den folgenden Monaten stellte er aus verschiedenen Einheiten und Beutewaffen eine neue Division auf, die er 21. Panzer-Division nannte (die Division gleichen Namens wurde in Nordafrika gefangengenommen). Dabei ließ er von dem technisch hochbegabten Reserveoffizier Dr. Alfred Becker (später Kommandeur der Sturmgeschütz-Abteilung 200), der im Zivilleben Unternehmer war, aus in den „Hotchkiss-Werken“ bei Paris vorhandenen Panzerchassis und deutschen Geschützen Eigenkonstruktionen von Sturmgeschützen und Raketenwerfern bauen.[1] Die Aufstellung dieser „eigen“ aufgestellten Division meldete er an Adolf Hitler persönlich. Seine Beförderung zum Generalmajor und Kommandeur der 21. Panzer-Division erging am 1. August 1943.

Feuchtinger wurde in Frankreich und mehreren anderen Kommandos von Untergebenen und Vorgesetzten meist schlecht beurteilt.[2] Angeblich hat er als Artillerist das Kommando über eine Panzerdivision nur durch seine Verbindungen zur NSDAP erhalten. Zumindest hatte er keinerlei Erfahrung in der Führung von Panzerverbänden, da er ja von einem mit Pferden bespannten Artillerie-Regiment (Artillerie-Regiment 227 der 227. Infanterie-Division) an der Ostfront kam.[1] Er zeigte dort vor allem wieder sein großes Organisationstalent, in dem er z. B. modernste Funkausrüstungen organisierte. Wissend, daß er keine Kenntnisse in der Führung von Panzern hatte, überließ er seinen im Panzerkampf erfahrenen Regiments-Kommandeuren Ausbildung und Führung ihrer Verbände. Er selbst hielt sich sehr häufig in Paris auf.

Invasion 1944

Major d. R. Dr. Alfred Becker (Baustab „Becker“), Generalfeldmarschall Erwin Rommel (Heeresgruppe B) und Generalmajor Edgar Feuchtinger am Atlantikwall am 18. Mai 1944

Während der anglo-amerikanischen Invasion Europas am 6. Juni 1944 war die 21. Panzer-Division der einzige deutsche motorisierte Kampfverband im unmittelbaren Landungsbereich der Alliierten. Feuchtinger hielt sich an diesem Tag in Paris auf.

Die Abwesenheit so vieler deutscher Kommandeure am 5./6. Juni 1944 sollte die schlimmsten Folgen für die deutschen Verteidiger ha­ben. Dies betraf die Frage der rechtzeitigen Alarmierung genauso wie die Organisation von Gegenangriffen gegen die gelandeten, anfäng­lich noch schwachen alliierten Truppen.

So wurden in Abwesenheit der kommandierenden Generale im Abschnitt von Ste. Mere-Eglise vier Regimenter viel zu spät sowie ohne Artillerie- und Panzerjäger-Unter­stützung sinnlos gegen die amerikanischen Truppen gejagt. Es fällt auf, daß, wie bei vielen derartigen Fehlleistungen, bis heute die Urheber dieser Befehle nicht bekannt geworden sind.

Durch die Abwesenheit der Kommandeure lag deshalb die Leitung der Invasionsabwehr während der entscheidenden Stunden in den Händen von Verrätern wie General Speidel, die mit ihren skrupellosen Befehlen für den Tod tausender deutscher Soldaten sorgten.

Sowohl Generalfeldmarschall Rommel als auch Hitler ordneten zwar am 9. Juni 1944 eine Untersuchung an, um zu klären, warum die be­fehlshabenden Kommandeure am 5./6. Juni nicht in ihren Gefechts­ständen waren. Hitler glaubte hier (vielleicht nicht unberechtigterweise?) an eine Aktion des englischen Geheimdienstes. Der verratene Abwehrkampf verhinderte jedoch die Unter­suchungen. So teilte am Abend des 4. Juli 1944 Oberst i.G. von Tempel­hoff dem Chef des Stabes der 7. Armee, Generalmajor Pemsel, mit:

„Die Untersuchungskommission zur Klärung der Vorgänge vom 5./6. Juni 1944 kommt nicht mehr zum Zuge.“

Voller Selbstsicherheit spottete der Verräter Speidel, dies sei Hitlers „große Unterhosen-Anfrage“.[3]Bei seiner Rückkehr auf seinen Divisionsgefechtsstand am 6. Juni nahm er seine Geliebte, eine in Hamburg tätige Schauspielerin bzw. „Tänzerin“ aus Brasilien, mit. Als er am 6. Juni während der Schlacht um Caen einen Angriff mit seiner Division Richtung Caen und Strand führte, blieb dieser im Feuer der schweren Schiffsartillerie und in den Bombenabwürfen der Alliierten liegen und wurde von den Regimentskommandeuren abgebrochen.[1] In den weiteren Kämpfen im Raum Caen erlitt die Division schwere Verluste an Menschen und Material. Am 1. August 1944 wurde Feuchtinger zum Generalleutnant befördert. Kurz darauf, am 6. August 1944, erhielt er das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes. Im August wurde ein Großteil seiner Division im Kessel von Falaise eingeschlossen und vernichtet. Aus Resten der Division, die sich außerhalb des Kessels befanden oder noch aus diesem ausbrechen konnten, wurde die 21. Panzer-Division in Lothringen neu aufgestellt. Nach Kämpfen am Rand der Vogesen Ende Oktober bei Baccarat meldete Feuchtinger:

„In zusammengefaßtem Feuer der Artillerie und der wenigen Panzerabwehrgeschütze konnten wir in kürzester Zeit über 40 Panzer des Gegners vernichten.“[1] Die Zahl der vernichteten Panzern wurden von manchem angezweifelt.

Im Gegensatz zu vielen anderen Kommandeuren, insbesondere bei den Panzerverbänden, hielt sich Feuchtinger praktisch nie in vorderster Front auf.[1] Feuchtingers Führungsstil und sein Lebenswandel sorgten von Beginn der Invasion bis zu seinem Gerichtsverfahren für Gesprächsstoff und Kritik bei den dortigen Truppen und Kommandeuren.

Verurteilung vor dem Reichskriegsgericht

Während seine Division im Unterelsaß im Januar 1945 in das erfolgreiche Unternehmen „Nordwind“ der Heeresgruppe G verwickelt wurde, hielt er sich in Celle auf und organisierte für seine Geliebte eine gut versorgte Unterkunft in einem Gutshaus. Auch brachte er drei Unteroffiziere mit, die sich dort betätigen sollten. Dieser Aufwand blieb der dort ansässigen Bevölkerung nicht verborgen, die sich darüber erregte. Am 5. Januar 1945 wurde er deshalb verhaftet und kam vor das Reichskriegsgericht, Oberst Helmut Zollenkopf übernahm die Führung der Division. Die Anklage lautete auf „Bereicherung an jüdischem Vermögen durch illegalen Verkauf von Pelzen, dem Entzug der Unteroffiziere vom Kriegsdienst, der Zweckentfremdung von Wehrmachtseigentum und der Mitteilung von militärischen Geheimnissen an seine südamerikanische Geliebte.“ Im Urteil vom 19. März 1945 wurde er zum Tode verurteilt und zum Kanonier degradiert. Sämtliche Orden und Ehrenzeichen wurden ihm aberkannt.

Hitler bestimmte, daß der eigentliche Kriegsverräter, Kriegsgewinnler und Charakterlump Feuchtinger hinsichtlich der sich abzeichnende Götterdämmerung als Kanonier wieder an der Front (Frontbewährung) eingesetzt werden solle. Er sollte sich bei der 20. Panzer-Grenadier-Division bei Seelow zur Verwendung melden. Eine Suche nach dem Deserteur, die am 12. April 1945 bei der Division nach ihm begann, blieb erfolglos. Statt sich an die Front zu begeben, tauchte er bei Celle nahe seinem Gutshaus unter. Am 29. Mai 1945 begab er sich in Generalsuniform in britische Kriegsgefangenschaft. Er durchlief mehrere Gefangenenlager, unter anderem das britische Lager Trent Park, wobei seine Anwesenheit im VS-amerikanischen-Lager Allendorf auf heftigen Protest anderer Generäle stieß. Am 23. August 1947 wurde er in Wuppertal aus der Gefangenschaft entlassen.

Nachkriegszeit und Vaterlandsverrat

Da Feuchtinger sich als „Opfer der NS-Justiz“ ausgab, erhielt er den höchsten Satz einer Generalspension. Anschließend betätigte er sich als Vertreter mehrerer Firmen und der Bremer Vulkan-Werft. Durch die Heirat mit einer reichen Witwe gelangte er an eine Position im Handel mit Stahlprodukten der Großindustrie. Im Mai 1953 traf er sich mit einem Unbekannten im Hauptbahnhof Krefeld, der ihm ein Dokument vorlegte, aus dem hervorging, daß er von der Feldgendarmerie ab dem 12. April 1945 gesucht wurde. Der Unbekannte forderte von ihm Informationen über die Wiederbewaffnung, oder dieses Dokument würde veröffentlicht. Er verpflichtete sich, die Informationen für den sowjetischen Militärnachrichtendienst GRU zu liefern. Die Informationen sollte er an eine Adresse in Berlin-Pankow senden: Paul Kutt, Granitzstraße 44.

Danach suchte er Kontakte zu ehemaligen Generälen der Wehrmacht beim Amt „Blank“, wobei er mit Adolf Heusinger und Hans Speidel zusammentraf. Als der Bundesminister für Verteidigung Theodor Blank am 13. November 1955 die Namen der ersten Offiziere der neu aufgestellten Bundeswehr bekannt gab, hatte Feuchtinger diese schon vorher an seine kommunistischen Kontaktanschrift weitergegeben. Feuchtinger entfaltete eine emsige Reisetätigkeit als Verbindungsmann der Großindustrie zur Bundeswehr. Unter diesem Deckmantel besuchte er viele Garnisonen der Bundeswehr und nahm auch Kontakte im Bundesministerium der Verteidigung auf. Dort konnte er mit Oberst Carl-Otto von Hinckeldey einen alten Bekannten wieder treffen. Dieser hatte 1938 in der III. Abteilung des Artillerie-Regiments 26 in Düsseldorf unter Feuchtinger als Adjutant gedient.

Feuchtinger erwarb von Hinckeldeys Vertrauen, weil er ihm berichtete, er arbeite an einer Studie der Invasion von 1944 und wolle militärische Vergleiche mit dem heutigen Stand anstellen. So erhielt Feuchtinger von Hinckeldey geheime Unterlagen über taktische Operationen, Einsätze der atomaren Kriegsführung und Kenntnisse über Luftlandetruppen und viele andere Unterlagen der Bundeswehr. Bei seinen Besuchen im Verteidigungsministerium traf er auch mit dem General Werner Panitzki zusammen, der ab dem 10. Januar 1958 Chef des Stabes im Führungsstab der Streitkräfte war. Der ungehinderte und längere Aufenthalt im Ministerium ermöglichte es ihm, sich auch im Arbeitszimmer von Hinckeldey während dessen Abwesenheit aufzuhalten.

Die auf Mikrofilmen festgehaltenen Dokumente übergab er in Berlin seinem Führungsoffizier, dem Major Wladlen Michajlowitsch Michajlow, den er etwa alle drei Monate aufsuchte. Diese Reisen tarnte er als Geschäftsreisen für Ölgeschäfte im Interzonenhandel. Auch Mitglieder seiner Familie verhalfen ihm unwissend bei der Beschaffung neuer Materialien. In Paris brachte er eine Stieftochter als Sekretärin bei der NATO unter. Ein Stiefsohn half ihm beim Kopieren von Unterlagen. Offiziere der NATO, die von seinen angeblichen historischen Untersuchungen erfuhren, baten ihn im Juni 1956, auf dem ehemaligen Schlachtfeld von Caen einen Vortrag über den Verlauf der Kämpfe von 1944 zu halten. Militärische Einzelheiten, die er bei diesen Offizieren in Gesprächen erfahren hatte, übermittelte er an die GRU. Etwa sieben Jahre lang konnte er etwa 1.000 Unterlagen an seine Auftraggeber übermitteln.

Tod und Nachspiel

Als er im Januar 1960 wieder zu einem Treffen nach Berlin fuhr, erlitt er im Zug einen Schlaganfall. Angekommen im Bahnhof Zoo in West-Berlin, konnte man ihn noch in ein Krankenhaus transportieren, wo er seiner Frau noch eine Adresse telefonisch mitteilen konnte, bevor er am 21. Januar 1960 dort starb. Er wurde auf dem Hauptfriedhof in Krefeld beigesetzt (Feld 43, Grab 152/152A), auf dem Grabstein steht „Generalleutnant a. D.“, in der Nähe befinden sich die Gräber der Generäle Eduard Klutmann, Johannes Krause und Alfred Wünnenberg.

Der feindliche Agent Michajlow versuchte im Mai 1961, über seine Frau nochmals die Verbindung zu von Hinckeldey aufzunehmen. Aber diese verstand nicht, was Michajlow mit seinen Fragen bezweckte. Als Michaijlow im Juni 1961 in Karlshorst, dem Sitz der GRU-Zentrale in der DDR, nochmals das Gespräch mit ihr aufnahm, enthüllte er den eigentlichen Charakter der Beziehungen ihres Mannes. Frau Feuchtinger lehnte sofort jeden weiteren Kontakt ab und reiste zurück. Als Michajlow einen DDR-Bürger namens Kühn zu einem Besuch bei von Hinckeldey am 24. November 1961 in Rhöndorf zwang, berichtete dieser, daß er zu diesem Auftrag erpreßt wurde. Von Hinckeldey benachrichtigte sofort den Militärischen Abschirmdienst, der Kühn festnehmen ließ. Die Festnahme von Hinckeldeys folgte einige Tage später. Er wurde im Dezember 1962 in Karlsruhe vom Bundesgerichtshof wegen fahrlässiger Preisgabe von Staatsgeheimnissen zu sechs Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt.

Auszeichnungen

Beförderungen

Verweise

Fußnoten

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Hans von Luck: Mit Rommel an der Front.
  2. Sönke Neitzel: Abgehört – Deutsche Generäle in britischer Kriegsgefangenschaft 1942–1945, S. 443
  3. https://derhonigmannsagt.wordpress.com/tag/wilhelm-canaris/
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 Rangliste des Deutschen Reichsheeres, Hrsg.: Reichswehrministerium, Mittler & Sohn Verlag, Berlin 1930, S. 152
  5. 5,0 5,1 Veit Scherzer: Die Ritterkreuzträger 1939–1945, Scherzers Militaer-Verlag, Ranis/Jena 2007, S. 129, ISBN 978-3-938845-17-2