Niedermayer, Oskar von

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Generalmajor Prof. Dr. phil. Oskar von Niedermayer

Oskar Niedermayer, seit 1919 (mit Wirkung von 1916) Ritter von Niedermayer (Lebensrune.png 8. November 1885 in Freising; Todesrune.png 25. September 1948 in Wladimir, Rußland) war ein deutscher Offizier der Bayerischen Armee, des Deutschen Heeres, der Freikorps, der Reichswehr und der Wehrmacht sowie Professor, Schriftsteller und Abenteurer.

Leben

Ausbildung und Erster Weltkrieg

Oskar Niedermayer stammte aus einer Regensburger Beamten- und Kaufmannsfamilie, seine Eltern waren Ministerialrat Friedrich Niedermayer und Deesen Gattin Emma, geb. Vogel. Schon am 15. Juli 1905 nach seinem Abitur auf dem humanistischen Gymnasium in Regensburg, trat er als Offiziersanwärter in das Königlich Bayerische 10. Feldartillerie-Regiment (in Erlangen) ein. Nachdem er zum Leutnant befördert worden war erhielt er 1907 innerhalb der Streitkräfte Gelegenheit zum Studium der Naturwissenschaften, Geographie und der iranischen Sprachen. Dabei freundet er sich mit einem persischen Kommilitonen aus Interesse an dessen Heimatland an. Dieser Perser gehört der Bahai-Sekte an, der Niedermayer dann selbst beitritt. Im Anschluß wurde er bei vollem Gehalt für eine zweijährige wissenschaftlich-politische „Forschungsreise“ beurlaubt, welche ihn ab September 1912 durch Persien, das Russische Kaiserreich und Indien führte.[1] Dabei durchquerte Niedermayer als erster Europäer die Wüste Lut (Dascht-e Lut) im Iranischen Hochland, die größte Wüste Persiens. Kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges (1914-1918) kehrte er nach Deutschland zurück.

Enver Paschas Vorschlag vom August 1914, eine türkisch-deutsche Offiziers-Equipe durch Persien nach Kabul zu entsenden, zündete, so der Orientalist Hans Joachim von Bassewitz, in Berlin „wie ein Funke“. Es war eine gemischte Truppe aus 27 Teilnehmern zum Aufbruch bereit. Unter anderen, vorgeschlagen von der deutschen Großindustrie, der Forschungsreisende und Ostasienexperte Hermann Consten, der schon einmal in die Mongolei vorgedrungen war; auf Empfehlung der Hapag einer ihrer Schiffsoffiziere, namens Kurt Wagner, und der Potsdamer Gardeleutnant Günther Voigt.

„Nach einem Erkundungseinsatz im Wald von Champenoux erreicht ihn die Aufforderung des Berliner Auswärtigen Amtes an einer geplanten deutsch-türkischen, halb diplomatischen, halb militärischen Expedition nach Persien und Afghanistan teilzunehmen. Das Bayerische Kriegsministerium und die Oberste Heeresleitung entsprechen der Anforderung und stellen Niedermayer für die Sondermission ab.“

Bereits am 15. Dezember 1914 entsandte die deutsche militärische Führung Niedermayer mit einer kleinen Expedition nach Afghanistan, um dort Verbündete für das Deutsche Reich zu gewinnen, während der Engländer „Lawrence von Arabien“ später die Araber mit leeren Versprechungen gegen die Türken aufzuhetzen versuchte, die seinerzeit mit Deutschland verbündet waren, außerdem versuchte Niedermayer die von Großbritannien unterdrückten Perser und die benachbarten Inder gegen die englische Kolonialherrschaft zu organisieren.

Die meisten Teilnehmer des Unternehmens Kabul kamen nur bis Konstantinopel und Aleppo. Dort wurde ihnen von den türkischen „Freunden“ klargemacht, daß Envers Idee inzwischen aufgegeben sei und die abenteuerhungrigen Deutschen sich andere Aufgaben suchen sollten. Auch dem englischen Geheimdienst war das Unternehmen inzwischen bekannt. Die sorglosen Reservisten hatten ihr Gepäck mit der Bahn durch Rumänien geschickt, wo es britische Agenten gegen geringfügiges Bakschisch requirierten.

Am 26. September 1915 erreichte die Niedermayer-Hentig-Expedition[2] (zuvor noch Waßmuß-Niedermayer-Expedition) Kabul, konnte dort jedoch nichts Entscheidendes beim Emir Habibullah ausrichten und begann im Mai 1916 die Rückkehr. Der gefährliche Rückmarsch, auch durch feindliches russisches Territorium endete am 1. September 1916 im Osmanischen Reich, dort schloß sich Niedermayer der deutschen Militärmission im Osmanischen Reich unter Generalfeldmarschall Freiherr von der Goltz (1843-1916) an.

„Im Morgengrauen des 1. September 1916 schleppt sich in der westpersischen Stadt Hamadan ein abgerissener Bettler in das Hauptquartier der türkischen Armee. Er ist verwundet. Der linke Arm gebrochen, am Kopf schwere Platzwunden. ‚Der Willkommensgruß durch einen anatolischen Gewehrkolben‘, wird er später in seinen Erinnerungen schreiben. Die Elendsgestalt verlangt General Ali Ihsan Bey zu sprechen. Er wird vorgelassen, nimmt militärische Haltung an und stellt sich vor: Oskar von Niedermayer, Hauptmann des 10. Königlich Bayerischen Feldartillerieregiments.“[3]

In den folgenden Monaten übernahm er Kommandos bei den deutschen Truppen im Nahen Osten. Erst im März 1918 wurde er nach Deutschland zurück befohlen, dort traf er am 28. März im Großen Hauptquartier ein. Niedermayer erhielt für seine Verdienste den Militär-Max-Joseph-Orden und einen Posten als Hauptmann an der Westfront. Dort erlebte er die Kämpfe in der Champagne und in Flandern bevor der Krieg sein schlimmes Ende fand.

Für Kaiser Wilhelm durch die Salzwüste

Gruppenaufnahme der Offiziere der deutschen Afghanistan-Unternehmungen. Die Aufnahmen entstanden vermutlich kurz vor der Abreise aus Kabul im Mai 1916. Werner Otto von Hentig trägt die gerettete Parade-Uniform und seinen berühmten Kürassierhelm, den er vor der Abreise Kronprinz Enayatollâh schenkte. Die übrigen Offiziere tragen in Kabul angefertigte Kopien deutscher Uniformen (1907 Uniform der Schutztruppe bzw. der Landespolizei Deutsch-Südwest mit Hut „Südwester“), ihre eigene Kleidung war vollständig zerschlissen. Von links nach rechts: Günther Voigt, Leutnant im 4. Garde-Feldartillerie-Regiment (2. Garde–Division/Garde-Korps), Adjutant Niedermayers, Kurt Wagner, Kapitänleutnant der Reserve (Kaiserliche Marine), 1. Offizier der HAPAG, Kaiserlicher Legationssekretär Dr. Werner Otto von Hentig, Leutnant im Kürassier-Regiment „Graf Wrangel“ (Ostpreußisches) Nr. 3, Leiter der Diplomatischen Mission, Oskar Niedermayer, Oberleutnant im 10. Bayerischen Feldartillerie-Regt, Leiter der Militärischen Mission und Walter Röhr, sprachkundiger Orient-Kaufmann, Begleiter von Hentigs.
„Berlin war schon drauf und dran, die aberwitzige Sache abzusetzen, als im Frühjahr 1915 das Unternehmen eine neue Qualität bekam: Eine durch die Kabul-Begeisterung inspirierte Berliner ‚Nachrichtenstelle für den Orient‘ meldete dem AA zwei prominente indische Nationalistenführer, die gerade in die Schweiz gekommen seien. Die beiden Emigranten wurden umgehend nach Berlin geholt und verstanden es schnell, den um ihr Prestige besorgten Orientalisten im Auswärtigen Amt neue Hoffnungen zu geben. Der eine, der Hindu Mahendra Pratap, 28, nannte sich ‚Kumar von Hathras und Mursan‘", was soviel wie Prinz bedeutet, und stellte sich als ‚Abgesandter der indischen Fürsten‘ vor, die für ihre nationale Befreiung vom britischen Kolonialjoch kämpften. Er hatte von seinem Stiefvater zwei verfallene Dörfer mit Namen Hathra und Mursan geerbt und die zu erwartenden Einkünfte für den Bau einer Berufsschule ausgegeben. Nun zog er, eine Mischung von politischem Schwärmer und Hochstapler, durch die Welt, um für seine Weltbeglückungs-Partei, die ‚Happiness Party‘, zu werben. Sein Begleiter Maulana Barkatullah, der über Tokio und die USA in die Schweiz gekommen war, nannte sich ‚Professor für Islamistik‘, war aber, so die Erfahrung, vor allem an Barem interessiert. Beide erklärten sich sofort bereit, den Emir von Afghanistan für die deutsche Sache zu gewinnen. Das AA, froh, endlich Fortschritte in der geheimen Reichssache Kabul melden zu können, arrangierte es, daß sogar Seine Majestät den freiheitsliebenden Inder-Prinzen empfing und ihm den Roten Adlerorden verlieh – sozusagen als Vorschußlorbeer. Mit einem von Wilhelm II. diktierten Brief, in dem der Kaiser den Emir um Anerkennung des deutschen Reiches durch Afghanistan bat und einen Bündnisvertrag zur gemeinsamen Krieg-Führung vorschlug, machten sich die zwei auf die 11 000 Kilometer lange Reise. Als Führer dieser erneuten deutschen Kabul-Expedition, als Beschützer und Ordonnanz für den wichtigen Prinzen, wählte das AA einen Mann aus seinen eigenen Reihen: den damals 29jährigen Legations-Sekretär Werner Otto von Hentig, der als diplomatischer Anfänger schon in China und Persien gewesen war und seit Kriegsausbruch als Leutnant im 3. Kürassier-Regiment an der Ostfront kämpfte. Hentig konnte mit Mühe verhindern, daß die Kabul-Karawane ähnlich wie die vorhergegangenen die Riesensumme von zwei Millionen Goldmark (heutiger Wert: etwa 60 Millionen Mark) gleich mitbekam und zu deren Schutz Soldaten in Bataillonsstärke. Offensichtlich glaubten die Spitzenbeamten im AA – darin sicher vom Prinzen bestärkt –, die deutsche Delegation könne sich die Zustimmung des Emirs von Afghanistan erkaufen. Statt dessen wählte der Diplomaten-Leutnant aus einem deutschen Kriegsgefangenenlager sechs paschtunische Überläufer aus, die auf britischer Seite gekämpft hatten. Gegen das Versprechen, bei geglückter Mission mit einem Gewehr entlohnt zu werden, wollten sie das gefährliche Abenteuer wagen. Wegen der dunklen Hautfarbe der meisten Mitreisenden zog die Hentig-Expedition als Wanderzirkus getarnt durch den Balkan. Die Türken, von dem Erfolg des neuen Unternehmens wohl wieder stärker überzeugt, stellten den Hauptmann Kasim Bey als regionskundigen Begleiter. Teils mit der anatolischen Bahn, teils zu Pferd, drangen die Orient-Ritter über den Taurus bis nach Aleppo vor und fanden unterwegs überall Spuren ihrer gescheiterten Vorgänger. Weil die Bagdad-Bahn noch nicht auf ganzer Länge betriebsfertig war, schipperte die Gesellschaft dann mit Hilfe selbstgebauter Prahme den Euphrat hinunter bis nach Faludscha, dann zog sie mit der Pferdebahn nach Bagdad. Dort war für moderne Verkehrsmittel endgültig Endstation, per Pferd ging die Reise weiter bis nach Teheran.
Werner Otto von Hentig (links), Mahendra Pratap (Mitte; mit dem Roten Adlerorden, II. Klasse als Halsdekoration) und Oskar Niedermayer (rechts), Kabul im Mai 1916
Hier traf Hentig die Reste der Wasmus-Niedermayer-Expedition, der persische Straßenräuber schon unterwegs den Großteil ihrer goldenen Reisekasse abgenommen hatten. Wasmus, der an die Kabuler Mission nicht mehr so recht glauben wollte, war in das von den Engländern besetzte Südpersien abgereist. Dort lieferte er, von persischen Nomaden unterstützt, als deutscher ‚Lawrence von Buschihr‘ den Briten kühne Guerilla-Scharmützel. Niedermayer, der als Moslem verkleidet [...]. War das von Stammesfehden und Räuberbanden beherrschte Persien schon in Friedenszeiten unsicher, die Besetzung des Landes im Norden und Osten durch die Russen sowie im Süden und Osten durch die Briten machte einen Durchmarsch fast aussichtslos. Um dem Feind zu entgehen, entschied sich Hentig für den gefährlichsten Weg: den Ritt durch die Salzwüste Kewir mitten im Sommer. Nur ein Europäer, Sven Hedin, hatte bisher diese Tour gewagt, aber in den kalten Wintermonaten. Ständig von Verrat ihrer persischen Maultiertreiber und von räuberischen Nomaden bedroht, durch Durst, Strapazen und Malaria geschwächt, erreichte die Hentig-Expedition nach über 60 Nachtmärschen durch die Salzwüste die afghanische Grenze. Die größte Schwierigkeit stand den Orientfahrern aber erst bevor: den britischen Kamel-Reitern aus Belutschistan zu entgehen, die, vorgewarnt, alle Grenzwege und Wasserstellen überwachten. Dank einer Kriegslist gelang auch dies: Niedermayer teilte die Truppe in kleine Gruppen auf, die das Grenzkorps der Briten in die Irre führten. Mit 37 Mann und 79 Tieren ritten die Berliner Emissäre am 22. August 1915 in die afghanische Grenzstadt Herat ein, an der Spitze Leutnant von Hentig mit weißem Kürassierrock und dem Adlerhelm des deutschen Kaiserreiches. Doch den ungestümen Drang, so schnell wie möglich den Emir Habibullah in Kabul zu sehen, bremsten afghanisches Zeremoniell und orientalische Schläue.
V. l. n. r.: Kâzım Orbay, Werner Otto von Hentig, Walter Röhr, Mahendra Pratap, Kurt Wagner, Oskar Niedermayer, Günther Voigt und Maulavi Barkatullah
Der Emir, durch eine Sonderbotschaft des besorgten Vizekönigs von Indien, Lord Hardinge, über den anreitenden Besuch aus Berlin informiert, wollte sich die möglichen Folgen erst gründlich überlegen. Die Deutschen zu internieren, wie die Engländer es verlangt hatten, war er aber nicht bereit. So waren die Deutschen und Inder – später kam noch eine Gruppe österreichischer Offiziere dazu, die aus russischer Kriegsgefangenschaft geflohen waren – Staatsgäste in einem der Königspaläste in Kabul, aber auch gut bewacht: Kontakt mit der Bevölkerung sollten sie auf keinen Fall aufnehmen. Besser wurde die Lage erst, als sich nach monatelangem Warten der Emir Ende Oktober endlich bereit erklärte, die merkwürdigen Polit-Reisenden zu sehen. Drei Rolls-Royce fuhren die Gäste aus dem Abendland zu dem wenige Kilometer vor Kabul gelegenen Sommersitz des Herrschers, auf der einzigen befestigten Straße. Als Zeichen der Macht waren vor dem Sommersitz fünf Elefanten angekettet. Im Gehrock, auf einen Spazierstock mit goldener Krücke gestützt, empfing der Monarch die Delegation und machte unmißverständlich deutlich: ‚Ich betrachte euch gewissermaßen als Kaufleute, die ihre Waren vor mir ausbreiten. Von diesen werde ich wählen, was mir paßt und gefällt‘. Am wenigsten gefielen ihm die beiden Inder. Spätestens am Hof des Emir von Afghanistan ging auch den deutschen Emissären auf, daß der angebliche indische Fürsten-Freund Pratap im Orient so gut wie unbekannt war und sein Begleiter, der Islam-Kenner Barkatullah, auf die strenggläubigen Moslems in Kabul wenig Eindruck machte. [...] Um so mehr Erfolg hatten Hentig und Niedermayer durch geschickte Gespräche und geduldiges Zuhören beim Hofstaat. Besonders der Kanzler des Reiches, Nasruhllah, ein Bruder des Emir, und des Emir drittältester Sohn, der damals 23jährige Amanullah, fanden an den Deutschen und ihren Berichten viel Geschmack und brachten sie mit antibritisch eingestellten afghanischen Nationalisten zusammen. Doch auch dem Emir konnten sie sich nützlich machen. Hentig hielt regelmäßig vor dem Thronrat Vorträge über die Weltlage und machte die Afghanen mit dem Völkerrecht bekannt. Er empfahl eine weltliche Schulordnung und eine geregelte Ausbildung für das Militär. Artillerist Niedermayer brachte der Garde das Schießen und Treffen mit Kruppschen Kanonen auf nicht einsehbare Ziele bei, die deutsche Delegation gab in Kabul eine Zeitung heraus, die über die Kriegslage informierte. Nur Prinz Pratap war mehr mit seinem eigenen Vorteil beschäftigt. Der indische Revolutionär ließ sich auf Kosten der Reisekasse im Basar massive Goldplatten anfertigen, auf denen er Botschaften an den König von England und den russischen Zaren verschickte – von ‚Souverän zu Souverän‘. Für das von ihm noch zu befreiende Indien entwarf er als erstes eine neue Nationalfahne und eine Kaiserstandarte.
Doch mehr und mehr setzte sich bei allen Expeditions-Teilnehmern die Überzeugung durch, daß die politische Mission gescheitert war. Zudem kühlte das Verhältnis des Emir zu seinen ungebetenen Gästen merklich ab, nachdem bekannt wurde, daß ein Transport aus Indien mit 200 Millionen Rupien in Gold und Silber unterwegs war. Ende Mai 1916 ging die Berliner Orient-Expedition auf Heimatkurs -auf getrennten Wegen. Oskar Niedermayer wollte sich durch das russisch bewachte Turkestan nach Persien durchschlagen, der Haupttrupp unter Wagner über das persische Sistan nach Teheran marschieren, Hentig wählte einen Weg, den noch kein Europäer gegangen war: Er wollte versuchen, über das bis zu 5500 Meter hohe Hochland von Pamir nach China vorzustoßen. Auch dieser Gewaltmarsch auf den Trampelpfaden der Opiumschmuggler durch Eis und Geröll glückte, aber Hentig, der auch noch die Wüste Gobi und halb China zu Pferd durchquerte, kam über die USA erst ein Jahr später nach Deutschland zurück. Dort galt er als verschollen, den Ruhm dieser wohl einmaligen Reise in diplomatischer Mission versuchte der Widersacher Niedermayer zu ernten. Bis auf den heutigen Tag hat der inzwischen 93 Jahre alte Pensionär, der in Seibersbach im Hunsrück lebt, viel Zeit und Aufwand damit verbracht, die umstrittene Frage der Kommando-Gewalt zwischen ihm und Niedermayer zu klären. Höchstes Lob bekam Hentig aus berufenem Munde. Sven Hedin, der weltberühmte Forscher, nannte den 22 000 Kilometer langen Weg ‚die schwierigste Reise um die Welt‘. Selbst der britische General Dickson, der die Deutschen an der persischen Ostgrenze abfangen sollte, konnte ‚der Tätigkeit dieser Leute, der Tollkühnheit, die viele von ihnen zeigten, nur Bewunderung zollen‘. Oskar Niedermayer wurde bayrischer Hauptmann, bekam den militärischen ‚Max-Josef-Orden‘ verliehen und durfte sich seither Oskar Ritter von Niedermayer nennen. Der indische Prinz Pratap fuhr nach der russischen Revolution nach Moskau und kehrte im Frühjahr 1918 noch einmal nach Deutschland zurück, um dem deutschen Kaiser eine im Ton höfliche, in der Sache aber nichtssagende Antwort des Emir zu überreichen.“[4]

Chronologie der Expedition

Drei Mitglieder der deutschen Militärmission außerhalb Kabul 1915; v. l. n. r.: Leutnant Günther Voigt, Oberleutnant Oskar Niedermayer und Kapitänleutnant d. R. Kurt Wagner, im Hintergrund aufgesessen, Leiter der diplomatischen Mission Leutnant Dr. Werner-Otto von Hentig. Er schrieb später in sein Tagebuch über den beschwerlichen Marsch nach Kabul: „Wie Schnee knirscht der Salzboden“. Die Füße brachen immer wieder durch die dünne Scholle. Das Salz, „es dringt in die Haut, verkrustet leise Hände und Gesicht und bildet unter den Wirkungen der Tagessonne blutige Wunden an den Lippen“.[5]
  • 15.09.1914 mit Gehalt beurlaubt: durch Verfügung des Kgl. Bayer. Kriegsministeriums der OHL und dem Auswärtigen Amt für Ausland-Expedition (Führer der Afghanen-Expedition) zur Verfügung gestellt: Start einer Geheimmission des Auswärtigen Amtes zum subversiven Versuch, das Britannien als Protektorat verbundene Afghanistan zu einem Frontwechsel zu bewegen. Emir Habibullah sollte seine wilden paschtunischen Reiterstämme in Britisch-Indien einfallen lassen
  • 13.12.1914 Eintreffen in Aleppo (Syrien), stößt mit dem Rest des Expeditionsgepäcks zu den anderen Teilnehmern. Die Afghanistan-Expedition (37 Mann, 79 Tiere) muß ohne klaren Befehl 11.000 km vom Osmanischen Reich aus zu Pferd zurücklegen, britischen Kamelreitern aus Belutschistan an den Grenzstellen ausweichend. Dazu gehört der später im Kampf gegen die Briten äußerst erfolgreiche Konsul Wilhelm Waßmuß, ein Vertreter der Firma Mannesmann, ein Kunstmaler, der Bruder Niedermayers, Dr. Fritz Niedermayer, als Expeditionsarzt, und nur wenige Berufsmilitärs. Weiterhin entsendet das Auswärtige Amt zugleich eine zweite Expedition unter dem Legationssekretär (und Kürassier-Leutnant) Dr. jur. Werner-Otto von Hentig, deren Zielsetzung nicht eindeutig von der Niedermayer-Expedition abgegrenzt war.
  • 3.4.1915 Überschreiten der türkisch-persischen Grenze
  • 19./20.8.1915 Durchbrechen der britischen Sperren bei Birsched und Vordringen bis nach Hierat in Nordwestafghanistan
  • 26.9.1915 Ankunft in Kabul; dort in einer abgeschotteten Oase, Baburs Garten, einquartiert
  • Ende 10.1915: Erst jetzt Empfang der Berliner Delegation durch den Emir in seinem Sommersitz im Bergnest Paghman, 20 km vor Kabul. Das Angebot von Wilhelm II. (Bündnisvertrag zur gemeinsamen Kriegsführung) scheitert trotz vieler zäher Gespräche mit Emir Habibullah und dessen Bruder Nasrullah Chan am dortigen Willen zu Neutralität
  • 28.12.1915 Dem Stab des Chefs des Generalstabes des Feldheers z. b. V. im Orient zugeteilt (Stab Colmar von der Goltz)
  • 21.5.1916 Kabul muß verlassen werden, die Expedition Hentigs schließt sich Niedermayer an und man tritt gemeinsam den Rückmarsch an.
„Nachdem die Kämpfe an der türkischen Mesopotamienfront sich immer kritischer gestalten und andererseits der Druck des britischen Vizekönigs auf den Emir zugenommen hatte, weigert sich Habibullah in den Krieg gegen England einzusteigen, sofern nicht eindeutig andere Voraussetzungen geschaffen werden können. Man teilt sich jedoch, wobei von Hentig den Marsch über das Hochland von Pamir, durch China und danach per Umweg über die VSA nach Berlin schafft. Niedermayer hingegen wählt den Weg durch Russisch-Turkestan, die Karakorum-Wüste und Nordpersien. Er erreicht die Etappenstadt Kirmanschah an der großen Straße Teheran-Bagdad, wo er sich beim türkischen Befehlshaber meldet und freundlich dort begrüßt wird.“
  • August 1916 in Westpersien bei dem Rückzug in die Türkei am Kopf und linken Arm verwundet
  • 1.9.1916 Eintreffen im türkischen Hauptquartier in Kermanshah, Offizier z. b. V. beim Kommando der Heeresgruppe F in Yilderim
  • 28.12.1916 bis 15.1.1917 z. V. (zur Verfügung), dem Stab des deutschen Generalfeldmarschalls der Osmanischen Armee Freiherr Colmar von der Goltz-Pascha in Kermanshah zugeteilt

Zwischenkriegszeit

Am Ende des Krieges wurde von Niedermayer beurlaubt und hatte so Gelegenheit an der Universität München zwei weitere Semester Philologie und Geographie zu studieren. Er promovierte zum Dr. phil. summa cum laude. In dieser Zeit (ab 29. April 1919) war er jedoch auch Leiter der Werbeabteilungen des Freikorps „von Epp“, welches die Münchner Räterepublik bekämpfte. Am 12. Dezember des gleichen Jahres wurde Niedermayer wieder in die Vorläufige Reichswehr aufgenommen. Er diente zunächst in der Kraftfahrabteilung 23 und wurde schließlich Adjutant im Ministerium des Reichswehrministers Otto Geßler (1875-1955).

Am 23. Dezember 1921 schied Niedermayer offiziell aus der Reichswehr aus, jedoch nur, um danach inoffiziell für sie („Schwarze Reichswehr“) in der Sowjetunion tätig zu sein. Bis 1932 arbeitete er im Büro der Reichswehr in Moskau. Danach kehrte er nach Deutschland zurück und trat der Reichswehr (2. Preußisches Artillerie-Regiment) offiziell wieder bei. Doch schon am 29. Januar 1933 schied er als Oberstleutnant erneut aus dem aktiven Dienst aus, um sich einer akademischen Karriere zu widmen. Im selben ah wurde er Mitglied der NSDAP.

Am 31. Juli 1933 habilitierte er sich mit einer Arbeit über „Wachstum und Wanderung im russischen Volkskörper“ und trat eine Stelle als Privatdozent für „Wehrgeographie“ und „Wehrpolitik“ an der Universität Berlin an. Vier Jahre später, am 27. Juli 1937 übernahm Niedermayer auf ausdrücklichen Wunsch Hitlers die Leitung des „Instituts für allgemeine Wehrlehre“ an der Berliner Universität. 1939 wurde er auch in den Beirat der „Forschungsabteilung Judenfrage“ im „Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschland“ berufen.

Zwischenzeitlich war er am 1. November 1935 als Ergänzungsoffizier in die neu gebildete Wehrmacht eingetreten, doch als er am 1. Oktober 1939 ein planmäßiges Ordinariat erhielt, gab er seine Planstelle als Oberst im Oberkommando der Wehrmacht (OKW) wieder auf.

Zweiter Weltkrieg

Nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges (1939-1945) ersuchte von Niedermayer um eine Verwendung in der Wehrmacht, entweder an der Front oder mit einer Beteiligung seines Institutes an der Verwaltung des besetzten Polens. Da die Wehrmachtführung darauf nicht reagierte, bat er einige befreundete Generäle um Fürsprache. Dennoch lehnte das Oberkommando des Heeres sein Ersuchen am 20. Februar 1941 erneut ab. Daraufhin wandte sich von Niedermayer am 25. Mai 1941 noch einmal persönlich an Wilhelm Keitel (1882-1946), den Chef des OKW. Zwar hatte er Gelegenheit an einigen Lehrgängen teilzunehmen, doch erst am 30. Mai 1942 wurde Niedermayer mit der Führung der 162. (Turk)-Infanteriedivision beauftragt. Dabei handelte es sich nicht um eine reguläre Division, sondern lediglich um einen Stab, der dazu vorgesehen war, im Hinterland der Heeresgruppe Süd in der Ukraine aus nicht-russischen (kaukasischen, turkestanischen, georgischen, armenischen) Kriegsgefangenen Truppen gegen die UdSSR zu formieren. Diese Aufgabe war ihm übertragen worden, weil er sich in den vorangegangenen Jahren mit vielen Artikeln und Denkschriften als Kenner der Geographie und der Völker jener Regionen profiliert hatte.

Die Division lag zunächst in der Ukraine, dort sorgte sie für die Ausbildung der so genannten „Ostlegionen“. Im Februar 1943 verlegte man sie jedoch nach Neuhammer im Deutschen Reich. Dort wurde sie vom Frühjahr bis zum Herbst 1943 in eine reguläre Felddivision umgegliedert, bestand jedoch nach wie vor aus kaukasischen, georgischen und turkotartarischen Soldaten. Als Kommandeur dieser Division wurde von Niedermayer im Kampf gegen Partisanen auf dem Balkan eingesetzt. Im März 1944 erfolgte die Verlegung nach Italien, um dort den alliierten Vormarsch aufzuhalten. Im Rahmen der 10. Armee kam die Division am 9. Juni 1944 zum ersten größeren Einsatz, bei dem sie sich nicht bewährte. Doch Niedermayer war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Kommandeur der Einheit. Er war bereits am 21. Mai 1944 auf Verlangen des Feldmarschalls Albert Kesselring abgelöst worden. Kesselring hatte einige Wochen zuvor in einer Beurteilung über Niedermayer geschrieben:

„Die allgemeine Bildung steht über dem Durchschnitt … Er ist jedoch mehr Gelehrtennatur als Truppenkörper. In der Entschlußfassung zu zögernd und in der Befehlsführung zu langsam.“

Von Niedermayer wurde zum „Kommando der Freiwilligenverbände beim Oberbefehlshaber West“ versetzt. Seine Tätigkeit dort ist nicht näher bekannt. Doch im August 1944 äußerte er sich abfällig über Hitlers Ostpolitik. Zwei Offiziere seines Stabes meldeten ihn daraufhin, was zu Niedermayers Verhaftung und zu einer Anklage wegen Wehrkraftzersetzung und Defätismus führte. Der Fall wurde vor dem Reichskriegsgericht in Torgau verhandelt. Zahlreiche Freunde schrieben Eingaben, u.a. an Heinrich Himmler und erinnerten an von Niedermayers Verdienste. Diese Eingaben erreichten jedoch nichts und Niedermayer wurde erst durch VS-amerikanische Verbände aus dem Gefängnis in Torgau befreit. Er kehrte nach der Kapitulation am 9. Mai 1945 in seine Heimatstadt Regensburg zurück, wurde jedoch in Karlsbad von den Sowjets verhaftet und in ein Moskauer Gefängnis gebracht. Dort erkrankte er an Tuberkulose.

Tod

In einem „Prozeß“ wurde Niedermayer zu 25 Jahren Haft verurteilt, die er in der Strafanstalt Wladimir (östlich von Moskau), einem Gulag für Zwangsarbeiter verbüßen sollte. Doch schon nach wenigen Tagen verstarb er am 25. September 1948 im Krankenhaus des Gefängnisses. Der Offizier und Geopolitiker hinterließ Gattin Clara Maximiliane (ggf. Maxine) Josepha, geb. Siebert, mit der er seit dem 24. November 1922 verheiratet war.

Über letzte Lebenszeichen berichteten Mitgefangene wie der Rundfunkmoderator Hans Fritsche und der Gesandte Dr. Fritz Grobba. Moskau rehabilitierte ihn vierzig Jahre später.

Auszeichnungen (Auszug)

Beförderungen (mit Wirkung vom)

Werke

  • Meine Rückkehr aus Afghanistan, München 1918.
  • Die Binnenbecken des Iranischen Hochlandes, München 1920. (PDF-Datei)
  • Afghanistan, Leipzig 1924.
  • Unter der Glutsonne Irans - Kriegserlebnisse der deutschen Expedition nach Persien und Afghanistan, Dachau 1925.
  • Im Weltkrieg vor Indiens Toren – Der Wüstenzug der deutschen Expedition nach Persien und Afghanistan
  • Wehrgeographische Betrachtung der Sowjetunion, Berlin 1933.
  • Sowjet-Rußland – Eine geopolitische Problemstellung, Berlin 1934.
  • Wehrpolitik – Eine Einführung und Begriffsbestimmung, Leipzig 1939.
  • Wehrgeographischer Atlas von Frankreich, Berlin 1939.
  • Krieg in Irans Wüsten, Hamburg 1940.
  • Soldatentum und Wissenschaft, Hamburg 1940.
  • Wehrgeographie am Beispiel Sowjetrußlands, Berlin 1940.
  • Wehrgeographischer Atlas von Großbritannien, Berlin 1940.
  • Krieg und Wissenschaft, in: Das Reich 21/ 1941.
  • Wehrgeographischer Atlas der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Berlin 1941.
  • Wehrgeographie, Berlin 1942

Siehe auch

Literatur

  • Hans Lührs: Gegenspieler des Obersten Lawrence, Vorhut-Verlag (1936)
  • Franz W. Seidler: Oskar von Niedermayer im Zweiten Weltkrieg. Ein Beitrag zur Geschichte der Ostlegionen , in: Wehrwissenschaftliche Rundschau, Jg. 20, 1970, S. 168-174.
  • Renate Vogel: Die Persien- und Afghanistanexpedition Oskar Ritter von Niedermayers 1915/16, Biblio-Verlag, 1976.
  • Christopher Jahr: Hitlers militärische Elite, Band 1, 1998
  • Hans-Ulrich Seidt: Berlin, Kabul, Moskau. Oskar Ritter von Niedermayer und Deutschlands Geopolitik, Universitas (2002), ISBN 978-3800414383
  • Sean McMeekin: The Berlin-Baghdad Express: The Ottoman Empire and Germany's Bid for World Power, 1898–1918, Harvard University Press (2010)
  • Rudolf A. Mark: Krieg an fernen Fronten. Die Deutschen in Zentralasien und am Hindukusch 1914-1924, Verlag Ferdinand Schöningh GmbH (2013), ISBN 978-3506777881

Verweise

Fußnoten

  1. Prinzessin Therese Charlotte Marianne Auguste von Bayern (1850–1925), die einzige Tochter des Prinzregenten Luitpold von Bayern, ermöglichte diese Reise mit einem Stipendium. Sie selbst war Ethnologin, Zoologin und Botanikern sowie Reiseschriftstellerin, daneben engagierte sich sozial-karitativ.
  2. Teilnehmer der diplomatischen Mission „ins verschlossene Land“, 1914–1918
  3. Als Kaiser Wilhelm II. in Afghanistan Krieg führen wollte
  4. Die Deutschen und Afghanistan: Geheime Kommando-Unternehmen und Militärhilfe, in: DER SPIEGEL 6/1980
  5. Gesponserte Gotteskrieger – Der deutsche Dschihad
  6. Im Jahr 1919 teilte das Ministerium für Militärische Angelegenheiten der Republik Bayern offiziell mit, daß Oskar Ritter von Niedermayer mit Wirkung vom 5. September 1916 Mitglied des königlich bayerischen Militär-Max-Joseph-Ordens ist. Im selben Jahr promovierte er an der Universität München bei Erich von Drygalski mit der Dissertation „Die Binnenbecken des iranischen Hochlandes“ zum Dr. phil.