Raeder, Erich

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Großadmiral Dr. phil. h. c. Erich Raeder

Erich Albert Hans Raeder (Lebensrune.png 24. April 1876 in Wandsbek, Preußische Provinz Schleswig-Holstein; Todesrune.png 6. November 1960 in Kiel) war ein deutscher Marineoffizier (seit 1939 Großadmiral) und von 1928 bis 1943 unter dem Titel Chef der Marineleitung Oberbefehlshaber der Reichsmarine bzw. Oberbefehlshaber der Kriegsmarine. Raeder war im Nürnberger Tribunal angeklagt und wurde in drei von drei Anklagepunkten schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt, aus der er jedoch 1955 entlassen wurde.

Erich Raeder

Leben

Heiratsurkunde der Eltern 1875
Geburtsurkunde
Vizeadmiral Franz von Hipper, der Befehlshaber der Aufklärungsschiffe in der Skagerrak-Schlacht, im Sommer 1916 mit seinem Stab auf der SMS „Westfalen“; Von links: Kapitänleutnant Friedrich Brutzer, Korvettenkapitän Erich Raeder, Marine-General-Oberarzt Hagenah, Vizeadmiral von Hipper, Korvettenkapitän Gottfried Hansen, ein unbekannter Leutnant zur See und Kapitänleutnant Oskar von der Lühe.
Erich Raeder, Seitenansicht.jpg

Erich Raeder wurde am 24. April 1876 in der damals selbständigen Stadt Wandsbek als Sohn eines Gymnasialdirektors geboren. Er kannte als echtes Kind der Waterkant nur eine Sehnsucht: die Seefahrt. Nach dem Besuch eines Realgymnasiums in Grünberg in Schlesien legte er 1894 das Abitur ab.

Kaiserliche Marine

Seinem stürmischen Drängen gaben die Eltern nach, und er wurde am 16. April 1894 Kadett der Kaiserlichen Marine und fuhr nach Beendigung der Grundausbildung auf dem Schulschiff „Stosch“ und anschließend auf der „Gneisenau“.

Am 25. Oktober 1897 wurde er, nachdem er die Seeoffiziersprüfung mit Auszeichnung bestanden hatte, zum Unterleutnant zur See ernannt. Im Jahre 1900 wurde Raeder zum Oberleutnant befördert, nachdem er als Signaloffizier auf verschiedenen Panzerkreuzern eingesetzt war. Es schlossen sich verschiedene Land- und Bordkommandos sowie ein Aufenthalt an der Marineakademie an, und im März 1905 wurde Raeder zum Kapitänleutnant ernannt.

Im April 1906 wurde er als Referent zum Nachrichtenbüro des Reichsmarineamtes versetzt, und zwei Jahre später kam Raeder als Navigationsoffizier an Bord des Kreuzers „Yorck“. Ebenfalls als Navigationsoffizier war er dann von 1910 bis 1912 auf der kaiserlichen Yacht „Hohenzollern“ eingesetzt. Im Zuge dieses Kommandos wurde er im April 1911 zum Korvettenkapitän befördert. Seit dieser Zeit auf der Hohenzollern hegte Raeder eine persönliche Sympathie für Wilhelm II.

Nach Ende des Kommandos auf der Hohenzollern folgte die Ernennung zum Ersten Admiralstabsoffizier beim Befehlshaber der Aufklärungsstreitkräfte.

Erster Weltkrieg

Erich Raeder, stehend.jpg

Auf diesem Posten nahm Raeder nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges an den Seeschlachten auf der Doggerbank und vor dem Skagerrak teil. Im April 1917 wurde er zum Fregattenkapitän ernannt und seine Dienststelle wurde in Chef des Stabes beim Befehlshaber der Aufklärungsstreitkräfte (B.d.A.) umbenannt. Raeder behielt diesen Posten als Erster Admiralstabsoffizier (Ia) unter Franz Ritter von Hipper bis Anfang 1918, als er das Kommando über den Kreuzer „Cöln“ erhielt, mit dem er allerdings an keiner Gefechtshandlung mehr teilnahm.

Hitler auf dem Königlichen Platz in München, hinter ihm Blutfahnenträger Jakob Grimminger. Unten in der ersten Reihe Hermann Göring, Erich Raeder und Alfred Rosenberg.
Winterfest der Skagerrak-Gesellschaft Berlin; von links: Admiral a. D. Emil Heusinger von Waldegg, Vizeadmiral a. D. Adolf von Trotha und Admiral/Generaladmiral Erich Raeder, zwischen Ende 1935 und Winter 1938.
Großadmiral Raeder beim Führergeburtstag 1939

Zwischenkriegszeit

Großadmiral Raeder von Wolfgang Willrich

Bereits im Oktober 1918 wurde er durch die Ernennung zum Chef der Zentralabteilung des Reichsmarineamtes wieder an den Schreibtisch beordert. Diese Stellung bekleidete er über die Zeit des Zusammenbruchs und der Gründung der Weimarer Republik hindurch bis zum Kapp-Putsch. Während dieser Zeit verfaßte er im Rahmen des amtlichen Werkes über den Seekrieg 1914–1918 zwei Bände über den Kreuzerkrieg. Außerdem studierte er Nationalökonomie, Verwaltungsrecht, Staatswissenschaften und Wirtschaftsgeschichte.

Im Jahre 1922 wurde Raeder mit der Ernennung zum Inspekteur des Bildungswesens der Marine in das politische Zentrum der Marineleitung zurückversetzt und gleichzeitig zum Konteradmiral befördert. Im Herbst 1924 trat er dann den Posten des Befehlshabers der leichten Seestreitkräfte der Nordsee an. Bereits im Januar 1925 wurde Raeder zum Vizeadmiral befördert und zum Chef der Marinestation der Ostsee ernannt. Seine Arbeit als Marinegeschichtsschreiber fand auch wissenschaftliche Anerkennung, die sich am 31. Mai 1926 in der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Philosophischen Fakultät der Kieler Universität äußerte.

Nachdem der Bau der ersten Panzerschiffe nach erbittertem politischen Tauziehen gesichert worden war, legte er am 15. November 1932 einen sogenannten „Umbauplan“ vor. Dieser sah eine umfangreiche Erweiterung der Seestreitkräfte über die im sogenannten Versailler Vertrag zugestandenen Einheiten hinaus vor. Man erwartete endlich entweder die Gleichberechtigung Deutschlands auf der Genfer Abrüstungskonferenz oder anderenfalls die einseitige Kündigung des sogenannten Versailler Vertrages. Daher wurden auch schon Planungen für wesentlich größere Kampfschiffe in die Wege geleitet.

Raeder ordnete sich (und damit die Marine) ohne Einschränkungen Hitler unter, und er blickte mit Stolz darauf zurück, daß es ihm gelungen war,

... im Jahre 1933 die Marine geschlossen und reibungslos dem Führer in das Dritte Reich zuzuführen. Das war dadurch zwanglos gegeben, daß die gesamte Erziehung der Marine in der Systemzeit [...] auf eine innere Haltung hinzielte, die von selbst eine wahrhaft nationalsozialistische Haltung ergab. Aus diesem Grunde hatten wir uns nicht zu verändern, sondern konnten von vornherein aufrichtigen Herzens wahre Anhänger des Führers werden.[1]

Nach der Machtübernahme Hitlers setzte Raeder alles daran, diesen von der Notwendigkeit des Aufbaus und der Unterhaltung einer schlagkräftigen Marine zu überzeugen. Hitler hatte zuvor in „Mein Kampf“ sowie in zahlreichen Reden und Artikeln einen Verzicht auf Seerüstung eingefordert. Diese sei für die Feindschaft Großbritanniens im Ersten Weltkrieg verantwortlich gewesen – das Inselreich nahm in Hitlers Ansichten aber den Platz eines Verbündeten ein.

Mit dem Hinweis auf die französische Marine schien es Raeder in einer Unterredung im März 1933 gelungen zu sein, Hitlers Zustimmung zum Ausbau der Marine zu erhalten. Dabei benutzte Raeder den Gedanken der „Bündnisfähigkeit“, mit dem schon die Tirpitz’schen Flottengesetze begründet worden waren. Sowohl quantitativ als auch qualitativ fielen die letzten offiziellen Beschränkungen, als Deutschland im Oktober 1933 die Abrüstungskonferenz und den Völkerbund verließ.

Anläßlich einer Gedenkfeier für Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff in den ersten Jahren des Dritten Reiches erklärte Raeder:

„Das deutsche Volk hat den aus dem Geiste des deutschen Frontsoldaten geborenen Nationalsozialismus zu seiner Weltanschauung gemacht und folgt den Symbolen seiner Wiedergeburt mit ebenso heißer Liebe wie fanatischer Leidenschaft. Es hat den Nationalsozialismus erlebt und nicht, wie so viele hilflose Kritiker draußen glauben, erlitten. Darum die klare und schonungslose Kampfansage an den Bolschewismus und an das internationale Judentum, deren völkervernichtendes Treiben wir zur Genüge am eigenen Volkskörper zu spüren bekommen haben.“[2]

Eine Teilnahme an den internationalen Flottenkonferenzen – die nächste war für 1936 anberaumt – lehnte Raeder ab, da er die erneute vertragliche Festlegung einer Obergrenze verhindern wollte. Auch die Anbahnung des deutsch-britischen Flottenabkommens ab 1934 bereitete er mit gemischten Gefühlen vor, denn das letztendlich vereinbarte Verhältnis von 35:100 zur britischen Flotte hielt er für viel zu niedrig angesetzt. Da das Abkommen aber endlich den Bau von deutschen Großkampfschiffen gestattete, gab Raeder sich zunächst mit den Umständen zufrieden und förderte den Bau der ersten Schlachtschiffe und des ersten Flugzeugträgers.

Im Zuge der Neuordnung der Wehrmacht wurde Raeders Posten im Jahre 1935 in Oberbefehlshaber der Kriegsmarine umbenannt. Am 20. April 1936 erfolgte seine Ernennung zum Generaladmiral.

Im Herbst 1938 erarbeitete die Marineführung erstmals ein Konzept für den Aufbau einer Seestreitmacht, das auch eine mögliche Feindschaft Großbritanniens berücksichtigte. Raeders Beschäftigung mit dem Kreuzerkrieg machte sich hierbei insofern bemerkbar, als daß ein weltweiter ozeanischer Handelskrieg mit kreuzerartigen Einheiten als Kern der Strategie vorgesehen war. Der als „Z-Plan“ bekanntgewordene Rüstungsplan wandte sich gegen die Idee einer relativ schnell zu erstellenden U-Boot-Flotte und sah statt dessen den Bau einer großen Anzahl von schweren Überwassereinheiten vor, von denen die Schlachtschiffe, welche die längste Bauzeit erforderten, die höchste Priorität erhielten. Die Konsequenz daraus war, daß die deutsche Marine bei Kriegsbeginn keinesfalls „fertig“ war. Raeder selbst notierte nach der britischen Kriegserklärung am 3. September 1939:

„Was die Kriegsmarine anbetrifft, so ist sie selbstverständlich im Herbst 1939 noch keineswegs für den großen Kampf mit England hinreichend gerüstet. Sie hat zwar in der kurzen Zeit seit 1935 (Flottenvertrag) eine gut ausgebildete, zweckmäßig aufgebaute U-Bootswaffe geschaffen, von der zur Zeit ca. 26 Boote atlantikfähig sind, die aber trotzdem noch viel zu schwach ist, um ihrerseits kriegsentscheidend zu wirken. Die Überwasserstreitkräfte aber sind noch so gering an Zahl und Stärke gegenüber der englischen Flotte, daß sie – vollen Einsatz vorausgesetzt – nur zeigen können, daß sie mit Anstand zu sterben verstehen und damit die Grundlage für einen späteren Wiederaufbau zu schaffen gewillt sind.“[3]
Der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine Großadmiral Raeder ließ sich anläßlich eines Besuches in der UFA-Stadt den Film „U-Boote westwärts!“ vorführen. Neben Großadmiral Raeder der Produktionschef der UFA Otto Heinz Jahn und Produktionsleiter Ulrich Mohrbutter (1941).

Bereits am 1. April 1939 war Raeder von Hitler zum Großadmiral befördert worden.

Zweiter Weltkrieg

Erich Albert Hans Raeder im feierlichen Dienstanzug oder in der Paradeuniform[4][5] mit Großer Ordensschnalle und Großadmiralstab

Das Überwasserkonzept Raeders und anderer Offiziere war damit gescheitert, Erfolge erzielten vor allem die U-Boote. Trotzdem wurde auch mit Überwasserschiffen zunächst die Linie des Handelskrieges weiterverfolgt. Nachdem auf Initiative Raeders im April 1940 die Invasion Norwegens erfolgte (Unternehmen „Weserübung“), standen hierfür geringfügig bessere Ausgangspositionen zur Verfügung.

Dennoch führte der angekündigte „volle Einsatz“ der wenigen vorhandenen Einheiten zu hohen Verlusten an Menschen und Material (Panzerschiff „Admiral Graf Spee“ 1939, Schwerer Kreuzer „Blücher“ 1940, Schlachtschiff „Bismarck“ 1941) bei mäßigen Erfolgen, was bei Hitler zu immer größeren Zweifeln an der Existenzberechtigung der größeren Überwasserschiffe führte. Als am Jahresende 1942 ein Vorstoß des Panzerschiffes „Lützow“ und des Schweren Kreuzers „Admiral Hipper“ im Verband mit sechs Zerstörern kläglich scheiterte, wurde Hitler klar, daß dieses Konzept keine Zukunft hatte. Er warf der Marine Feigheit in ihrem Vorgehen vor und kündigte die Außerdienststellung und Verschrottung der Überwasserschiffe an.

Raeder, der damit nicht nur das Scheitern seines Lebenswerkes erkennen mußte, sondern sich auch in seiner Ehre gekränkt fühlte, bat Hitler daraufhin um seinen Abschied. Dieser erfolgte am 30. Januar 1943. Raeder bekam vorher noch Gelegenheit, seine Positionen in einer Denkschrift zu verteidigen. Sein Nachfolger Karl Dönitz schaffte es, Hitler davon zu überzeugen, die großen Überwasserschiffe in Ausbildungseinheiten zu behalten und so vor der von Hitler schon befohlenen Verschrottung zu retten. Der Raeder zuvor verliehene Titel eines „Admiralinspekteurs“ war in der Marinehierarchie bis dahin eigentlich nicht vorgesehen.

Nachkriegszeit

Taufe des neuen Übungskutters des Marinevereins Lippstadt (Westfalen) auf den Namen Erich Raeders, April 1954; Gemahlin Erika Raeder vertrat ihren Gatten, der noch inhaftiert war.
Erich Raeder, 81 (M.), Großadmiral, ehemaliger Oberbefehlshaber der deutschen Kriegsmarine (1935 bis 1943), und sein Amtsnachfolger (bis Kriegsende) Großadmiral Karl Dönitz, 65 (l.), wohnten in der Wilhelmshavener Christuskirche der Einweihung des Marine-Ehrenmal bei. Beim Verlassen der Christuskirche, vor der die Marinejugend Wilhelmshaven Spalier bildete, wurde Dr. h. c. Raeder von seiner Ehefrau Erika Raeder, 71, gestützt.
Großadmiral a. D. Raeder bei seiner Begrüßungsansprache auf einem Treffen der ehemaligen Befehlshaber der Marine-Aufklärungsstreitkräfte des Ersten Weltkrieges in Hamburg im August 1958

Nürnberger Tribunal

Raeder wurde nach Kriegsende verhaftet und vor das Terrortribunal von Nürnberg gestellt und von Dr. Walter Siemers verteidigt.

Das vollständige Schlußwort vor dem Nürnberger Tribunal:[6]

„Der Prozeß hat am Schlusse der Beweisaufnahme ein für Deutschland segensreiches, für die Anklage aber unerwartetes Ergebnis gehabt: Durch einwandfreie Zeugenaussagen ist das deutsche Volk – und damit auch alle mit mir in gleicher Lage befindlichen Personen – von dem schwersten Vorwurf entlastet, um die Tötung von Millionen von Juden und anderen Menschen gewußt, wenn nicht gar daran mitgewirkt zu haben.
Der Versuch der Anklage, die durch frühere Vernehmungen die Wahrheit schon lange kannte und trotzdem ihre Beschuldigungen in den Trial-Briefen und bei den Kreuzverhören – mit dem erhobenen Finger des Moralpredigers – aufrechterhielt und immer wiederholte, dieser Versuch, das ganze deutsche Volk zu diffamieren, ist in sich zusammengebrochen.
Das zweite allgemeine, daher auch für mich wichtige Ergebnis des Prozesses ist die Tatsache, daß der deutschen Marine grundsätzlich ihre Sauberkeit und Kampfsittlichkeit auf Grund der Beweisaufnahme hat bestätigt werden müssen. Sie steht vor diesem Gericht und vor der Welt mit reinem Schild und unbefleckter Flagge da.
Die Versuche im Plädoyer Shawcross, den U-Bootkrieg auf eine Stufe mit Greueltaten zu stellen, können wir mit reinem Gewissen nachdrücklichst zurückweisen; denn sie sind nach den klaren Ergebnissen der Beweisaufnahme unhaltbar. Insbesondere ist der Vorwurf, daß die Marine ‚niemals die Absicht gehabt habe, die Seekriegsgesetze einzuhalten‘, Shawcross, Seite 70/71, völlig entkräftet; ebenso ist es erwiesen, daß die Seekriegsleitung und ihr Chef niemals ‚Verachtung für das Internationale Recht‘ gezeigt haben, Schlußrede Dubost, Seite CC 8, sondern vielmehr vom ersten bis zum letzten Augenblick ehrlich bestrebt gewesen ist, die moderne Seekriegführung mit den völkerrechtlichen und menschlichen Forderungen in Einklang zu bringen, – auf der gleichen Basis wie unsere Gegner.
Ich bedauere, daß die Anklage immer wieder versuchte, mich und die Marine zu diffamieren, wie schon die Überreichung eines zweiten, abgeänderten Trial-Briefs zeigte, der nur darin von der ersten Fassung abweicht, daß er die Zahl und Schärfe der beleidigenden Ausdrücke vermehrte. Diese Tatsache zeigt, daß die Anklage selbst fühlte, daß die sachlichen Anschuldigungen zu schwach waren. Ich bin aber auch der Überzeugung, daß die Britische und Amerikanische Anklage der eigenen Marine einen schlechten Dienst erwiesen hat, wenn sie den Gegner moralisch herabsetzte und als minderwertig hinstellte, gegen den die alliierten Seestreitkräfte einen jahrelangen, schweren und ehrenvollen Seekrieg führten. Ich bin überzeugt, daß die Admiralitäten der alliierten Länder mich verstehen und wissen, daß sie nicht gegen einen Verbrecher gekämpft haben.
Ich kann mir dieses Verhalten der Anklage nur damit erklären, daß ihre Vertreter, wie ich immer wieder feststellen mußte, nur sehr wenig Urteil über die Grundsätze wahren Soldatentums und soldatischer Führung erkennen ließen und daher kaum dazu berufen erscheinen, über Soldatenehre zu urteilen.
Ich fasse zusammen:
Ich habe als Soldat meine Pflicht getan, weil ich der Überzeugung war, dem deutschen Volk und Vaterland, für das ich gelebt habe und für das zu sterben ich jederzeit bereit bin, damit am besten zu dienen. Wenn ich mich irgendwie schuldig gemacht haben sollte, so höchstens in der Richtung, daß ich trotz meiner rein militärischen Stellung vielleicht nicht nur Soldat, sondern doch bis zu einem gewissen Grade auch Politiker hätte sein sollen, was mir aber nach meinem ganzen Werdegang und der Tradition der deutschen Wehrmacht widerstrebte. Dies wäre dann aber eine moralische Schuld gegenüber dem deutschen Volk und kann mich nie und nimmer zum Kriegsverbrecher stempeln; es wäre keine Schuld vor einem Strafgericht der Menschen, sondern eine Schuld vor Gott.“

Wunsch nach Erschießung

Nach der Urteilsverkündung bat er den Alliierten Kontrollrat darum, sein Urteil in Erschießung umzuwandeln. Er mußte jedoch eine Haftstrafe im „Kriegsverbrechergefängnis Spandau“ antreten.

Haftentlassung

Am 26. September 1955 wurde er aus gesundheitlichen Gründen aus der Haft entlassen. Zunächst wohnte er mit Frau und Tochter in Lippstadt, bevor er später nach Kiel zog. Dort verfaßte er unter dem Titel „Mein Leben“ seine Memoiren, in denen er die Vorgehensweise Adolf Hitlers verteidigte und seine eigene Rolle bei der Flottenrüstung erklärte.

„Jeder von uns alten Marineleuten, die unter der Führung der beiden Großadmirale Dienst getan haben, weiß, daß … kein Makel an der Person unserer ehemaligen Oberbefehlshaber ist. … Es hat sich für mich und alle meine Mitarbeiter in Bonn zuerst und ausschließlich die Frage erhoben, ob wir unsere Arbeit aufnehmen dürfen, solange unsere ehemaligen Oberbefehlshaber in Haft gehalten werden. Nur unter dem deutschen Gesichtspunkt der lebensnotwendigen Aufgabe der Verteidigung der gemeinsamen Freiheit kann man vertreten, daß wir uns über das Schicksal unserer alten Kameraden hinweggesetzt haben … In der Kenntnis des Charakters unserer alten Oberbefehlshaber, die immer die Pflichterfüllung und die Aufgabe vor die Person gestellt haben, war ich mir sicher, daß auch sie diese Haltung billigen würden. Ich habe die Freude gehabt, daß Großadmiral Raeder mir diese Einstellung nach seiner Freilassung bestätigt hat.“Karl-Adolf Zenker, Januar 1956[7]

Tod

Grabstätte

Großadmiral a. D. Dr. phil. h. c. Erich Albert Hans Raeder verstarb am 6. November 1960 in Kiel. Bei seiner feierlichen Beisetzung in Kiel hielt auf Wunsch des Inspekteurs der Bundesmarine Raeders Nachfolger als Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, der ehemalige Großadmiral Dönitz, die Grabrede.

Familie

Abstammung

Erich Albert Hans Raeder wurde als erster von drei Söhnen des Real- und Oberlehrers für Englisch und Französisch (später Geheimer Studienrat und Direktor eines Realgymnasiums) Dr. phil. Hans Friedrich „Fritz“ Eduard Raeder (in der Heiratsurkunde als Hans Eduard Fritz Raeder geführt) und seiner am 27. Juni 1875 in Berlin geehelichten Ehefrau Gertrud Wilhelmine Margarethe (in der Heiratsurkunde als Wilhelmine Margarethe Gertraud geführt), geb. Hartmann, in Wandsbek (bei Hamburg) geboren. Seine Eltern lebten 1903, im Jahr seiner ersten Ehe, schon in Grünberg/Schlesien.

Seine Großeltern waren der Schulvorsteher Johann Friedrich Wilhelm Raeder und die Wilhelmine „Minna“, geb. Kobow sowie der Berliner Kammermusikus Heinrich Albert Hartmann und die Caroline Sabine Auguste, geb. Bröckschall.[8] Seine lebenslange Liebe zur Musik hatte Raeder von seiner Mutter geerbt, sie wiederum von ihrem Vater.

Ehen

Erich Raeder war zweimal verheiratet und Vater von mindestens zwei Kindern.

Anna

Oberleutnant zur See Raeder ehelichte am 22. September 1903 seine Verlobte Anna Grytzell (Lebensrune.png 17. März 1881 in Wandsbek), die Tochter des Kaufmanns Carl Leonhard Leberecht Grytzell und Franziska Elisabeth Adelheid Marie, geb. Urich. Die Ehe der beiden wurde mit Wirkung zum 29. Juni 1920 durch das Urteil des Landgerichts I Berlin geschieden.

Anna Raeder, die den Namen ihres geschiedenen Mannes bis zuletzt führte, verstarb am 11. Dezember 1944 im Städtischen Krankenhaus in Frankfurt a. M.-Höchst an einer Herzlähmung. In das vom Feind belagerte Frankfurt machte der eintragende Beamte wohl einen Fehler, auf der Sterbeurkunde trug er den Vornamen „Anita“ statt „Anna“ ein. Es ist davon auszugehen, daß Tochter Anita der Behörde den Tod meldete und der Beamte die Namen verwechselte. Annas am 23. März 1881 ausgestellten Geburtsurkunde zeigt ausschließlich den Vornamen „Anna“ an.

Tochter Anita

Mit Anna hatte Raeder mindestens (manche Quellen geben drei Kinder an) Tochter Anita (Lebensrune.png 1905), die später den Kaufmann Eberhard Friedrich Diestel (Lebensrune.png 29. Mai 1893 in Hamburg; Todesrune.png 1972 ebenda) heiratete (zwei Kinder: Marion und Ursula). Ihr Schwiegervater war Arnold Friedrich Georg Diestel (1857–1924), Hamburger Senator und Bürgermeister, ihre Schwiegermutter Henriette Wilhelmine, geb. Hesikiel.

Anita war laut Passagierliste am 12. Juli 1924 auf dem Schiff „Rugia“ nach Puerto Barrios, Guatemala fahrend. Gut möglich, daß sie bei dieser Gelegenheit Eberhard traf, der selbst oft geschäftlich verreist war, so z. B. 1923 mit dem Schiff nach Neuyork.

Erika

Kapitän zur See in der Admiralität in Berlin Erich Raeder ehelichte am 15. September 1920 standesamtlich (Charlottenburg I; ebenfalls Eintrag der Ehe in den Akten der Berliner Garnisonskirche, ggf. wegen dem hohen militärischen Rang) und drei Tage später am 18. September 1920 in Hamburg die Erika Lucie Margarete Raeder, geb. Hindermann (Lebensrune.png 21. Januar 1888 in Berlin; 2. August 1959 in Kiel), die Tochter von Wilhelm Hindermann (Lebensrune.png 1845 in Herford; Todesrune.png 28. Oktober 1917) und Anna, geb. Krottke. Bei der Ehe waren ihre Eltern schon verstorben. Hochinteressant, da Erika schon drei Jahre vor der Ehe offiziell „Raeder“ hieß, ist ein handschriftlicher Eintrag oben rechts auf der am 25. September 1888 ausgestellten Geburtsurkunde der Erika Hindermann:

„Berlin, den 2. Oktober 1917; Durch Verfügung des Regierungspräsidium Potsdam vom 24. September 1917 ist die oben benannte Erika Lucie Margarete Hindermann die Führung des Namens ‚Raeder‘ zu gestatten.“

Ihr wurde auch des Führens des „Frauentitels“ (statt Fräulein) zugestanden. Wie es dazu kam, wird auf dem Dokument nicht erläutert. Eine Adoption durch die Raeders oder einer Familie Raeders erscheint unwahrscheinlich, da Erika schon 29 Jahre war und ihr Vater lebte zu diesem Zeitpunkt noch. Ggf. war Erika mit einem Raeder (ggf. Bruder oder Vetter Erichs, ggf. ein Berliner Raeder, so z. B. fiel Landsturmmann Gustav Raeder am 4. Mai 1916 in Frankreich) verlobt, möglicherweise fand sogar eine Kriegs- bzw. Ferntrauung statt, bevor jedoch die Ehe in der Heimat vollzogen werden konnte, blieb der Antraute vor dem Feind, und der Nachname wurde ihr erst auf Antrag 1917 zugebilligt.

Nicht auszuschließen wäre eine frühe Liebschaft zwischen Erich Raeder (der als Admiralstabsoffizier auch während des Krieges immer wieder in Berlin war) und Erika mit Schwangerschaft, und das uneheliche Kind der beiden sollte, mit Hilfestellung von Beziehungen an hohen Stellen, den Namen „Raeder“ erhalten (was auch die Scheidung nach dreijähriger Trennungszeit 1920 erklären würde), allerdings ergaben die Recherchen keinerlei Aufklärung.

Sohn Hans

Mit Erika bekam Raeder Sohn Hans (Lebensrune.png 25. Dezember 1921; Todesrune.png 17. Januar 1953 in Lippstadt an den Spätfolgen seiner Kriegsverwundungen). Andere Kinder sind möglich, aber nicht bekannt. Erich Raeder, aber auch Erika und andere hatten beantragt, daß der Großadmiral zur Beisetzung seines Sohnes für einen Tag aus der Haft entlassen werde, die Siegerjustiz lehnte jedoch ab.

Verschleppung und Anklage

Raeder und seine Frau Erika wurden von sowjetischen Truppen gefangen genommen und nach Moskau verschleppt. Insbesondere Erika mußte dort Schlimmes erleben. Raeder wurde im November 1945 nach Nürnberg gebracht und dort vor dem interalliierten Militär-Tribunal wegen angeblicher Vorbereitung des Krieges und angeblicher Kriegsverbrechen angeklagt. Der Rat der durch alliierte Terror-Bombardements völlig zerstörten Stadt Kiel hat kurz nach Kriegsende im Dezember 1945 nichts Wichtigeres zu tun, als Raeder die Ehrenbürgerschaft zu entziehen. Im Oktober 1946 wurde Großadmiral Raeder vor dem Siegertribunal schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt; er wurde in Spandau eingekerkert.

Erika Raeder, die vier Jahre in sowjetischen Konzentrationslagern in Weißrußland (Minsk) und der SBZ (Sachsenhausen) verbracht hatte, wurde im August 1949 endlich entlassen. Tochter Anita hatte sich immer wieder bei Konrad Adenauer für ihren Vater eingesetzt, der während des Nürnberger Tribunals besonders widrigen Haftbedingen ausgesetzt war. Ebenso zeigte sie sich in ihren Briefen an Adenauer stets sehr besorgt über das Schicksal der Stiefmutter Erika.

Im September 1955 wurde Raeder wegen seiner angegriffenen Gesundheit, um „keinen Martyrer zu schaffen“, aus der Haft entlassen. Im März 1956 nahm die Stadt Kiel die Entziehung der Ehrenbürgerschaft Dr. h. c. Raeders zurück, er war jedoch tief gekränkt und verzichtete im April 1956 endgültig darauf.

Bildergalerie (Urkunden der Familie)

Beförderungen

Auszeichnungen (Auszug)

Kaiserreich

Weimarer Republik

Drittes Reich

Siehe auch

Schriften (Auswahl)

  • Der Krieg zur See 1914/18
  • Der Kreuzerkrieg in den ausländischen Gewässern, 1922 (PDF-Dateien: Band 1, Band 2, Band 3)
  • Großadmiral Erich Raeder – Mein Leben. Oberbefehlshaber der deutschen Kriegsmarine 1935–1943, 2 Bände, Verlag S. Bublis, 1956/57, ISBN 978-3937820071

Literatur

Verweise

Fußnoten

  1. Ansprache vor Offizieren des OKM am 30. Januar 1943, veröffentlicht bei Michael Salewski, Von Raeder zu Dönitz. Der Wechsel im Oberbefehl der Kriegsmarine 1943, in: Ders., Die Deutschen und die See. Studien zur deutschen Marinegeschichte des 19. Und 20. Jahrhunderts Hrsg. von Jürgen Elvert und Stefan Lippert, Stuttgart 1998, Dok.8, S. 333
  2. Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 6, Köln, 20. Juni 1958
  3. Werner Rahn/Gerhard Schreiber (Hrsg.), Kriegstagebuch der Seekriegsleitung 1939-1945, Teil A, Bd.1: September 1939, Herford/Bonn 1988, Eintrag vom 3. September 1939
  4. Hier handelt es sich um den Dienstanzug oder Paradeanzug (ab 1939), darüber gab es nur noch die Große Uniform. Für gesellschaftliche Anlässe gab es den Marinefrack als Kleiner oder Großer Gesellschaftsanzug.
  5. Uniformen und Anzugsarten der Kriegsmarine
  6. Nürnberger Tribunal: Zweihundertsechzehnter Tag. Samstag, 31. August 1946
  7. „Leinen los“, Nr. 2, Bremen, Februar 1956, S. 228
  8. Abstammung nach Urkunden durch den Ahnenforscher Ph M belegt.