Deutschösterreich
Deutschösterreich oder auch Deutsch-Österreich war – nach dem Untergang des Ersten deutschen Reiches, der Niederlegung der Reichskrone und der Auflösung des Deutschen Bundes als Resultat des Deutschen Dualismus – die Bezeichnung sowohl für die deutschen Länder der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, als auch der offizielle Name Österreichs bis 21. Oktober 1919 (an diesem Tag in „Republik Österreich“ umbenannt).
Österreich wurde als Ostarrichi von den Baiern als Grenzmark gegründet; schon zur Zeit Karls des Großen existierte eine Mark gegen die Awaren.
Inhaltsverzeichnis
Namensgebung
Der Sozialdemokrat Karl Seitz, in den Gründungsjahren der Republik Staatsoberhaupt, erklärte nach seiner Kür: „Wir legen heute den Grundstein für ein neues Deutschösterreich. Dieses neue Deutschösterreich wird errichtet werden nach dem Willen des deutschen Volkes.“[1] Besonders die Sozialdemokraten und die Großdeutschen verbanden damals mit dem Begriff „Österreich“ die vergangene Habsburgermonarchie. Der spätere sozialdemokratische Bundeskanzler Karl Renner hatte daher in seinem im Gilbhart 1918 entstandenen, vor der Beschlußfassung mehrfach geänderten Entwurf zur provisorischen Verfassung den neuen Staat als „Südostdeutschland“ bezeichnet.[2] Auch Bezeichnungen wie „Hochdeutschland“, „Deutsches Bergreich“, „Donau-Germanien“, „Ostsass“, „Ostdeutscher Bund“, „Deutschmark“, „Teutheim“, „Treuland“, „Friedeland“ oder „Deutsches Friedland“ wurden als Namen des neuen Staates vorgeschlagen.[3] Schließlich setzten sich die christlichsozialen Vertreter durch, die den Österreichbegriff nicht völlig aufgeben wollten.
Am 12. November 1918 rief Franz Seraph Dinghofer als einer der drei Präsidenten der Provisorischen Nationalversammlung die Republik Deutschösterreich aus.
Geschichte
Als der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn 1918 zerbrach, wurden die deutschen Teile selbständig und gründeten die Republik Deutschösterreich. Die Nationalversammlung in Wien beschloß daraufhin in einem Gesetz vom 22. November 1918 als § 2: „Deutsch-Österreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik“ (Anmerkung: gemeint ist hiermit die Weimarer Republik), und Bundeskanzler Renner begründete diesen Beschluß mit der Aussage: „Wir sind ein Stamm und eine Schicksalsgemeinschaft.“.
Die Republik Deutschösterreich erklärte des weiteren, dem Deutschen Reich beizutreten, was jedoch im sogenannten Vertrag von Saint Germain verboten wurde. Ebenfalls wurde der Name „Republik Deutschösterreich“ untersagt. Fortan mußte sich dieser Staat Republik Österreich nennen. Die Beitrittsbestrebungen der Sudetendeutschen zu Deutschösterreich wurden am 4. März 1919 gewaltsam niedergeschlagen.[4] Im Volke blieb jedoch die Bezeichnung Deutschösterreich stets lebendig, um seine Zugehörigkeit zur deutschen Nation zu bekennen. 1945 wurde Deutschösterreich nach dem verlorenen Krieg von den Alliierten aus dem Staatsverband des Deutschen Reiches gerissen und als (2.) Republik Österreich wieder als eigener, wenngleich besetzter Staat gegründet.
Ab dem Beitritt Österreichs 1938 lautete die Bezeichnung Ostmark, ab 1942 dann Alpen- und Donau-Reichsgaue.
Gebietsansprüche Deutschösterreichs
Die Provisorische Nationalversammlung erhob Anspruch auf „die Gebietshoheit über das geschlossene Siedlungsgebiet der Deutschen innerhalb der im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder“. Die proklamierte Republik umfaßte 118.311 km² und 10,37 Mio. Einwohner, bestehend aus:
- Niederösterreich (und der südmährische Kreis Znaim)
- Oberösterreich (und das deutsche Südböhmen um Krumau)
- Steiermark (inklusive Marburg an der Drau, jedoch ohne die slowenische Untersteiermark)
- Kärnten (inklusive das mehrheitlich slowenisch besiedelte Südkärnten sowie das dreisprachige Kanaltal)
- Tirol (mit Südtirol, jedoch ohne Welschtirol)
- Vorarlberg
- Salzburg
- Deutschböhmen (mit der Stadt Eger und Karlsbad)
- Sudetenland (der deutsch besiedelte Nordrand von Böhmen und Mähren sowie Österreichisch-Schlesien)
- die „Einschlußgebiete“ Iglau, Olmütz und Brünn (Sprachinseln mehrheitlich deutscher Städte in tschechischem Gebiet)
Auf Deutsch-Westungarn (später Burgenland) wurde im Sinne des Selbstbestimmungsrechtes der Völker politisch, nicht aber rechtlich Anspruch erhoben. Der rechtliche Anspruch Österreichs entstand erst im Oktober 1919 mit dem Vertrag von Saint-Germain und wurde 1921 weitgehend eingelöst.
Entwicklung eines deutschen Staates
- Die Bezeichnung Ostarrichi für die römisch-deutsche Region „im Osten“ wurde erst 996 namentlich überliefert.
- Arnulf von Kärnten ( 8. Dezember 899 in Regensburg) aus dem Adelsgeschlecht der Karolinger war ab 887 König des Ostfrankenreiches und von 896 bis 899 römischer Kaiser.
- Ab 900 häuften sich die blutigen Einfälle der Magyaren ins Deutsche Reich, die die bayerischen Siedler vorerst zurückdrängten. 955 gelang es dem König des Ostfrankenreiches Otto I., dem späteren Kaiser, die Ungarn in der Schlacht auf dem Lechfeld bei Augsburg vernichtend zu schlagen und die Einfälle zu beenden.
- Von 976 bis 1156 lautete die Herrschaftsbezeichnung Markgrafschaft Österreich.
- 976 betraute Kaiser Otto II. das germanische Adelsgeschlecht der bayerischen Babenberger (bis 1246) mit der Verwaltung der Ostmark.
- Von 1156 bis 1453 lautete die Herrschaftsbezeichnung Herzogtum Österreich.
- Vom Herzogtum Bayern weitgehend unabhängiges Herzogtum, das annähernd das Gebiet des heutigen Bundeslandes Niederösterreich umfaßte;[5] die Ostmark wurde durch Kaiser Friedrich Barbarossa erbliches Herzogtum und Reichslehen mit Residenz in Wien. 1192 fiel das Herzogtum Steiermark (ebenfalls Reichslehen) durch kaiserliches Diktat an Österreich. Aus der kleinen, umkämpften Grenzmark wurde unter den Babenbergern ein kulturell und wirtschaftlich starkes Herzogtum.
- 1251 wurde gegen den Willen des Deutschen Reiches Ottokar II. (der zweite Sohn von König Wenzel I. von Böhmen und Kunigunde von Schwaben) Herzog von Österreich, ab 1261 Herzog der Steiermark und ab 1269 Herzog von Kärnten und Krain. Rudolf von Habsburg (ab 1273 römisch-deutscher König bzw. König in Germanien) machte Ottokar den Anspruch strittig und wurde dabei von den deutschen Kurfürsten unterstützt. In einer Reichsgerichtsverhandlung unterlag Ottokar, worauf Rudolf die Reichsacht gegen ihn verhängte. Er zwang ihn, 1276 auf alle Erhebungen zu verzichten und besiegte ihn vernichtend 1278 bei der Schlacht auf dem Marchfeld – Geburtsstunde des Hauses Habsburg.
- Von 1453 bis 1804/06 als Erzherzogtum Österreich
- Von 1804/06 bis 1866 dann Kaisertum Österreich (→ Deutscher Bund)
- Von 1867 bis 1918 k. u. k. bzw. Donaumonarchie
- Von 1918 bis 1919 Deutschösterreich
- Deutschösterreichische Volkswehr
- Von 1920 bis 1934 Republik Österreich
- Von 1934 bis 1938 Bundesstaat Österreich
- 1938 Beitritt Österreichs (als Ostmark) zum Deutschen Reich (nun als Altreich bezeichnet)
- Von 1938 bis 1945 Teil des Großdeutsches Reich (ab 1942 als Alpen- und Donau-Reichsgaue)
- Von 1945 bis 1955 Besatzungszone der Invasoren und Siegermächte nach dem Zweiten Weltkrieg
- Seit 1955 bekannt als Republik Österreich, de jure noch Teil des Deutschen Reiches
Deutschösterreich, du herrliches Land (Auszug)
- Deutsch-Österreich, du herrliches Land, wir lieben dich!
- Hoch von der Alm unterm Gletscherdom
- Stürzen die Wasser zum Donaustrom:
- Tränken im Hochland Hirten und Lämmer,
- Treiben am Absturz Mühlen und Hämmer,
- Grüßen viel Dörfer, viel Städte und ziehn
- Jauchzend zum Ziel, unserm einzigen Wien!
- Du herrliches Land, unser Heimatland,
- Wir lieben dich, wir schirmen dich.
Derzeitiger Status
Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist das Bewußtsein der Deutschösterreicher, Deutsche zu sein, stark geschrumpft. Manche aktuellen Umfragen zeigen auf, daß über 90 % der Deutschösterreicher sich inzwischen als einer „österreichischen Nation“ zugehörig fühlen und sich nicht mehr als Deutsche betrachten. Die Saat der Sieger von 1918 und 1945 ging auf. Dies führt sogar dazu, daß Geschichte nachträglich revidiert wird, weshalb einige Deutschösterreicher heute sogar davon ausgehen, daß dieses Österreichbewußtsein schon immer bestanden hätte – tatsächlich gibt es dies erst seit 1945.
Nach wie vor ist jedoch das derzeitige Österreich nach dem Beitritt Österreichs zum Reich Teil des gesamtdeutschen Reiches.
Heute werden die Begriffe Deutschösterreich und Deutschösterreicher von der Republik Österreich und den Österreichern nicht mehr benutzt. In nationalen Kreisen hält sich der Begriff jedoch bis heute um auszudrücken, daß Österreich deutsch ist und die Österreicher Deutsche sind.
Zitat
- Am 4. März 1919 gab es Demonstrationen der Sudetendeutschen in der Tschechoslowakei. Die Sudetendeutschen forderten den Verbleib bei Deutschösterreich anstatt der Inkorporation des Sudetenlandes in das Hoheitsgebiet des tschechoslowakischen Staatsverbandes. Die letzten Reichsratsabgeordneten dieser Gebiete hatten die Republik Deutschösterreich im Oktober 1918 als Mitglieder der Provisorischen Nationalversammlung in Wien mit begründet und am 12. November 1918 für die Einführung der Republik in den Zusammenschluß mit Deutschland gestimmt. Dennoch waren die deutschen Gebiete zwischen 1. November 1918 und 31. Januar 1919 durch tschechische Truppen besetzt worden. Zu den Forderungen des 4. März, der unter schwarz-rot-goldenen Fahnen begangen wurde, gehörte an erster Stelle das Selbstbestimmungsrecht der Völker, das von VS-Präsident Woodrow Wilson als Grundprinzip der Friedensregelung proklamiert worden war. Außerdem forderten sie den Abzug der tschechischen Truppen und die Freigabe zurückgehaltener Lebensmittel– und Kohlelieferungen. Die Kundgebungen wurden kurz nach Mittag in mehreren Städten gleichzeitig durch Schüsse in die Menge blutig unterdrückt. Dabei kamen auf Seiten der sudetendeutschen Demonstranten 54 Menschen ums Leben. Unter den Toten waren 20 Frauen und Mädchen, ein 80–Jähriger und Buben im Alter von vierzehn, dreizehn und elf Jahren. Zwei Tote gab es bereits am 3. März in Eger und zwei weitere am 5. März in Karlsbad, Außerdem gab es etwa 200 Verletzte. Die Opfer des 4. März 1919 erhielten keine Entschädigung, die Täter wurden nicht ermittelt und bestraft.[6]
Siehe auch
- Deutschschweiz
- Deutschbalten
- Republik Österreich (BRÖ)
- Deutsches Bekenntnis
- Bombenkrieg gegen Österreich
- Namensvorschläge für die Republik Deutsch-Österreich
- Provisorische Nationalversammlung für Deutschösterreich
- Konstituierende Nationalversammlung für Deutschösterreich
Literatur
- Karl Heinrich Otto Kaemmel: Die Entstehung des österreichischen Deutschtums, 1879
- Gustav Strakosch-Grassmann: Geschichte der Deutschen in Österreich-Ungarn, Band 1 (PDF-Datei)(Band 1: Die Anfänge deutschen Lebens in Oesterreich bis zum Ausgange der Karolingerzeit; PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
- Michael Hainisch: Wirtschaftliche Verhältnisse Deutsch-Österreichs, 1919 (PDF-Datei)
- Heinrich Srbik: Österreich in der deutschen Geschichte
- Friedrich von Wieser: Österreichs Ende, 1919 (PDF-Datei)
- Erwin Stranik: Österreichs deutsche Leistung, Adolf Luser Verlag, Wien/Leipzig 1936
- Richard Suchenwirth: Das Tausendjährige Österreich, F. Bruckmann, München 1936
- Viktor Bibl: Die Tragödie Österreichs, Johannes Günther Verlag, Leipzig 1937
- Wladimir Hartlieb: Parole: Das Reich, Adolf Luser Verlag, Wien/Leipzig 1939
- Eduard Beninger: Die Germanenzeit in Niederösterreich, Verlag Dr. Eduard Stepan, Wien 1934
- Helmut Sündermann: Wie deutsch bleibt Österreich?, Druffel, Leoni 1970