Rath, Ernst Eduard vom

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Ernst Eduard vom Rath (1909–1938)

Ernst Eduard vom Rath (Lebensrune.png 3. Juni 1909 in Frankfurt am Main; Todesrune.png 9. November 1938 in Paris) war ein deutscher Diplomat im Dienstrang Botschaftssekretär in Paris. Das Attentat, das der polnische Jude Herschel Grynszpan am 7. November auf ihn verübte, war der Anlaß zu den Ausschreitungen während der sogenannten Reichskristallnacht.

Leben

Vom Rath besuchte das Realgymnasium in Breslau. Sein Jurastudium absolvierte der Korporierte in Bonn, München und Königsberg. Im Juli 1932 wurde er Mitglied der NSDAP und im April 1933 der SA. Ab 1934 nahm er den Posten eines Gesandtschaftsattachés im Auswärtigen Amt ein und wirkte in Bukarest, Paris und Kalkutta.

Tod

Die Berliner Morgenpost zur Überführung des Sarges nach Deutschland
Die öffentliche Trauerfeier

Ab Juli 1938 war er als Legationssekretär bei der Deutschen Botschaft in Paris beschäftigt, wo Herschel Grynszpan am 7. November 1938 fünf Schüsse auf ihn abgab. Ernst vom Rath wurde sofort ins Krankenhaus gebracht, dort mußte ihm die zerfetzte Milz entfernt werden. Unterdessen begann die französische Kriminalpolizei, den festgenommenen Attentäter zu vernehmen. Die Interessen des jungen Schützen wurden kurz darauf von einem Anwalt der jüdischen Vereinigung „LICA“ vertreten. Es ist dieselbe „LICA”, die auch den Attentäter David Frankfurter, Sohn eines Rabbiners, Verantwortlicher des Mordanschlages mittels vier Revolverschüssen auf den Landesgruppenleiter der NSDAP-Auslandsorganisation Wilhelm Gustloff, in dessen Haus in Davos in der Schweiz vom 4. Februar 1936, vertreten hatte.

Das NSDAP-Parteiorgan „Völkischer Beobachter“ schrieb zur Bluttat auf der Titelseite:

„Jüdischer Mordanschlag in Paris. Mitglied der deutschen Botschaft durch Schüsse lebensgefährlich verletzt. Der Mordbube ein 17jähriger Jude.
Der Zustand des Verletzten sehr ernst.“

Ernst vom Rath erlag den Verletzungen zwei Tage später. Am Abend des 9. November 1938 wurde Staatssekretär Ernst von Weizsäcker nach Paris geschickt, um die Überführung des Leichnams zu organisieren. Am 17. November 1938 fand in Düsseldorf das Staatsbegräbnis in Gegenwart Adolf Hitlers statt. Die UFA-Tonwoche Nr. 429 vom 23. November 1938 berichtete ausführlich über die Trauerfeier.

Reaktion auf das Attentat

Es stellten sich auch hier die gleichen Fragen nach den Hintermännern wie im Fall Frankfurter. Auch hier schon hatte sich 1936 dieselbe „Ligue international contre l'antisemitisme“ („Internationale Liga gegen Antisemitismus“, LICA) angedient. Aber dazu fehlten die schlüssigen Beweise. Grünspan schwieg wie sein „Vorgänger“ David Frankfurter, der Mörder Wilhelm Gustloffs.

Die deutsche Presse machte aus der herrschenden Empörung über den Mordanschlag auf vom Rath keinen Hehl. In seinem Leitartikel vom 8. November 1938 wetterte der „Völkische Beobachter“ wie folgt:

„Es ist klar, daß das deutsche Volk aus dieser neuen Tat seine Folgen ziehen wird. Es ist ein unmöglicher Zustand, daß in unseren Grenzen Hunderttausende von Juden noch ganze Ladenstraßen beherrschen, Vergnügungsstätten bevölkern und als ausländische Hausbesitzer das Geld deutscher Mieter einstecken, während ihre Rassengenossen draußen zum Krieg gegen Deutschland auffordern und deutsche Beamte niederschießen. Die Linie von David Frankfurter zu Herschel Grynszpan ist klar gezeichnet. Wir können heute schon in der jüdischen Weltpresse erleben, daß man sich auch diesmal bemüht, den Täter reinzuwaschen und zu verherrlichen und den Niedergeschossenen zu verdächtigen.“

Besonderes Verständnis fand die Mordtat Grynszpans bei der jüdischen Bevölkerung in den VSA. Dort sammelte Dorothy Thompson, eine bekannte Skandal-Journalistin, eine beträchtliche Summe für diesen Grynszpan. Der Völkische Beobachter fuhr fort:

„Wir werden uns die Namen jener merken, die sich zu dieser feigen Meucheltat bekennen […] Die Schüsse in der Deutschen Botschaft in Paris werden nicht nur den Beginn einer neuen deutschen Haltung in der Judenfrage bedeuten, sondern hoffentlich auch ein Signal für diejenigen Ausländer sein, die bisher nicht erkannten, daß zwischen der Verständigung der Völker letzten Endes nur der internationale Jude steht.“

Zeitungsartikel wie der oben zitierte entsprachen der allgemein herrschenden Stimmung. Sie waren ein Ausdruck des Zornes darüber, daß es möglich war, daß deutsche Regierungsbeamte im Ausland grundlos niedergeschossen wurden. Man muß bedenken, daß solche Gewalttaten im Jahre 1938 durchaus nicht an der Tagesordnung waren. Es gab zu jener Zeit keine Terroristengruppen, die ganz nach Belieben Politiker entführten und ermordeten, weil ihnen deren politische Richtung nicht paßte. 1938 lebte man in einer vergleichsweise ruhigen, geordneten Welt. Ein politischer Mord war damals noch eine Angelegenheit, auf die das ganze Volk empört reagierte. Der Artikel im „Völkischen Beobachter“ brachte zum Ausdruck, was die Leute dachten; keinesfalls war er – wie Graml in seiner Studie „Der 9. November 1938“ ihn deutet – das Signal zur Reichskristallnacht, die dann später folgte. Tatsächlich hatte er damit nicht das geringste zu tun.[1]

In Paris lag inzwischen vom Rath im Sterben. Er war sofort nach dem Attentat in ein französisches Krankenhaus gebracht und dort operiert worden. Eine der Kugeln hatte ihn nur ungefährlich an der Schulter verletzt, die zweite jedoch hatte die Milz durchschlagen und war in der Magenwand steckengeblieben. Aus Deutschland wurden zwei Spezialisten geschickt, ein französischer Frontkämpfer meldete sich als Blutspender – aber alle Mühe war umsonst, die inneren Verletzungen waren zu schwer. Am 8. November 1938 ernannte Adolf Hitler den jungen Legationssekretär zum Botschaftsrat, am 9. November 1938 um 17.30 Uhr verstarb er.

Goebbels-Rede

Beim jährlichen Kameradschaftsabend zum Gedenken des Marsches auf die Feldherrnhalle vom 9. November 1923 im Alten Rathaus in München erfuhr Hitler gegen 21.00 Uhr vom Tod des Diplomaten. Sofort besprach er sich beim Essen mit Reichspropagandaminister Joseph Goebbels. Dann verließ er die Versammlung, fuhr in seine Privatwohnung und hielt sich in den folgenden Tagen nach außen hin zurück.

Gegen 22.00 Uhr hielt Goebbels vor den versammelten SA-Führern eine Rede, in der er die Juden für den Tod vom Raths verantwortlich machte. Er lobte die spontanen Aktionen im ganzen Reich, bei denen auch Synagogen in Brand gesetzt wurden, und verwies dazu auf Kurhessen und Magdeburg-Anhalt. Er machte deutlich, daß die Partei nicht als Organisator antijüdischer Aktionen in Erscheinung treten wolle, aber diese dort, wo sie entstünden, auch nicht behindern werde.

In der offiziell geduldeten Geschichtsschreibung wird Goebbels die Rolle des Initiators der Reichskristallnacht zugeteilt. Einer seiner engsten Mitarbeiter, sein Staatssekretär Dr. Werner Naumann, bemerkte dazu:

„Ich unterstelle gern, daß bei der Zusammenkunft der ‚alten Kämpfer‘, als die Nachricht vom Ableben des Herrn vom Rath eintraf, Dr. G. keine beruhigenden Worte gesprochen haben wird. Er wird sogar sicher – wie das seine Art war – die Angelegenheit dramatisiert haben. Solche Reaktionen von Dr. G. waren den Beteiligten aber schon von anderen Gelegenheiten her bestens bekannt. Von dieser emotionellen Behandlung der Dinge bis zu der Anordnung, im ganzen Reich zur gleichen Stunde z. B. die jüdischen Gotteshäuser anzuzünden, ist aber ein weiter Weg.
Der Verantwortliche für die ‚Kristallnacht‘ kann Dr. G. schon deshalb nicht sein, weil er keine Hausmacht besaß und keine Möglichkeit hatte, mit ihm unterstellten Mitarbeitern eine solche Aktion durchzuführen. Sie kennen am besten die Zwitterstellung der sogenannten Gaupropaganda- und Landesstellen-Leiter. Es ist undenkbar, daß der Gaupropagandaleiter in Königsberg ‚auf Anordnung von Dr. G.‘ eine Aktion gegen die Juden veranlassen konnte. Er wäre in diesem Falle innerhalb weniger Minuten vom Gauleiter seines Postens enthoben. Und so ist es überall im Reich – mit einer Ausnahme: Berlin. Hier ist Dr. G. zugleich Gauleiter, und in dieser Eigenschaft stehen ihm genügend Möglichkeiten zur Verfügung, in seinem Gau eine solche Aktion durchzuführen.
Andererseits wissen Sie, wieviel Wert Dr. G. darauf legte, daß Berlin als Reichshauptstadt geradezu eine Visitenkarte für Ordnung und Sauberkeit sein sollte. In der von ihm geleiteten Reichshauptstadt sollte es keine Kriminalität, keine Tumulte, keine Unruhen geben; geschweige denn einen mit zertrümmerten Schaufensterscheiben übersäten Kurfürstendamm und geplünderte Luxusgeschäfte.
Aus all diesen Erwägungen ist mit Sicherheit zu sagen, daß eine ‚Anordnung‘ für die Zerstörung der Synagogen sowie die Plünderung jüdischer Geschäfte niemals von Dr. G. ausgegangen sein kann, weil ihm jede Möglichkeit fehlte, eine solche Anordnung im Reich – mit Ausnahme von Berlin – durchzusetzen.”[1]

Fußnoten