Neue Rechte
Der Begriff Neue Rechte wird in zweifacher Weise angewendet. Einerseits bezeichnet er eine politische Richtung, die in den 1960er Jahren unter anderem in der BRD entstand. Andererseits ist er (gleichzeitig) ein Kampfbegriff der Politischen Korrektheit.
Als Begriff für eine politische Richtung ist der Terminus „Neue Rechte“ relativ jung. Er knüpft an ähnliche Begriffe aus der Zeit zwischen den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts an. Nach dem Ende des Kaiserreichs waren bereits Wortschöpfungen wie „jungnational“, „jungdeutsch“, „jungvölkisch“ oder „jungkonservativ“ aufgekommen. Auffällig ist, daß in der BRD und im benachbarten Ausland heute viele vermeintlich „rechte“ Gruppen ausgesprochen pro-jüdisch ausgerichtet sind – dazu zählen unter anderem die AfD, die FPÖ, Geert Wilders’ Partei für die Freiheit, der französische Front National, alle Teilvereinigungen der Bürgerbewegung pro Deutschland, die Identitäre Bewegung sowie PEGIDA. Man kann daher teilweise von einer „koscheren“ Rechten sprechen, welche Juden nicht kritisiert, als Thema gar nicht erst anspricht, und die teilweise selbst jüdisch ist (z. B. Juden in der AfD).
Inhaltsverzeichnis
Terminologische Wirrnis in den „Sozialwissenschaften“
Als Kampfbegriff bezieht sich „Die Neue Rechte“ in der BRD auf sehr verschiedenartige konservative und rechte Theoretiker sowie politische Richtungen der Nachkriegszeit und faßt diese in einer Kategorie zusammen.
Die BRD-„Politikwissenschaft“ pflegt den Sammelbegriff „Neue Rechte“.[1] Außerhalb ihres Bereichs verwenden ihn bevorzugt die etablierte Publizistik sowie staatliche Institutionen, einschließlich Geheimdienststellen bei Propagandatätigkeit nach außen („Verfassungsschutz“),[2] aber beispielsweise auch Akademien und steuerfinanzierte staatliche Ausgründungen („Demokratie“- und „Toleranz“-Vereine), die vorgegebene ideologische Aufgaben erfüllen, nutzen den Begriff in stereotyper Weise.
Dabei wird der Begriff „Neue Rechte“ regelmäßig in einem Sinn beschrieben, der den so erfaßten Personen und Gruppen eine Grundgesetzfeindlichkeit und Inhumanität andichtet; diese Verfremdungen bezwecken, die freie Meinungsäußerung zu behindern und allgemein unerwünschte systemkritische Gedanken aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. Hinter solchen Brandmarkungen stehen jene Teile der politischen Linken, die um ein einheitliches Feindbild[3] bemüht sind und bei der Umsetzung ihrer Agenda nicht gestört werden wollen.
Geschichte
Wenn nach 1945 in Deutschland und Frankreich politische Bewegungen entstanden, die als „Neue Rechte“ bezeichnet wurden oder sich selbst diese Bezeichnung gaben, so hat das nichts oder wenig mit der Existenz personeller oder ideologischer Kontinuitäten gegenüber früheren Ansätzen zu tun. Es gibt jedoch strukturelle Ähnlichkeiten.
Sinnvoll ist die Bezeichnung „Neue Rechte“ eher im Plural. Denn seit den 1960er Jahren kamen unabhängige intellektuelle Strömungen auf, die sich von den „Alten Rechten“ entschieden abgrenzten und ein weites Spektrum ausmachten. Mit diesem Verständnis kann man nationalrevolutionäre, volkskonservative und nationalliberale „Neue Rechte“ und entsprechende Bestrebungen unterscheiden.
Die Neue Rechte der 1970er Jahre in der BRD
Obgleich in der Rückschau die politische Sphäre der 1960er Jahre von linker Agitation bestimmt war, gab es auch rechte Gegenbewegungen. Diese Gegner der Linken blieben zwar ohne eine vergleichbare Ausstrahlung, besaßen aber intellektuelles Potential. Es spielten dabei Diskussionszirkel eine wichtige Rolle, welche sich um verschiedene Zeitschriften bildeten, zum Beispiel um die 1964 in Hamburg gegründete Zeitschrift Junges Forum.
Als Gruppierung spielte die Aktion Neue Rechte (ANR), die sich aus der Anhängerschaft des vorherigen NPD-Funktionärs Siegfried Pöhlmann gebildet hatte, in den Jahren 1972/73 eine gewisse Rolle. Sie hatte anfangs etwa 600 Mitglieder und zerfiel 1973 wieder. Der junge Rechtsintellektuelle Henning Eichberg, der sich einen progressiven Nationalismus vorstellte, hatte für sie einen Programmentwurf erarbeitet.
Eichberg, der für die Debatte unter Rechten den Begriff des Ethnopluralismus prägte, gehörte zum Umfeld von Junges Forum. Er interessierte sich für verschiedene neokonservative Bewegungen, aber sein Hauptaugenmerk galt seinerzeit einem „neuen“ oder „europäischen Nationalismus“, der Tradition des „Sozialismus von rechts“ und dem Versuch, eine eigene „rechte“ Theorie zu entwickeln. Er setzte sehr stark auf eine Terminologie und wissenschaftliche Konzepte, die bis dahin bevorzugt von der Linken verwendet worden waren. Die Pointe seiner Kritik der damaligen Strömungen in der Linken – Inkonsequenz bei der Verfechtung des Selbstbestimmungsrechts der Völker, das zwar für die Dritte Welt, aber nicht für die Osteuropäer oder die Deutschen gelten sollte, Unfähigkeit, die eigene irrationale Motivation zu erkennen – lag bezeichnenderweise in dem Schluß, daß die „Außerparlamentarische Opposition“ (APO) scheitern müsse, wenn sie nicht die Nähe zu ihren Gegnern auf der Rechten verstünde und das gemeinsame Dritte begreife: die Bewegung.
Auch nach dem Zerfall der ANR gab es Versuche von „Neuen Rechten“, diese „Bewegung“ zu formieren. So konstituierte sich am 2./3. März 1974 in Würzburg eine „Nationalrevolutionäre Aufbauorganisation“ (NRAO), die allerdings die innerhalb des Lagers vorhandenen Spannungen nicht überbrücken konnte. Als Ergebnis entstanden im Sommer des Jahres kurz hintereinander zwei selbständige Verbände: die „Solidaristische Volksbewegung“ (SVB) und die Sache des Volkes – Nationalrevolutionäre Aufbauorganisation (SdV-NRAO). Die Solidaristen blieben im wesentlichen auf den Hamburger Raum beschränkt und erlangten kaum Bedeutung. Eine begrenzte Rolle spielten sie beim Aufbau der ökologischen Bewegung („Grüne Liste Umweltschutz“), fielen aber in den frühen achtziger Jahren dem konsequenten Linkskurs der Grünen zum Opfer.
Der eigentlich nur aus der Tradition des politischen Katholizismus bekannte Begriff des „Solidarismus“ signalisierte nicht nur den Entschluß, nach einer neuen ideologischen Orientierung zu suchen, er sollte auch eine gewisse Mäßigung des eigenen Programms gegenüber dem nationalrevolutionären zum Ausdruck bringen. Zwar wandte man sich gegen das „Monopolkapital“ und plädierte für einen „organischen Sozialismus“, stellte die politische Ordnung als solche aber nicht in Frage.
Die Gruppe unter Führung Eichbergs trat mit einer anderen nationalrevolutionären Gruppierung um den Journalisten Wolfgang Strauß in Verbindung. Strauß, der ein Konzept des „Befreiungsnationalismus“ verfaßte, fiel schließlich die Leitung der kleinen national-sozialen „Unabhängigen Arbeiterpartei“ zu. Er trug sehr stark dazu bei, daß die Nationalrevolutionäre ihre Aufmerksamkeit auf oppositionelle Strömungen im Ostblock richteten. Der SdV-NRAO gelang es jedoch bestenfalls, einige hundert Sympathisanten zu binden.
Ende der 1970er Jahre kam es dann zum faktischen Zusammenschluß beider Formationen. Die nationalrevolutionäre Bewegung driftete in ihrer Ausrichtung immer weiter nach links: Kampf gegen das Kapital und eine sozialistische Lösung aller Fragen. (Programm der SdV-NRAO vom 5. Zentralkongreß im November 1977). Verbindungen Eichbergs zum damaligen führenden Kopf einer neu entstandenen rechten Bewegung in Frankreich, Alain de Benoist, und zu deren Organisation GRECE (Groupement de Recherche et d’Études pour la Civilisation Européenne), wurden nicht fruchtbar.
Als sich schließlich Eichberg aus der politischen Arbeit der Nationalrevolutionäre in der BRD zurückzog (Übersiedlung nach Dänemark 1982), trug dies zu deren raschem Bedeutungsverlust bei.
Die Neue Rechte seit Beginn der achtziger Jahre
Zu Beginn der 1980er Jahre kann ein neuer Impuls bei intellektuellen Konservativen und Rechten festgestellt werden. Die gesellschaftliche Unruhe, die mit der Entstehung der Alternativbewegung, der Friedensdiskussion und dem Ende der sozialliberalen Regierung verknüpft war, zeigte Rückwirkungen.
Pierre Krebs schuf, als Bestandteil des GRECE, 1980 das seitdem von ihm geleitete Thule-Seminar als „Forschungs- und Lehrgemeinschaft für die indoeuropäische Kultur“. Die Bildungseinrichtung gab die Buchzeitschrift „Elemente“ und weitere Veröffentlichungen heraus. Krebs als ihr führender Theoretiker lehnt die Einordnung unter die Bezeichnung „Neue Rechte“ ausdrücklich ab.
Der „nationale Imperativ“[4], als Begriff 1980 von Hans-Dietrich Sander eingeführt, wurde als ein kategorischer begriffen. Neuzugänge aus dem Lager der Linken wie Günter Maschke oder Bernard Willms verschoben die Perspektiven und bestritten sogar den gewohnten Vorrang des Antikommunismus. Willms erklärte etwa in seinem 1982 erschienenen Buch „Die deutsche Nation“, daß man die DDR nicht länger als Feind betrachten dürfe, sondern mit ihr in „nationaler Koexistenz“ leben müsse, um einen deutsch-deutschen Bruderkrieg zu verhindern.
Diese Rückkehr des nationalen Elements kann man als Voraussetzung für alle neuen Paradigmen der konservativen Intelligenz ansehen – Nationalstaat versus europäischer Bundesstaat, Forderung nach einer operativen Deutschlandpolitik, Ablehnung der multikulturellen Gesellschaft.
Den weiteren Verfall des Konservatismus konnte die Entwicklung allerdings nicht aufhalten. Ablesbar war dies an einem Zeitschriftensterben. Bereits Ende der siebziger Jahre hatte die Zeitschrift Zeitbühne ihr Erscheinen einstellen müssen, dann war das Magazin Konservativ heute in Caspar von Schrenck-Notzings Zeitschrift Criticón aufgegangen, und 1988 verschwand auch die von dem christlichen Apologeten Gerd-Klaus Kaltenbrunner geschaffene Herderbücherei Initiative. Allein Criticón konnte sich bis 2005 in seiner klassischen Ausrichtung halten.
Der Zusammenbruch des Ostblocks und der Beitritt der DDR brachte eine gewisse Belebung konservativer Positionen, für die stellvertretend Klaus Hornung, Konrad Löw, Günter Rohrmoser und das Studienzentrum Weikersheim genannt werden können. Rechtsnationale Impulse drangen jedoch nicht tiefer.
Seit der Mitte der 1980er Jahre sammelte sich die konservative Bewegung vor allem um die von Dieter Stein herausgegebene Zeitung Junge Freiheit (JF), die seit 1994 wöchentlich erscheint. Bedenkt man die Umstände, zu denen nicht bloß die Versuche politischer Ächtung, sondern auch die Anwendung von Gewalt gegen Redakteure und Druckerei (terroristischer Brandanschlag in Weimar im Dezember 1994) gehörten, handelt es sich ohne Zweifel um ein außergewöhnlich erfolgreiches Projekt. Stein lehnt die Bezeichnung „Neue Rechte“ als Phantom und Fremdzuschreibung ab.
Das seit 2003 vierteljährlich, seit 2007 zweimonatlich erscheinende Magazin Sezession hat die Nachfolge des nach dem Rückzug Schrenck-Notzings konservativ profillos gewordenen Criticón übernommen. Verantwortlicher Redakteur ist Götz Kubitschek. Das Magazin, seit 2009 auch mit einem Netztagebuch[5], stellte eine Zeitlang wahrscheinlich die ehrgeizigste Publikation der intellektuellen Rechten in der BRD dar.
Ein weiteres Projekt war die im Jahr 1989 gegründete Zeitschrift Staatsbriefe, mit der Hans-Dietrich Sander durch Rückgriff auf die staufische Tradition den „Reichsgedanken“ erneuern wollte. Der christliche Privatgelehrte sagte der BRD eine „Höllenfahrt“ voraus. Ende 2000 wurde das Blatt eingestellt.
Alfred Mechtersheimer setzte sich seit Beginn der 1990er Jahre weniger theoretisch, sondern mehr aktivistisch und basisdemokratisch für eine Veränderung ein. Seine „Deutschlandbewegung“ auf eine breitere Grundlage zu stellen, gelang indes nicht. Das Projekt fiel in sich zusammen.
Kurzzeitiges Aufsehen erregte ein von dem Schriftsteller Botho Strauß in einer auflagenstarken Systemzeitschrift veröffentlichter Text mit dem Titel „Anschwellender Bocksgesang“.[6] Dem Beitrag wurde in manchen Kreisen eine Zeitlang der Ruf eines rechten Manifests beigelegt.
Als ein weiterer bekannter „neurechter“ Kopf steuerte der Privatgelehrte und Carl-Schmitt-Fachmann Günter Maschke in Veröffentlichungen Ideen und konzeptionelle Beiträge bei.
Eine gewisse Bekanntheit erlangte der ursprünglich auf der Linken beheimatete Rainer Zitelmann[7], der zum Cheflektor des zum judäozentristischen Springer-Konzern gehörenden Ullstein-Verlages und dann zum Ressortleiter einer Tageszeitung des Springer-Konzerns aufsteigen konnte. Er zog sich nach fortgesetzten Anwürfen der Mainstream-Medien ab 1995 vollständig aus dem politischen Publizieren und aus der Politik insgesamt zurück.
Zitate
„Eine Neue Rechte, die programmatisch und pauschal »Aufklärung und Universalismus« ablehnt, gibt es heute [...] nicht.“ — Martin Lichtmesz (2021)[8]
Siehe auch
- Ethnozentrismus
- Alt-Right
- Thule-Seminar
- Institut für Staatspolitik
- Metapolitik
- Zwischentag (zwischentag, Freie Messe Berlin)
- Nationalanarchismus
- Nationale Revolution
- Ewiges Reich
- Israel-Connection
- Koscher
Literatur
- Daniel Friberg: Die Rückkehr der echten Rechten – Handbuch für die wahre Opposition, Arktos, 2015, ISBN 978-1910524565
- Manuel Ochsenreiter: Wir ’89er. Wer wir sind – was wir wollen (Mitverfasser, herausgegeben von Roland Bubik), Ullstein Verlag, Frankfurt am Main / Berlin 1995
- Dieter Stein: Phantom „Neue Rechte“ – Die Geschichte eines politischen Begriffs und sein Mißbrauch durch den Verfassungsschutz, Edition Junge Freiheit, Berlin 2005, ISBN 3-929886-22-7
- Alex Kurtagić: Warum Konservative immer verlieren. Edition Antaios, Reihe kaplaken, Bd. 35, Schnellroda 2013, ISBN 978-3-944422-35-0
- Sebastian Maaß: Die Geschichte der Neuen Rechten in der Bundesrepublik Deutschland. Regin-Verlag 2014, ISBN 9783941247444 [368 S.]
- Thor von Waldstein: Metapolitik. Theorie – Lage – Aktion, Verlag Antaios, 2015, ISBN 978-3-944422-46-6
- Iring Fetscher (Hg.): Neokonservative und „Neue Rechte“. Der Angriff gegen Sozialstaat und liberale Demokratie in den Vereinigten Staaten, Westeuropa und der Bundesrepublik, C.H. Beck, München 1983 Vorsicht! Enthält politisch korrekte Verengungen und Versimpelungen im Sinne der Umerziehung!
- Englischsprachig
- Tomislav Sunić: Against Democracy and Equality. The European New Right. Verlag Arktos, ISBN 9781907166259
Verweise
- Martin Sellner: Das neurechte Wäldchen, Sezession im Netz, 3. Juni 2017
- Dieter Stein: Auflösung eines Begriffs – Eine Studie zum Phänomen eines Potemkinschen Dorfes namens „Neue Rechte“, „Junge Freiheit“, 18. Juli 2003
- Die Neue Rechte. Sinn und Grenze eines Begriffs, das Institut für Staatspolitik zur Neuen Rechten