Olmes, Friedrich (Köpenickiade)

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Friedrich Olmes, den viele nur als Friedelchen, Friedel oder Fritz kannten (Lebensrune.png 6. Mai 1921 zu Hildesheim; Todesrune.png ?), war ein deutscher Oberjäger (Unteroffizier) der Luftwaffe, Fallschirmjäger, verwegener Frontkämpfer im Zweiten Weltkrieg, aber auch ein geltungssüchtiger Schwindler, Hochstapler, Betrüger, Fälscher, Geheimagent, Freiheitskämpfer, Gaststättenmanager, Raumforscher, Kulturmäzen, Werbechef, selbsternannter „einziger Inhaber des Deutschen Kreuzes in Gold mit Brillanten“ und noch so vieles sowie Autor und Landwirt.

„Er brachte Hitler zum Lachen und erfand eine Wunderwaffe, er bewahrte den Atomprofessor Heisenberg vor Entführung und plante die Befreiung der Landsberger Rotjacken. Zuletzt handelte er mit lebenden Schnecken. Wann immer sich während der letzten zwei Jahrzehnte in Deutschland etwas Außergewöhnliches vollzog - Friedrich Olmes war dabei.“Der Spiegel, 1962

Werdegang und Wirken

Quelle
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SCHWINDEL – Ein kräftiges Gebet für Sie

Bauer Erich Sievers aus Graulingen bei Suderburg im niedersächsischen Landkreis Uelzen kann tausend Mark in den Schornstein schreiben. Selbst wenn Friedrich Olmes endlich gefaßt werden sollte, wird von dem Geld, das Olmes von dem Konto des gutgläubigen Landwirts abhob, kaum etwas übriggeblieben sein. Sievers ist nur einer von Hunderten, die auf den intelligenten jungen Mann hereinfielen und ihm restlos vertrauten. Dabei kann Bauer Sievers sogar ein wenig stolz sein, denn er befindet sich mit bekannten Namen in der langen Liste der von Olmes Belogenen und Betrogenen.

Darin stehen Namen wie

oder illustrierte Zeitungen wie

  • Stern“,
  • „Revue“,
  • „Schwäbische Illustrierte“ und provinzielle Blätter wie die
  • „Lüneburger Landeszeitung“ und die
  • „Lübecker Nachrichten“.

Vor fast 18 Jahren kam durch Vermittlung der Hannoverschen Landeskirche der christliche Pfadfinder und Schüler Friedrich Olmes aus Hildesheim zur Ferienerholung auf den Hof der Sievers. Man mochte den frischen blonden Jungen gern leiden, lud ihn ein zweites Mal zu sich und wechselte Briefe mit der Mutter des Ferienkindes, um sich nach der weiteren Entwicklung des liebgewordenen Gastes zu erkundigen.

Im Krieg war es, als „Friedelchen“ ordengeschmückt und von tollen Kriegserlebnissen übersprudelnd einen Kurzurlaub in Graulingen verbrachte. Man verzieh es dem jungen Fronturlauber rasch, daß er sich bei seiner Abreise ein Fahrrad lieh und nie zurückbrachte. Nun tauchte er Mitte April 1951 nachts überraschend vor dem Fenster der Bäuerin auf und bat um Einlaß und Aufnahme.

Wie früher gehörte Friedel Olmes gleich mit zur Familie. Der Bauer staunte über die Erlebnisse des jungen Mannes, der sich rühmte, Hauptfigur im Verschwörerkreis der Attentäter vom 20. Juli 1944 gewesen zu sein. Friedel wußte von seinem letzten Kriegseinsatz als Kampfkommandant des Führerbunkers spannend zu berichten, und auch die Jahre von 1945 bis 1951 waren ihm zu einer verwirrenden Fülle von Abenteuern geworden.

Olmes war der Mann, „vor dem sich selbst Skorzeny fürchtete“, das hatten Sievers selbst in ihrer „Lüneburger Landeszeitung“ gelesen. Da war auch beschrieben worden, wie der junge Held deutsche Offiziere, die als Kriegsverbrecher in holländischen Gefängnissen saßen, unter Einsatz seines Lebens befreite. Nicht ganz richtig im Kopfe.

Erich Sievers machte große Augen und war nicht wenig stolz auf einen solchen Gast. Was Wunder, daß er dem welterfahrenen jungen Mann seine Sorgen und Nöte unterbreitete. Beispielsweise die Auseinandersetzung mit dem Nachbarn, der sich in den Kopf gesetzt hat, direkt an der Grundstücksgrenze eine Scheune aufzuführen, die den Obstbäumen der Sievers die beste Sonne wegnehmen würde. In diese Auseinandersetzung hatte sich das Kreisbauamt in Uelzen nicht zum Vorteil von Sievers eingeschaltet. Friedel Olmes versprach, die Sache in die Hand zu nehmen und fuhr am nächsten Tage nach Uelzen. Dem entsetzten Bauern wußte er einen großen Schreck einzujagen:

„Über dich ist eine dicke Akte beim Bauamt angelegt. Ich habe sie selbst gesehen. Da steht, daß man dich in eine Irrenanstalt überführen will, weil du nicht ganz richtig im Kopfe bist.“

Aber Olmes hatte schon eine Beruhigungspille für den Bauern:

„Wir müssen sehen, daß wir die Akten bekommen. Ohne die ist die Behörde hilflos. Ich habe einen der Beamten kennengelernt und glaube, daß wir den mit einer Handvoll Geld bestechen könnten.“

Niedersachsens Bauern trennen sich ungern vom baren Gelde. Auch Ernst Sievers fiel es zunächst schwer, dem Gastfreund einen Blankoscheck für die Kreissparkasse Uelzen mitzugeben: „Auf keinen Fall aber mehr als 200 Mark. Mach's wenn möglich billiger“. Friedel Olmes versprach es und verschwand.

Am Nachmittag erschien er, von Kopf bis Fuß in neuer Schale, und berichtete beruhigend:

„Es ist geschafft. Der Beamte hat sein Geld bekommen. Zwar mußte ich ihm 500 Mark geben, aber nun brauchst du keine Sorge mehr zu haben.“

Fragte Sievers:

„Und die Akte?“

Olmes:

„Die war gerade von der Oberstaatsanwaltschaft in Lüneburg angefordert. Sie wird in den nächsten Tagen zurückkommen, und dann haben wir sie.“

Am nächsten Morgen brachte der Postbote den Kontoauszug, der einen Barscheckausgang von 1.000 Mark meldete. Aufgeregt hängte sich Sievers ans Telefon und erhielt die Bestätigung: ja, es sei der Scheck, der seine Unterschrift trage. Ausgestellt auf 1.000 Mark und für Herrn Friedrich Olmes. An diesem Abend weinte Frau Sievers, und zwischen dem Bauern und seinem Gast kam es zu harten Worten.

„Wenn bis morgen abend die 1.000 Mark nicht zurückgegeben sind, hole ich die Polizei.“

Olmes war ganz gekränkter Wohltäter.

„Ich wollte dein Bestes. Wenn du die Akte siehst, wirst du einsehen, daß sie mehr als 1.000 Mark wert ist. Deine Undankbarkeit will ich nicht mit Undankbarkeit vergelten. Du bekommst die Akte, und ich selbst übernehme die Spesen.“

Kurz darauf hält Bauer Erich Sievers einen Scheck über 1.000 Mark in den Händen, auszuzahlen durch die Kreissparkasse Gifhorn. Bauer Sievers zweifelt nicht, daß dies Stück Papier tatsächlich 1.000 Mark ist. Denn an der Wohlhabenheit seines Gastes gibt es kaum Zweifel. Am Vortage ist für Friedrich Olmes ein Telegramm aus Uelzen eingetroffen:

„Manuskript geprüft und angenommen stop 3.800 Mark überwiesen stop ABC-Verlag.“

Wie soll Erich Sievers wissen, daß es in Uelzen keinen ABC-Verlag gibt und daß Friedrich Olmes das Telegramm selbst aufgab? Am Abend trifft eine Bekannte von Sievers den jungen Mann mit einem Koffer am Bahnhof Suderburg.

„Fährst du wieder fort, Friedel?“
„Nur für ein paar Tage. Ich komme bald wieder.“

Friedel Olmes ist nicht wiedergekommen. Und als Ernst Sievers am nächsten Tag den Olmes-Scheck in der Kreissparkasse Uelzen präsentiert und der Kassenbeamte erst einmal wegen der Deckung telefonisch in Gifhorn rückfragt, meint der Sparkassenkollege am anderen Ende des Drahtes:

„Wenn Olmes neben Ihnen stecken sollte, dann übergeben Sie ihn gleich der Polizei. Wir haben hier ein gutes Dutzend von ungedeckten Schecks. Im übrigen kann er es mit uns nicht mehr lange machen, denn nach der Nummer des bei Ihnen vorliegenden Schecks enthält sein Scheckheft nur noch zwei Formulare.“

Alles schrie nach Olmes. Friedrich Olmes, am 6. Mai 1921 zu Hildesheim geboren, hat eine romanhaft anmutende Lebensgeschichte. Allerdings hat er den Roman selbst erdacht und immer wieder in vielen Variationen erzählt und geschrieben. Das, was Olmes wirklich erlebt hat, war nur die Reaktion der Umwelt auf seine phantasievolle Story. Diese Umwelt hat den Helden Friedel Olmes wegen dieser Story bewundert und gefeiert. Aber sie hat den Betrüger und Hochstapler Olmes auch verfolgt. Und verfolgt ihn noch. Olmes hat behauptet, das Abitur gemacht zu haben. Er hat darüber auch irgendeine eidesstattliche Erklärung, und es gelang ihm, während und nach dem Kriege in Göttingen als Student der Jurisprudenz immatrikuliert zu werden.

Tatsächlich absolvierte Olmes eine Hildesheimer Mittelschule und trat in eine kaufmännische Lehre ein, aus der er 1940 zur Luftwaffen-Baukompanie 77/XI Bremen-Vegesack eingezogen wurde. Später meldete sich Olmes zur Fallschirm-Truppe und kam nach Ausbildung auf der Fallschirm-Schule in Wittstock zum Einsatz, angeblich in Norwegen, auf Kreta und in Rußland.

Aus Rußland kam Olmes als Oberjäger (= Unteroffizier) mit beiden eisernen Kreuzen zurück. Olmes erzählt, er habe an der Ostfront innerhalb von 48 Stunden sechs russische Panzer mit Nahkampfmitteln zerstört. Dafür habe er das Deutsche Kreuz in Gold erhalten.

„Ich war nun in meiner Einheit der zuständige Mann für Panzernahbekämpfung. Tauchten feindliche Panzer auf, so schrie alles nach Olmes. Mit meinen Erfolgen gab ich mich jedoch nicht zufrieden und suchte immer wieder nach neuen Wegen, die Panzerbekämpfungsmittel des Infanteristen zu vervollkommnen. Als unsere Einheit dann eine Stalin-Orgel erbeutete, kam mir die Idee, die bisherigen Infanterie-Mittel zur Panzerbekämpfung (Molotow-Cocktail, T-Mine, Hafthohlladung) durch das Raketen-Prinzip an die feindlichen Panzer heranzubringen. So entwickelte ich den Panzerschreck, das Olmes-Rohr, das später unter der Landser-Bezeichnung Ofenrohr bei der Truppe eingeführt wurde.“

Tatsächlich hat Olmes damals einen entsprechenden Vorschlag beim Heeres-Waffenamt eingereicht. Ob dieser Vorschlag auf Olmes eigenen Ideen beruhte, ist nicht mehr festzustellen. Jedenfalls lehnte das Waffenamt den Olmes-Plan ab, „da die Wehrmacht über ausreichende schwere und schwerste panzerbrechende Waffen verfügt“. Dazu Olmes:

„Viele Monate später bekam ich ein persönliches Handschreiben des später im Zusammenhang mit dem 20. Juli erhängten Oberst i. G. Meichsner, der 1. Generalstabsoffizier beim Chef des Heeresstabes im Führerhauptquartier war. Meichsner forderte mich auf, ihm einen Besuch zu machen. Er habe meine Vorschläge gesehen und halte sie für ausgezeichnet. Nach der dann in Berlin am Tirpitzufer stattgefundenen Besprechung wurde die Firma Hugo Schneider in Leipzig, die HASAG, beauftragt, nach meinen Angaben einige der neuen Geräte zu entwickeln. Nach sechswöchiger Arbeit standen bereits sechs O-Rohre zur Fronterprobung bereit. Mit ihnen fuhr ich nach Italien und vernichtete beim zweiten Versuch zwei angreifende feindliche Panzer.“


So kann der Krieg nicht weitergehen

Mit diesem Fronteinsatz in Italien haben sich später höchste Dienststellen der Wehrmacht, die Gestapo und die Dienststelle Skorzeny beschäftigt. Von der 26. Panzerdivision waren Fernschreiben im Führerhauptquartier eingetroffen, die die Heldentaten des Oberjägers Olmes meldeten und seine Vorstellung im FHQ ansagten.

Dort erschien Olmes bald darauf, machte wie immer einen ausgezeichneten Eindruck, wurde bei allen Größen herumgereicht und erzählte immer wieder seinen Einsatz hinter den feindlichen Linien. Zum Beweis seiner Berichte legte Olmes Fliegeraufnahmen abgeschossener und ausgebrannter amerikanischer Panzer vor. Man war des Lobes voll. Hitler selbst empfing den blonden Fallschirm-Oberjäger und war von dessen Ideen zur Panzernahbekämpfung sehr angetan. Ehe das Führerhauptquartier bei der Italienfront rückfragen konnte, machte Olmes auch schon Besuch im Stabsamt des Reichsmarschalls Hermann Göring in Carinhall. Adjutant Oberst Gerd von Brauchitsch nahm sich des tapferen Soldaten persönlich an:

„Ihre Tapferkeitstaten werden durch eine Beförderung gewürdigt werden.“

Mit von Brauchitsch will Olmes Schnaps-Bruderschaft getrunken haben, bis der Oberst über Tische und Stühle stolperte. Jedenfalls gab von Brauchitsch Olmes die Genehmigung, ein Fernschreiben aufzugeben. Oberjäger Olmes telegrafierte:

„Leutnant Olmes trifft erst morgen bei seiner Einheit ein. Stabsamt Reichsmarschall.“

Bei Olmes' Stamm-Truppenteil in Hildesheim gab es ein rundes Fest, als der Oberjäger eingetroffen war. Kommandeur Major Jungwirth stand selbst auf dem Bahnsteig:

„Was, Olmes, Sie kommen noch als Oberjäger? Hier liegt längst ein FS des Stabsamtes Carinhall vor: Sie sind Leutnant!“

Bescheiden lächelnd ließ sich Olmes die Schulterstücke aufheften. Jungwirth bestätigte die Beförderung eigenhändig im Olmes-Soldbuch und unterzeichnete die Uniform-Bezugscheine für den schneidigen Leutnant. Der fährt gleich nach Berlin, um sich bei der Kleiderkasse ausstaffieren zu lassen. Dabei bleibt Zeit zu einem Besuch auf der Dienststelle Skorzeny in Berlin-Schmargendorf, Berkaerstraße 32–35. Olmes will den Mussolini-Befreier persönlich sprechen.

Die Sekretärinnen sind besonders nett zu dem gut aussehenden Leutnant mit der Brust voller Orden:

Olmes landet zunächst bei dem Skorzeny-Adjutanten, Obersturmführer Karl Radl. Der Wiener hört sich an, was der Leutnant an Gedanken und Vorschlägen für die moderne Kriegsführung vorzubringen hat. Dann kommt Skorzeny ins Zimmer, Olmes springt auf, meldet sich zackig und beginnt seinen Vortrag von neuem.

„So, wie bislang, kann der Krieg nicht weitergehen“, meint er. „Man muß dem Gegner auf dem Wege des Geheimdienstes zu Leibe gehen. Sabotage, todesmutiger Einsatz bis zur Selbstvernichtung! Das habe ich auch dem Führer, dem Reichsmarschall und Minister Speer vorgetragen.“ Nun habe er sich zu dem „Sonderkommando Lange“, einer Staffel der Fallschirmtruppe, versetzen lassen. Dieses Sonderkommando, eigentlich eine Staffel des Kampfgeschwaders 200, flog Agenteneinsätze weit hinter die Linien des Feindes bis nach Teheran, in den Ural und nach Afrika. Leider, seufzt Olmes, habe er hier wie überall eine schlechte Zusammenarbeit feststellen müssen.
„Da muß jetzt koordiniert werden.“ Ganz gleich, ob Luftwaffe, Waffen-SS oder Heer, wo fähigste, junge, aufopferungsbereite Soldaten sind, müsse es zu einer Zusammenfassung kommen. Das habe er, Olmes, auch mit Major Lange besprochen, der ihn beauftragt habe, die Verbindung zu Skorzeny herzustellen und künftige gemeinsame Einsätze zu verabreden.

Olmes bittet, ein Fernschreiben an Major Lange aufgeben zu dürfen, daß er wegen der Aussprache mit Skorzeny erst am nächsten Tage zu seiner Einheit zurückkomme. Gleichzeitig besprechen Olmes und Skorzeny ein Rendezvous mit dem Luftwaffenmajor, der in Hildesheim stationiert ist. Zu diesem Rendezvous kommt es jedoch nicht, da es schon zwei Tage später keinen Leutnant Olmes mehr gibt. Da gibt es nur noch einen Untersuchungsgefangenen Olmes im Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Berlin.


Zum Tode verurteilt

Bevor es jedoch zu der Verhaftung des Olmes kommt, hat Obersturmführer Karl Radl einen Bericht an SS-Brigadeführer Schellenberg, den Chef des Amtes VI im Reichssicherheitshauptamt, verfaßt. Radl meldet ausführlich über den Besuch des Luftwaffenleutnants und von dem guten Eindruck, den Olmes hinterlassen hat. Der Bericht an Schellenberg ist kaum abgegangen, als Radl durch einen kaltschnäuzigen Anruf vom Stabsamt des Reichsmarschalls überrascht wird: Falls Leutnant Olmes in der Dienststelle des Skorzeny auftauchen sollte, sei er dort so lange festzuhalten, bis er durch eine Luftwaffenstreife abgeholt werde.

Radl fragt telephonisch beim Stabsamt zurück und erfährt, daß Olmes bereits seit einigen Stunden festgenommen ist. Genaueres kann Radl nicht erfahren. Ihm ist jedoch bedeutet worden, daß Olmes ein Hochstapler sei, der ein Verfahren wegen widerrechtlichen Tragens der Leutnantsuniform und hoher Kriegsauszeichnungen zu erwarten habe. Was sich damals im Führerhauptquartier und im Stabsamt des Reichsmarschalls tat, geht aus einem Brief des Fallschirm-Generaloberst Kurt Student hervor, den dieser an Landgerichtsrat Herminghausen schrieb, um dem Altherren-Präses der Göttinger Burschenschaft „Frisia“ Aufklärung über das Friesen-Früchtchen Olmes zu geben:

„Der Fall Olmes ist mir deswegen noch erinnerlich, weil er als Köpenickiade gröbsten Stils in der deutschen Wehrmacht wohl einmalig dasteht. Oberjäger Olmes behauptete, ein verbessertes Panzernahbekämpfungsmittel erfunden zu haben und wurde zum Frontversuch zu einer Panzerdivision in Italien kommandiert. Es mag um die Jahreswende 1943/44 gewesen sein. Die Division meldete nach oben, daß er allein hinter der kanadischen Front mehrere Panzer und Lastkraftwagen vernichtet habe. Er wurde daraufhin ins Führerhauptquartier befohlen. Keitel überreichte ihm die Panzervernichtungsabzeichen, und Olmes erwirkte sogar seine Vorstellung beim Führer. Göring befahl ihn nach Carinhall, und schließlich war Olmes noch bei anderen hohen Dienststelleninhabern. Jeder wollte Olmes kennenlernen. Aber niemand kam auf den Gedanken, sich einmal sein neues Ofenrohr zeigen zu lassen. Dieses existierte nämlich überhaupt nicht. Bis hierher hatte Olmes alle seine Schritte unter Umgehung des Dienstweges getan. Ich selbst erfuhr erst hiervon, als Göring einen Vorschlag zum Ritterkreuz und zum Leutnant einforderte und andererseits dadurch, daß Olmes sich selbst durch ein Fernschreiben aus Carinhall zum Leutnant beförderte. Er wurde durch ein Feldgericht der Fallschirmtruppe zum Tode verurteilt und von mir zur Begnadigung und Frontbewährung vorgeschlagen. Vielleicht war er tatsächlich hinter der kanadischen Front. Nach meiner Auffassung waren übertriebenes Geltungsbedürfnis und unbefriedigter Ehrgeiz stärkere Gründe seines Handelns als schlechte Gesinnung.“

Aber auch Fallschirm-Student und alle mit dem Komplex Olmes später befaßten Dienststellen und Kriegsgerichte klärten nie ganz, was Olmes tatsächlich in Italien an Heldentaten vollbrachte. Nicht einmal wie es zu diesem Einsatz kam, wurde eindeutig festgestellt. Dazu hätte Hauptlehrer Ottens aus Lachendorf im Landkreis Celle einen wichtigen Hinweis geben können. Ottens, damals Kommandeur einer Nachrichten-Abteilung und Hauptmann der Reserve, keineswegs ganz einverstanden mit der Verlobung seiner hübschen Tochter mit diesem Fallschirm-Oberjäger, entdeckte während eines Fronturlaubs zwischen seinen Schreibtisch-Utensilien ein nur einmal betipptes Kohlepapier. Davon ließ sich unschwer ablesen, daß sich Schwiegersohn in spe Friedel Olmes selbst einen Marschbefehl angefertigt hatte. Da hieß es etwa:

„Der Oberjäger Friedrich Olmes reist im geheimen Auftrag mit vier Mann zur Frontleitstelle Verona. Er führt geheime Kommandosachen mit sich und ist berechtigt, alle Wagenklassen zu benutzen. Es wird gebeten, dem Oberjäger Olmes notfalls Schutz und Hilfe zu gewähren.“

Später fanden die Ottens in einer Schublade die Durchschrift zweier Fernschreiben. Das eine meldete Olmes' Heldentaten bei der 26. Panzerdivision an das Führerhauptquartier. Das andere meldete die Inmarschsetzung des Oberjägers nach dort. Daß es mit der „Ofenrohr“-Erfindung nichts auf sich hatte, läßt sich heute unschwer feststellen. General a. D. Emil Leeb, München, Ohmsstraße 3, I., letzter Chef des Heereswaffenamtes (1940–45), bestätigt, daß „Panzerschreck“ und „Ofenrohr“ gar keine deutschen Erfindungen seien. Die Amerikaner seien zuerst im Afrika-Feldzug mit ihrer „Bazooka“ herausgekommen, und die HASAG habe später nach amerikanischem Vorbild den „Panzerschreck“ nachgebaut. Der Name Olmes sei ihm nicht bekannt.

Auch Dipl.-Ing. W. A. Oestreich, der heute noch verschiedene Patente für Hafthohlladungen und andere Panzernahbekämpfungsmittel innehat und engster Mitarbeiter der HASAG war, kann sich an einen Friedrich Olmes nicht erinnern. Oestreich bestätigt die Aussage Waffen-Leebs.

Olmes hat später erzählt und einige eidesstattliche Erklärungen zur Bestätigung seiner Behauptungen vorgelegt, er habe im Auftrage des Oberst i. G. Meichsner (der tatsächlich einer der Aktivsten im Verschwörererkreis vom 20. Juli 44 war) hinter den deutschen Linien mit hohen kanadischen und US-amerikanischen Offizieren verhandelt. Deshalb sei er dann unter Anklage wegen Spionage, Vorbereitung zum Hoch- und Landesverrat gestellt worden.

Das hat Oberstleutnant i. G. Joachim Oster, Sohn des später gehängten Abwehr-Generals Oster, sogar schriftlich bestätigt. Oster hat aber den Olmes nie kennengelernt und erinnert sich an den Mann, „der vorgesehen war, Hitler zu beseitigen“, nur vom Hörensagen. Olmes selbst hat sich im Freundeskreis über die Aussage des Oberstleutnants Oster lustig gemacht.


Richtig, es ist Olmes

Die nach dem Olmes-Besuch im FHQ und in Carinhall einsetzende Fahndung hat Erfolg. Olmes wird verhaftet, bricht zweimal aus und wird dann in das Wehrmachts-Untersuchungsgefängnis Berlin-Tegel eingeliefert. Kurz darauf wird der Fall Olmes erneut zum Thema bei Skorzeny und Radl. Bei einer Besprechung mit Fallschirm-Generaloberst Kurt Student in dessem Stabsquartier am Kleinen Wannsee kommt das Gespräch auf die Militärgerichtsbarkeit. Radl bearbeitet die Akten straffällig gewordener SS-Angehöriger, die in das Konzentrationslager Danzig-Matzkau eingeliefert wurden und denen Bewährung im Bewährungsbataillon der Waffen-SS in Chlum ermöglicht werden soll. Es ist vorgesehen, daß auch im Sonderkommando Skorzeny solche Bewährungssoldaten eingesetzt werden sollen.

Student, Skorzeny, Radl und der Gerichtsoffizier der Fallschirmeinheiten, Oberstabsrichter Dr. Büttner, erzählen sich interessante Fälle. Fallschirmjurist Dr. Büttner:

„Bei uns wird demnächst wahrscheinlich einer zum Tode verurteilt. Ein toller Bursche. Ich weiß nicht, wie man den noch herauspauken soll. Gilt als Hochstapler, hat einen falschen Dienstgrad geführt, zu Unrecht Auszeichnungen getragen, sich unerlaubt von der Truppe entfernt, Marschbefehle bei der Truppe gefälscht und, weiß der Teufel, was der noch alles getan haben soll.“

Radl glaubt den Fall zu kennen:

„Sagen Sie, heißt der etwa Friedrich Olmes?“
„Ja, richtig, es ist Olmes.“

Es vergehen einige Wochen, bis Radl Zeit findet, die Akte Olmes bei Oberstabsrichter Dr. Büttner einzusehen. Die Akte Olmes ist ein ganzer Aktenstapel. Es fällt schwer, zwischen den Hunderten von eidesstattlichen Versicherungen, Vernehmungen und Protokollen durchzufinden. Unglaublich, wie sich die verschiedenen Aussagen widersprechen. Entgegen der Aussage von Olmes, der behauptet, Generalfeldmarschall Keitel und General Jodl seien mit ihm zu Hitler gegangen, behaupten beide hohe Offiziere, den jungen Mann gar nicht zu kennen. Außerdem trage er seine Panzervernichtungsabzeichen und andere Auszeichnungen zu Unrecht. Göring habe den Fallschirm-Oberjäger Olmes, der wegen Ungehorsams mehrfach bestraft worden sei, niemals zum Leutnant befördert.

Überhaupt will sich kein Mensch an die Heldentaten dieses Leutnants Olmes erinnern. Aber dann müssen sich Keitel und Jodl berichtigen. Sie haben Olmes doch zu Hitler gebracht, und zwar, wenn es sich richtig rekonstruieren läßt, auf Intervention des am 20. Juli 1944 gehängten Chefs der Organisationsabteilung des Heeres, Oberst i. G. Meichsner, und auf Vorschlag einer in Italien eingesetzten Panzerdivision.

In den Akten findet sich auch die von Keitel persönlich unterzeichnete Verleihungsurkunde über einige Panzervernichtungsabzeichen. Der Verleihungsvorschlag wurde von der 26. Panzerdivision eingereicht, und die Heldentaten von Olmes sind durch Luftbilder belegt.

Der Fall Olmes wäre also ein recht harmloser Fall, wenn sich nicht in der Akte zwei Briefe des Untersuchungsgefangenen Olmes an Staatssekretär „Pili“ Körner und an den Oberst Meichsner befänden. Beide sind datiert vom Ende März 1944:

„Ich bitte Sie, mich sofort zu einer Vernehmung oder Aussprache unter vier Augen vorführen zu lassen. Ich habe wichtige Angaben über eine Offiziersverschwörung gegen unseren Führer zu machen.“

Auf diese Briefe hin ist nichts geschehen, aber inzwischen platzte die Bombe vom 20. Juli. In der Zwischenzeit wurde Olmes durch Militärgerichtsbeschluß auf seinen Geisteszustand untersucht. Ergebnis negativ. Olmes scheint völlig normal, hat jedoch einen starken Geltungstrieb. Im übrigen sei er von überdurchschnittlicher Intelligenz.


Rasierklingen, Gift, Medikamente

Radl bittet den Fallschirmjuristen Dr. Büttner, ihm den Fall zu überlassen. Olmes wird wieder in die Berkaer Straße gebracht Radl läßt ihm die Fesseln abnehmen, und unter vier Augen taut der blonde Bursche auf und redet wie ein Buch.

Radl macht sich Notizen und nimmt sich vor, in den nächsten Tagen folgende vier Komplexe mit Olmes durchzusprechen:

  • Olmes' Rolle in einer Verschwörer-Clique „Wien-Prag-Preßburg“.
  • Olmes als Opfer einer homosexuellen Offiziersclique.

Olmes wird ins Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Berlin-Tegel zurückgeführt. Aber trotz Zensur erreichen Radl fast täglich Briefe, die alle herausgeschmuggelt wurden. Ein neuer Komplex tut sich für Radl auf: das Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Tegel als Zelle der Wehrkraftzersetzung.

„Hier herrschen solche Zustände“, schreibt Olmes, „Protektion, Schikanen, Hunger, Homosexualität und Korruption. Hier ist die Zersetzer-Zentrale der Wehrmacht. Sagen Sie mir, an welchem Tage und um wieviel Uhr ich ohne Posten und frei bei Ihnen erscheinen soll, und ich werde dann bei Ihnen erscheinen. Was soll ich Ihnen mitbringen? Rasierklingen, Gift, Medikamente? Was immer Sie wollen, ich beschaffe es im Gefängnis und bringe es Ihnen mit als Beweis für die ungeheuerlichen Zustände in diesem Saustall.“

Radl nimmt das Angebot von Olmes nicht an. Sein Interesse liegt weniger bei den Zuständen im Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Berlin-Tegel als bei den Saboteuren, Verschwörern und Zersetzern, die den Zusammenbruch der Front und den Sturz der Regierung vorbereiten. Noch zweimal finden stundenlange Gespräche mit dem jungen Mann statt, und Radl verfaßt lange Berichte an das Reichssicherheitshauptamt.

Olmes hat glänzende Ideen, wie man zuverlässige Leute in Verschwörer- und Agentenzentralen des Gegners einschleusen sollte, und über alle diese guten Vorschläge des Olmes ist Radl bereit, dem jungen Mann seine Streiche nachzusehen.

Olmes weiß, daß man in Kroatien damals US-Ausrüstungen für ganze Divisionen kaufen konnte. Daß weiß auch Radl, und er hat schon einmal einen Vorschlag gemacht, dort Uniformen und Waffen für getarnte Sabotage-Trupps zu beschaffen. Olmes will die Angelegenheit in die Hand nehmen und macht konkrete Vorschläge. Olmes weiß viel über die Wiener Legitimistenkreise. Radl staunt über die Fachkenntnisse des jungen Mannes und ist von dem Vorschlag des Olmes begeistert, eigene Agenten in diese und andere Verschwörergruppen einzubauen.

Dann legt Olmes einen Sabotageplan für Italien vor. Sein detaillierter Vorschlag, wie man das Eisenbahnnetz der Alliierten zerstören könnte, ist so ausgezeichnet, daß sich auch Skorzenys Sabotagespezialist eine Scheibe davon abschneiden kann.


Den Führer jederzeit erschießen

Am meisten staunt Radl aber über Olmes' Erzählungen über die 20. Juli-Leute. Das sieht nach Olmes so aus: Olmes hat als Leutnant im Hotel Union, Berlin, gewohnt. Da erscheint eines Tages ein Oberst in Uniform, der ein Gespräch zwischen dem Leutnant und einem hohen General vermitteln möchte. Es handele sich um einen Mann, der an Olmes' Sabotageplänen sehr interessiert sei. Gleich darauf erscheint ein Herr in Zivil und stellt sich als Generaloberst Höppner vor. Olmes bittet den Zivilisten um seinen Ausweis. Richtig: Höppner. Höppner läßt sich die Pläne von Olmes auseinandersetzen und erkundigt sich dann angelegentlich um die Gepflogenheiten im Führerhauptquartier. Wie die Bewachung sei und die Kontrolle. Olmes: „Wenn einer wollte, könnte er das ganze Führerhauptquartier ausheben. Alles ist schlecht organisiert. Man kann den Führer jederzeit erschießen“. Das alles interessiert den Zivilisten Höppner sehr. Man werde wieder darauf zurückkommen.

Kaum ist Höppner fortgegangen, als ein Leutnant erscheint und Olmes zu einer Besprechung ins Reichsaußenministerium bittet. Olmes trifft dort auf zehn Personen. SA-Obergruppenführer und Polizeipräsident Graf Helldorf ist darunter, und im einzelnen wird der Plan des Attentats besprochen. Olmes versichert dem Obersturmführer Radl, er habe damals schon den Verschwörern eine Absage erteilt. Leider habe er seine Meldung über diese ganzen Vorgänge ausgerechnet dem Obersten Meichsner gemacht, der ja selbst zum 20. Juli-Kreis gehört habe. Meichsner habe ihm versichert, die Sache sei bei ihm in besten Händen und Olmes solle, wenn ihm sein Leben lieb sei, mit niemand über diese Angelegenheit sprechen.

Radl kann diese Erzählungen des Häftlings Olmes nicht überprüfen. Denn Höppner, von der Schulenburg, Graf Helldorf und Oberst Meichsner leben nicht mehr. Auf alle Fälle macht Radl einen Bericht an Brigadeführer Schellenberg, Oberführer Kaltenbrunner und geht schließlich sogar zu Stapo-Müller, um ihm die Sache vorzutragen. Die Gestapo ist ohnehin an Olmes interessiert und versucht, die Freilassung des zwielichtigen jungen Mannes zu verhindern. Stapo-Müller läßt Olmes durch den 20. Juli-Spezialisten, Standartenführer Huppenkothen, vernehmen. Müller verfügt durch Braunstift-Randnotizen auf dem Radl-Bericht, daß Olmes in keinem Fall zu entlassen sei.

Radl, der Olmes für seine Geheimdienstpläne einsetzen will, bespricht den Fall mit dem Fallschirm-Richter Dr. Büttner, der den Häftling zu einem Bewährungsfronttruppenteil in Marsch setzt. Olmes, von Radl entsprechend instruiert, begibt sich jedoch nicht zur Front, sondern meldet sich bei Radl auf Schloß Friedenthal, dem Stabsquartier der SS-Jagdverbände. Dort hat Olmes zunächst nichts anderes zu tun, als sich mit der guten SS-Sonderverpflegung herausfüttern zu lassen. Inzwischen unterschlägt Radl die inzwischen zur geheimen Reichssache avancierte Akte Olmes aus dem Gestapo-Archiv. Radl hat keine Gelegenheit mehr, die Wahrheit der Olmes-Märchen zu ermitteln. Die letzten Tage des Großdeutschen Reiches sind hereingebrochen, und als ein Telegramm aus Hildesheim kommt, das den Bombentod des Vater Olmes meldet, bekommt Olmes einen Kurzurlaub, um in der Uniform eines SS-Oberscharführers an der Beerdigung teilzunehmen. Von diesem Urlaub kehrt Olmes nicht zurück.

Während der letzten Kriegstage taucht er noch einmal mit der Brust voller Orden bei Braut und Schwiegereltern in Lachendorf auf und erzählt von einem tollen Sonderauftrag, den er im Heidegebiet von Uelzen auszuführen habe. Olmes hat aber dort keinen Schuß mehr abgegeben, sondern sich in der Gegend von Uelzen einen Eisenbahnerrock ausgeliehen, in dem er nach Hildesheim zurückkehrt.


Kontakt zu den Russen

Das trostlose Dasein eines Normalverbrauchers im 1945er Besatzungsdeutschland paßt Friedrich Olmes gar nicht. Er läßt sich beim alliierten Stadtkommandanten seiner Vaterstadt Hildesheim melden und erzählt dem eine tolle Story über seine hohen militärischen und abwehrmäßigen Funktionen. Das Eingeständnis, letzter Kommandant des Führerbunkers und Hitlers Sonderbeauftragter für Atomspionage gewesen zu sein, veranlaßt den amerikanischen Captain, den jungen Mann sofort einsperren zu lassen.

Nach einer Rundreise durch verschiedene Gefängnisse landet Olmes schließlich in Braunschweigs Rennelberg-Gefängnis. Olmes' Zellengenosse ist ein Dr. Ulrich Neubert, der dort als denunzierter Nazi und Kernphysiker einsitzt. Neubert hat seine Freude an der munteren Art des Zellengenossen, der die trüben Stunden durch lustige und spannende Geschichten aufzuhellen weiß.

„Hitler hatte vollstes Vertrauen zu mir und machte mich zum Sonderbeauftragten für die Spionageabwehr der gesamten deutschen Atomforschung. Später holte er mich zu den Lagebesprechungen im Führerhauptquartier, zeichnete mich an seinem letzten Geburtstag als einzigen deutschen Offizier mit dem nur einmal verliehenen Deutschen Kreuz in Gold und Brillanten aus. Die letzten Tage des Krieges erlebte ich als Kampfkommandant des Führerbunkers in Berlin.“

Olmes kann überzeugend erzählen. Er will im Auftrage Bormanns Kontakt zu den Russen aufgenommen und Bormann an Hitlers Todestage selbst durch die Linien zu den Russen gebracht haben.

„Die Amerikaner und Engländer waren über meine Tätigkeit genauestens informiert, und ich werde in den nächsten Wochen Gast der britischen Regierung in London sein, um dort Aufklärung über gewisse politische und militärische Zusammenhänge zu geben.“

Und tatsächlich wird Olmes einige Tage später von ein paar britischen Offizieren abgeholt. Der Gefängniskalfaktor hat es auch gehört:

„Die haben den Olmes nach England gebracht.“

Olmes wurde wirklich nach England ins Vernehmungslager Richmond gebracht.[1] Nach einigen Vernehmungen kommen auch die Geheimdienst-Männer dahinter, daß irgend etwas mit Olmes nicht ganz richtig ist. Olmes wird von Fachärzten untersucht: Kein Zweifel, der Bursche ist hochintelligent, hat ein phänomenales Gedächtnis und eine überdurchschnittliche Kombinationsgabe. Er ist keineswegs irrsinnig, aber wohl das, was man einen Pseudologisten nennt, einen Menschen mit krankhaftem Geltungsdrang und gefährlicher Lügenhaftigkeit.

Es dauert einige Monate in England. Olmes versieht Kalfaktor-Dienste und lernt dabei den einen oder anderen großkopfeten Häftling kennen. Da sitzen Kaltenbrunner, Hitler-Leibarzt Dr. Brandt, Generäle, Gestapo-Agenten, Minister und NS-Parteigrößen. Mit einem Transport wird Olmes endlich nach Deutschland zurückgebracht, sitzt noch ein paar Wochen in Oberursel, in Karlsruhe und wird schließlich entlassen.

Dr. Ulrich Neubert hat bis 1947 nichts mehr von seinem Zellengenossen gehört. Der taucht eines Tages bei ihm auf und zeigt einen Vertrag, unterzeichnet von einem Universitätsprofessor Wesch. Darin überträgt der Kaltlicht-Forscher dem Friedrich Olmes die technische und wirtschaftliche Ausbeutung seiner Erfindung, einer Kaltlicht-Lampe.

Physiker Neubert läßt sich von Olmes Einzelheiten sagen und merkt, daß das eine gute Sache ist und ein glänzendes Geschäft werden könnte. Olmes wird eingeladen und ist lange Zeit gern gesehener und unterhaltsamer Gast bei Neuberts in Braunschweig. Neubert hat den Professor Wesch nie kennengelernt. Aus der Kaltlicht-Produktion ist auch nie etwas geworden. Wesch hat Olmes auch gewiß nicht den Vertrag gegeben, denn er kannte ihn zu gut aus dem Internierungslager Karlsruhe.

Dort hatte Wesch einen Vortrag über den Kaltlicht-Forscher Manfred von Ardenne gehalten. Olmes saß unter den Zuhörern, und da ihn niemand beachtete: „Ach, den Manfred, den kenne ich gut. Ein alter Freund von mir aus gemeinsamer Arbeit bei der Forschungsanstalt der Luftwaffe!“

Und tatsächlich erhält der Internierte Friedrich Olmes einige Tage später eine Postkarte, mit sehr herzlichen Freundesgrüßen von Manfred von Ardenne. In bescheidenem Stolz läßt Olmes den Gruß, der aus Hildesheim kommt, herumgehen.

Wie es Olmes fertiggebracht hatte, seinen Bruder Gerhard zu dieser Karte durch die Lager-Zensur zu veranlassen, konnten die Kameraden nicht klären. Das war auch unnötig, denn Professor Wesch wußte es genau:

Manfred von Ardenne saß als sowjetischer Gefangener auf der Krim.“


Über Galgen wächst kein Gras

Bei gemeinsamen Fahrten mit dem zukünftigen Teilhaber Neubert oder dessen Vertreter Pfitzenreiter wird auch die Witwe des in Nürnberg gehängten Führerleibarztes Dr. Brandt besucht. Frau Brandt freut sich sehr über den Besuch des jungen Mannes, „der so viel für die Verteidigung ihres Mannes getan hat“. Frau Brandt übergibt Olmes das Tagebuch ihres Mannes: „Sie sollen es haben, lieber Herr Olmes, sie und kein anderer.“ Olmes hat die Idee, das Tagebuch in Buchform herauszugeben, und Dr. Neubert soll der Verleger sein.

Aus diesem ersten Buchprojekt wird nichts. Aber Olmes hat sich von den Nürnberg-Verteidigern der Gehängten und der noch in Landsberg einsitzenden Gefangenen einen Haufen Material besorgt und stellt ein Manuskript zusammen, das in dem von Neubert eigens gegründeten Erasmus-Verlag unter dem Titel „Über Galgen wächst kein Gras“ erscheint.

Das Buch ist nicht ungeschickt zusammengestellt und die Absätze zwischen den Zitaten sind gewandt geschrieben. Auch ohne große Reklame findet die Broschüre zu 2,60 DM zunächst guten Absatz. Meist unter dem Ladentisch, zumal die Engländer dem Buchhändler Wolfgang Müller in Braunschweig den Vertrieb des Buches zeitweilig untersagen. In diesen Monaten kommt es oft zu Unzuträglichkeiten zwischen Olmes und Neubert. Olmes bezieht immer wieder Partei im ehelichen Stellungskrieg des Ehepaares. Bekannten gegenüber rühmt sich Olmes, Liebhaber und Verführer der charmanten Neubert-Gattin zu sein.

Ulrich Neubert hat es nicht gern, daß sich Olmes überall als Verlagsteilhaber einführt, große Zechen macht, umfangreiche Einkäufe tätigt und seinem Freunde Neubert dann die Rechnungen zugehen läßt. Neuberts Sekretärin schimpft über das arrogante Auftreten des jungen Mannes und giftet sich, daß er Briefe, die nicht für ihn bestimmt sind, öffnet, liest und an sich nimmt.

Neubert kennt die Vorgeschichte seines Freundes und Autors nur aus dessen eigenen Erzählungen; er weiß nicht, daß sich mit dieser Vorgeschichte deutsche und britische Militärgerichte und -kommissionen wochenlang beschäftigt haben, daß deutsche und ausländische Fachärzte den Olmes monatelang auf seinen Geisteszustand untersuchten und daß vor und nach 1945 ganze Aktenberge über den „Fall Olmes“ angelegt wurden. Zwar hat Olmes gelegentlich durchblicken lassen, er sei elf Monate lang von den Engländern in die Irrenanstalt Göttingen eingeliefert worden, aber Neubert glaubt gern, daß das eine Gehässigkeit der Briten war, die Olmes ebenso fürchten, wie ihn einst Skorzeny fürchtete. Diese Meinung von Olmes wird bestätigt durch einen Artikel der „Hannoverschen Presse“, in der spaltenlang die Geschichte des heldenhaften Märtyrers geschildert wird.

Es ist 1947, als sich Friedrich Olmes bei der Göttinger Abwehrstelle FSS 81 der britischen Besatzer meldet und aufsehenerregende Informationen über eine geplante Aktion der sowjetischen Spionage abgibt. Es sei geplant, die deutschen Atomforscher Professor Hahn, Professor Heisenberg und Professor von Weizsäcker gewaltsam in die Sowjetunion zu entführen. Er habe ein paar „seiner Leute“ in den sowjetischen Spionagedienst eingeschleust und die hätten ihm Einzelheiten über die geplante Aktion berichtet.


Professor Heisenberg entführen

Obgleich in jenen Tagen die Verhältnisse zwischen Moskau, London und Washington noch ungetrübter waren als heute, greifen die britischen Abwehrmänner die Meldung interessiert auf und drängen Olmes, weiterhin zu berichten. Von nun an liefert Olmes seine Informationen im vorgeschriebenen Agentenstil, gibt detaillierte Personenbeschreibungen, Adressenangaben, unterscheidet zwischen Deck- und Klarnamen, gibt eine graphische Darstellung der gegnerischen Organisation und beziffert die einzelnen Mitglieder.

Kurz vor dem von Olmes genannten Termin alarmiert er, es sei durch Unvorsichtigkeit bei den Besatzern alles verraten und die Durchführung der Aktion daher auf einen späteren Termin verschoben worden. Bald aber gibt Olmes einen neuen Termin. Die sowjetischen Agenten, gedungene Burschen aus der Ostzone, seien bereits in Göttingen eingetroffen und im Gasthaus „Zum Goldenen G“ abgestiegen. Was Olmes meldet, wird von den Besatzern überprüft, und es gab kaum einen Zweifel, denn in dem Gasthaus wohnen tatsächlich Männer mit den von Olmes angegebenen Namen und zutreffender Personenbeschreibung. Ebenfalls stimmen die zahlreichen Adressen von Agenten, die nach Olmes Angaben zu der Entführungsaktion gehören.

Olmes' engster Mitarbeiter in Göttingen ist sein Schwager Friedrich-Wilhelm Ottens, der von Olmes selbst mit einem falschen Ostzonenausweis als Landwirt Fritz Dreyer aus Großwieblitz, Kreis Salzwedel, ausgestattet und ohne dessen Wissen in der Agentenliste unter Ziffer II/7 verzeichnet wird. Nach Schilderungen dieses Friedrich-Wilhelm Ottens alias Fritz Dreyer spielte sich die Aktion in Göttingen so ab: Olmes gab den Briten einen Termin, an dem zunächst Prof. Heisenberg aus seiner Wohnung in Göttingens Merckelstraße 16 entführt werden sollte. An diesem Abend fällt den Anwohnern dieser Straße auf, daß hinter den Zäunen der anliegenden Grundstücke rotbemützte Engländer Zigaretten rauchen und MP-Jeeps durch die umliegenden Straßen kurven. In Heisenbergs Küche sitzen sechs Engländer mit Maschinenpistolen und der Professor selbst muß sich in einer Art Schutzhaft in den oberen Räumen seines Hauses aufhalten.

Zur angegebenen Stunde – um 23.15 Uhr – erscheinen zwei finstere Burschen an der Haustür der Merckelstraße 16 und verlangen, Prof. Heisenberg zu sprechen. Statt Heisenberg kommen die sechs Polizisten und nehmen die nur widerstrebend folgenden „Entführer“ mit. Trotz eindringlicher Vernehmung ist von diesen beiden „Ostagenten“ nichts herauszubekommen. Und auch die in den drei Westzonen festgenommenen Personen schwören, nichts mit dem russischen Nachrichtendienst oder gar mit der Entführung der Atomprofessoren zu tun zu haben. Endlich bleibt den Engländern nichts übrig, als den Aussagen der Festgenommenen zu glauben. Die sind, wie sich später bestätigt, von Olmes mit einem großen Schnapsangebot nach Göttingen gelockt worden, wo sie die ersten 1.000 Flaschen bei dem „ollen Professor“ in Empfang nehmen sollten. Das Geld in ihren Taschen ist nicht etwa, wie von Olmes angegeben, eine erste Anzahlung auf das Entführungshonorar, sondern die für das Schnapsgeschäft vorgesehene Summe.

Der Leiter der FSS 81 Göttingen, Mr. van dem Sande, liefert den nun seinerseits festgenommenen Olmes in die Landesheil- und Pflegeanstalt Göttingen ein, fordert eine psychiatrische Untersuchung und macht Andeutungen, daß Olmes durch seine Aktion eine starke Unruhe zwischen den Alliierten ausgelöst habe. Sowohl nach London wie nach Washington seien täglich Kabelnachrichten mit den Olmes-Informationen gegeben worden.


Affen, Kaiser von China, Jesus

Göttingens Oberarzt Dr. Krätzschmar braucht elf Monate, um sich über den Patienten klar zu werden. Seine Diagnose:

„Sehr lebhaft. Erzählt ununterbrochen. Begleitet seine Äußerungen mit lebhaften Gesten. Weitschweifig, kommt vom Hundertsten in Tausendste. In der Ausdrucksweise sehr geschickt. Versteht es meisterhaft, alles zu komplizieren. Beantwortet Fragen nie direkt, so daß man schließlich kaum durch seine Angaben hindurchfindet. Es wäre an einen kriminellen Hochstapler oder an eine psychopathische, geltungsbedürftige, pseudologistische Persönlichkeit zu denken. Die Explorationen gestalten sich bei dem Patienten außerordentlich schwierig. Man findet überhaupt durch die unzähligen Angaben nicht mehr hindurch. Wie ein Roman, spannend und aufregend, muten die Schilderungen an, die der Patient von seinem bisherigen Leben gibt. Man wundert sich über die erstaunlichen Gedächtnisleistungen. Olmes ist nie um eine Ausrede verlegen. Ungeheuer anpassungsfähig, zum Teil entgegenkommend liebenswürdig, dann verhalten, drohend, bösartig. Das ausgeprägte Geltungsbedürfnis ist die einzige Triebfeder seines Handelns.“

Als Olmes endlich entlassen wird, inszeniert er einen heftigen Pressekrieg gegen die Heil- und Pflegeanstalt, vor allem gegen Dr. Krätzschmar, der sich nur ungeschickt zu wehren weiß. Die Journalisten glauben dem wortgewandten Olmes gern seine grauenerregenden Erlebnisse zwischen Vollidioten, die sich für Affen, den Kaiser von China oder Jesus halten. Daß Olmes während seiner Beobachtung in Göttingen Stadturlaub bekam, kommt nicht zur Sprache. Dabei wäre es Dr. Krätzschmar ein leichtes gewesen, als Beweis ein Fräulein Hahnemann zu zitieren, die bei Krätzschmar vorstellig wurde, um sich nach Herrn Friedrich Olmes zu erkundigen.

Olmes habe sie auf der Straße kennengelernt, ihr von einer bevorstehenden Reise in die Schweiz erzählt und sie vom Fleck weg als Reisesekretärin engagiert. Krätzschmar konnte die reizende junge Dame warnen. Sie hatte ohnehin schon einmal Pech mit einem hochstapelnden Psychopathen gehabt.

Bei einer späteren Vernehmung in Hildesheim und während der Untersuchung in der Irrenanstalt Göttingen, kamen immer neue „Aktionen“ des Friedel Olmes ans Licht. Da war beispielsweise das Projekt „Atlantropa“. Olmes hatte irgendwo von dem Vorhaben des Professors Sörgel gehört, der durch einen Staudamm quer durch die Straße von Gibraltar den Spiegel des Mittelmeers senken und durch Bewässerung der Sahara Nordafrika in einen blühenden Garten verwandeln will. Olmes hatte sich mit Professor Sörgel in Verbindung gesetzt und sich die Geschäftsführung der „Atlantropa“-Gesellschaft übertragen lassen.

„Wir haben Vorträge organisiert und die Presse- und Propaganda-Arbeit geleitet. Maßgebliche Mitglieder sind Professor Obst und Professor Böhm.“

Eine Notiz erschien im Handelsblatt: „Deutsche Expedition nach Mittelafrika geplant ... Das Institut arbeitet eng mit Professor Obst zusammen und steht unter Leitung von Friedrich Olmes.“ Damals wurde der Name Olmes noch einmal voller Bewunderung in Lachendorf genannt.

„Friedel Olmes gründet eine Pelztierfarm. Sieben Morgen Land hat er schon von Bobeck gepachtet.“

Und tatsächlich beförderte der Lachendorfer Postbote bald Briefe an den „Pelzhof Lachtefarm“, und eine Celler Druckerei lieferte Briefbogen mit Konto-Angabe und Telegramm-Anschrift. Außer Mäusen und Ratten, vielleicht auch gelegentlich einem Fuchs oder einem Marder kamen aber keine Pelztiere auf das von Olmes auf neun Jahre gepachtete Gelände. Es blieb der Briefkopf, die fruchtlose Korrespondenz mit geprellten und enttäuschten Interessenten und die Pachtschuld, die seit der Währungsreform auf 1.500 Mark angewachsen ist.

Zu einem anderen Olmes-Projekt, dem IFAN-„Institut für angewandte Naturwissenschaften“, sagte Olmes selbst:

„Ich hatte schon in der Gefangenschaft meine Pläne hierzu ausgearbeitet. Ich wollte die verschiedenen Wissenschaftler zusammenfassen, ein Rundbrief sollte sie über die neuesten Forschungsergebnisse unterrichten. Ich machte Verträge mit Professor Berg, Professor Stolzenberg und mit Professor von Brehmer. Hauptaufgabe der IFAN sollte sein, deutsche Forschungsergebnisse und Patente vor dem Zugriff der Alliierten zu schützen und in Not geratene Wissenschaftler zu unterstützen.“


Ein Australier dahinter

Die IFAN stand jedoch nur auf dem Papier. Und nicht einmal als Briefkopf, wie der Pelzhof Lachtefarm, sondern nur als Stempel. Immerhin fielen bekannte Namen reihenweise auf den Institutsleiter Olmes herein. Professor Dr. von Brehmer traf es am härtesten von allen. Der Leiter des anatomischen Laboratoriums der Biologischen Reichsanstalt aus dem Jahre 1919 wurde der Öffentlichkeit 1946 durch seine „aufsehenerregende Entdeckung des Krebserregers“ bekannt. Forschungskollegen hielten weniger von Wilhelm von Brehmer als seine Patienten.

Nach der Kapitulation waren die Engländer in Berlin auf von Brehmer aufmerksam geworden und luden ihn ein, in den Westzonen Vorträge zu halten. Bei einem solchen Vortrag in Hamburg machte sich Olmes an von Brehmer heran und erzählte ihm viel von der IFAN.

Olmes war es leicht, das Vertrauen des Professors zu gewinnen, zumal er in dem Privatsekretär und Manager Dr. von Brehmers, Friedrich Lorenz, einen alten Bekannten aus dem britischen Vernehmungslager Richmond wiedertraf.

Von Brehmer glaubte, in Olmes den Mann gefunden zu haben, der ihm das nötige Geld für seine weiteren Forschungen beschaffen würde. Als er sich in Göttingen nach der IFAN des Herrn Olmes erkundigte, mußte er erfahren, daß dieses Institut dort nicht bekannt war. Aber Olmes zerstreute schnell die Bedenken des Forschers. Er selbst sei nur der Geschäftsführer der IFAN, hinter der ein schwerreicher Australier stände, der die ganze Sache finanzierte.

Diesen Australier hat Dr. v. Brehmer nie kennengelernt. Aber er erhielt eines Tages ein Begrüßungstelegramm: „Von einer Lagebesprechung der IFAN senden Ihnen herzliche Grüße ...“ folgten die Namen prominenter Wissenschaftler, darunter bescheiden Friedrich Olmes.

Später mußte Wilhelm von Brehmer einen Schicksalsschlag nach dem anderen einstecken. Sein Privatsekretär Friedrich Lorenz bestahl sein Gepäck und verschwand mit einer Anzahl Instrumente und dem Serum, mit dem von Brehmer den Krebserreger bekämpfen wollte. Lorenz tauchte in Paris als Professor Lorenz auf, wurde als Helfer der leidenden Menschheit gefeiert, und es dauerte lange Zeit, bis die Franzosen feststellten, daß sie einem Schwindler aufgesessen waren. Friedrich Olmes verkaufte auf eigene Rechnung eine Filmkamera des Forschers, der sich von dem Erlös eine finanzielle Beihilfe in jenen harten Reichsmarktagen erhofft hatte.

Wenn Olmes nicht gerade im Gefängnis oder in der Irrenanstalt saß, war er in Braunschweig bei Herrn und Frau Neubert. Nur gelegentlich kam er noch nach Lachendorf, wo Schwiegervater Ottens auf die Scheidung von Tochter Ursula Olmes, geb. Ottens, drängte.


Mit sechs Bällen zugleich

Neben den Aufregungen und der Schande, die Schwiegersohn Olmes der Lehrerfamilie ins Haus gebracht hatte, war durch Olmes' eigene Unordnung Licht hinter einige seiner dunklen Geschichten gekommen. Irgendwo fand sich ein ganzes Heft voller Aufzeichnungen, die Olmes während seiner Gastrolle als Agent des Celler Büros des Britischen Geheimdienstes gemacht haben muß.

Da war zu lesen, welche Freunde und Bekannte Olmes den Besatzern denunzierte, welche Informationen durch seine Hände gingen, und da wurde auch klar, wo der Journalist Olmes sein Material für eine nur einmal erschienene Zeitung „Unter der Lupe“ gestohlen hatte. Gedruckt bei Gebrüder Gerstenberg in Hildesheim, veröffentlichte Olmes für 30 Pfennig im Oktober 1948 eine zwei Seiten lange Liste (mit Lagekarte) der sowjetischen Kriegsgefangenen-Lager.

So erfuhren die Ottens, woher Olmes Einzelheiten über die Inneneinrichtung des Führerbunkers und die letzten Tage des Kampfes um Berlin hatte, die immer wieder von Kennern bestätigt worden waren.

Ottens fanden in der Material-Sammlung des Olmes ganze Passagen, die er mit Daten, Namen, Zahlen aus dem Buch des Hauptmanns Gerhard Boldt „Die letzten Tage der Reichskanzlei“ abgeschrieben hatte. Blieb nur die Bewunderung für das Gedächtnis, das alles registriert hatte. Familie Ottens und Dr. Krätzschmar schwankten dennoch immer wieder bei der Beurteilung von Olmes. Olmes hatte viele Beweise für die Wahrhaftigkeit seiner Geschichten. KZ-Häftling Dr. med. Hans Behnke, Berlin-Grunewald, Rheinbabenallee 29, wegen Vorbereitung zum Hochverrat als Häftling Nr. 47 371 BBI im KL Sangershausen, erklärte eidesstattlich:

„Olmes war der exponierteste, der Tätigste des Umsturzkreises. Man kann seine Bedeutung nicht hoch genug einschätzen und auch nur schwer beschreiben. Herr Generaloberst Beck sagte mir einmal wörtlich: ‚Der Olmes, dieser Teufelskerl, jongliert immer mit sechs Bällen zugleich und wer weiß, wieviel unsichtbare Bälle er noch in Petto hat‘.“

Da habe der Generaloberst den Olmes wahrlich treffend charakterisiert.

Olmes sei von allen maßgebenden Persönlichkeiten unbegrenztes Vertrauen entgegengebracht worden. Nach Dr. Behnke stellte die Verhaftung des Olmes im Frühjahr 1944 „vielleicht den schwierigsten Schlag für die militärische Widerstandsbewegung dar“.

Dr. Behnke kann seine Aussage in Deutschland nicht mehr wörtlich wiederholen, er ist vor fast zwei Jahren nach Südamerika ausgewandert. Eine andere Pro-Olmes-Zeugin, Fräulein Vera Gottke, Berlin-Waidmannslust, Am Dianaplatz 4, Vertreterin der Reichs-Jugendführung beim Reichsluftfahrtministerium, hat eidesstattlich versichert, daß ihr Olmes als Autor des Dramas „Hutten“ bekannt sei. Dieses Drama sei 53mal aufgeführt worden. Olmes sei Anwärter für den höheren diplomatischen Dienst gewesen.

„Er fuhr oft in meinem Wagen.“

Daß er für den höheren diplomatischen Dienst vorgesehen sei, hat Olmes selbst nie behauptet. Auch von Vera Gottkes Wagen hat er wenig erzählt. Unter seinen Papieren befindet sich allerdings ein Briefbogen, mit braun geprägtem Kopf:

„Der Chef des Kulturkreises der SA
Berlin W 8, den 12. Dezember 1941
Voßstraße 1
Sehr verehrter Herr Olmes!
Im Namen des Stabschefs habe ich die Ehre, Ihnen mitzuteilen, daß Ihr Schauspiel "Hutten" den 1. Preis des Kulturkreises der SA mit einem Geldwert von eintausend Reichsmark erringen konnte. Zu diesem Erfolg gestatte ich mir, Ihnen meine herzlichste Gratulation entgegen zu bringen.
Heil Hitler!
gez. Unterschrift
Obersturmbannführer.“

Dazu schreibt der „Literaturpreisträger der SA“ von 1941, Dr. Hans Snyckers:

  • Der „Kulturpreis der SA“ wurde stets vom Stabschef der SA Lutze persönlich verliehen und der Preisträger durch einen persönlichen Brief Lutzes benachrichtigt.
  • Die Verleihung erfolgte alljährlich im Februar, meines Wissens aus Anlaß des Todestages Horst Wessels.
  • Von einem besonderen „Preis des Kulturkreises der SA“ habe ich nie etwas gehört.
  • 1941 wurde der Name „Kulturpreis der SA“ abgeschafft und statt dessen ein „Literaturpreis der SA“ verliehen.
  • Träger dieses Literaturpreises der SA war 1941 ganz bestimmt kein Herr Friedrich Olmes. Einen Herrn Friedrich Olmes kenne ich nicht.

Im September 1946 sollte Oberstabsrichter Dr. Büttner, Olmes-Untersuchungsrichter 1944/45, von der Spruchkammer Aschaffenburg entnazifiziert werden. Als Pg. und wegen seiner Mitgliedschaft zu verschiedenen Organisationen hatten ihn die Entnazifizierer für die Gruppe II vorgesehen. Über die Entnazifizierungsverhandlung schrieb die „Main-Post“, Würzburg, am 22. Oktober 1946:

„Panzerschreck sagt aus: Vor der Aschaffenburger Spruchkammer spielte sich im Verfahren gegen den RA Dr. Büttner eine interessante und spannende Verhandlung ab. Der öffentliche Kläger stellte den Antrag, den Betroffenen, der seit 1933 in der Partei und verschiedenen Nebenorganisationen war, in Gruppe II einzureihen. Im Laufe der Sitzung gelang es Dr. Büttner, seinen aktiven Widerstand gegen die Partei zu beweisen. Geradezu sensationell wirkte die Aussage des Zeugen Fr. Olmes, der als Erfinder des Panzerschreck bekannt ist. Olmes gehörte zur Widerstandsgruppe des 20. Juli und stand mehrmals vor seiner Hinrichtung Sein Leben wurde dadurch gerettet, daß Dr. Büttner, der als Kriegsgerichtsrat mit der Untersuchung betraut war, die Verhandlung gegen Olmes bis zum Kriegsende hinauszögerte. In Würdigung dieser Tatsache reihte die Kammer den Betroffenen in die Gruppe V ein.“

Zu dieser Entnazifizierungsverhandlung brachte Olmes eine sechs Seiten lange eidesstattliche Erklärung mit, mit vielen Stempeln und Unterschriften, dabei einen englischen Vermerk für die „sachliche Richtigkeit“, einen Stempel „Military Government 122 Det.“ und der Unterschrift eines Majors Morris.


Die Landsberger entführen

Auf Drängen Dr. Ulrich Neuberts, dem die Druckerschulden für die Olmes-Broschüre das Glühlampengeschäft zu ersticken drohten, unternahmen Autor und Verleger eine Reise in Neuberts altem „Adler“ quer durch die Bundesrepublik, um den Vertrieb des Galgenbuches anzukurbeln. Im Fond des Wagens lagen ein paar hundert Bücher und Elektrogeräte aus Neuberts Geschäft, durch deren Verkauf die Reisespesen gedeckt werden sollten.

„Manchmal ging uns mitten auf der Landstraße das Benzin aus“, erzählt Neubert, „dann ging ich ins nächste Dorf, verkaufte ein paar Bücher oder eine Kochplatte, und mit zehn Litern Benzin im Kanister gings zurück zum Wagen.“

Zu den Besprechungen mit den Geldleuten und Buchinteressenten ging Olmes lieber allein. Neubert mußte im Wagen oder in einer Kneipe warten. Nach Braunschweig war die erste Station Hameln, wo Olmes die Adresse eines Teppichfabrikanten Dr. Preiß hatte. Olmes erzählte dort seinen Plan, die Todeskandidaten aus Landsberg zu befreien, den greisen Marschall Pétain in die Schweiz zu entführen und evtl. auch eine Aktion für die politischen Gefangenen der Festung Spandau zu starten.

Ein Dr. von Schaper, Schwiegervater des Großherzogs von Mecklenburg, den Teppich-Preiß zu der Besprechung hinzugezogen hatte, bat, man solle auch an die Häftlinge in den Gefängnissen von Luxemburg und Metz denken. Denen gehe es besonders schlecht. Olmes versprach viel, bat um Adressen, finanzielle Unterstützung und ließ sich Akten aushändigen, aus denen Einzelheiten über das Schicksal jener Häftlinge zu ersehen seien.

Als Dr. Ulrich Neubert den Friedel Olmes nach der Besprechung abholte, hörte er einen der Herren sagen: „Wenn wir nun im Aufsichtsrat dieser Gesellschaft sitzen ...“ Staunend ließ sich dann Neubert von Olmes berichten, daß man den Plan einer Wochenzeitung besprochen habe. Diese Wochenzeitung solle einmal auf die nationale Pauke hauen und die Rehabilitierung des Reichsbankpräsidenten Dr. Hjalmar Schacht und des schwedischen Forschers Sven Hedin betreiben.

Am 28. März erhielt Dr. von Schaper den ersten Bericht von Friedrich Olmes:

„Obwohl ich schon längst vor Ostern in Frankreich sein wollte, ist so viel dazwischen gekommen, daß ich bisher nicht einmal Zeit fand, den besprochenen Lagebericht zu senden. Jetzt, nachts ½3 Uhr, soll es wenigstens versucht werden. Sie erhalten in der Anlage, sonst nachgereicht:
– einen Bericht über die Verhältnisse in den holländischen Gefängnissen und Lägern (sehr eingehend mit Namensangaben, umfassend),
– einen Bericht über die letzten Urteile in Luxemburg und deren Zustandekommen und
– einen Bericht Möglichkeiten der französischen Justiz.
Sämtliche Berichte habe ich nach mir zugegangenem neuesten und authentischen Material, aus erster Hand stammend, zusammengestellt. Das Gelände Metz wird zur Zeit eingehend sondiert, die Leute bedürfen dort dringendster Hilfe.
In Stuttgart war ich einen Abend Gast beim greisen Landesbischof Wurm. Er steht offen und rückhaltlos hinter unseren Unternehmungen und würde sie jederzeit gegen jeden decken. Er bat mich sogar, ja nicht locker zu lassen und alles zu tun, den unter dem Galgen stehenden Kameraden zu helfen. Finanziell kann er leider im Augenblick nichts Nennenswertes beisteuern. Er befindet sich ja längst im Ruhestand. Wurm ist sicherlich die achtunggebietendste Persönlichkeit im kirchlichen Leben Deutschlands. Ich bin sehr froh, ihn auf unserer Seite zu haben oder besser, daß wir auf seiner Seite stehen.
Am nächsten Tag war Dr. Hjalmar Schacht, aus Frankreich kommend, in Stuttgart. Er hörte, daß ich auch dort weilte, worauf er mich freundlicherweise für eine Stunde im Hotel besuchte. Die Unterredung verlief äußerst erfolgreich. Wenn Sie und Ihre Leute nicht so tätig waren, Herr Olmes, wären wir längst rettungslos verloren, sagte er u. a. Also hat er seine alte, mir schon früher geäußerte Einstellung behalten.
Wieviel Geld brauchen Sie fürs erste? fragte er mich. Ich antwortete, mehr als die in Aussicht gestellten 10.000 Mark für die nächsten Monate nicht, worauf Schacht mir versprach, dafür Sorge tragen zu wollen, daß mir ein bedeutender Betrag, nämlich so viel wie die gesamten Kosten seiner und seiner Frau mehrwöchigen Frankreichreise ausmachen, an mich überweisen zu lassen. Wenn ich auch bis heute vergeblich auf den leidigen Mammon gewartet habe (was sich im übrigen verhängnisvoll auswirken kann, da wir unsere Pläne ganz auf Schachts Zusage abgestimmt haben), so hoffe ich doch sehr, daß der Geldbriefträger jeden Augenblick kommt (sonst ist es duster) ...
Von Stuttgart fuhren wir nach München. Nach Erledigung meiner Vorbereitungen war ich über Ostern Gast der Prinzessin Isenburg. Mit ihr habe ich dann alle Maßnahmen getroffen, unsere Arbeit zu koordinieren.
An weiteren Notstandsaktionen sind mir in den letzten Tagen so viele Hilferufe zugegangen, daß ich kaum weiß, was nun am dringlichsten ist. Außer der Sondierung der Komplexe Metz und Marseille sind teilweise seit Monaten, teilweise aber auch seit wenigen Tagen die folgenden Unternehmungen in Vorbereitung, bzw. stehen kurz vor dem aktiven Einsatz
– Den greisen Pétain aus seiner üblen Haft zu befreien, wobei wir die Hauptarbeit unter wichtiger Mithilfe seiner französischen Landsleute zu leisten haben. Die Aktion ist in der Vorbereitung fertig. Sie ist leichter durchzuführen, als man bei Unkenntnis der internen Bewachungssituation erwarten kann. Wenn Schacht seine Zahlungszusage erfüllt hat, geht es sofort los. Irland würde Pétain sofort Asyl gewähren. Er möchte jedoch lieber in die Schweiz, deren Haltung dazu jedoch noch nicht definierbar ist. So kann es sein, daß für den Fall, daß sich die Schweiz nicht rasch positiv entscheidet, Pétain für vorübergehende Zeit in Deutschland bleiben muß, in zwei bereits vorbereiteten Quartieren.
– Die Aktion Luxemburg ist gleichfalls äußerst dringend. Einen Begriff der dortigen Verhältnisse erhalten Sie aus dem beiliegenden Bericht. Auch hier sind die technischen Durchführungsfragen geklärt, während die finanziellen scheußliche Schwierigkeiten machen.
– Landsberg ist und bleibt eine sehr harte Nuß. Insbesondere wegen der für uns unabsehbaren politischen Fernwirkung, der Kompliziertheit verschiedener Fälle (z. B. Ohlendorf) und auch wegen der unerhört negativen Propaganda, die man gegen Ohlendorf, Pohl und andere inszeniert hat und die nicht so schnell aus der Welt geschafft werden kann. Denn man kann auch aus technischen Gründen nur schwierig ein oder zwei der Rotjacken herausholen, vielmehr müßte man sie dann alle befreien.
– Ein zur Lösung geradezu drängendes Problem ist für uns vor allem das Schicksal des todkranken Feldmarschalls List. Er ist so krank, daß mit seinem baldigen Ableben gerechnet werden muß, wenn er von den Amerikanern nicht als haftunfähig erklärt wird. In der Beziehung ist alles versucht worden, jedoch ohne Erfolg. Die Amerikaner beweisen diesem über 70jährigen zu lebenslänglicher Haft verurteilten Mann ihre ganze Gehässigkeit. Das einzige Mittel, welches uns übrigbleibt und Erfolg verspricht, ist die Bestechung der zwei verantwortlichen Amerikaner. Die Summe, die gebraucht würde, ist nicht einmal groß, vielleicht 3.000 oder 4.000 Mark. Die Prinzessin Isenburg will zwar 10.000 meiner kleinen Bücher schnellstens verkaufen, wodurch dann Geld zur Verfügung stände, aber das dauert natürlich einige Monate, und dann ist es im Falle List sicherlich zu spät.
– Auf Ersuchen der Prinzessin Isenburg mußten wir Spandau in unser Programm mit aufnehmen, und bei den Vorbereitungen kam nun heraus, daß dort sofort etwas geschehen muß. Den Spandauer Häftlingen geht es wesentlich schlechter als allen anderen Inhaftierten des Bundesgebietes. In Werl zu sitzen ist viel angenehmer. Kesselring hat jetzt sogar ein Rundfunkgerät in die Zelle bekommen.
Für heute soll nun dieser erste Wehrmachtbericht beendet sein, in einigen Tagen teile ich weiteres mit. Mit sehr freundlichen Grüßen ergebenst Friedrich Olmes.“

Diesem Brief von Olmes an Dr. von Schaper war ein vier Seiten langes Exposé auf rosa Durchschlagpapier mit den Namen der in Luxemburger Gefängnissen einsitzenden deutschen „Kriegsverbrecher“ samt einem detaillierten Befreiungsplan beigefügt. Was Olmes in seinem Brief an Dr. von Schaper so ausführlich berichtet hatte, erzählte er auch während der Fahrt seinem Freunde Dr. Ulrich Neubert. Neubert will selbst gehört haben, wie sich die Prinzessin Isenburg von Friedel Olmes verabschiedete: „Alles Gute, lieber Herr Olmes, und jeden Abend ein kräftiges Gebet für Sie.“ Und in Stuttgart hatte Neubert den Olmes selbst bis an die Türen von Altbischof Wurm geleitet. Olmes hatte dann berichtet, wie der Bischof zu ihm gesagt habe:

„Aber schießen Sie nur keinen tot, lieber Herr Olmes, das müssen Sie mir versprechen.“

Auch von der Schacht-Begegnung hat Neubert ein Stückchen miterlebt. Olmes hielt sich gerade in einem Reisebüro auf, als der telefonische Auftrag kam:

„Eine Bettkarte für Herrn Dr. Schacht, der eben aus Paris eingetroffen ist, von Stuttgart nach Hamburg. Sofort ins Hotel Ketterer schicken.“

Olmes hatte sich bescheiden an den Reisebürochef gewandt und gebeten, einen Brief für Dr. Schacht beifügen zu können. Er sei mit einem guten Bekannten Schachts in Stuttgart und beide hätten das Bedürfnis, den Herrn Präsidenten in einer wichtigen Angelegenheit zu sprechen. Man sei im Hotel Union erreichbar.

Neubert nahm dann im Hotel den Anruf Schachts entgegen, der sich kurz darauf zu einem Besuch bei Olmes einfand. Dem SPIEGEL sagte Schacht, die Unterredung habe nur kurz gedauert. Der von Olmes angekündigte Schacht-Freund sei nicht anwesend gewesen. Es sei möglich, daß er Olmes eine Zusage bezüglich der Abtretung seiner Frankreich-Spesen gemacht habe, um den verdächtigen Burschen loszuwerden. Selbstverständlich habe Olmes nicht einen Pfennig bekommen. Nach dem Besuch bei der Tochter eines Spandauer Häftlings hatte Olmes 700 Mark in der Brieftasche und einen Koffer, den er schon während der Weiterfahrt öffnete, um sich mit einer Pelzmütze und einem Schal zu drapieren.

Die von Dr. von Schaper empfangene Akte über einen in Metz einsitzenden „Kriegsverbrecher“ habe er günstig für 1.500 Mark an die „Schwäbische Illustrierte“ absetzen können, erzählte Olmers dem Neubert. Deren Chefredakteur Beckmeier habe ihm außerdem seine Minox-Kamera geliehen, damit er bei der Befreiung der Landsberger Aufnahmen machen könne. Tatsächlich konnte Olmes die Kamera vorweisen, und inzwischen hat die „Schwäbische“ selbst bestätigt, Olmes die Kamera ausgeliehen zu haben.


Meine ganze, einzige Freude

Seinen nächsten Fischzug machte Olmes in München. Soldatenbund-Vorsitzender General Koller gab gleich einen guten Tip. Sein Bekannter, ein Herr Marin, der noch 14 Tage vorher im Zusammenhang mit der Auerbach-Affäre im Gefängnis gesessen habe, bedürfe dringend seiner Hilfe. Olmes zu Dr. Neubert:

„Ich soll Marins Akten beim Generalstaatsanwalt in Frankfurt klauen und bekomme dafür 25.000 Mark.“

Was Olmes sonst noch in München trieb, erfuhr Dr. Ulrich Neubert erst Wochen später durch einen Brief eines Herrn Streib von der Lebensmittelgroßhandlung Hans Hartmann GmbH:

„Ihre Anschrift habe ich von Prinzessin von Isenburg erhalten. Ich bitte Sie um eine vertrauliche Auskunft über Herrn Friedrich Olmes. Zum Verständnis hierfür darf ich Ihnen mitteilen, daß Herr Olmes am 29.3.51 bei unserer Firma für 300 Mark Lebensmittel eingekauft hat. Er hat mit einem Scheck auf die Kreissparkasse Gifhorn bezahlt und versichert, daß derselbe gedeckt sei. Inzwischen ist der Scheck unbezahlt zurückgekommen. Herr Olmes hat als seine Adresse angegeben: Neudorf-Platendorf über Gifhorn. Da er auf Briefe an diese Adresse nicht antwortet, bitte ich gleichzeitig, mir seine richtige Adresse anzugeben. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß meine Firma einem Hochstapler zum Opfer gefallen ist, gegen den sie, wenn sich dies bestätigen sollte, wegen Betrugs vorgehen wird.“

Olmes, der die Konserven zur Aufpäppelung der befreiten Landsberger vorgesehen hatte, hatte selbst keine Zeit, den Verzehr vorzunehmen. Er trennte sich in Bonn von seinem Reisekameraden, „um mit Pferdmenges und dem Bundestagsabgeordneten von Thadden zu konferieren“.

Aus Bonn erreichte wenige Tage später ein Brief mit Absender Enno von Stock die Familie Neubert:

„Sehr geehrte Herren, ich erfahre heute hier, daß Herr Friedrich Olmes eine kleine Broschüre hat bei Ihnen erscheinen lassen, und daß Herr Olmes auch gestern noch hier in Bonn gewesen sei. Sie werden seine Anschrift sicherlich wissen und Gelegenheit haben, die beigefügten kurzen Zeilen in seine Hände gelangen zu lassen, worum ich ergebenst bitte.
Mit vorzüglicher Hochachtung!
von Stock.“

Offen beigefügt schrieb Enno von Stock, Bonn a. Rh., Rüdesheimer Weg 4, unter dem 6. April 1951, Diktatzeichen St/D.:

„Mein lieber alter Friedel! Laß Dir durch diese ersten Zeilen nach so langer Zeit anzeigen, daß ich durch einen Zufall Deine Adresse in Erfahrung gebracht habe und nun natürlich keine Stunde zögere, Dir zu schreiben ...
Weißt Du, daß wir noch 2.000 Mark Schulden bei Dir haben? Du zahltest doch damals das Honorar an mich für Rechtsanwalt Schwarz; und hast dann das Geld nie wieder angenommen, weil Du meintest, man würde uns das Gut beschlagnahmen.
Komm also rasch und bring den alten Sonnenschein mit, der so oft über unserem Schönstein stand. Nimm einen herzlichen Händedruck und viele herzliche Grüße von Deinem alten Enno von Stock.“

War es der bekannte Olmes-Stil oder der ebenso bekannte Kugelschreiber des Hausfreundes? Ulrich Neubert entschloß sich zu einer Rückfrage: „Wir haben Ihre freundliche Zuschrift vom 6.4.51 erhalten und werden bemüht sein, den beiliegenden Brief Herrn Olmes zu übergeben. Wollen Sie uns jedoch bitte auf beigefügter freigemachter Antwortkarte den Eingang unseres Briefes bestätigen.“ Dieser Brief kam als unbestellbar zurück.

Hildesheim, Göttingen, Braunschweig und Celle sind für Friedel Olmes längst ein heißes Pflaster geworden. Da wohnen überall Leute, die schon einmal auf ihn hereingefallen sind. Da gibt es Polizei und einen Gerichtsvollzieher, der wegen der vielen Schulden Taschenpfändung vornehmen soll.

Friedel Olmes hat kein Geld, aber er kauft sich gegen Anzahlung die einsame Moorhütte des verstorbenen Industriellen Everken aus Hannover. Die Hütte, inzwischen durch einen Gerichtsvollzieher versiegelt, ist nur nach beschwerlicher Fahrt über einen 4-Kilometer-Knüppeldamm hinter Neudorf Platendorf im Landkreis Gifhorn zu erreichen.


Im Gurgeln der Blasen

Dort empfängt Olmes seinen Verleger Neubert (mit charmanter Gattin) und dorthin lockte er auch durch einen fingierten Telefonanruf ein paar Journalisten der „Lüneburger Landeszeitung“. Die sind begeistert von diesem journalistischen Fang in der sonst so unergiebigen Heide- und Moorlandschaft zwischen Celle und Lüneburg. Das ist für sie die große Gelegenheit, in gruseligen Geschichten immer neue Husarenstreiche eines Mannes aufzutischen, der im Verbreitungsgebiet der eigenen Zeitung wohnt.

„Ein Toter kommt übers Moor“, „Der Mann, vor dem Skorzeny Angst hat“, „Gast in der geheimnisvollen Moorhütte“, „Im Schatten des Galgens“, heißen die Titel in dem Heide-Blättchen. Redaktionsmitglied Helmut Pless hat es sich vor allem angelegen sein lassen, Olmes-Biograph zu sein: Selbst alter Luftwaffenmann, fühlt er sich dem Fallschirm-Kameraden in altem Fliegergeist besonders verbunden. In der „Lüneburger Landeszeitung“ stand zu lesen:

„Vier Männer, deutsche Fallschirmjäger des letzten Krieges, haben in einer Oktobernacht ohne Waffengewalt die schwerbewaffneten Wachen eines holländischen Gefängnisses überrumpelt und zwei zum Tode verurteilte deutsche Offiziere befreit. Nach Zeitungsberichten wurde dabei ein gewisser Friedrich Olmes durch den aus nächster Nähe abgegebenen Feuerstoß einer Maschinenpistole getötet, Irgendwo in der Verlorenheit eines der großen Moore Nordwestdeutschlands aber haben jetzt Zeitungsleute – ein Reporter und ein Bildberichter – zwei Tage und zwei Nächte lang mit jenem Manne gesprochen, der im Oktober in Holland den Tod fand. Sie sahen einen der seltenen Menschen, in denen sich verwegenes Abenteuertum mit Gerechtigkeitssinn und Intelligenz paart. Sie befragten den Mann, vor dem sich Mussolini-Befreier Skorzeny fürchtet, und lebten, wie Friedrich Olmes heute lebt. Der Brustschuß von der Aktion Holland, knapp eine Handbreit vom Herzen, war schon fast verheilt.“

Was der Mann mit der feindlichen Kugel über dem Herzen den Landeszeitung-Reportern erzählte, brachte deren lyrischste Seiten zum Klingen. Für die Reportage „Ein Toter kommt übers Moor“ opferte LZ-Chef Hermann Boris Ina eine vierspaltige Seite seiner Samstag-Ausgabe vom 25. November 1950:

„Vorbei war der Hagelschlag. Als mächtiger Amboß mit rotgezantem Rand zog die grauschwarze Wetterwand nach Osten. Und im Gurgeln der Blasen, die da und dort aus den morastigen riedüberwucherten Tümpeln quollen, wurde verlorene Stille hörbar. Schweigend auch, einem Charon gleich, stakte uns ein Mann des Moores jene vier Kilometer Feldbahngleis auf einer primitiven Lore dahin, wo Friedrich Olmes heute haust.“ Und so weiter.

An der Wahrheit der eigenen Olmes-Artikel hatte Reporter Pless alsbald allen Anlaß zu zweifeln. Der geheimnisvolle Mann hatte zwar zunächst ganz seriös gewirkt. Auf dem Moor-Hüttentisch lag internationale Korrespondenz mit Briefmarken aus allen Erdteilen. Da lag das Original-Tagebuch des Hitler-Leibarztes Dr. Brandt. Olmes vermied jede augenfällige Angabe, plauderte reizend und gab sich als bescheidener Idealist:

„Bitte nicht zuviel Sensation in der Presse. Hier geht es um Ideale!“

Pless hatte Gelegenheit, über Olmes' Personal-Kenntnisse zu staunen, über seine Information über Einzelheiten der militärischen und politischen Verhältnisse der letzten Tage des Dritten Reiches. Er mußte meistens hinter den Kulissen gestanden haben, und zwar ganz vorn, so daß er alles aus nächster Nähe miterleben konnte.


Auf der großen Wiese

Olmes erklärte sich nach einigem Drängen bereit, daß LZ-Bildberichter Makovec „echte Milieustudien“ über seine Holland-Erlebnisse machte (im Journalisten-Jargon nennt man sowas „Türken bauen“): Geheimnisvolle Besucher in Ledermänteln und heruntergezogener Hutkrempe wurden geknipst, und, da man nicht noch einmal die „Aktion Holland“ für die LZ wiederholen konnte, Verbandwechsel der Schußwunde „eine Handbreit über dem Herzen“.

Bis dahin war Pless ohne Arg, auch LZ-Chef Ina, der selbst Gast bei Olmes war, glaubte, was der Mann im Moor erzählte und was Verleger Dr. Neubert mit ernsthaftem Kopfnicken unterstrich. Nach dem Artikel „Ein Toter geht übers Moor“ kam kein Dementi, kein Berichtigungsbegehren, kein einziger der LZ-Abonnenten meldete Zweifel an. Zeitungen in Lübeck und Aachen baten um Nachdruckrechte und druckten die Olmes-Story. Die Makovec-„Türken“ wurden samt Text von Pressefoto-Agentur Keystone angekauft. Die Illustrierten „Stern“ und „Revue“ zeigten sich an dem Mann im Moor sehr interessiert.

Darum war es nicht die Geschichte von der „Aktion Holland“, nicht die Story von der 20.-Juli-Verschwörung, die vom Olmes-Ofenrohr, die Sache mit Skorzeny, mit dem Antikrebs-Serum und den 11 Monaten unter den Irren, die bei den LZ-Journalisten Zweifel an der Seriosität des Olmes aufkommen ließen. Die Zweifel wurden vielmehr durch zwei junge Wildschweine und das Moorhütten-Faktotum Trumm geweckt.

Das war an jenem Abend, als Olmes den Journalisten die angeblichen Zeitungsausschnitte mit den Meldungen über seinen Tod und die Aktion Holland vorlegen wollte. Dazu kam es jedoch nicht, denn die versammelte Hütten-Gemeinde (Verleger Dr. Neubert und Frau, ein Mädchen aus Hamburg in gelbem Pullover, ein weißhaariger Baurat aus Braunschweig, LZ-Vertriebsmann Löffler aus Gifhorn und einige Moorgeister, Nachbarn und Freunde von Olmes) entschlossen sich nach reichlichem Schnapszuspruch auf Wildschwein-Jagd zu gehen. Pless schildert das so:

Olmes-Adlatus Roux wird auf Pirsch geschickt. Kommt gegen 22 Uhr zurück und meldet atemlos: „Sie sind da! Zwanzig bis dreißig Stück auf der großen Wiese.“ Olmes brüllt: „Treiber raus“. Die Moorgeister verschwinden zusammen mit Roux. Ergrauter Baurat mit waidmännischen Erfahrungen: „Wenn das nur etwas gibt. Das Schwarzwild ist so unstet. Und dann bei dieser großen Gesellschaft ...“
Olmes leicht angesoffen: „Wetten, daß ...?“
Folgt Gewehr-Verteilung. Olmes nimmt Karabiner, Dr. Neubert Drilling. Karabiner-Munition: uralte rostige französische Patronen.
Vor Aufbruch gegen 22.30 Uhr nochmaliger heftiger Umtrunk.
Nacht schwarz. Wegen der zarten Damenpumps wird viel von Taschenlampen Gebrauch gemacht. Lautes Halli und Hallo wegen der Pfützen. Muntere Reden. Knackende Äste. Das etwa 20 Minuten lang.
Plötzlich Olmes: „Psst! Da sind sie! Stehenbleiben!“ Zwei Minuten Warten. Ein Schnäpschen zur Stärkung der wackeren Nimrode.
Irgendwo quiekt das Mädchen im gelben Pullover. Weißhaariger Baurat-Nimrod: „Bei Schwarzwild ...“
Da, bautz, Schuß in 80 Meter Entfernung. Olmes grölt: „Hat ihn!“ Mehrfaches Durchladen. Schloß knackt: Versager. Olmes flucht. Endlich wieder zwei Schüsse. Olmes: „Noch einer!“ Jagdgesellschaft nähert sich neugierig. Olmes mahnt zur Vorsicht: „So ein alter Keiler kann sehr gefährlich werden.“ Es ballert wieder: Aha, Olmes gibt waidwundem Keiler Fangschuß! Jagdgesellschaft staunt: Strecke zwei Wildschweine von je 50 Pfund.
Olmes: „Sauberer Blattschuß, was Herr Baurat?“ Der kopfschüttelt verstört.
In der Moorhütte wird das Waidmannsglück begossen. Beim Zerlegen der Beute besaufen sich die Moorgeister an Boonekamp. Die Wildschwein-Leber schmeckt ausgezeichnet. Olmes weiß, daß man bei den Innereien eines Wildschweins in der Jäger-Sprache von „Geräusch“ spricht.
Moorgeist Trumm wird redselig und verrät den Schnaps-spendierenden Journalisten das Geheimnis des Olmesschen Jagdglücks: Moor-Eingeborene hatten drei Wildschweinchen in der Falle gefangen, eingesackt und in Olmes Vorratsraum eingesperrt. Auf das Stichwort „Treiber raus“ werden die Wildschweine zur „Kilometerwiese“ gebracht und dort zur Exekution an einem Baum festgebunden.
Sauhatz beginnt. Weiterer Verlauf planmäßig. Einzige Panne: ein Wildschwein kann entwetzen. Daher Strecke nur zwei Schweinchen.


Die Amis sind hinterher

Nach dem ersten Olmes-Artikel macht der Held aus dem Moor Besuch in Lüneburg. Olmes bietet sein Manuskript „Über Galgen wächst kein Gras“ zum Abdruck in der Lüneburger Landeszeitung und im Heideboten an. Außerdem bittet er um finanzielle Unterstützung für eine Groß-Aktion: Er wolle mit Hilfe französischer Freunde den greisen Marschall Pétain aus seinem Exil befreien und ihn per Flugzeug in die Schweiz oder nach Irland entführen. Beide Länder hätten zugesagt, Pétain nicht auszuliefern. Bei entsprechender Unterstützung könne Reporter Pless entweder als neutraler Reporter oder aber auch als Führer des Entführungs-Flugzeuges mitmachen. „Die Sache ist in 14 Tagen erledigt.“

Inzwischen hat auch der „Stern“ Verbindung zu Olmes bekommen. Olmes erzählt es den Lüneburger Verlegern:

„Stern-Chef Henri Nannen hat mir sofort 2000 DM für drei Manuskriptseiten auf den Tisch gelegt, die ich im Vorzimmer über den Krebsforscher Dr. von Brehmer schrieb.“

Henri Nannen:

„Der Bursche hat uns um 2.000 DM betrogen. Er hat Material versprochen und nie geliefert. Als Pfand habe ich das mir von ihm überlassene Tagebuch des Leibarztes Dr. Brandt. Wenn ich wüßte, wo der Kerl zu erwischen wäre, würde ich ihn sofort verhaften lassen!“

Im Auftrage der „Welt am Sonntag“ und des NWDR sucht früherer LZ-Chefredakteur Ernst Riggert wochenlang nach Olmes, um eine Reportage zu machen. Aber Olmes ist mit unbekanntem Ziel verreist.

Im Dezember 1950 klingelt das Telefon in der Lüneburger Redaktion: R-Gespräch aus Braunschweig.

„Hier Olmes. Ich war in Landsberg bei den Rotjacken. Nun sind die Amis hinter mir her. Ich brauche dringend Geld.“

LZ-Verleger Ernst Wiesemann greift in die Ladenkasse. 50 DM werden überwiesen und Olmes kommt noch in der gleichen Nacht nach Lüneburg. Olmes berichtet:

Mit zwei Pkw. seien er und einige Mitstreiter in Landsberg vorgefahren. Ein polnischer Wachmann sei bestochen worden. Dr. Neubert sei von der Partie gewesen und habe alles mit der Contax geknipst. „Ich wollte für die bevorstehende Aktion zur Befreiung meines Freundes, des SS-Standartenführers Joachim Peiper, alles vorbereiten und den Gefängnisbau von innen besichtigen.“

Pless und Fotoreporter Mokavec rasen zur Moor-Hütte, um zu dem neuen Artikel „Im Schatten des Galgens – Blitzlichter im Bannkreis – Rotjacken zwischen Leben und Tod“ aus dem angeblich lagernden Filmstreifen geeignetes Bildmaterial zu schöpfen. Mit dem Film ist nicht viel los: Olmes auf dem Friedhof der Namenlosen, Außenaufnahmen vom Landsberger Gefängnis, irgendein Wachsoldat und das beste Bild: die Frau eines in Landsberg einsitzenden Generals in Gesellschaft eines farbigen Besatzungssoldaten. Das ist für die Veröffentlichung in der seriösen Lüneburger Landeszeitung nicht geeignet.

Für den Vierspalter der Silvester-Ausgabe 1950 mußte Makovec ein paar aufregende Bilder machen. „Panzerschreck-Olmes in Aktion“. Und da Landsberg von Lüneburg zu weit entfernt ist, muß die Mauer des Gifhorner Amtsgerichts als Gefängnismauer-Kulisse herhalten.

Was Olmes aus Landsberg mitprachte, reichte nicht ganz für die Groß-Reportage. Immerhin kam es zu folgendem tatsächlich gedruckten Vorspann:

„Mit vorgehaltenen Karabinern nahmen die Wachmannschaften des War-Criminal-Prison in Landsberg am Lech am Freitag, dem 15. Dezember, kurz vor 22 Uhr, einen Mann im roten Pullover fest, der mit einer Kleinbildkamera innerhalb des Bannkreises der Zellen, in denen die Verurteilten der Kriegsverbrecher-Prozesse in Haft sind, Blitzlichtaufnahmen gemacht hatte.
Ein Posten sah, wie sich mehrere Unbekannte die hohe Mauer des Kriegsverbrecher-Gefängnisses hinabließen. Er schlug Alarm. Der aus seinem Wagen heraus verhaftete Fotograf wurde nach längerem Kreuzverhör wieder auf freien Fuß gesetzt. Er war längst über alle Berge, als man merkte, daß dieser Mann im roten Pullover der frühere Fallschirmjägerleutnant Friedrich Olmes ist, der im Oktober bei der erfolgreichen Befreiung zweier zum Tode verurteilter deutscher Offiziere aus einem holländischen Gefängnis schwer verwundet war.“

Und der letzte Satz:

„... diesem Streben nach Gerechtigkeit diente auch das jüngste Abenteuer von Panzerschreck Olmes hinter den Mauern von Landsberg.“


In Morgenschweiß-Maske

Auf diesen Silvester-Artikel kamen in Lüneburg ebenfalls keine Dementis an. Zeitungen in Nürnberg, Aachen und Itzehoe druckten nach. Olmes' neuester Plan, Peiper nun endgültig herauszuhauen, fand Interesse bei „Revue“-Chefreporter Berndorff. Der sollte dabei sein mit Leica und Steno-Block, wenn der große Olmes-Knüller gestartet wurde. Olmes wollte dabei in Rock und Maske des Rotjacken-Betreuers, Geistlichem Rat Morgenschweiß, während der Unterredung in der Sprechzelle den Wachposten außer Gefecht setzen. Ein von Frau Peiper gestellter Ersatzmann sollte dann Peipers roten Pullover übernehmen. Pater Olmes wollte dann mit Peiper zusammen fliehen.

Ex-Landeszeitungs-Chef Riggert erzählte später in Lüneburg, Berndorff sei tatsächlich mit Friedrich Olmes nach Landsberg gefahren. Um das investierte Geld sei die „Revue“ betrogen worden. Auf eine entsprechende Anfrage des LZ-Verlages antwortete die „Revue“ spät und lakonisch:

Man habe den Brief leider erst verspätet beantworten können, da man sich über die Persönlichkeit des Olmes noch nicht im klaren gewesen sei. „Jetzt sind wir es. Olmes ist ein Schwindler, der uns um ein Honorar prellte und seine Hotelrechnung nicht bezahlte.“ Leider sei Revue-Chefreporter Berndorff auf ihn hereingefallen.

Wenn sich tatsächlich eines Tages die durch Friedrich Olmes Geschädigten, die Geprellten, Belogenen und Betrogenen zusammenfinden, um auch das noch zusammenzutragen, was in dieser lückenhaften Aufstellung der Betrügereien dieses Hochstaplers noch fehlen mag, dann kann wenigstens Dr. Ulrich Neubert Anspuch erheben, aus einer eventuell doch noch zusammengetragenen Erbmasse entschädigt zu werden. Friedrich Olmes hat nämlich in einem Testament vom 16. Okt. 1950 Dr. Neubert, dessen Frau und seinen Sohn zum Erben eingesetzt.

Olmes schrieb dieses Testament am Tage, ehe er angeblich zur großen Befreiungsaktion nach Holland startete, bei der ihn angeblich jene Kugel eine Handbreit über dem Herzen traf. Olmes schreibt:

„Sehr geehrter Herr Dr. Neubert! Es ist an der Zeit, daß ich Ihnen einen Brief schreibe, der für den Fall, daß mir in der folgenden Zeit irgend etwas zustößt, die Situation bestimmt. Wie dieser Brief rechtzeitig, nicht zu früh und nicht zu spät, in Ihre Hände gelangen soll, ist mir noch nicht ganz klar. Auf alle Fälle habe ich Montag morgen das Nächste überstanden. Dann werden Sie im Besitz genauerer Nachrichten oder aber dieses letzten Briefes sein.
Durch den Riß, den Sie unserm gegenseitigen Verhältnis zugefügt haben, ist für mich eine völlig neue Lage entstanden, weil einer organischen Entwicklung unserer gemeinsamen Interessen durch Ihre Haltung im Falle der Freundschaft zwischen Ihrer Frau und mir der Boden entzogen worden ist. Nicht etwa, daß ich Ihre Frau nicht vergessen könnte, wenn ich sie froh und glücklich wüßte, wäre ich es auch. Was ich nicht vergessen kann, ist das Unglück Ihrer Frau! Ich kann es nicht verwinden, daß im Herzen Ihrer Frau eine unendliche hoffnungslose Leere herrscht.
Aus den eingangs dargelegten Gründen stehe ich, wie gesagt, notgedrungen, doch ganz allein mein eigener Herr, auf eigene Verantwortung weder getrieben noch gedrängt (was ich ausdrücklich feststellen möchte) im Begriff, ein Unternehmen zu machen, bei welchem ich zu Schaden kommen kann. Da solcher Schaden ein endgültiger und letzter sein kann – ich fühle es beinah, daß es so wird –, habe ich heute vor dem Notar ein Testament gemacht und meinem Anwalt in Celle zuleiten lassen, der mit Ihnen dann Verbindung aufnehmen wird:
Herr Justizrat Borchers in Celle hat die Aufstellung meiner aus früheren Zeiten stammenden Außenstände. Es sind insgesamt 6.886 DM. Die Gelder sind absolut sicher. Ich hatte bisher nur Bedenken, sie anzumahnen, da es sich sämtlich um Leute handelt, die durch die Kapitulation in Bedrängnis gekommen waren. Herr Justizrat Borchers wird die Beträge nun aber einziehen und jeweils Ihnen überweisen. (Es folgt eine zwei Seiten lange Erklärung, wie Olmes das Geld angelegt sehen möchte. Gleichzeitig Verfügung über den Verlagsanteil des Olmes.)
Das Heidehaus soll Ihrer Frau gehören unter der Bedingung, daß es unveräußerlich ist. Ich wünsche von ganzem Herzen, daß sie diese kleine Geste annehmen wird, die winzig klein ist im Verhältnis zur Güte und Herzlichkeit, die sie mir immer entgegenbrachte. Wenn Ihre Frau später einmal meinem Jungen (aus der Ehe von Olmes mit der Tochter von Lehrer Ottens) das Heidehaus schenken würde, wäre ich sehr froh darüber.
Herr Justizrat Borchers hat eine Mappe mit allen Verträgen, Treuhandabkommen, Patentexposés pp., insgesamt 91 wissenschaftliche Verfahren, an denen ich Rechte erworben habe, in Verwahrung. Diese ganze Mappe geht mit allen Rechten an Sie über, wie Sie im Falle meines Todes in diesen Fällen mein Vertragsnachfolger sind. Ich möchte Ihnen damit zum Ausdruck bringen, daß ich Ihre unbegreifliche Handlung im Falle Ihrer Frau nicht zum Maßstab für Sie werden lasse. Im Grunde meines Herzens habe ich Sie nach wie vor sehr gern, und mein ganzes Wünschen geht dahin, daß Sie dennoch den Schlick auf Ihrem Herzen abzutragen vermögen, damit Ihre Frau eines Tages Ihre herzlich geliebte und wiederliebende Frau sein wird.
Vier Wochen nach meinem Tode wird man Ihnen vier kleine Brillanten bringen. Sie stammen aus einem Orden (Deutsches Kreuz in Gold mit Brillanten), welchen ich von Adolf Hitler an seinem letzten Geburtstag erhielt. Die Steine sind größer als der, den Ihre Frau am Ring trägt. Der Orden mit den anderen Steinen soll meinem Sohn erhalten bleiben. Ich möchte, daß Sie von den 4 Steinen, die Ihnen überbracht werden, meiner Mutter und meiner Schwester je einen bringen. Den dritten möchte ich gern an einem Ring am Finger Ihrer Frau wissen. Schenken Sie ihr den Ring zum Stein und lassen Sie ihn aus ehrlichem Herzen ein Andenken an mich sein. Den vierten Stein aber nehmen Sie, ebenfalls mit ehrlichem Herzen, so wie ich ihn Ihnen ohne jede Bitterkeit, beinah fröhlich, beinah lachend gebe. Glückauf, Herr Doktor! Viele, viele herzliche Grüße für Ihre Frau! Friedrich Olmes.“


Nachkriegswirren

Sodann entwickelte Olmes ganze Serien von Plänen zur Befreiung

  • des französischen Marschalls Pétain,
  • der in Luxemburg inhaftierten deutschen Offiziere,
  • der zum Tode verurteilten sogenannten Rotjacken[2] in der Festung Landsberg und
  • der Spandauer Häftlinge (darunter Rudolf Heß).

In einer Moorhütte bei Gifhorn am Rande der Lüneburger Heide gewährte er Reportern Interviews über sein Landsberger Abenteuer, noch ehe es stattgefunden hatte. Es fand auch später nicht statt, was eine Reihe von Zeitungen nicht daran hinderte, auf Sonderseiten darüber blutrünstige Einzelheiten zu veröffentlichen, die Olmes ihnen verkauft hatte. Die Illustrierten „Revue“ und „Stern“ zahlten Vorschußhonorare.

Zum Verhängnis wurde Olmes eine zwei Seiten lange Liste sämtlicher sowjetischer Kriegsgefangenenlager mit beigelegter Karte, die er in Hildesheim drucken ließ. Im sowjetzonalen Greifswald, wohin er angeblich durch Entführung aus West-Berlin gelangte, wurde er wegen Boykotthetze und Spionage zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Die sechs Jahre saß Olmes ab; am 13. Juni 1957 wurde er entlassen, kehrte heim in die Bundesrepublik und kassierte 10.000 Mark Haftentschädigung.

Mit diesem Geld versuchte er nach seinen zahlreichen militärischen und politischen Abenteuern nun auf wirtschaftlichem Gebiet aktiv zu werden. Olmes:

„Ich wollte endlich auch etwas erreichen wie die anderen.“

Olmes erreichte bald allerlei, wurde erst Geschäftsführer der von ihm gegründeten „Norddeutschen Gaststätten-GmbH“, sodann Mitglied des „Kuratoriums für die afrikanische Großraumforschung“, das er sich ebenfalls selber ausgedacht hatte, und schließlich Chef der „Hanno-Werbung“, die im Hause des hannoverschen Georgs-Palastes ein feudales Büro betrieb, wo als Sekretärin ein Hamburger Photomodell agierte, das sich Direktor Olmes mit Chauffeur und geliehenem Mercedes 220 aus der Hansestadt geholt hatte. Überführungskosten: 135 Mark.

Im Herbst 1960 schließlich produzierte sich der Ex-Gaststättenmanager, Ex-Raumforscher und Ex-Werbechef als Landwirt: Er beschickte Bremen mit dreitausend Weinbergschnecken. Mit den Kriechtieren, denen er eigens ein Freigehege einräumen ließ, warb Olmes für die Produkte seiner „Schneckenzuchtfarm“, die er angeblich auf dem niedersächsischen Schloß Bothmer gegründet hatte. Der Auftragseingang war zwar gering, doch ließ sich Olmes jede Bestellung sogleich mit einer Anzahlung honorieren, weil, wie er der Kundschaft klarmachte, die Tiere schließlich leben müßten. Auf Schloß Bothmer allerdings waren Olmes und Schnecken unbekannt.

Seine jeweiligen Geschäfte vollzog Olmes unter jeweils besonderen Namen, wie de Vries, Dr. med. Glaukens und Volmer, weil es ihm dadurch beispielsweise möglich war, als de Vries die telephonische Auskunft zu geben, daß Volmer für jeden Kredit gut sei.

Vor dem Bremer Schöffengericht, das ihn für die nächsten zweieinhalb Jahre der Sorge enthob, sich neue Namen und neue Firmen auszudenken, wartete Friedrich Olmes mit einem Gag auf, den er ausnahmsweise selbst nicht ernst nahm. Er wies das Photo eines Grabsteins mit der Inschrift vor: „Fallsch. Jg. Fritz Olmes“. Fragte der Vorsitzende: „Wo steht denn dieser Stein?“ Olmes: „Das habe ich vergessen.“[3]

Werk

  • Unter dem Pseudonym „Friedrich Oscar“: Über Galgen wächst kein Gras. Die fragwürdige Kulisse der Kriegsverbrecherprozesse im Spiegel unbekannter Dokumente, Erasmus-Verlag, 1950

Siehe auch

Fußnoten

  1. Olmes war 1945 im Camp 020, wo er u. a. behauptete, als „Offizier“ an den Attentatsplänen gegen Hitler beteiligt gewesen zu sein.
  2. „Die Todeskandidaten waren, wie schon erwähnt, in den oberen Zellen untergebracht, die mit einem D bezeichnet waren, was Death (Tod) bedeutete. Als Kleidung trugen die Todeskandidaten eine schwarze Hose und eine weinrote Jacke, weshalb sie die ‚Rotjacken‘ genannt worden sind. Sie sind ständig von auf und ab gehenden Posten bewacht worden. Auch als Seelsorger durfte ich nicht in die Zellen hinein. Als ich mich bemüht habe, wenigstens zu Ostern zu jedem einzelnen gehen zu dürfen, damit sie die Osterbeichte ablegen könnten, ist mir das mit der Einschränkung genehmigt worden, daß die Zellentür offen sein muß und der Posten in der Türöffnung stehen kann. Es war unwürdig und unmöglich, meines Amtes richtig walten zu können. Auch zur Vorbereitung zum letzten Gang durften wir Seelsorger nicht in die Zelle hinein. Auch am Gottesdienst konnten sie nicht teilnehmen, weil sie nicht in die Kirche gehen durften. So fand ich eines Tages folgende Lösung: Ich baute im Korridor eines Flügels – ein Flügel hat vier Stockwerke – einen Altar auf, wo ich eine Messe lesen konnte. Hinter mir, in dem noch deutschen Bereich, stand ein Chor, der dazu sang; da die Gefangenen nicht ihre Zellen verlassen durften, konnte ich eben nur die Wände ansprechen. Ich habe kein Gesicht gesehen, nur Wände und Zellentüren. Ich mußte auch, wenn ich das Sakrament verteilte, durch alle Stockwerke von einer Zelle zur anderen gehen und durch die kleinen Öffnungen das Allerheiligste reichen ...“ — Karl Morgenschweiß, von Oktober 1932 bis August 1957 Anstaltsgeistlicher im Gefängnis Landsberg
  3. OLMES – AFFÄREN