Wilde-Sau-Nachtjagdverfahren

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Die Sonne geht unter, die Nachtjagd beginnt. Im Vordergrund die Fw 190 A-8/R2 „blaue 13“ geflogen von Oberstleutnant Walther Dahl, Geschwaderkommodore der JG 300. Die Fw 190 scheint eine mitgebrachte der IV. (Sturm) Gruppe JG 3 (siehe Gruppenkennzeichen mit Fadenkreuz) zu sein.

Unter dem Begriff Wilde Sau wurde zur Zeit des Zweiten Weltkriegs ein von der deutschen Luftwaffe angewandtes Verfahren bezeichnet, mit welchem bei Nacht englische Bomber der Royal Air Force – direkt über den angegriffenen deutschen Städten – durch deutsche Tagjäger abgeschossen werden sollten.

Als Schöpfer dieses Verfahrens gilt der deutsche Luftwaffenoffizier Hajo Herrmann.

Vorgehensweise

Eine Bf 110 der Luftwaffen-Nachtjagd im Kampf gegen die Terrorflieger der Royal Air Force bei der Reichsluftverteidigung im Zweiten Weltkrieg

Bei der Durchführung des Wilde-Sau-Nachtjagdverfahrens wurden Tagjäger (in kleinerem Umfang auch Nachtjäger) bei Nacht eingesetzt. Die Jagdflieger wurden nicht wie im Himmelbett-Verfahren mittels taktischer Zielführung von Bodenstationen an das Ziel herangeführt, sondern sollten auf Sicht das Ziel aufnehmen und nach eigenem Ermessen „wie eine wilde Sau“ in das Kampfgeschehen eingreifen.

Um diesen – ohne Radar agierenden – Jagdfliegern überhaupt zu ermöglichen, die gegnerischen Flugzeuge zu finden, mußten zuerst die Sichtverhältnisse verbessert werden. Dies sollte dadurch erreicht werden, daß man das Prinzip der Verdunkelung ins Gegenteil verkehrte und statt dessen in der angegriffenen Stadt möglichst viel Licht erzeugte. Da dies aufgrund des Widerstands der Gauleiter nicht durchzusetzen war, wurde als Ersatz versucht, im Schein der Flakscheinwerfer die englischen Bomber zu finden. Besonders gut gelang das, wenn eine gewisse (nicht zu dicke) Wolkendecke vorherrschte, da diese dann von unten angeleuchtet wurde und sich somit die Bomber optisch gut von der Wolkendecke absetzten. Die hoch fliegenden deutschen Jäger stürzten sich anschließend aus überhöhter Position auf die erkannten Ziele.

Da das Wilde-Sau-Nachtjagdverfahren nur dann funktionierte, wenn ausreichende Beleuchtung vorhanden war, beschränkte sich die Anwendung auf den unmittelbaren Stadtbereich, da im Regelfall nur dort eine ausreichende Bestückung mit Flak-Scheinwerfern gegeben war. Es war daher unerläßlich, daß die Aufklärung rechtzeitig die von den Feindbombern anzugreifende Stadt bestimmen konnte. Dies wurde von den Alliierten dadurch erschwert, daß der Bomberstrom in Zickzackkursen über das Reichsgebiet geführt wurde.

Um eine Gefährdung der Jäger auszuschließen, wurde für das Einsatzgebiet die Einstellung des Flakfeuers befohlen. Diese Feuereinstellung wurde zunächst nur im Luftraum Berlin geübt, und es zeigte sich, daß eine reichsweite Koordinierung der Feuerpausen problematisch war.

Am erfolgreichsten war der Einsatz dieses Verfahrens gegen die Operation Hydra, aber vor allem in der Nacht vom 23. zum 24. August 1943, als britische Terrorflieger, mit Spreng- und Brandbomben beladene Avro „Lancaster“ Berlin anflogen. Dabei gelangen dem Jagdgeschwader „Wilde Sau“, unter dem Geschwaderkommodore Major Hajo Herrmann, in dieser Nacht 57 Abschüsse. Herrmann wurde für diesen Erfolg das Eichenlaub zum Ritterkreuz verliehen.

Grenzen dieses Angriffsverfahrens

War die Wolkendecke zum Zeitpunkt des Angriffs zu stark, drang die Beleuchtungswirkung nicht durch, womit die optischen Voraussetzungen zur Anwendung des Wilde-Sau-Verfahrens nicht ausreichten. Der Erfolg des Angriffsverfahrens blieb dann auch mit Eintreten von Schlechtwetter im Spätherbst 1943 aus. Ferner bestand für die durchführenden deutschen Piloten die Gefahr, von der eigenen Flak abgeschossen zu werden.

Auch wenn „wilde Sau“ teilweise von zweimotorigen Nachtjägern und eigens dafür abgestellten einmotorigen Jägern durchgeführt wurde, wurde doch das Gros der Aktion von konventionellen Tagjägern getragen, die von Tagjägerverbänden ausgeliehen wurden.

Diese Doppelbelastung von Tages- und Nachteinsätzen und die dadurch häufig übersprungenen Wartungsintervalle ließ die Maschinen schneller verschleißen.

Beteiligte Verbände

Angewandt wurde dieses Angriffsverfahren vor allem von den eigens dafür aufgestellten Jagdgeschwadern

JG 300 „Wilde Sau“
Geschwaderstab: Bonn Hangelar
Aufgestellt am : 26. Juni 1943
(als erstes reines Wilde-Sau-Geschwader aufgestellt)
JG 301 „Wilde Sau“
Geschwaderstab: Neubiberg
Aufgestellt am : 1. Oktober 1943
JG 302 „Wilde Sau“
Geschwaderstab: Stade
aufgestellt am : Gegen Ende November 1943 aus Abgaben einiger Gruppen der JG 300 und 301
(Ende Mai 1944 wieder aufgelöst) [1]

Siehe auch

Fußnoten

  1. Franz Kurowski: Der Luftkrieg über Deutschland, Heyne Verlag, München 1977, ISBN 3-453-00957-6, S. 321.