Luftangriffe auf Heilbronn

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Modell der durch feindliche Terrorflieger vollständig zerstörten Stadt nach dem Angriff vom 4. Dezember 1944

Der Luftangriff auf Heilbronn am 4. Dezember 1944 durch die britische Royal Air Force (RAF) zerstörte die gesamte historische Innenstadt und 62 % der gesamten Stadt Heilbronn. Dabei kamen rund 6.500 Menschen ums Leben. Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs kam es sowohl vor als auch nach diesem schwersten Angriff zu zahlreichen schwächeren Luftangriffen auf Heilbronn.

Ausgangslage

US-Aufnahme des Luftangriffs vom 10. September 1944
Die zerstörte Innenstadt (23. März 1945)
Luftaufnahme der zerstörten Altstadt am 31. März 1945
Ansicht der zerstörten Stadt von Nordwesten (1. April 1945)
Steinkreuze auf dem Ehrenfriedhof Heilbronn für mindestens 5.000 Opfer
Trümmer der Stadt sind heute noch allgegenwärtig, wie hier als Hangbefestigung in der Götzenturmstraße

Heilbronn wurde im Zuge des Luftkriegs im Zweiten Weltkrieg ein häufiges Ziel der Alliierten. Die Eisenbahnlinien, der Heilbronner Rangierbahnhof und der Kanalhafen nahe der Stadt waren von einer gewissen strategischen Bedeutung, ebenso die Industrie in einer der bedeutendsten Industriestädte Württembergs, die mit fortschreitendem Kriege weitestgehend der Kriegswirtschaft unterstellt war. Im näheren Umkreis befanden sich die Heeresmunitionsanstalt in Siegelsbach und in späteren Kriegsjahren ausgelagerte Rüstungsbetriebe in Stollen im Neckartal. Heilbronn war kein vorrangiges Angriffsziel alliierter Bomber, lag aber längs der Strecke der von Nordwesten nach Südwestdeutschland einfliegenden Verbände und galt häufig als Ausweichziel, falls der Angriff auf die eigentlichen Ziele aufgrund des Wetters oder starker Luftabwehr nicht möglich war.

Wie im gesamten Reich galt auch in Heilbronn ab Mai 1939 die Verdunkelungs-Verordnung, die vorschrieb, daß ab Einbruch der Dunkelheit Fenster und Türen lichtundurchlässig zu versperren waren. Die Entrümpelung von Dachböden und die Anlage von Schutzräumen waren bereits im Mai 1937 verordnet worden. Heilbronn wurde vom Luftgau-Kommando in Stuttgart in die Luftschutz-Klasse I eingeteilt. Da damit zunächst die Errichtung von Hochbunkern verboten war, wurden hauptsächlich die zahlreichen tiefen Weinkeller der Altstadt zu Luftschutzräumen ausgebaut. Nach Kriegsausbruch ordnete Polizeidirektor Heinrich Wicke am 4. September 1939 die Einstellung des privaten Wohnhausbaus und den Einsatz aller Bauarbeiter zum Ausbau der Luftschutzräume an.

Auf dem Wartberg wurde eine Beobachtungsstelle des Flugwach-Kommandos Stuttgart eingerichtet, die Meldung über einfliegende Flugzeuge an die Befehlsstelle weitergab. Ebenso gab es Luftbeobachter auf dem Silo der Firma Knorr und auf dem Turm der Augustinuskirche. Die örtliche Luftschutzleitung postierte einen Doppelposten auf dem Turm der Kilianskirche. Noch im September 1939 gab es mehrmals Luftalarm, da unbekannte Flugzeuge nahe der Stadt gesichtet wurden. Die Reserve-Flak-Abteilung 253, die im August 1939 (nach Ausrücken des Heilbronner Infanterie-Regiments 34 an den Westwall) einberufen worden war, gab mehrfach Alarmschüsse ab, wurde aber im Frühjahr 1940 nach Laupheim abgezogen. Lediglich eine leichte Flak-Batterie blieb zum Schutz der Stadt zurück.

Ende Mai 1940 war eine städtische Sirenenanlage einsatzbereit, die ihren ersten Einsatz bereits in den frühen Morgenstunden des 4. Juni 1940 hatte. Im Sommer 1940 war vorübergehend wieder schwere Flak in Heilbronn. Im Herbst 1940 wurde der General-Wever-Turm errichtet, ein Hochbunker auf der Theresienwiese, darüber hinaus bestanden zwei Tiefbunker am Kaiser-Friedrich-Platz und am Industrieplatz. Außer einigen Splitterschutz-Unterständen wurden keine weiteren Bunkeranlagen gebaut, da man die alten Keller der Innenstadt aufgrund ihrer Tiefe und ihrer massiven Mauern für sicher genug hielt. So wurden Innenstadtkeller mittels Durchbrüchen miteinander verbunden und Verordnungen erlassen, wie die Ausgänge zu sichern waren. Völlig vernachlässigt wurde, daß manche der massiv wirkenden Keller stellenweise nur zehn Zentimeter dicke Decken hatten, die der Belastung eines einstürzenden Gebäudes nicht standhalten konnten.

Angriffe bis Sommer 1944

In der Nacht vom 16. auf den 17. Dezember 1940 fand der erste Luftangriff auf Heilbronn statt. Der Abwurf von drei Sprengbomben und etwa 100 Stabbrandbomben zerstörte 20 Häuser in der Altstadt und beschädigte etwa 70 weitere. Drei Tote und rund ein Dutzend Verletzte waren zu beklagen. Zwei Tage nach dem Angriff kam nochmals kurzfristig schwere Flak nach Heilbronn, wurde jedoch rasch wieder an die Fronten abberufen, so daß künftig nur noch leichte Flak-Einheiten oder von Schülern bediente sogenannte „Heimat-Flak“ für die Luftabwehr zur Verfügung standen.

Von August bis November 1941 folgten vier weitere Bombennächte, die jedoch nur begrenzten Schaden anrichteten. Einzelne Jagdbomber hatten zudem tagsüber die Bahnlinien um Heilbronn zum Ziel. Im Jahr 1942 wurde 33 Mal Luftalarm ausgelöst, jedoch hatten die vermeldeten Bomber zumeist andere Ziele. Lediglich am 7. Mai 1942 fielen große Mengen an Spreng- und Brandbomben auf die Innenstadt, wobei mehr als 150 Häuser zerstört oder beschädigt und sieben Menschen getötet wurden.

Bei der Casablanca-Konferenz im Januar 1943 vereinbarten Amerikaner und Engländer eine „Aufgabenteilung“ bezüglich der Bombardierung deutscher Städte. Auf der einen Seite sollte die damals so bezeichnete United States Army Air Force für die Bombardierung der Verkehrsknotenpunkte und der Schlüsselindustrie und auf der anderen Seite die Royal Air Force für die Bombardierung der Innenstädte zuständig sein.[1] Künftig flogen die Amerikaner relativ präzise Angriffe auf einzelne strategische Ziele (Rüstungsfabriken, Bahnhöfe, Flugplätze, Häfen), die Engländer setzten dagegen auf massive Angriffe im Großverband, wobei Flächenbombardements mit einer Mischung aus Spreng- und Brandbomben erfolgten, die die vollständige Zerstörung der angegriffenen Städte zum Ziel hatten. Während im Jahr 1943 daraufhin zahlreiche vernichtende Angriffe auf deutsche Städte erfolgten, blieb es in Heilbronn noch verhältnismäßig ruhig. Zwar wurde 71 mal Luftalarm ausgelöst, doch erfolgte 1943 nur ein einziger Angriff am 28. August.

Im Januar und Februar 1944 fand in Heilbronn eine zweiwöchige Vorführung des Löschens britischer Phosphorbrandbomben statt. Am 25. Februar 1944 ging ein abgeworfener voller Treibstofftank auf der Allee nieder. Ende April 1944 warfen die Alliierten nachgemachte Lebensmittelmarken über der Stadt ab, deren Verwendung unter Strafe gestellt wurde. Immer wieder gab es Abwürfe vereinzelter Brandmunition. Luftalarm wurde beinahe alltäglich. Im Juli 1944 wurden die Ladenöffnungszeiten verlängert. Falls vormittags ein Fliegerangriff von über einer Stunde Dauer stattfand, begann die Mittagspause erst um 14 Uhr. Im Sommer 1944 wurden die Heilbronner Kulturschaffenden zur Wehrmacht eingezogen, der Spielbetrieb von Theater und Orchester endete. Der Heilbronner Polizeidirektor ordnete die Entfernung leicht brennbarer Dekorationsstoffe aus den Schaufenstern der Stadt an. Am 5. August 1944 zeigte sich Gauleiter Wilhelm Murr zufrieden mit den Luftschutzvorkehrungen. Bis Anfang September 1944 wurden bereits 160 Luftalarme in diesem Jahr gezählt.

Luftangriff vom 10. September 1944

Die Alliierten hatten sich bereits im Frühjahr und Sommer intensiv mit Heilbronn als möglichem Ziel eines Luftangriffs befaßt, im Mai 1944 Luftaufnahmen für den internen Gebrauch und am 27. Juni 1944 ein Target Information Sheet veröffentlicht, das insbesondere den Heilbronner Rangierbahnhof und den Heilbronner Kanalhafen als Ziele nannte. Damit rückte die Stadt ins Ziel der im Herbst 1944 intensiv betriebenen Angriffe auf das deutsche Verkehrssystem.

Anfang September war beinahe täglich Luftalarm, die Stadt lag auf dem Weg der Bomber zum Angriffsziel Nürnberg. Am 8. September war vier mal Luftalarm von 1.45 bis 2.31 Uhr, von 11.34 bis 12.42 Uhr, von 14:38 bis 15.48 Uhr und von 22:30 bis 23.42 Uhr. Am 9. September war lediglich ein Alarm von 10:20 bis 11.55 Uhr. Am Vormittag des 10. September 1944 flogen rund 100 Flugzeuge der 8. US-Air Force einen Angriff auf das Flugzeugwerk bei Günzburg mit Ausweichziel Rangierbahnhof in Ulm. Da jedoch über beiden Zielen eine dichte Wolkendecke lag, kam Heilbronn als zweites Ausweichziel ins Visier. Hier war es wolkenlos und der Angriff erfolgte auf Sicht. Kurz nach 11.30 Uhr[2] begann die Bombardierung der Heilbronner Bahnhöfe und Häfen und des Rangierbahnhofs im Winkel zwischen der Württembergischen Nordbahn von Stuttgart nach Heilbronn und der Kraichgaubahn. Die Amerikaner führten ihren Angriff ausschließlich gegen die im Target Information Sheet genannten militärisch relevanten Anlagen. Aufgrund der Größe der Bomberverbände, der Ballistik der Brandbomben sowie der geografischen Verhältnisse wurden jedoch auch umliegende zivile Ziele getroffen. Der „Bombenteppich“ am 10. September reichte daher von den angrenzenden Wohngebieten am Rangierbahnhof über das Heilbronner Südviertel mit dem Südbahnhof und dem Heilbronner Hauptbahnhof bis zur Heilbronner Kilianskirche und zum Rathaus in der Heilbronner Stadtmitte. Abgeworfen wurden 406 500-Pfund-Streubomben, 736 250-Pfund-Streubomben und 26.400 Vier-Pfund-Stabbrandbomben. Um 12.26 Uhr wurde Vorentwarnung und um 13.11 Uhr Entwarnung signalisiert. Bei diesem Angriff wurden über 300 Häuser zerstört bzw. unbewohnbar. 281 Menschen verloren ihr Leben, und mehr als 400 Verletzte waren zu versorgen. Die alliierten Auswerter bezeichneten die erzielten Schäden angesichts schwer beschädigter Bahnhöfe mit unterbrochenen Gleisen und 80 bis 100 schwer beschädigten oder zerstörten Wagen als „very good results“ (sehr gute Ergebnisse).

Die Heilbronner Feuerwehr und der Sicherheits- und Hilfsdienst konnten die zahlreichen Brände im Stadtgebiet nicht allein unter Kontrolle bekommen, so daß Freiwillige Feuerwehren aus Gronau, Lauffen, Untereisesheim, Schwaigern, Weinsberg und anderen Orten einrückten. Die Brandbekämpfung dauerte mehrere Tage, allein das Löschen des in Brand geratenen Rathauses dauerte drei Tage. Da die Verantwortung für die Brandbekämpfung in Abhängigkeit vom zu löschenden Objekt und den dafür eingesetzten Truppen teils bei Kreisleiter Drauz, bei Polizeipräsident Karl d’Angelo und bei Luftschutzoffizier Wasmer lag, kam es zu Verzögerungen durch Kompetenzgerangel. In Böckingen war außerdem eine große Menge Vieh durch Bombensplitter verletzt worden, so daß die Veterinäre des Sicherheits- und Hilfsdienstes mehrere Tage lang Notschlachtungen durchführen mußten.

Luftangriffe 27. September bis 30. Oktober 1944

Im Sommer und Herbst 1944 errichteten die Alliierten ihr OBOE genanntes Funknavigationssystem in Nordfrankreich und Belgien. Die süddeutschen Angriffsziele befanden sich ca. 500–600 km von den Sendeanlagen entfernt. Da sich Funksignale linear ausbreiten und nicht der Erdkrümmung folgen, mußten Flugzeuge in einer Höhe von etwa 10.000 Metern über das Zielgebiet geleitet werden, wofür die leichten und beinahe vollständig hölzernen Mosquito-Flugzeuge am geeignetsten erschienen. Die Mosquitos waren mit jeweils einer 4.000-Pfund-Bombe (sogenannte Luftmine) bestückt. Von Ende September bis Ende Oktober erfolgten Test- und Übungsangriffe auf verschiedene südwestdeutsche Städte, neben Heilbronn auch auf Aschaffenburg, Darmstadt, Pforzheim und Karlsruhe. Da für einzelne Flugzeuge kein Fliegeralarm ausgelöst wurde und die Flugzeuge wegen ihrer immensen Flughöhe nicht zu hören waren, kamen die Bombentreffer für die Bevölkerung zumeist völlig überraschend.

Am 27. September 1944 begann ab 21.30 Uhr der erste mittels OBOE gelenkte Angriff von sechs Mosquitos auf Heilbronn, von denen drei die Bahnanlagen und zwei die Innenstadt bombardierten. Am 28. September konnten gegen 21.00 Uhr fünf Mosquitos drei Treffer auf die Bahnanlagen erzielen. Am 30. September flogen gegen 20.40 Uhr abermals sechs Maschinen die Stadt an, wobei ein Treffer auf die Bahnanlagen und mindestens zwei Treffer auf die Innenstadt zu verzeichnen waren. Am 1. Oktober griffen gegen 20.30 Uhr zwei von sechs Mosquitos die Innenstadt an, während die restlichen vier Maschinen ihre Bomben im Umland abwarfen. Am 4. Oktober erfolgten gegen 22.00 Uhr Bombenabwürfe auf die Innenstadt von drei der fünf an diesem Tag anfliegenden Maschinen, ein Mosquito ging verloren. Am 12. Oktober flogen gegen 5.00 Uhr vier Maschinen die Innenstadt an. Am 30. Oktober erfolgten gegen 20.20 Uhr drei erfolgreiche Bombenabwürfe über dem Rangierbahnhof.[3]

Es wurde spekuliert, ob die im Volksmund „Bombenkarle“ genannten Flieger Ritchie Boys sein könnten, da man in Unkenntnis der Funknavigation den hoch fliegenden Piloten genaue Ortskenntnisse unterstellte.[4]

Luftangriff vom 4. Dezember 1944

Am Abend des 4. Dezember 1944 flogen 282 Lancaster-Bomber des britischen 5. Bomberkommandos der RAF und zehn Begleitflugzeuge die Stadt Heilbronn in loser Formation an. Gleichzeitig erfolgten Scheinangriffe auf das Ruhrgebiet, um die deutsche Luftabwehr zu täuschen. Die nahenden Flugzeuge wurden zwischen 18.49 Uhr und 18.57 Uhr erstmals von deutschen Funkmeßgeräten nördlich von Saarbrücken erfaßt. Um 19.10 Uhr meldete die deutsche Abwehr „Schneller Bomber nordostwärts von Heilbronn“, wobei es sich wahrscheinlich um Fernnachtjäger auf ihrem Weg zu den deutschen Nachtjagdflugplätzen in Schwäbisch Hall oder Kitzingen gehandelt hat, die im Vorfeld des Angriffs ebenfalls die deutsche Luftabwehr ablenken sollten. Am Abend des 4. Dezember war es stark bewölkt, was im weiteren Verlauf zu einer Änderung der Anflughöhe der Flugzeuge führte.

Um 19.18 Uhr flog die erste Lancaster-Maschine des Erstmarkierer-Verbandes der 83 Squadron unter Leutnant Pereira in einer Höhe von ca. 4.500 Metern über Heilbronn ein und warf grüne Annäherungsmarkierungen ab. Eine halbe Minute später folgte ihm eine weitere Lancaster unter Oberleutnant Phillip. Dieser warf zehn 1.000-Pfund-Sprengbomben mit Langzeitzündern ab und drehte zum Rückflug ab. Anschließend wurden gegen 19.20 Uhr Leuchtbomben abgeworfen, um den inzwischen eingetroffenen Mosquito-Bombern der 627 Squadron die Orientierung beim Abwurf von rot und gelb brennenden sogenannten „Target Indicators“ (TIs, Zielmarkierer, Rot für die Innenstadt, Gelb für den Rangierbahnhof) zu erleichtern. Oberleutnant Duncan warf aus einer weiteren Lancaster gegen 19.20 Uhr nochmals grüne Zielmarkierer über der Stadt ab sowie eine Blitzlichtbombe, die in etwa 600 Metern Höhe explodierte und das Fotografieren des Zielgebietes ermöglichte. Anschließend erfolgte der Abwurf von sehr vielen Leuchtbomben, die das Zielgebiet taghell erleuchteten. Die Leuchtbomben sollten ursprünglich zehn Minuten lang abgeworfen werfen, jedoch wurde die Leuchtwirkung von den anfliegenden Bomberpiloten bereits gegen 19.23 Uhr als „ausgezeichnet“ bezeichnet, so daß „Master Bomber“ Maurice A. Smith, der mit seiner Mosquito DZ 518 über der Stadtmitte kreiste, bereits um 19.27 Uhr befahl: „Come in and bomb, red TIs as planned“[5].

Nach den vorangegangenen Supporter-Bomben (Leuchtbomben, Zielmarkierer und zeitverzögerte Sprengbomben) fiel jetzt die eigentliche Bombenlast. Die Lancaster PB 251 unter Oberstleutnant Fugger warf gegen 19.29 Uhr eine erste 4.000-Pfund-Sprengbombe und 1.800 4-Pfund-Stabbrandbomben aus einer Abwurfhöhe von 3.800 Metern. Bis 19.38 Uhr fielen dann weitere rund 1.200 Tonnen Bomben auf die Stadt.

Die Bomber Command Summary of Operations zählt folgende Bombenmengen auf, die über dem Stadtgebiet abgeworfen wurden:

  • 5 Stück 12.000-Pfund-Sprengbomben
  • 168 Stück 4.000-Pfund-Sprengbomben
  • 573 Stück 1.000-Pfund-Sprengbomben
  • 192 Stück 500-Pfund-Sprengbomben
  • 191 Stück 500-Pfund-Mehrzwecksprengbomben
  • 10 Stück 1.000-Pfund-Markierungsbomben (3 grün, 3 rot, 4 gelb)
  • 3 Stück 250-Pfund-Markierungsbomben (grün)
  • 35.550 Stück 4-Pfund-Stabbrandbomben (237 Behälter zu je 150 Stück)
  • 208.350 Stück 4-Pfund-Stabbrandbomben (lose aus Schüttkästen)
  • 1.204 Stück Leuchtbomben

Der gegen den Rangierbahnhof gerichtete Angriff begann um 19.32 Uhr und dauerte bis 19.55 Uhr. Die Piloten, die den Rangierbahnhof anfliegen sollten, hatten oftmals Schwierigkeiten, die gelben Zielmarkierungen vor dem Hintergrund der bereits hell brennenden Stadt zu erkennen, so daß sie ihre Bombenlast ebenfalls über der Innenstadt entluden. Die wenigsten Piloten sahen, wo ihre Bomben niedergingen, da bereits nach den ersten Einschlägen Rauchwolken die Bodensicht versperrten. Insgesamt gingen über dem Rangierbahnhof weitere 380 Bomben nieder.

Beachtenswert ist der Anteil von knapp 66 % Sprengbomben an der gesamten abgeworfenen Bombenmenge. Arthur Harris, der damalige britische Oberkommandierende des Bomber Command, hat später erklärt, daß viele der deutschen Städte durch vorangegangene Bombardierungen bereits stark verbrannt waren, so daß die Royal Air Force im Spätjahr 1944 wieder bevorzugt mit Sprengbomben angriff, um die Zerstörung zu maximieren. Weder Heilbronn noch das ebenfalls mit starker Sprengwirkung eine Woche zuvor bombardierte Freiburg im Breisgau wiesen jedoch entsprechend große Brandschäden auf, so daß die Gründe für die auf Sprengwirkung bedachte Zusammensetzung der Bombenfracht beim Angriff auf Heilbronn unklar sind.

Durch den Angriff vom 4. Dezember 1944 wurde die gesamte Altstadt komplett zerstört, die Randbereiche wurden schwer beschädigt. Was nicht durch den Druck der Detonationen beschädigt wurde, wurde Opfer der Flammen. Von den hunderten historischen Gebäuden der Stadt sind heute deswegen nur noch etwa zwei Dutzend (zumeist wiederaufgebaut) erhalten.

Die deutsche Luftabwehr konnte dem Angriff nur wenig entgegensetzen: Zwei Flak-Stellungen am Neckar und 14 deutsche Nachtjäger Junkers Ju 88 kämpften unter Kommandeur Ernst Wallner gegen die britischen Bomber. Wallner und zwei Besatzungsmitglieder starben bei Winzerhausen. Die RAF verlor elf ihrer 282 Maschinen.

Die Bevölkerung, die sich an diesem Montagabend zur Feierabendzeit noch zahlreich in der Heilbronner Innenstadt aufhielt, flüchtete zu Beginn des Angriffes sowohl in einen Hochbunker (General-Wever-Turm) und zwei Tiefbunker (am Industrieplatz und am Kaiser-Friedrich-Platz) als auch in die 54 als sicher geltenden öffentlichen Lutftschutzkeller, in denen 13.945 Menschen Platz fanden. Die Innenstadt wurde jedoch wegen des durch Brandbomben angefachten und ab etwa 20 Uhr wütenden heftigen Feuers zur tödlichen Falle. Diejenigen, die zuerst Zuflucht in den Kellern gesucht und während des „Feuersturmes“ versucht hatten, die Stadt zu verlassen, verbrannten auf den Straßen. Die im Keller verbliebenen Personen starben an Kohlenmonoxidvergiftung oder durch den Einsturz von Luftschutzkellern.

Nach dem Krieg wurden schwere Vorwürfe gegen NS-Oberbürgermeister Heinrich Gültig und Kreisleiter Richard Drauz erhoben, die es versäumt hatten, die z. B. aus dem Luftangriff auf Kassel im Oktober 1943 gewonnenen Erkenntnisse an die Bevölkerung weiterzugeben, daß ein sofortiges Verlassen der Stadt bei Fliegeralarm die größten Überlebenschancen bot. Anstelle dessen galt in Heilbronn der Befehl, die Schutzräume aufzusuchen und dort bis zur Entwarnung zu verharren, was zu vielen Erstickungsopfern geführt hatte.

Es wird angenommen, daß innerhalb der halben Stunde des Bombenangriffes über 6.500 Menschen, darunter etwa 1.000 Kinder unter 10 Jahren, starben.[6] Die genaue Anzahl der Opfer des Bombenangriffs ist unbestimmbar, denn Hunderte verbrannten oder waren durch die Hitze zur Hälfte ihrer normalen Körpergröße zusammengeschrumpft und nicht identifizierbar. Durch den immensen Funkenregen und die zeitverzögerten Bomben brachen die ganze Nacht hindurch weitere Brände aus, so daß erst nach Stunden (in manchen Winkeln auch erst nach Tagen) überhaupt wieder ein Zugang möglich war.

Die städtischen Krankenhäuser waren zerstört, dem Pflegepersonal war es jedoch gelungen, die meisten Kranken zu retten. Einzig in der Augenabteilung und in der Kinderklinik waren Tote zu beklagen. Im zum Lazarett umgenutzten Karlsgymnasium, das erst am Abend vor dem Angriff mit Verwundeten der Front im Elsass belegt worden war, konnten sich nur die wenigsten beim Brand des Gebäudes retten. Am Tag nach dem Angriff suchten daher 600 bis 800 Menschen mit Brandverletzungen, Rauch- und Kohlenmonoxidvergiftungen, Entzündungen der Schleimhäute usw. die städtischen Rettungsstellen an der Wilhelmstraße und am Kaiser-Friedrich-Platz auf, die den Angriff leicht beschädigt überstanden hatten. Sehr viele Verletzte wurden in die zum Notlazarett umfunktionierte und völlig überfüllte Heilanstalt in Weinsberg gebracht.[7]

Beim Abflauen der Brände begannen die Aufräum- und Rettungsarbeiten, zu denen auch Helfer aus den umliegenden Städten herangezogen wurden. Am Abend des 5. Dezember verkündeten Lautsprecherwagen die Zahlen von 4.000 Toten und 3.000 Verletzten. Da sich jedoch (ähnlich wie in Dresden) zahlreiche Flüchtlinge in der Stadt befanden, kursierten in der Bevölkerung Gerüchte von bis zu 25.000 Toten[8]. Zur Bergung der Toten wurde auf Anordnung von Kreisleiter Richard Drauz die Staatspolizei eingesetzt, die unter dem Kommando eines Polizeioffiziers Bergungstrupps zusammenstellte, wofür man auch etwa 50 Häftlinge des KL-Außenlagers Neckargartach verpflichtete. Die Polizei übernahm die Sicherstellung von bei den Toten gefundenen Wertsachen. Die Toten wurden zunächst zum Stadtfriedhof gebracht, wo sich ihre Zahl dermaßen häufte, daß an eine Beisetzung auf dem Friedhof selbst nicht zu denken war. Da sich das Leichenhaus auf dem Friedhof schnell als zu klein erwies, wurden die Toten im Freien niedergelegt. Auch konnten nicht genug Särge bereitgestellt werden, obwohl aus Stuttgart, Ulm und anderen Städten etwa 1.000 Särge geliefert wurden. Eine Kommission unter Friedhofsverwalter Ruf besichtigte ein südlich an den Friedhof grenzendes Gelände (ehemaliges Schlizsches Grundstück), beschied aber auch hier eine zu geringe Kapazität. Schließlich fiel der Entschluß, im stadtnahen Köpfertal einen Ehrenfriedhof am Waldrand anzulegen. Die Toten wurden auf Transportwagen ins Köpfertal gebracht. Kreisleiter Drauz untersagte die Bestattung von Toten des Angriffs in bestehenden Familiengräbern oder auswärtigen Friedhöfen, teilweise mußten diesbezügliche privat initiierte Leichentransporte wieder zurückgehen. Ab dem 6. Dezember begannen die Arbeiten am Ehrenfriedhof, wo auf 120 Ar zehn Sammelgräber angelegt wurden, in denen mindestens 5.000 Tote beigesetzt sind.

Ab 8. Dezember wurden die Luftschutzkeller der Innenstadt geöffnet und die Toten geborgen. Im Keller Ehrmann in der Klostergasse (Klosterkeller) starben 600 Menschen und im Keller Wüst in der Lammgasse 200 Menschen. In manchen Kellern muß der plötzliche Sauerstoffmangel die Anwesenden überrascht haben, da oftmals Keller vorgefunden wurden, in denen die Toten ohne Anzeichen eventueller Fluchtversuche oder Panik auf ihren Plätzen sitzend vorgefunden wurden. In anderen Luftschutzkellern gab es dagegen vermutlich Auseinandersetzungen über einen weiteren Verbleib oder einen Ausbruchsversuch, da Hieb- und Schlagwunden an den Toten festgestellt und Zusammenballungen von 30 bis 40 Menschen gefunden wurden.

Die Totenbergung dauerte über drei Wochen und zog sich bis nach Weihnachten 1944 hin. In besonders schwer beschädigten Straßenzügen konnten viele Tote nicht geborgen werden. So werden im Bereich der Unteren Turmstraße, wo die Trümmer der Stadtmauer Keller verschütteten, bis heute noch Skelette im Erdreich vermutet.

Weitere Angriffe bis Kriegsende

Vom 27. Dezember 1944 bis zum 31. März 1945 erfolgten noch weitere 49 Luftangriffe, wobei diese überwiegend durch einzelne Jagdbomber der 1st Tactical Air Force durchgeführt wurden. Am Nachmittag des 29. Dezember 1944 fielen 22 75-Gallonen-Napalm-Bomben auf den Rangierbahnhof. In der Nacht von 20. auf 21. Januar wurden insbesondere die Neckarbrücken und abermals der Rangierbahnhof getroffen. Am 2. Februar erfolgten zwei Angriffe auf den Rangierbahnhof im Abstand von etwa sechs Stunden. Auch am 11. und am 15. Februar 1945 wurde der Bahnhof Ziel von Angriffen. Am 28. Februar 1945 fielen lediglich Aufforderungen zur Kapitulation und Passierscheine für Deserteure auf die Stadt. Am 1. März erfolgte ein Großangriff von 1.200 Bombern und 400 Begleitjägern auf zwölf Ziele in Süddeutschland, von denen eines erneut der Heilbronner Rangierbahnhof war. Am 25. März wurden mit sieben Angriffen kleiner Jagdbomberverbände die meisten Angriffe innerhalb eines Tages gezählt, dabei wurde u. a. das bis dahin noch funktionierende Gaswerk zerstört. Ab Anfang April konzentrierten sich die Angriffe weniger auf die Bahnanlagen, sondern mit Hinblick auf die nahenden Frontkampfhandlungen auf die in Heilbronn befindlichen Kasernen sowie die Verteidigungsstellungen auf dem Wartberg und im Jägerhauswald. Der letzte Jagdbomber-Angriff auf Heilbronn hatte am 12. April 1945 Truppenverbände und Nachschublager auf dem Gaffenberg zum Ziel.

Insgesamt wurden durch die Luftangriffe auf Heilbronn von vormals 14.500 Gebäuden 5.100 vollständig zerstört und 3.800 schwer beschädigt. Die Amtsgebäude und alle im Besitz der Stadt befindlichen Anwesen in der Innenstadt wurden mit Ausnahme des Fleischhauses und des Schießhauses vernichtet, von den 14 Schulen der Stadt wurden zehn zerstört. Der Gesamtschaden an städtischem Eigentum wurde am 12. August 1948 mit 77 Millionen Mark beziffert.[9]

Gedenken

Die erste Gedächtnisfeier für die Toten sowie deren Einsegnung fand auf dem Ehrenfriedhof am 26. August 1945 statt. Alljährlich wird hier bis heute am 4. Dezember der Opfer in einer Trauerstunde gedacht. Das beim Luftangriff bis auf die Grundmauern zerstörte Stadtarchiv am Heilbronner Rathaus wurde am 4. Dezember 1963 zur Ehrenhalle für die Toten des Weltkrieges umgewidmet.

Nicht nur die völlige Zerstörung und der nachfolgende Wiederaufbau, sondern auch die Entsorgung der Trümmer haben das Stadtbild bleibend geprägt. Nicht verwertbare Trümmer der Innenstadt wurden beim Bollwerksturm in den alten Neckararm geschüttet, worauf dieser im Bereich des heutigen Hallenbades und des Europaplatzes völlig verschwand und überbaut wurde. Im Stadtteil Böckingen wurde der Böckinger See mit Kriegstrümmern aufgefüllt und trockengelegt, heute befinden sich dort die Böckinger Sportplätze.

Siehe auch

Literatur

  • Claus Nordbruch: Bombenterror: todsichere Methode des Ethnic cleansing, in: ders.: Der deutsche Aderlaß – Alliierte Kriegspolitik gegen Deutschland nach 1945. Veröffentlichungen des Instituts für Deutsche Nachkriegsgeschichte, Bd. 28, 3. Aufl., Grabert-Verlag, Tübingen 2012, S. 106–121
  • Günter Zemella: Warum mußten Deutschlands Städte sterben?: Eine chronologische Dokumentation des Luftkrieges gegen Deutschland 1940–1945, Kloster-Buchhandlung und Klosterhaus-Versand, 2014, ISBN 978-3941730106 [704 S.]
  • Thomas Goodrich: Höllensturm – Die Vernichtung Deutschlands, 1944–1947, Createspace Independent Publishing, 2015, ISBN 978-1517540241 [475 S.]
  • A. C. Grayling: Die toten Städte. Waren die alliierten Bombenangriffe Kriegsverbrechen? Aus dem Englischen von Thorsten Schmidt. C. Bertelsmann, München 2007[10] – Der Autor ist ein britischer Philosoph (geb. 1949)
  • Pit Pietersen: Kriegsverbrechen der alliierten Siegermächte: Terroristische Bombenangriffe auf Deutschland und Europa 1939–1945, Norderstedt (BoD) 2006 (eingeschränkte Voransicht auf Google-Bücher)
  • Karsten Kriwat: Alliierter Luftterror von Dresden bis Bagdad (Klappentext)
  • Hans-Joachim von Leesen: Bombenterror. Der Luftkrieg über Deutschland (Klappentext)
  • Sven Felix Kellerhoff: So zerstörten Bomben deutsche Städte – eine Bilanz. welt.de, 10. Mai 2015
  • Christine Kluge: Die geplante Vernichtung. Entwicklung 1648–1948 und danach, und „Rechtfertigung des Bombenkrieges“ aus englischer Sicht (Klappentext)
  • Maximilian Czesany: Allierter Bombenterror, Druffel-Verlag, 1986

Fußnoten

  1. Christhard Schrenk, Hubert Weckbach, Susanne Schlösser: Von Helibrunna nach Heilbronn: eine Stadtgeschichte. Theiss, Stuttgart 1998 (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Heilbronn; 36), ISBN 3-8062-1333-X. Seite 172.
  2. Frühere Artikelversionen nannten 11.34 Uhr als Angriffsbeginn, um diese Zeit wurde Sirenenalarm ausgelöst. Es gibt ein Bordfoto im Auswertungsbericht S.A. 2689, das bereits um 11.32 Uhr Explosionen zeigt.
  3. Daten und Zahlen nach Heilbronn 1944/45, Leben und Sterben einer Stadt, s. Literatur.
  4. Christhard Schrenk, Hubert Weckbach, Susanne Schlösser: Von Helibrunna nach Heilbronn: eine Stadtgeschichte. Theiss, Stuttgart 1998 (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Heilbronn; 36), ISBN 3-8062-1333-X. Seite 173.
  5. Uwe Jacobi: Heilbronn, so wie es war. Droste, Düsseldorf 1987, ISBN 3-7700-0746-8.
  6. Das Gedenkbuch der Stadt Heilbronn listet für diesen Tag die Namen von 6.530 Toten.
  7. Bosler, s. Literatur.
  8. Diese Zahl nennt auch noch Robert Bauer in seinen Heilbronner Tagebuchblättern von 1949.
  9. Kurt Schatz: Zehn Jahre wie ein Jahrhundert. Heilbronner Chronik 1944–1955. Heilbronn 1955, Seite 4.
  10. Bert Hoppe: War die alliierte Bombardierung deutscher Städte ein Kriegsverbrechen?, Berliner Zeitung, 20. März 2007 – Rezension