Die Gefangennahme Kurt Meyers 1944

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SS-Sturmbannführer Kurt Meyer: So kennt die ganze Welt den legendären „Panzermeyer“; Meyer, der als Kommandeur einer Aufklärungsabteilung im Rußlandfeldzug den ehrenden Spitznamen „Der schnelle Meyer“ erhielt, war ein charismatischer Truppenführer, dem es gelang, die Menschen seiner Umgebung für sich einzunehmen. Dies gilt nicht nur für die ihm untergebenen Soldaten, sondern auch für Vorgesetzte sowie für gegnerische Offiziere.

Die Gefangennahme des SS-Brigadeführers und Generalmajors der Waffen-SS Kurt Adolf Wilhelm Meyer, genannt „Panzermeyer“ ereignete sich am 7. September 1944 zwischen 0.00 und 1.00 Uhr an der deutschen Westfront in Durnal bzw. Spontin, Belgien.[1]

Geschichte

Vorgeschichte

Im Raum Caen (→ Schlacht um Caen), Falaise, bei Trun und an der Seine kämpfte die 12. SS-Panzer-Division „Hitlerjugend“ gegen die feindlichen Invasoren, die in der Normandie an Land gegangen waren. SS-Standartenführer bzw. mit Wirkung vom 1. August 1944 SS-Oberführer der Waffen-SS Kurt Meyer führte seine Männer gegen eine vielfache Überlegenheit und hielt lange stand. Am Ende der Kämpfe hatte die Division Bataillonsstärke. Für diese außergewöhnliche Leistung seiner Division wurde Meyer als SS-Oberführer, stellvertretend für seine heldenhaften Männer, am 27. August 1944 mit den Schwertern zum Eichenlaub ausgezeichnet.

Die Reste der Division brachen am 20./21. August 1944 aus dem Kessel von Falaise aus und wurden von Einheiten des SS-Panzergrenadier-Regiments 3 „Deutschland“ und der SS-Panzer-Aufklärungs-Abteilung 2 „Das Reich“ von der 2. SS-Panzer-Division „Das Reich“ aufgenommen.

In den Kämpfen an der Invasionsfront verlor die Division 80 % ihrer Gefechtsstärke, 21 Kommandeure fielen aus, man verlor 80 % der Panzer, 70 % der Panzerspäh- und Schützenpanzerwagen, 60 % der Geschütze und 50 % der Kraftfahrzeuge. Ganze 600 Mann gingen am 4. September 1944 über die Maas zurück. Da es den US-Amerikanern gelang, schnell über die Maas in den Rücken der deutschen Verteidiger zu gelangen, stieß der Divisionsstab der „Hitlerjugend“ unter Meyer am 6. September 1944 südlich von Namür mit einer US-amerikanischen Panzerspitze der „3rd Armored Division“ zusammen.

Schlacht um die Maasübergänge

V. l. n. r.: SS-Sturmbannführer Erich Olboeter (Kommandeur des III. [gepanzerten] Bataillons/SS-Panzergrenadier-Regiment 26), SS-Standartenführer Kurt Meyer (Kommandeur der 12. SS-Panzer-Division „Hitlerjugend“) und SS-Standartenführer Wilhelm Mohnke (Kommandeur des SS-Panzergrenadier-Regimentes 26) an der Invasionsfront Ende Juli 1944 am Tag von Olboeters Ritterkreuzverleihungszeremonie. Olboeter mit Splittertarnhose, Meyer und Mohnke mit Tarnmuster „Telo Mimetico“.
Kurt Meyer (links) und sein Ia Hubert Meyer an der Invasionsfront, Sommer 1944

Am 4. September 1944 kämpften die Reste von Meyers Division erbittert gegen die anstürmenden Massen des Feindes, aber gegen die vielen US-amerikanischen Panzer, die weder Munitions- noch Treibstoffmangel kannten, konnten auch die Besten der Waffen-SS nicht standhalten. Bernhard Siebken und Karl-Heinz Milius waren mit zwei Kampfgruppen für den Widerstand an der Maas zuständig. Die 600 Mann reichten nicht aus, keinen einzigen Panzer hatte die Division, die letzten waren zur Reparatur in Lüttich. Die schwere Feldhaubitze machte optisch Eindruck, aber für sie gab es keine Munition. Nur eine 8,8-cm-FlaK an der Straßenkreuzung nordwestlich von Spontin unterstützte die Infanteristen der Division, die mit Handfeuerwaffen ausgerüstet waren. Die Kampfgruppen der Division waren für den Raum Godinne–Houx zuständig, während die 2. SS-Panzer-Division „Das Reich“ für den Raum Dinant auf beiden Seiten der Maas verantwortlich war.

Bei Godinne und Yvoir versuchten die US-Amerikaner, zuerst die Maas zu überqueren, wurden aber von Meyers beiden Kampfgruppen zurückgeschlagen. Dennoch konnten sie bei Houx einen Brückenkopf etablieren und sich in den angrenzenden Wäldern eingraben.

Die Kämpfe waren nicht nur von den Gefechten mit dem militärischen Feind geprägt, sondern auch von den verbrecherischen Banden, die sich „Widerständler“ oder „Partisanen“ nannten. Sie stellten sich nie einem Kampf, schossen, bombten und mordeten nur aus dem Hinterhalt. Immer wieder fanden deutsche Patrouillen ermordete deutsche Soldaten in den Wäldern verscharrt.

Am 5. September 1944 setzten Meyers Männer zu einem Gegenstoß an, um den feindlichen Brückenkopf zu erobern. Bis zur Dämmerung wollte man die Aufgabe erledigt haben, aber der Widerstand – verbunden mit den schweren Waffen des Gegners – war übermächtig, so daß die Deutschen sich zurückziehen mußten.

Die US-Amerikaner konnten in der Nacht vom 5. auf den 6. September die Maas bei Namür überqueren, nur 55 Kilometer von der großdeutschen Reichsgrenze entfernt. Dies gelang durch die Reparatur einer Brücke, die von den Deutschen nicht vollständig zerstört worden war, aber auch, weil der Kommandant von Namür mit seinen Männern Richtung Osten flüchtete, ohne den Einheiten der Waffen-SS, die die Flanken schützten, Bescheid zu geben.

Als Meyer von Siebkens Gefechtsstand im eigenen Gefechtsstand (nach manchen Quellen in Spontin im Schlößchen „Château de Spontin“) um 11 Uhr am 6. September angelangte, erfuhr er vom Ia, daß die Linien durchbrochen waren. Dies konnte er zuerst nicht glauben, aber ein Spähzug der SS-Aufklärungs-Abteilung 12 hatte eine Panzer-Avantgarde der US-Amerikaner auf der Straße Namür–Ciney (auf der Hohe Assesse) entdeckt. Als sich die Hiobsbotschaft bestätigt hatte, befahl er seine Restdivision in Stellungen hinter die Urt, einem Fluß im Osten der belgischen Ardennen. Meyer dagegen sammelte einen kleinen Stoßtrupp, bestehend aus dem Stab, um sich und klärte mit mehreren Volkswagen-Kfz (je nach Quelle vier oder fünf) auf. Das bereitgestellte Mittagessen auf dem Tisch mußte warten. Der Gefechtsstand der Aufklärungsabteilung in Mianoye, drei Kilometer östlich von Durnal, wurde etwa zu dieser Zeit angegriffen, ein Panzerspähwagen und ein Schwimmwagen wurden von feindlichen Panzern zerstört. Ein Bewohner des Ortes hatte die Deutschen verraten. Die Soldaten konnten in die Wälder entkommen und sich später in Huy in Sicherheit bringen.

Meyers Gefangennahme

Hier soll es sich um eine Skizze der Gefangennahme Kurt Meyers handeln, die Genauigkeit läßt sich jedoch nicht einwandfrei belegen.

SS-Oberführer Meyer fuhr, nach eigener Aussage, kurz darauf mit seiner kleinen Kolonne des Divisionsstabes Richtung Durnal am Fluß Le Bocq. Die dortige Kreuzung war für den Rückzug weiterer deutscher Einheiten wichtig. Kurz zuvor hatte Meyers Ia Hubert Meyer (nicht verwandt; sein Fahrer war SS-Sturmmann Helmut Schmieding) seinen Kommandeur gebeten, die Vorhut SS-Hauptsturmführer Heinzelmann (Ordonnanzoffizier im Divisionsstab) zu überlassen. Meyer willigte ein, winkte Heinzelmann nach vorne, und Heinzelmanns Wagen übernahm die Spitze, als die ersten Häuser Durnals (nach Hubert Meyer Spontins) erreicht waren. Die Stadt liegt in einem Tal, und wie immer stand Meyer in seinem Befehlswagen, um über einen Hügel hinweg die Stadt sehen zu können. Vor ihm lag eine 1,50 m hohe Stadtmauer, über die er nun spähen konnte. Nun sah er die Hauptstraße Richtung Namür, aber auch den Feind, der gerade um die Ecke bog. Es handelte sich um einen Sherman-Panzer. Meyer warnte Heinzelmann durch einen Schrei, aber es war zu spät. Der feindliche Panzer schoß, und es schien so, als ob Heinzelmann und die Männer der Besatzung seines Wagens auseinandergerissen werden, aber das Panzergeschoß traf das Haus neben dem Fahrzeug, dennoch wurde Heinzelmann von Schrapnell getroffen. Heinzelmann, so stellte es sich später heraus, konnte trotz seiner schweren Beinverwundung noch kriechen und erreichte den nach Westen zeigenden Wagen von SS-Sturmbannführer Jürgensen. Der Motor lief noch, und er konnte unter Panzerbeschuß losfahren. Gerd Bremer fand später den bewußtlosen Heinzelmann, der durch den hohen Blutverlust zusammengebrochen war. Der Abteilungsarzt behandelte ihn sofort, und anschließen wurde Heinzelmann in ein Lazarett gefahren, wo das Bein allerdings amputiert werden mußte.

Nun hieß es für alle, Deckung zu suchen. Die Wagen konnten weder nach vorne noch zurück, waren zu einfache Ziele. Wie sie es oft geübt hatten, sprangen die Männer aus den Fahrzeugen und liefen in verschiedene Richtungen davon. Meyer sprang über ein Tor und einen Maschendrahtzaun, aber es war eine Falle. Er konnte nicht hinter die aneinander gebauten Reihenhäuser gelangen. Jeder Versuch, über eine angrenzende Mauer zu klettern, hätte ihn zum leichten Ziel für den Feind gemacht. Meyer erkannte einen Hühnerstall und warf sich hinein, noch aus dem Augenwinkel erkannte er seinen Fahrer, SS-Unterscharführer Max Bornhöft,[2] der seinem Chef gefolgt war. Bornhöft war Meyers achter Gefechtsfahrer und stets zuverlässig und treu. Beide waren nun unter den aufgeregten Hühnern vorerst in Sicherheit. Draußen hörten sie Schüsse, aber auch Jubel, als die Panzer der US-Amerikaner die Straße entlang donnerten. In einem angrenzenden Haus nahmen die beiden aufgeregte Stimmen wahr, dann hörten sie kurz die Stimme eines Kameraden. Es handelte sich um den 21jährigen Offizier Heinz Kölln,[3] von dem man nie wieder etwas hörte. Er gilt seit diesem Tag als „vermißt“. Nun galt es, bis zum Einbruch der Nacht auszuharren, in der Hoffnung, entkommen zu können.

Um Mitternacht regnete es, und nun mußte Meyer aus dem Versteck, um die Lage zu erkunden. Was er sah, war wenig erfreulich. Die kleine Ortschaft war von Partisanen nur so bevölkert. Er wollte zurück, aber nun protestierten die Hühner, und in der Nacht trug das Geräusch weit. Der Bauer erschien, um zu sehen, warum seine Hühner so aufgeregt waren, im selben Augenblick zielte Meyer mit seiner Pistole auf dessen Gesicht, ebenso Bornhöft. Sie wollten den Bauern nicht töten, obwohl es sicherer gewesen wäre. Sie forderten ihn auf, zu versprechen, sie nicht zu verraten. Der Bauer stimmte zu, und sie ließen ihn gehen. Aber sie warteten nicht ab, kletterten über die angrenzende Mauer, liefen an der Kirche vorbei, wo die Partisanen ihr Hauptquartier hatten, über eine zweite Mauer, landeten in einem Komposthaufen und erreichten den Friedhof.

Eine weitere Flucht erschien unmöglich. Nun entschieden sich die beiden, die Partisanen in der Kirche anzugreifen, um so viele wie möglich mit in den Tod zu nehmen. In diesem Augenblick wurden sie von zwei Polizisten entdeckt, aber Meyer schoß zuerst. Dann rannte er mit Bornhöft entlang der südlichen Mauer des Friedhofes. Die Partisanen schwärmten aus und umzingelten sie. Eine weitere Mauer war erreicht, der anschließende Fall beinahe vier Meter. Nun aber hatten sie eine alte Straße erreicht und rannten los. Schüsse hallten durch die Nacht, und Bornhöft schrie kurz auf und stürzte. Meyer drehte sich um, schoß auf die Verfolger, die Deckung suchten. Meyer suchte hinter einer Tür in der Mauer Deckung, zusätzlich von einem Baum und einem Findling geschützt. Der Anführer meldete sich auf deutsch und versprach, wenn sie sich ergeben, würde man sie den US-Amerikanern ausliefern und nicht erschießen. Meyer hob nun die Waffe an und wollte sich selbst erschießen, so wie er sich das einst an der Ostfront geschworen hatte – niemals lebend in die Hände des brutalen Feindes zu fallen. Die Partisanen sahen ihn immer noch nicht, aber er sie. Sie waren bis auf wenige Meter herangekommen. Manche Gesichter waren mordlüstern, andere dagegen ruhig und besonnen. Der Anführer war nun beinahe bei ihm, Meyer war bereit zu schießen, als der 14jährige Sohn des Partisanenführers aufschrie und seinen Vater warnte. Schüsse prallten von der Holztür ab, hinter der Meyer stand. Er machte sich klein und rief dem Anführer zu, sein nächster Schuß würde dem Sohn gelten. Dieser schob seinen Sohn hinter sich und redete auf Meyer ein. Er versprach Meyer, daß, wenn er sich ergebe, ihm kein Leid angetan werde. In dieser ersten Stunde des 7. September 1944 mußte sich Kurt Meyer entscheiden: kapitulieren und ggf. leben oder kämpfen und untergehen.

In den Händen der mörderischen Partisanen

Kurt Meyer hatte sich entschieden, er blickte ein letztes Mal auf seinen verwundeten Kameraden, und dann warf er die Pistole zu Boden. Manche der belgischen Partisanen erhoben ihre Gewehre und wollten ihn sofort erschießen, Meyer schaute nur in die Augen des Anführers, der ein Versprechen gemacht hatte. Dieser deutete seinen Männern an, die Waffen zu senken, sie taten es widerwillig. Es gab noch heftige Diskussionen. Später erzählte der Partisanenanführer Meyer, daß er während des Krieges in Deutschland gearbeitet, die Sprache gelernt und nur Gutes dort erlebt hatte. Er wolle keine Mörderbande anführen, erzählte er Meyer, sei aber nicht in der Lage, insbesondere die jungen Männer von Mord und Totschlag abzuhalten.

Der verwundete Bornhöft, der eine schwere Schußwunde in die Hüfte erlitten hatte, lag immer noch auf der Straße. Meyer und ein paar der Partisanen trugen ihn zur Polizeistation (Gendarmerie), wo er von dem Dorfarzt Dr. Louis Kaux überaus freundlich und kompetent behandelt wurde. Die zwei Polizisten nahmen nun ihre Handschellen heraus und legten beide Paare Meyer an. Sie schnitten ihm ins Fleisch, und er schrie jedoch nicht vor Schmerzen, worauf die Partisanen, die diese Foltermethode sicherlich schon öfter verwendet hatten, begierig warteten – aber umsonst. Bornhöft, selbst in Schmerz gehüllt, schaute die Täter an und sagte nur „Schweinehunde“.

Nun wurden die Deutschen über den Friedhof zum Heizungsraum der Kirche verbracht und dort eingesperrt. Zuvor war Bornhöft auf eine Matratze mit Heufüllung abgelegt worden. Meyer zeigte sich überrascht, als die Polizisten ihre Uniformen auszogen und die zivile Kleidung der Partisanen anlegten. Er ärgerte sich darüber, denn nur Wochen zuvor hatten deutsche Feldjäger ihr Hauptquartier neben der Kirche und erkannten wohl nicht, daß die örtlichen Polizisten, mit denen sie zusammenarbeiteten, Angehörige verbrecherischer Banden waren.

Schicksal des Aufklärungs-Stoßtrupps

Hubert Meyer hatte als Ia die Karten der Gegend gut studiert, das sollte ihm und den noch überlebenden Männern das Leben retten. Er wußte, daß rund einen Kilometer südlich von Durnal Eisenbahnschienen durch die wallonische Kleinstadt Spontin und dann nach Osten führten. Diese galt es nun zu erreichen. Ihm war klar, daß die motorisierten Verbände des Feindes die Straßen benutzten, an den Bahngleisen würden allerdings Partisanen wachen. Wie sein Kommandeur SS-Oberführer Meyer im Dorf, hatte auch Hubert Meyer entschieden, daß die Gruppe bis Mitternacht in Deckung bleiben sollte. Sie sorgten sich um ihre Kameraden im Dorf, wußten aber, daß sie keine Möglichkeit einer Befreiung hatten, und auch war es ja möglich, daß Meyer, Kölln und Bornhöft ebenfalls auf dem Rückweg waren.

Um Mitternacht ging es los. In geduckter Haltung eiligen Schrittes ging es über die Kuhweiden des landwirtschaftlichen Gebietes. Die schlafenden Kühe galoppierten davon, im Dorf blieb jedoch alles ruhig. Sie konnten nicht wissen, daß, wenn sie weitere 30 Minuten gewartet hätten, sie die Schießerei im Dorf mitbekommen und ggf. eingegriffen hätten. Die Bahnlinie war schnell in der warmen, wenn auch leicht regnerischen Nacht erreicht. Nun, mit dieser Orientierung, kamen sie noch schneller voran, immer auf Überfälle seitens der lokalen Banden vorbereitet. Nach ein paar Stunden erreichten sie eine hellerleuchtete Bahnstation, davor eine Brücke über einen Fluß zehn Meter im Tal. Um die Station zu umgehen, hätten sie schwimmen müssen, aber Meyer wählte den riskanteren Weg und blieb auf den Schienen. Und es gelang ihnen, allerdings wußten sie auch, daß die Bahnangestellten sie sehen und Meldung machen würden. Bislang waren weder US-amerikanische Truppen noch Partisanen zu sehen. Kaum weiter marschiert, klang durch die Nacht: „Halt, wer da? Parole!“ Wunderschöne, vertraute Worte in der eigenen Sprache. Endlich, sie hatten deutsche Truppen erreicht. Die Soldaten gehörten der Kampfgruppe „Siebkin“ an. Sie hatten vom I. SS-Panzerkorps den Befehl bekommen, ein dünnes Netz von Wachposten im Raum Ciney aufzustellen.

Schicksal der „Hitlerjugend“

Am 24. Oktober übergab Hubert Meyer das Kommando über die Division an SS-Brigadeführer Fritz Kraemer. Er wurde am 9. November 1944 zum SS-Obersturmbannführer befördert. Hubert Meyer blieb bis zur Kapitulation am 8. Mai 1945 als Erster Generalstabsoffizier (Ia) bei der Division. Er geriet mit ihr (10.000 Mann) in US-amerikanische Kriegsgefangenschaft bei Enns in Oberösterreich. Meyer war später Mitbegründer der Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS (HIAG)[4] und der Kriegsgräberstiftung „Wenn alle Brüder schweigen“.

Suche nach Kurt Meyer

Sd.Kfz.232 (Fu) der 1. Panzerspäh-Kompanie/SS-Panzeraufklärung-Abteilung 12

Da der Divisions-Kommandeur Kurt Meyer seit dem 6. September 1944 als vermißt, ggf. als gefangen oder gefallen galt, übernahm Hubert Meyer ab dem 7. September 1944 vorübergehend (m. d. F. b.) die Führung über den Rest der Division, welche kaum mehr Bataillonsgröße aufwies. Meyers erster Befehl, nachdem er bei der Truppe zurück war und die Aufklärungs-Abteilung der Division eingetroffen war, lautete, über Spontin Richtung Durnal zu fahren und den Kommandeur möglichst zu retten bzw. zu bergen.

Den Auftrag erhielt SS-Sturmbannführer Gerhard Bremer, Kommandeur der SS-Panzer-Aufklärungs-Abteilung 12 „Hitlerjugend“, die einst von Erich Olboeter geführt wurde. Im Zuge der alliierten Invasion im Juni 1944 übernahm er im Raum Caen den Flankenschutz auf der linken Seite der Division. Dort leistete er den gegnerischen Truppen erbitterten Widerstand. Anschließend brach er mit den Resten seiner Abteilung aus dem Kessel von Falaise aus und folgte dem allgemeinen Rückzug der Wehrmacht hinter die Seine zur Maas. Dort baute er im Raum Namur eine Auffangstellung auf, wodurch er einen breiten Abschnitt des Rückzugsstreifens der 5. Panzer-Armee gegen US-amerikanische Truppen des Generals George S. Patton halten konnte.

Sherman-Panzer in Spontin, Belgien im September 1944; im Hintergrund ein zerstörtes deutsches Krad mit Beiwagen, der Fahrer gefallen. Das Hotel „Le Cheval Blanc“ wird heute noch betrieben (Stand: 2016).

Bremer schickte am 7. September 1944 einen ersten Spähzug mit zwei leichten Panzerspähwagen nach Spontin, aber die Stadt war inzwischen vom Feind besetzt (3. US-amerikanische gepanzerte Division), und der Spähzug mußte unter schwerem Beschuß zurückkehren. Ein zweiter Spähzug[5] erreichte jedoch über eine alternative Route Durnal. Schwer bewaffnet fuhren sie in das Dorf und sicherten nach allen Seiten. Überraschenderweise erhielten sie von den Bürgern die Information, daß ein toter Offizier lag auf der Straße lag und ein weiterer mit einem „Orden um den Hals“ wurde mit einem zweiten Soldaten aus dem Ort transportiert. Bei dem Toten handelte es sich wahrscheinlich um Kölln, bei den beiden anderen sicherlich um Meyer und Bornhöft.

Gefecht um Durnal

Die US-amerikanischen Invasoren der Kampfgruppe (Task Force) von Oberstleutnant Roswell H. King in Spontin, September 1944

Bornhöft litt an schrecklichen Schmerzen, und die Stunden im Heizungsraum im Keller der Kirche vergingen langsam. Er bat Meyer immer wieder, seinen Vater zu benachrichtigen, er selbst ahnte, daß er die Heimat nicht mehr sehen sollte. Der Partisanenführer brachte ihnen Brot, er war sichtlich nervös, denn die Verbrecherbande befürchtete einen deutschen Entsatz, und Durnal schien schutzlos, denn die Amerikaner waren weiter Richtung Dinant gezogen. Meyer lauschte stets in die Nacht, immer wieder in der Hoffnung, seine Männer würden kommen, um ihn zu holen. Sie wurden von einem jungen Partisanen bewacht, der schwieg, außer wenn Meyer versuchte, Bornhöfts Lage bequemer zu gestalten, dann schrie er los und zielte mit seiner Pistole. Der Belgier war ängstlich, aber auch gleichzeitig voller Haß. Meyer hatte stets das Gefühl, er wolle auf die Deutschen unbedingt schießen. Um Mitternacht brachen die Partisanen schlagartig auf, der 8. September 1944 war just angebrochen. Dann waren Fahrzeuge im Dorf zu hören. Meyer fragte sich, ob Freund oder Feind. Eine Stunde später hatte er Gewißheit, ein deutscher Spähzug war wohl im Dorf und wurde nun von herbeieilenden Partisanen und Amerikanern beschossen. Meyer konnte hören, wie ein Wagen, vermutlich ein deutscher, brannte und die Munition sich entzündete. Das Feuergefecht ging bis zum Morgengrauen, als das deutsche Maschinengewehrfeuer, das Meyer deutlich heraushörte, sich zunehmend entfernte. Auch schwere MG hatten gegen eine Panzerkolonne kaum eine Chance.

Die Wache war außer sich vor Angst, Meyer bat für Bornhöft um etwas Wasser, was der Belgier ablehnte. Dann war es so weit, die Amerikaner griffen die Kirche an und feuerten in ein Kellerfenster hinein. Einer der Angreifer rief, sie sollen sich ergeben. Die junge Wache zog sich in eine Ecke zurück und zielte zitternd auf Meyer. Er mußte den jungen Mann anschreien, er möge die Tür öffnen, da die Amerikaner ansonsten alle töten würden. Jederzeit erwartete er Handgranaten durchs Fenster. Endlich öffnete er die Tür, ein Amerikaner rannte die Treppe herunter und trat den Belgier um, der, wie sich herausstellen sollte, ein Fahnenflüchtiger aus Lothringen war. Schon war ein zweiter Feind im Raum, beide wendeten sich Meier zu. Er soll keinen Widerstand leisten, sie wollen seine Orden, sagte der zweite Amerikaner auf deutsch. Der erste trat vor und riß Meyer seinen Halsorden ab, er trug das Ritterkreuz seit April 1941. Er zitterte vor Wut, war aber machtlos. Nun kam der junge Deutschamerikaner auf Meyer zu und sprach kurz mit ihm. Er erzählte Meyer, daß seine Mutter in Deutschland geboren wurde. Vor allem raunte er ihm bedeutungsschwanger zu, nachdem ihm Meyer erzählt hatte, wer er war, er dürfe dies auf keinen Fall den anderen verraten, denn Waffen-SS-Männer würden sehr schlecht behandelt. Kaum 24 Stunden später sollte er erfahren, wie der junge Leutnant dies meinte.[6]

Vom amerikanischen „Befreier“ bestohlen und mißhandelt

Nun mußten sie aus dem Keller heraus, und sogleich schoß ein Maschinengewehr – ein deutsches aus dem angrenzenden Wald 150 m entfernt. Meyer lag mit mehreren Amerikanern zwischen den Gräbern, und zu seinem Erstaunen wurde er erneut bestohlen, diesmal Uhr und Ringe, darunter der Ehering und der Totenkopfring der SS. In einer Feuerpause wurde Meyer hinter die Kirche bugsiert, hier wurde ihm auch noch die Geldbörse gestohlen. Ein Amerikaner diente nun als Wache, und da es für ihn nichts mehr zu stehlen gab, stieß er den mit Handschellen gefesselten Meyer seinen Gewehrkolben in den Rücken.

Meyer mußte weitergehen, der Kolben holte immer wieder zum Schlag aus. Sie passierten zwei verängstigte Dorfbewohnerinnen, als der Amerikaner Meyer nochmals mit dem Kolben schlug. Meyer stolperte vorwärts und versuchte, den Täter anzuschauen, da erhielt er einen wütenden Schlag mit dem Kolben gegen die Schläfe. Die Frauen schrien auf und beschwerten sich, aber nun war der Damm gebrochen. Der Amerikaner schlug ihn nun vorwärts und in einen Vorgarten hinein. Meyers Augen waren mit Blut gefüllt, gleichzeitig lief ihm Blut aus dem linken Ohr. Er wurde ins Gebüsch gestoßen und lag nun da, bereit, den Gnadenschuß zu erhalten. Er bekam gerade noch mit, daß der Feind den Karabiner anlegte, wähnte sich aber schon in einer anderen Welt. In letzter Sekunde senkte der Gewalttäter die Waffe, bemerkte „verdammt“ (damn) und lief davon. Nun sah Meyer den deutschamerikanischen Leutnant, der sein Leben gerettet hatte und sogar versuchte, die Taten des Soldaten zu erklären.

Der Leutnant nahm ihn im Fahrzeug mit. Um die Sitze nicht mit Blut zu besudeln, mußte Meyer auf dem Kotflügel Platz nehmen und sich festhalten. Nach wenigen Metern war die Windschutzscheibe hinter ihm voll seines Blutes. Meyer wurde zu einer nordwestlich stehenden Versorgungskolonne gebracht, der Offizier befahl den Männern, Meyer nach dem Abladen des Nachschubs ins Lazarett zu fahren. Der Nachschubzug bestand aus 12 LKW und Stabsfahrzeug. Jeder Laster hatte einen Fahrer und zwei Ersatzfahrer sowie ein MG. Meyer konnte die Masse an Nachschub kaum begreifen. Die zu versorgende Vorhut bestand aus einem Panzer- und einem Infanterie-Bataillon. Sie waren wie für eine Parade formiert und wurden versorgt ohne Feuerschutz – weder auf dem Boden noch aus der Luft. Meyer dachte sich, mit nur fünf „Tigern“ aus dem Wald angreifend könnte er die gesamte Avantgarde der Amerikaner vernichten. Aber zwischen Maas und Reichsgrenze gab es keine „Tiger“ mehr, nur vom Kampf erschöpfte und vom Schicksal zerschmetterte Männer, mit kaum Munition oder Nachschub. Unerwartet sah Meyer eine winkende Hand, es war Max Bornhöft im dritten Lkw, der Treibstoff geladen hatte. Bornhöft lag auf den leeren Fässern. Inzwischen hatte die Kolonne 60 deutsche Kriegsgefangene aufgenommen, viele waren verwundet, im Lastkraftwagen vor ihm ein Soldat mit Bauchschuß, der die Schmerzen nicht mehr unterdrücken konnte. Auch erkannte Meyer mehrere Fallschirmjäger und rund 15 Mann seiner Division. Dann fuhr die Kolonne am späten Nachmittag endlich los, bewacht von dem Infanterie-Bataillon, welches zuvor die feindlichen Panzer begleitet hatte. Während der Fahrt dachte Meyer immer wieder an Flucht. Ein Fallschirmjäger neben ihm teilte flüsternd die Idee und bewegte sich näher zur Ladeklappe. Aber die Gelegenheit ergab sich nie, und Namür war schneller erreicht als gedacht.

Das Massaker von Namür

Namür war erreicht, amerikanische Pioniere hatten die Brücke über die Maas ohne große Schwierigkeiten repariert. Die Zivilisten schauten die Gefangenen auf den LKWs entweder teilnahmslos oder feindselig an. Die Wagenkolonne fuhr durch die Innenstadt und hielt neben einem großen Gebäude am Bahnhof. Es handelte sich um ein Gefängnis. Meyer sah, wie Bornhöft abgeladen wurde, kurz darauf trugen ihn Polizisten und Partisanen mit der Bahre zum Eingang, umringt von Gaffern. Ein Bewaffneter trat vor und schoß Max Bornhöft in den Kopf. Die Umstehenden begannen zu jubeln, zu pfeiffen und zu klatschen. Meyer sollte den Bluttäter als ein feiges, bösartiges Tier betiteln. Die Amerikaner schüttelten die Köpfe und drängten die Menge zurück, machten aber keine Anstalten, den Mörder zu fassen. Das sollte jedoch nur der Anfang sein.

Die ersten LKW der Kolonne fuhren weiter und hielten vor einer Polizeiwache neben einer alten Kirche in der Rue de l’Arsenal. Am Eingang standen Partisanen Wache. Die Deutschen mußten alle aussteigen, und als die Amerikaner wegfuhren, fingen die bewaffneten Banden an, über die deutschen Kriegsgefangenen herzufallen. Es wurde nur noch geschrien, und die Deutschen, in den letzten Lastern, wurden mit Gewehrkolben empfangen. Meyer sah einen Amerikaner, der mit einem dieser Verbrecher sprach und dabei auf ihn zeigte. Partisanen kamen auf ihn zu und befahlen ihm, ihnen zu folgen. Er wurde zu einem deutschen Sanitätsfeldwebel geführt, der Meyer versorgen und bandagieren sollte. Dann hörte er Schmerzensschreie, die jungen Belgier mit dem roten Halstüchern begannen, die Gefangenen auf das Brutalste zu malträtieren. Der gefangene Feldwebel, der das Ritual schon mehrfach gesehen hatte, erläuterte, daß die Bandenmitglieder nun Waffen-SS-Männer und Fallschirmjäger aussortieren würden, um sie sogleich hinzurichten. Er hatte kaum ausgesprochen, und der Kugelhagel setze ein. Rund zwanzig junge Deutsche wurden an diesem Tag ermordet.

Um 22 Uhr wurde Meyer von zwei Partisanen durch die inzwischen leeren und dunklen Straßen Namurs geführt. Meyer rechnete schon damit, ermordet zu werden, aber sie boten ihm sogar eine Zigarette an und erzählten ihm, daß sie ihn wegen seiner Verwundung zu einem Arzt bringen sollten. Sie zeigten sich erstaunt, daß er bei einer Schädelfraktur noch laufen konnte. Meyer ahnte, daß er keine Fraktur hatte, blieb aber ruhig (später stellte sich heraus, daß eine Blutader im Ohr geplatzt war). Die Amerikaner gaben dies wohl auf Befehl des jungen Leutnants in Durnal so weiter. Kurz darauf waren sie in einer Art Schulhalle, gefüllt mit jungen Partisanen. Sie schrien ihn an: „SS, SS ...“ Die Begleiter blieben jedoch resolut, nein, er sei ein Oberst und Regimentskommandeur der 2. Panzer-Division der Wehrmacht „mit sehr hohen Orden“ und müsse auf Befehl der Amerikaner ins Krankenhaus. Erneut hatte ihm der deutschamerikanische Leutnant von Durnal das Leben gerettet, denn die Legende, Meyer sei ein Panzer-Oberst der Wehrmacht, stammte von ihm. Mit Murren schoben sie ihn in einen Krankenwagen, der ihn ins katholische Krankenhaus bringen sollte. Unterwegs erzählte ihm ein Seminarist der Kirche, der als Sanitäter diente, daß Männer der Waffen-SS und Fallschirmjäger augenblicklich von den Partisanen an die Wand gestellt werden. Meyer fragte sich, wie viele seiner 17 und 18 Jahre alten Soldaten durch diese Mörder ihr junges Leben verloren haben. Da ihm alles gestohlen wurde, blieb er bis dann noch unentdeckt. Er trug, wie er dies an der Kriegsfront in der Normandie schon getan hatte, einen Tarnanzug mit italienischem Muster (Telo Mimetico), das erst 1944 und nur bei zwei SS-Divisionen eingeführt wurde. Nicht selten wurden diese Uniformen für Felduniformen der Panzertruppe der Wehrmacht gehalten. Allerdings hatte er noch sein Soldbuch, und dieses mußte er loswerden.

Die Barmherzigen des Katholischen Krankenhauses

Als er im Krankenhaus angelangte, bat er die Schwester, sich erleichtern zu dürfen. Die Partisanen bezogen vor der Tür Wache, aber über die Toilettenschüssel gebeugt, zerstörte er blitzartig sein Soldbuch. Der Arzt entschied, er müsse erst ins Bett und sollte am Morgen geröntgt werden. Er konnte kaum noch laufen, der Blutverlust machte sich bemerkbar. Die Partisanen halfen ihm und legten ihn ins Bett. Dann zogen sie ihm die beschmutze Kleidung aus und durchsuchten sie. Dann kam die erwartete Frage nach dem Soldbuch, Meyer konnte nur noch kurz die Augen öffnen und überzeugend „Amerikaner“ sagen. Damit gaben sie sich zufrieden, schüttelten ihm sogar die Hand und zogen von dannen. Nun versank Meyer völlig erschöpft und am Ende seiner Kräfte in der letzten Stunde des 8. September 1944 in einen tiefen Schlaf, nachts wurde noch einmal sein blutdurchtränktes Kopfkissen gewechselt. Was er nicht wußte, ist, daß auch andere Divisionsangehörige als „normale Soldaten“ getarnt im Krankenhaus behandelt wurden.

„‚Hände hoch‘ hörten wir in der Nacht zum 8. September 1944, einem Freitag, gegen 2 Uhr. Wir folgen der Aufforderung. Die nächste Frage war auf französisch: ‚Tu SS?‘ Da wir wußten, was passieren würde, antworte ich: ‚Non, nous Infanterie et Aviateur.‘ Wir befanden uns auf den Gleisen zum Bahnhof nach Namur. Am Tage vorher hatten wir, das waren 3 Landesschützen der Wehrmacht und zwei Mann der 12. SS-Panzerdivision ‚Hitler-Jugend‘, alle Dienstgradabzeichen und die Hoheitsadler abgetrennt, die Soldbücher, verräterische Bilder, vernichtet und die Erkennungsmarken und restlichen Waffen zerstört. Einer der Landesschützen hatte noch ein Koppelschloß der Luftwaffe, das er mir gab. Mein Kamerad von der SS hat sein Koppel weggeschmissen, damit ihn das Koppelschloß nicht als SS-Angehörigen verrate. Freundliche Belgier in Huy hatten mich gewarnt, man würde Angehörige der Waffen-SS und Fallschirmjäger, ohne nach einer Schuld zu fragen, sofort erschießen.
Nachdem die Belgier festgestellt hatten, daß wir keine Waffen besaßen, durften wir unsere Hände wieder runter nehmen und man brachte uns in den Wachraum, der sich im Bahnhofsgebäude befand. Wir mußten nun unsere Taschen leeren, wobei sie dann auch die Fotos von mir in Luftwaffenuniform und meinen Bruder als Leutnant der Infanterie fanden. Nach ihn befragt, sagte ich ihnen: ‚Mort en Leningrad‘. Sie sagten bedauernd. ‚C’est la guerre.‘ Ein junges Mädchen brachte den Belgiern warme Waffeln. Sie wurde gebeten, für uns Brot usw. zu bringen. Kurze Zeit später kam sie wieder und hatte das Erbetene dabei, auch zu trinken. Da man uns die Messer der Eßbestecke abgenommen hatte, fragte ich die Bewacher, womit wir unser Brot schneiden sollten. Sie gaben uns die Messer wieder, bedeuteten uns aber, daß wir keinen ‚Unsinn‘ machen sollten. Bis zum Hellwerden haben wir uns dann noch unterhalten, soweit wir das mit den wenigen Französischkenntnissen bei mir und den mangelnden Deutschkenntnissen bei den Belgiern konnte.
Als es hell war, brachte man uns in die Kaserne ‚Maria Antoinette‘ in der Stadt, wo bis jetzt kaum Landser waren. Die Belgier brachten uns 5 dicke Winterkradmäntel der Wehrmacht mit der Bemerkung, daß es auf den Winter zugehe und wir die wohl brauchen könnten. Gegen Mittag kamen noch mehr Landser in die Kaserne. Es erschien auch ein belgischer Militärarzt, der sofort alle Gefangene untersuchte, wobei er von einen deutschen Sanitätsfeldwebel unterstützt wurde. Der Arzt sah die kleine Wunde an meinem linken Schlüsselbein, fragte nach der Ursache. Als ich ihm sagte, daß die Wunde von einer Pistolenkugel her rühre, ordnete er meine sofortige Verlegung in das katholische Krankenhaus an. Ein Leutnant der Belgischen Armee brachte mich am Sonnabend per Straßenbahn hin. Ich kam in ein Krankenzimmer, wo schon mehrere Deutsche lagen. Ich mußte mich ausziehen und wurde sofort in eine Badewanne gesteckt. Meine Uniform und die Unterwäsche wurden mir weggenommen, statt dessen bekam ich ein weißes Nachthemd. Ein blütenweißes Bett wartete auf mich, in das ich mich mit Genuß hineinlegte. Ein Arzt untersuchte mich dann und meinte auf französisch-deutsch, daß ich Glück gehabt habe. Die Kugel sei nicht eingedrungen. Anschließend kam ein katholischer Geistlicher, der sehr gut deutsch sprach, und unterhielt sich mit mir. Er wollte von mir persönliche Dinge wissen, wie z. B. seit wann ich bei den Kämpfen gewesen sei, was ich vorher gemacht hätte, was für berufliche Vorstellungen ich habe usw. Nach dem Abendbrot kam eine junge Krankenschwester zu mir und fragte, ob ich am nächsten Morgen an der Sonntagsfrühmesse, die ihr Bruder feiere, teilnehmen wolle. Ich dankte ihr für das Angebot, sagte aber, daß ich lieber schlafen wolle, denn ich hätte seit Ende Mai nicht mehr in einem Bett geschlafen. Sie hatte dafür Verständnis und meinte, daß sie mir das Frühstück dann nach der Messe bringen werde.
Am Sonntagmorgen nach der Messe und dem guten Frühstück kam der Kaplan wieder zu mir und erzählte mir während des Gespräches, daß im Nebenzimmer ein Oberst eines Panzerregimentes liege, der sehr hohe Orden habe. Er habe eine schwere Kopfverletzung. Ich mußte sofort an meinen Divisionskommandeur Generalmajor Kurt Meyer, genannt Panzermeyer, denken, wagte aber nicht zu fragen, ob ich zu ihm dürfe. Einmal wußte ich nicht, welche Art Kopfverletzung er habe und ansprechbar sei und zum anderen könnte es Argwohn erregen, wenn ein einfacher Soldat einen verwundeten Oberst sprechen wolle. Ich mußte auf die beiderseitige Tarnung bedacht sein.“[7]

Die Ärzte hatten Meyer hervorragend behandelt, und die Nonnen ließen es sich nicht nehmen, ihm heimlich Zigaretten zu bringen, aber auch gelegentlich eine zusätzliche Leckerei. Jeden Tag fühlte er sich ein wenig besser und stärker. Er fing an, sich über Flucht Gedanken zu machen, aber nach zwei Wochen wurde er in die strengbewachte König-Albert-Kaserne verlegt, wo er die ersten 48 Stunden als einziger Gefangener alleine verbrachte.

Kriegsgefangenschaft

Namür

Nach 48 Stunden im dritten Stock der Albertkaserne wurden Meyers Wünsche erfüllt, ein Leidensgenosse kam. Leutnant Aumüller war nördlich von Namür in Gefangenschaft geraten, als er mit einer Gruppe Infanteristen versuchte, die Reichsgrenze zu erreichen. Sie kämpften sich seit drei Wochen über Hunderte von Kilometern über Frankreich nach Belgien, nur um kurz vor der rettenden Grenze aufgelesen zu werden. Nun arbeiteten sie zusammen, um das Leben als Gefangene erträglicher zu machen. Es wurde immer kälter, und die beiden Offiziere verbrannten alles, was sie in dem leerstehenden Gebäude auseinandernehmen konnten. Die Rationen waren karg, jeden Tag gab es die gleiche Suppe. Zwei Tage später kam Leutnant Wagner, Zugführer der Infanterie, der nach Wochen Rückkampf an der Maas gefangengenommen wurde. Er hatte es irgendwie geschafft, mehrere Hunderte Franc am Mann zu verstecken, die nun das Überleben sichern sollten. Unterstützt wurden die drei von einem ehemaligen belgischen Kadettenschüler und nun Berufsoffizier, der bis 1943 in gutsituierter deutscher Kriegsgefangenschaft war und auf Vermittlung des Königs entlassen wurde. Nun sollte er die Deutschen bewachen, freundete sich aber mit ihnen an. Er schämte sich zutiefst für die unzähligen Morde an deutschen Soldaten, unmenschliche Taten, die, wie er angab, von den „roten Partisanen“ ausgeführt wurden. Ein zweiter Helfer war ein russischer Kriegsgefangener, der 1942 in deutsche Gefangenschaft geriet und zuletzt in einer belgischen Mine arbeitete und nun den Belgiern diente. Nicht selten hörten die deutschen Gefangenen die tieffliegenden Terrorflieger der Alliierten auf dem Weg, deren deutsche Heimat von oben zu zerstören. Der Wunsch nach Flucht war groß, aber immer noch bot sich keine Gelegenheit. Von dem Belgier erhielten sie Uniformen alter Wehrmachtsbestände, die nun zusammengewürfelt gegen die Kälte getragen wurden.

Compiègne

Anfang Oktober 1944 erschienen zwei Amerikaner und ein Major der Militärpolizei. Ohne Erklärung wurden die deutschen Offiziere aufgeladen und per LKW nach Reims gebracht, wo sie am Abend eintrafen. Sie mußten auf der dortigen Polizeistation übernachten, die Zellen waren voller wildgewordener Neger, belgische Kolonialsoldaten, die wegen Trunkenheit und schlimmerer Vergehen in der Stadt verhaftet worden waren. Am Morgen ging es über das Schlachtfeld von Reims weiter. Kilometer für Kilometer, und Meyer und seine Begleiter kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus, überall waren Nachschubbasen gefüllt mit einem Überfluß an Munition, Treibstoff, Nahrung und Medikamenten, während deutsche Soldaten und Zivilisten an Hunger und Krankheiten an der Kriegsfront und in der Heimat starben. Ganze Artillerie- und Panzer-Reserve-Einheiten standen bereit, keinerlei Tarnung wurde angebracht, die deutsche Luftwaffe war inzwischen an der deutschen Westfront ein zahnloser Tiger.

Am späten Nachmittag erreichte der Transport das große Gefangenenlager bei Compiègne. Hier wurde er als „Oberst Meyer der 2. Panzer-Division“ registriert. Der Kommandant war ein Berliner Rechtsanwalt, der in den 1930er Jahren in die USA emigriert war. Nach langer Diskussion wurde Meyer wegen seines hohen Ranges zum Assistenten des Kommandanten gemacht, verantwortlich für die Beaufsichtigung des Offizierslagers. Zunächst blieb Meyer unerkannt, er mußte sich nur mit Aumüller und Wagner ein Zimmer teilen, was eine gewisse Privatsphäre bedeutete. Am nächsten Tag nahmen die drei Offiziere das dreigeteilte Lager (Offiziere, Unteroffiziere/Mannschaften und das sogenannte „Blitzmädellager“) in Augenschein. Ein Feldwebel der 1. Fallschirm-Division warnte Meyer, es gebe viele Spitzel und Verräter.

„Auch dieses Lager war unterteilt. Vom Straßeneingang gesehen war hinter uns, nur durch ein bewachtes Tor getrennt, das ‚weibliche Gefangenenlager‘ für die Mädchen der Nachrichteneinheiten und Krankenschwestern. Links neben uns war das Offizierslager, in das Panzermeyer nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus gekommen war. Als erstes wurden wir entlaust und mußten duschen und wieder unsere alte und dreckige Wäsche anziehen. Als Verpflegung gab es gechlortes Leitungswasser und Kekse. Einmal alle 16 bis 18 Stunden gab es eine warme Suppe, ca. 1 lt. pro Mann. Die Lagerküche konnte trotz des 24-Stunden-Betriebes nicht mehr schaffen, zumal wir auch immer mehr Leute wurden. In den Baracken standen die üblichen Militärholzbetten mit Brettern als Unterlagen. Strohsäcke, Decken usw. gab es nicht, so daß wir auf dem Holz schliefen, aber ja ein Dach über dem Kopf hatten.“ — ein deutscher Soldat

Meyer hielt an der Idee einer Flucht fest, mehrere Kameraden hatten zugesagt, auch ein Arzt der Fallschirmjäger. Nach der Schlacht um Aachen im Oktober 1944 wurden ein paar Hundert deutsche Kriegsgefangene nach Compiègne verfrachtet. Endlich erfuhren die Männer Nachrichten aus der Heimat. Dabei waren auch Angehörige der „Leibstandarte“, die Meyer über das Schicksal seiner Division informierten, aber auch über den feigen Mord der Maquis an seinem treuen Kameraden Hans Waldmüller. Er erfuhr aber auch, daß seine Division im Raum Plettenberg im Sauerland gerade neu aufgestellt wurde (bis zur Schlußphase der Ardennenoffensive war die Division wieder kampfbereit und wurde an der blutigsten Kriegsfront der 5. Panzer-Armee unterstellt eingesetzt). Nun machte er alles für die geplante Flucht bereit. Am 7. November um 17 Uhr traf er den Lagerkommandanten, der ihn beiseite zog und um Hilfe bat. Er habe gehört, ein hoher SS-Offizier sei im Lager, was eine Schande für ihn sei. Meyer war sprachlos, und nur der dunkle Flur rettete ihn. Der Kommandant konnte sein Gesicht nicht genau erkennen. Meyer atmete tief ein und versprach, bei der Suche zu helfen. Er fragte, wie denn der Offizier heißen und aussehen sollte. Der in den USA eingebürgerte Lagerkommandant wußte es nicht, aber es würde sich um einen Offizier handeln, den die Gefangenen besonders stramm grüßen würden und freudig lächeln würden, wenn er im Lager vorbeilaufen würde.

Das Spiel war aus, Meyer war aufgeflogen. Am 8. November wollte er nun flüchten, Wagner, Aumüller und Feldwebel Müller waren dabei. Am Morgen hatten sie sich freiwillig zum Holzfällen gemeldet, aber am Tor wurde ihnen gesagt, es gebe schon genug. Enttäuscht kehrten sie zurück. Um 11 Uhr war es dann so weit, Meyer wurde von Militärpolizisten abgeführt. Er konnte sich gerade noch von seinen Kameraden verabschieden. Im Büro des Kommandanten wurde ihm befohlen, sich auszuziehen und die Arme anzuheben. Nun sahen sie alle seine Blutgruppentätowierung. Der Kommandant war nicht mehr zu halten, schrei los und nannte Meyer ein „SS-Schwein“. Meyer dagegen fragte ruhig, was denn los sei. Er hatte die Tätowierung völlig vergessen. Nun aber bastelte er sich eine Geschichte zusammen, daß die Panzertruppe durch das erfolgreiche Vorbild der Waffen-SS diese Sitte übernahm, alle Absolventen der Panzertruppenschulen erhielten ebenfalls eine solche Tätowierung. Nun dürfte er sich wieder anziehen, der Kommandant blieb erschöpft sitzen.

Eine halbe Stunde später war das Lager in Aufruhr. Die amerikanische Militärpolizisten durchsuchten alles. Sie behaupteten, es ginge ihnen um Radiogeräte, da am 9. November ein großangelegter Ausbruch geplant war, nachts sollte die deutsche Luftwaffe eine Waffenlieferung mit Fallschirmen abwerfen. Reiner Unsinn. Alle Gefangenen mußten zum Abtransport antreten, sie wurden durch die Stadt getrieben und eine Stunde später auf Frachtzüge geladen. Meyer, Aumüller und Wagner waren noch zusammen. Unmittelbar vor Abfahrt riefen die Wachen nach „Oberst Meyer“, nun hatten sie ihn. In einem Jeep wurde er wieder zum Lager gebracht, da sah er seinen Verräter, einen jungen feigen Leutnant der Infanterie, der verschämt wegschaute. Sehr früh am nächsten Tag, dem 9. November 1944, wurde Meyer von Compiègne nach Paris gebracht und um 14 Uhr mit dem Flugzeug via Dünkirchen nach England, wo er zuerst mehrere Tage in London verhört wurde.

Beförderung zum Generalmajor

In der Annahme, daß er gefallen oder gefangengenommen worden sei, wurde SS-Oberführer Meyer rückwirkend zum 1. September zum SS-Brigadeführer und Generalmajor der Waffen-SS befördert. Als Gefallener sollte dies seine Verdienste würdigen, als Gefangener die Behandlung beeinflussen, da Generäle grundsätzlich einen besseren Schutz beim Gegner genossen, auch die der Waffen-SS, die ansonsten bedeutend schlechter behandelt wurden.

Trent Park und Lager 18

Vom 17. November 1944 bis 24. April 1945 war der jüngste General der deutschen Streitkräfte Kriegsgefangener in Trent Park (Generalslager Enfield, Großbritannien), wo er seinen Freund Max Wünsche wieder traf. Danach erfolgte die Verlegung in das Lager 18 Featherstone bei Thyne. Dort wurde Meyer Mitte September 1945 eröffnet, daß er vom London District Prisoner-of-War Cage als Kriegsverbrecher angeklagt worden war und zum Tode verurteilt werden sollte.[8] Der ebenfalls dort befindliche General der Fallschirmjäger Hermann-Bernhard Ramcke übergab Meyer das eigene Ritterkreuz mit Eichenlaub mit angebrachten, selbstgebastelten Schwertern, um nicht ohne Kriegsauszeichnungen vor dem Tribunal zu erscheinen.

Anklage als „Kriegsverbrecher“

In der Normandie war eine Anzahl kanadischer Kriegsgefangener als Repressalie für die wahllose und massenhafte Ermordung deutscher Soldaten erschossen worden. Zu Anfang machten sich die Berufssoldaten der kanadischen Armee im Dienste der Briten lustig über die 17jährigen Hitlerjungen, die nun in den blutigen Kämpfen an der Invasionsfront u. a. als Angehörige der 12. SS-Panzer-Division eingriffen. Sie machten sich einen Spaß daraus, ihre Hosen aufzuschneiden und zur Division zurückzuschicken mit dem Kommentar, die Deutschen sollen Männer, nicht Kinder schicken. Schnell änderte sich die Stimmung, denn diese „Kinder“ erwiesen sich als erbitterte und tödliche Gegner. Es dauerte nicht lange, und manche kanadische Einheiten fingen an, gefangengenommene Waffen-SS-Männer und Fallschirmjäger zu ermorden. Dies blieb nicht unentdeckt, und der Haß der deutschen Soldaten war verständlicherweise groß.

Meyer wurde als Kommandeur des SS-Panzergrenadier-Regimentes 25 unter Divisionskommandeur Fritz Witt für die Tötung 18 kanadischer Gefangener im Juni 1944 im Bereich des Regimentsgefechtsstandes in Frankreich verantwortlich gemacht, die Kanadier nennen den Vorfall großspurig „Ardenne Abbey massacre“, wobei sie stündlich solche Massaker an Deutschen begingen. Ab November 1944 wurden die Vorfälle sogar noch schlimmer, kaum ein deutscher Gefangener war wirklich noch sicher.

Der gefangene SS-Schütze Alfred Helzel wurde gezwungen, eine Aussage gegen Meyer zu tätigen, die er jedoch vor Gericht zurückzog. Der zentrale und einzige Zeuge gegen Meyer war dann der polnische Soldat Jan Jesionek, der wohl in deutschen Diensten stand. Er behauptete, gehört zu haben, wie Meyer befahl, keine Gefangenen mehr zu machen.

Militärgerichtsverfahren und Urteil

Käthe Meyer und die fünf Kinder

Am 6. bzw. 10. Dezember 1945 (bis 28. Dezember 1945), nach zwei Monaten Vorbereitungen, wurde Kurt Meyer vor ein kanadisches Kriegsgericht unter Vorsitz seines Gegners in der Normandie, Generalmajor Harry Foster, gestellt. Die Verhandlung fand in der Kaserne der Marinenachrichtenschule in Aurich, der heutigen Blücherkaserne statt. Der große Vorteil von Aurich war, daß seine Familie (erstmalig Gattin Käthe und Tochter Ursula, denen ein Hotelzimmer in Aurich zur Verfügung gestellt wurde) ihn immer wieder für 20 Minuten besuchen durfte, dies ermöglichte Hauptmann Wadi Lehmann[9] (28 Jahre und seit Oktober nach Aurich kommandiert) von der kanadischen „War Crimes Investigation Branch“, der ein einwandfreies Deutsch sprach. Das Ehepaar Meyer hatten sich das letzte mal im Frühling 1944 gesehen. Mutter Käthe hatte es vermocht, trotz schlimmster Erfahrungen (Bombenterror, Gefangenschaft, Flucht, Hunger und der Verlust der gesamten Habe), die Familie vollständig in Sicherheit zu bringen. Vom Vater hatten sie zuerst im Radio gehört. Alle lebten auf, als sie erfuhren, er lebe noch, auch wenn ein Kriegsverbrecherprozeß bevorstand. Kurz vor dem ersten Besuch in Aurich hatte ein kommunistischer Agent der sowjetischen Zone versucht, Käthe Meyer zu entführen. Er hatte behauptet, ihr Mann sei geflohen und warte nun auf sie. Sie warf ihm vor, ein Lügner zu sein. Ihr Mann würde vor nichts weglaufen, und dann warf sie den Agenten aus dem Haus.[10]

Bei dem Verfahren waren Beweise nach Hörensagen zugelassen, was auch viele kanadische Offiziere als unehrenhaft betrachteten. Nicht wenige Kanadier forderten leise und unter der Hand während des Gerichtsverfahrens gegen Meyer auch eine Aufarbeitung der eigenen Kriegsverbrechen.[11]

Zwar wurde Meyer von der Anklage, den Befehl zur Ermordung gegeben zu haben, freigesprochen, doch als verantwortlicher Kommandeur in zwei von fünf Anklagepunkten trotzdem zum Tode verurteilt. Foster setzte sich aber, wie auch der Bischof von Münster, Kardinal Clemens August Graf von Galen, für Meyer ein. Der Auricher Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Schapp übernahm nach der Verurteilung und Meyers Verzicht auf eine Berufung die anwaltliche Vertretung Meyers und setzte sich für eine Begnadigung ein. Es war ihm zu verdanken, daß sich Graf von Galen und der Konsistorialpräsident der reformierten Kirche in der Provinz Hannover für Meyer engagierten. In Aurich wurden vom örtlichen Roten Kreuz Unterschriften für ein Gnadengesuch gesammelt. Auch deshalb wurde Meyer vom kanadischen Befehlshaber, Generalmajor Vokes, Anfang Januar 1946 zu lebenslänglicher Haft begnadigt (mit der Begründung, der Grad der Verantwortung rechtfertige nicht die Höchststrafe, ebenso war Vokes von der gerichtlichen Beweisführung nicht überzeugt und wollte sein Gewissen nicht mit dem Tod eines möglicherweise Unschuldigen belasten), die er zunächst im kanadischen Zuchthaus Dorchester in der kanadischen Provinz New Brunswick (Neu Braunschweig) verbüßte.

Akt der Gnade

Dr. Schapp unterstützte zusammen mit seiner Ehefrau Luise während der bis 1954 dauernden Haft die in materieller Not lebende Ehefrau und die fünf Kinder Meyers und betrieb parallel hierzu eine Wiederaufnahme des Verfahrens, hilfsweise einen Gnadenerweis mit Verkürzung der Strafe. Als Meyer in der Haft erkrankte, appellierte der Rat der Stadt Aurich im Juni 1953 an den kanadischen Ministerpräsidenten, eine sachgerechte medizinische Behandlung zu ermöglichen.

Die lebenslange Haft wurde Anfang 1954 von der kanadischen Regierung auf 14 Jahre reduziert.

Militärberater und Entlassung

Zur Zeit des Kalten Krieges wurde Meyer aus dem Gefängnis geholt, um in kanadischer Uniform kanadische Offiziere über die Verteidigung Kanadas gegen eine sowjetische Invasion zu beraten. 1951 wurde er vom kanadischen Zuchthaus Dorchester ins britische Militär-Zuchthaus Werl (Nordrhein-Westfalen) in Deutschland verlegt. Im September 1954 wurde er nach einem Besuch Konrad Adenauers wegen guter Führung und unter Anrechnung der Untersuchungshaft entlassen. Er stattete unmittelbar danach Aurich einen Besuch ab und bedankte sich bei dem Ehepaar Schapp und den Aurichern, die an seinem Schicksal Anteil nahmen.

Nachkriegszeit

Meyer wurde Vertreter, später Versandleiter einer Brauerei in Hagen und Sprecher der HIAG. Er verbrachte sein Leben damit, die Männer der Waffen-SS gleichberechtigt an der Seite der Kriegsveteranen der Wehrmacht zu stellen – dies sollte ihm wie auch anderen leider nicht gelingen. Ansonsten hielt er sich politisch zurück. Die unzähligen Verwundungen, die Folter und die Jahre der Kriegsgefangenschaft hatten bei dem ansonsten unverwüstlichen Krieger deutliche Spuren hinterlassen. Nach drei Schlaganfällen und einem schweren Herzinfarkt fand „Panzermeyer“ seine verdiente letzte Ruhe und würde, so glaubte er fest, nach Walhall zu seinen im Krieg verlorenen Kameraden einziehen, die schon auf ihn warteten.

Bildergalerie

Quellen

  • Samuel W. Mitcham, Jr.: Retreat to the Reich – The German defeat in France, 1944, Praeger (2000)
  • Hubert Meyer: Kriegsgeschichte der 12. SS-Panzerdivision „Hitlerjugend“, 2 Bände. Munin-Verlag, Osnabrück 1982; ISBN 3-921242-51-7; 3. Auflage bei Nation Europa, Coburg 1996; ISBN 3-920677-27-7
  • Kurt Meyer: Grenadiere, 1. bis 10. Auflage 1957 bis 2004 im Schild-Verlag, ab 11. Auflage 2007 bei VDM Heinz Nickel

Fußnoten

  1. Verwirrenderweise schreibt Kurt Meyer in seinem Buch „Grenadiere“ stets von Durnal, während Hubert Meyer in seiner zweibändigen Divisionsgeschichte angibt, daß der Divisionsgefechtstand in Durnal lag, aber die Begegnung mit der US-amerikanischen Panzervorhut und somit die Gefangennahme Kurt Meyers in Spontin stattfand. Auch internationale Quellen sind sich uneins, sowohl Durnal als auch Spontin werden genannt, wobei französischsprachige Quellen zu Spontin neigen.
  2. Nach manchen Quellen Rottenführer der Waffen-SS, ggf. posthum befördert.
  3. Heinz Kölln (Lebensrune.png 20. Januar 1923 in Hamburg) ruht auf der Kriegsgräberstätte Lommel (Flandern); Endgrablage: Block 5, Grab 580. Er wird im allgemeinen als SS-Untersturmführer geführt, soll aber noch als „Vermißter“ zum SS-Obersturmführer befördert worden sein. Ein deutscher Stoßtrupp, der Durnal/Spontin nach Kurt Meyer durchsuchen sollte, konnte in Erfahrung bringen, daß ein deutscher Offizier von den Partisanen ermordet worden war und auf der Straße lag (vermutlich Kölln), während zwei weitere abgeführt wurden (Meyer und Bornhöft).
  4. Zeitschrift fur Geschichtswissenschaft. Band 29, Ausgaben 7–12, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften 1981, S. 664
  5. Nach anderen Quellen machten sich nur zwei Mann auf in das Dorf.
  6. Der perfekt deutschsprechende amerikanische Leutnant wird auch von anderen Quellen erwähnt, auch hier griff er zugunsten deutscher Soldaten ein. SS-Unterscharführer Freund von der Divisionsbegleitkompanie berichtete nach dem Krieg, daß er, mit seinem Kameraden Wilfried Tödter, in Purnode gefangengenommen wurde. Die Amerikaner hatten die beiden in einen Schweinestall eingeschlossen. Belgier durften vorbeikommen, um sie anzuspucken und mit Steinen zu bewerfen. Dann erschien der junge Leutnant, der einem deutschsprechenden Oberst unterstellt war. Auf Befehl des Leutnants durften die amerikanischen Wachen keine Belgier in die Nähe der deutschen Gefangenen lassen. Und, obwohl die Amerikaner ihnen alles gestohlen hatten, einschließlich Kragenspiegel mit den beliebten SS rune.png-Insignien, wurden sie nun beschützt. Am nächsten Tag, ebenfalls auf Befehl des Leutnants, erhielten sie nach drei Tagen Gefangenschaft endlich Wasser, Nahrung und sogar Zigaretten.
  7. Ein Zeitzeuge berichtete: Die waffenlose Zeit als Soldat, Kapitel 1, Namur
  8. „London Cage“ (Kensington Palace Gardens) unterstand dem britischen Geheimdienst „MI19“. Ein „cage“ (Käfig, in diem Fall Zentrum) diente dem Verhör und der Folter „feindlicher Soldaten“. Die neuen Verhörzentren wurden 1940 aufgebaut und von Männern befehligt, die von Alexander Scotland, Chef der „Prisoner of War Interrogation Section“ (PWIS) des „Intelligence Corps“ (Field Security Police) ausgebildet wurden. Bekannte Verhörte des London Cage (bis 1948 in Betrieb) waren u. a. Fritz Knöchlein, Sepp Dietrich, Max Wünsche, Heinz Eberbach und Wachen von Stalag Luft III in Niederschlesien. Alexander Scotland ließ es sich nicht nehmen, bei Kurt Meyers Verhören persönlich anwesend zu sein.
  9. Der kanadische Hauptmann unterstützte die beiden Militäranwälte, die Meyer verteidigten (Oberstleutnant Maurice Andrew und Hauptmann Frank Plourde). Lehmann war inzwischen Verhörspezialist, er hatte zahlreiche deutsche Offiziere in Italien verhört. Er gab freimütig an, daß Verhöre am besten mit Einschüchterung funktionierten. Nur nicht, wie er nach dem Krieg schrieb, bei Männer der Waffen-SS oder der Fallschirm-Panzer-Division 1 „Hermann Göring“, die würden es schaffen, die Verhörer einzuschüchtern. Lehmann und Maurice Andrew, Regimentskommandeur und im Zivilleben erfolgreicher Rechtsanwalt, waren zutiefst von Meyers Unschuld überzeugt und hegten die höchste Hochachtung für dessen Gemahlin Käthe. Angesprochen auf Meyers religiösen Glauben, schrieb dieser später, er würde direkt aus der Germanischen Mythologie stammen.
  10. Vgl.: Meeting of Generals von Tony Foster
  11. Vgl.: The Valour and the Horror