Nationalpolitische Erziehungsanstalt
Die Nationalpolitischen Erziehungsanstalten (amtlich: NPEA, volkstümlich: Napola – Nationalpolitische Lehranstalt) waren Internatsoberschulen, die nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 als „Gemeinschaftserziehungsstätten“ gegründet wurden. Der Besuch dieser Bildungsstätten des Dritten Reiches führte zur Hochschulreife. Ähnlich wie bei den Adolf-Hitler-Schulen (AHS) und den SS-Junkerschulen handelte es sich um Eliteschulen zur Heranbildung des nationalsozialistischen Führungsnachwuchses.
Berichte über das Leben in diesen Schulen, die von ehemaligen Angehörigen vorliegen, weichen inhaltlich oft stark voneinander ab. Dies erklärt sich vor allem aus der Tatsache, daß es nicht „die NPEA“ gab, sondern von Standort zu Standort andere Schwerpunkte bezüglich Lehre und Umgangsformen gesetzt wurden. Ebenso ist auch zu bedenken, daß sich der überraschende Kriegsbeginn 1939 niedergeschlagen hat (Versetzung von Lehrern an die Front usw.). Nicht wenige der Betroffenen äußern sich rückblickend jedoch positiv über ihre Zeit in einer solchen Einrichtung.
Inhaltsverzeichnis
Aufgabe der NPEA
Hauptaufgabe der NPEA war die „Erziehung zu Nationalsozialisten, tüchtig an Leib und Seele für den Dienst an Volk und Staat“. Die Schüler sollten die kommende Führergeneration der Deutschen bilden.
Bis zum Kriegsbeginn dienten die NPEA als stark politisch akzentuierte Eliteschulen im Rahmen des allgemeinbildenden höheren Schulwesens; während des Krieges entwickelten sie sich zunehmend zu Nachwuchsschulen für SS und Wehrmacht, wobei die Schüler sich frei entscheiden konnten, welchen Beruf sie wählen möchten.
Geschichte
1933 wurden die ersten drei NPEA von Reichserziehungsminister Bernhard Rust gegründet. Es waren staatliche Einrichtungen, die dem Reichsminister unmittelbar unterstellt waren.
Die NPEA unterstanden seit 1936 dem Inspektor der Nationalpolitischen Erziehungsanstalten, SS-Obergruppenführer August Heißmeyer, und waren ab 1939/40 der nunmehrigen Dienststelle Heißmeyer überstellt. Damit standen diese Anstalten unter dem unmittelbaren Einfluß der SS. Zudem drängte Heißmeyer die Lehrerschaft zum aktiven Eintritt in die SS und plante etwa, daß die NPEA-Schüler und die Lehrerschaft SS-ähnliche Uniformen und Dienstgradbezeichnungen zu tragen hätten. Aus einem SS-Hauptscharführer zum Beispiel wäre dann ein NPEA-Hauptscharführer geworden.
1941 gab es im Deutschen Reich – einschließlich Österreichs – 30 NPEA mit insgesamt 6.000 Schülern. Zwei NPEA für Mädchen lagen auf besetztem Gebiet. Zum Kriegsende gab es 43 NPEA, davon waren drei speziell für Mädchen. Bekannt sind die Schulen in Hubertendorf-Türnitz in Österreich (1938/39 gegründet) und in Colmar-Berg in Luxemburg (1941 gegründet).
Gliederung und Organisation
Am Beispiel Anstalt Oranienstein
Die bei Diez an der Lahn gelegene Anstalt wurde 1937 gegründet und übernahm äußerlich weitgehend die Tradition der 1919 aufgelösten „Königlich-Preußischen Kadettenanstalt“. Das wurde besonders deutlich durch die innerhalb der Anstalt zu tragende Kleidung aus olivgrünem Wollstoff mit blauen Schulterklappen.
Die offizielle Bezeichnung der Schüler war Jungmann (Plural Jungmannen). Während der Ferien bestand Dienstpflicht bei den Organisationen der Hitler-Jugend am heimatlichen Wohnort. Deshalb entsprach die generelle Ausgehuniform der Bekleidung dieser Jugendorganisation: 10–14 Jahre alt: Uniform des Deutschen Jungvolks, 14–18 Jahre alt: Uniform der Hitler-Jugend. Die Dienstgrade waren die gleichen. Ein Jungmann, Alter 12 Jahre, war daheim in der Regel „Jungvolk-Gruppenführer“ und trug eine rot-weiße Kordel.
Die Anstalt war gegliedert in acht „Züge“ entsprechend der Klasseneinteilung der Oberrealschule. Interne Dienstgrade waren Jungmann-Gruppenführer und -Zugführer.
Die NPEA unterstand (formal) der SA, weswegen der Anstaltsleiter immer ein SA-Mann war. Während des Krieges unterschied sich der Lehrkörper von dem in Friedenszeiten. Nach 1942 gab es nahezu keine Lehrer mehr, die der SA angehörten. Da neben der regulären schulischen die vormilitärische Ausbildung ein Schwerpunkt der NPEA war, erteilten vor allem kriegsversehrte Offiziere der Wehrmacht, die im zivilen Leben Studienräte waren, den schulischen Unterricht. Ihnen oblag aber auch die außerschulische Erziehung und Ausbildung.
Aufnahmekriterien
Nach sechs Jahren Volksschule, also im Alter von 12 Jahren, konnte man für weitere sechs Schuljahre aufgenommen werden, um am Ende das Abitur zu erlangen.
- völlige Gesundheit (es gab eine Musterung)
- keinerlei Erbkrankheiten in der Familie
- einwandfreier großer Ahnenpaß (Nachweise ab 1. Januar 1800)
Dreiteiliges Erziehungskonzept
Das Erziehungskonzept gliederte sich in drei Teile:
- Sportlich-körperliche Erziehung
- Charakterliche Erziehung (mit dem Schwerpunkt auf Führungsqualitäten und soldatischen Tugenden wie Kameradschaftlichkeit, Mut, Verantwortungsbewußtsein etc.)
- Wissensvermittlung (allerdings galten praktisch anwendbare Fähigkeiten als genauso wichtig wie rein theoretisches, intellektuelles Wissen – es sollten keine „Fachidioten“ herangebildet werden.)
Lehrplan
Der Wochenstundenplan sah 37 Stunden Unterricht vor, dieser verteilte sich folgendermaßen:
- je vier Stunden Deutsch, Mathematik, Englisch und Latein
- die restlichen 13 Stunden galten Geschichte und Erdkunde, Biologie, Chemie und Physik, Kunst und Musik
- acht Stunden Sport
Sport
Neben traditionellen Schulsportarten gab es auch:
- Wehr- und Geländesport
- Orientierungs- und Ausdauermärsche
- Boxen und Fechten
- Flugausbildung (Segelflug)
- Reitsport
- Wintersport
- Segeln
Mathematik
Beliebt waren Rechenaufgaben mit politischem bzw. gesellschaftskritischem Hintergrund (Beispiel: „Der Bau einer Irrenanstalt erfordert 6 Mio. RM. Wie viele Siedlungshäuser zu je 15.000 RM hätte man von diesem Geld bauen können?“)
Geschichte
Große Persönlichkeiten der deutschen Geschichte sollten den Schülern als Vorbilder dienen.
Erdkunde
Die deutschen Kolonien wurden im Unterricht genauso behandelt wie Wehrgeographie (z. B. Kartenlesen).
Biologie
Hier wurde vor allem großer Wert auf die aus der Rassenlehre gewonnenen Erkenntnisse gelegt.
Chemie und Physik
In diesen Fächern wurde gerne darauf hingewiesen, daß ein Wissenschaftler oder Erfinder nicht nur groß ist als Gelehrter, sondern vor allem als Volksgenosse groß zu sein hat.
Das Wochenende
Das Wochenende wurde für größere Ausflüge (z. T. im Ausland, etwa England oder die VSA) gegebenenfalls unter Einbeziehung der Familie genutzt.
Abschluß
- Abitur
- Führerschein
- Segel- und Reitschein
- Gesellenprüfung in einem Handwerk (während des Krieges nur eingeschränkt möglich)
Nach dem erfolgreichen Abschluß stand den Schülern die akademische Laufbahn offen; sie konnten sich jedoch auch für den Einstieg in das Berufsleben entscheiden. Wegen des Krieges meldeten sich die Schüler oftmals freiwillig zu Heer, Marine, Luftwaffe oder Waffen-SS, um dort die Offiziers- bzw. Führerlaufbahn einzuschlagen.
NPEA-Dolch
Die Verleihung der Dolche war eine Art Auszeichnung, die nicht jedem Schüler zuteil wurde. Der Dolch wurde am Tag der Waffenleite (ähnlich der Schwertleite des ritterlichen Mittelalters) mit einem individuellen Schwertspruch und einer großformatigen Urkunde verliehen.
Varianten
Es gab drei Varianten dieses Dolches:
- Den Dienstdolch für Kursteilnehmer, auch als NPEA-Seitengewehr für Schüler bezeichnet
- Den Dienstdolch für Unterrichtsleiter, auch als NPEA-Seitengewehr für Unterrichtsleiter bezeichnet
- Den Dienstdolch für Leiter, mit Kettengehänge, auch als NPEA-Führerdolch bezeichnet
Alle drei Varianten entsprechen in der Grundform der des SA-Dienstdolches. Im Griff des Schülerdolches sind jedoch keine Einlagen (Adler, SA-Pastille) zu finden, wie am SA-Dolch. Die in der Regel olivgrün lackierte Scheide ist am unteren Ende auch nicht mit einem Ortblech verziert. Vereinzelt existieren auch zeitgenössisch braun oder schwarz lackierte Dolchscheiden.
Wahlspruch
Auf der Klinge ist der Wahlspruch „Mehr sein als scheinen“ (nach Mehr sein als scheinen – viel leisten und wenig hervortreten von Generalfeldmarschall Alfred Graf von Schlieffen bzw. Generalfeldmarschall Helmuth Karl Bernhard von Moltke) in Frakturschrift eingeätzt. Häufig haben die Dolche auf der oberen Parierstange (Querstück zwischen Griff und Klinge eines Schwertes oder Messers) Namens- oder Datumsgravuren. Der Dolch wurde an einem meist schwarzen oder auch braunen Koppelschuh getragen.
Standorte
Für Knaben
Nr. | Standort | offizielle Bezeichnung | Reichsgau | Eröffnung | ehem. Gebäudeverwendung |
---|---|---|---|---|---|
1 | Plön | NPEA Plön | Schleswig-Holstein | 1. Mai 1933 | Staatliche Bildungsanstalt (Stabila) |
2 | Potsdam | NPEA Potsdam | Mark Brandenburg | 26. Mai 1933 | Stabila, Großes Militärwaisenhaus |
3 | Köslin | NPEA Köslin | Pommern | 15. Juli 1933 | Stabila |
4 | Berlin-Spandau | NPEA Berlin-Spandau | Berlin | 30. Januar 1934 | Preußische Hochschule für Leibesübungen; Lehrerseminar |
5 | Naumburg | NPEA Naumburg | Provinz Sachsen | 15. März 1934 | Stabila / Kadettenanstalt Kösener Str. |
6 | Ilfeld | NPEA Ilfeld | Provinz Hannover /
Provinz Sachsen |
20. April 1934 | Klosterschule |
7 | Wahlstatt | NPEA Wahlstatt | Schlesien | 9. April 1934 | Stabila (Kloster) |
8 | Diez an der Lahn | NPEA Oranienstein[1] | Hessen-Nassau | 1934 | Kadettenanstalt/Realgymnasium/ |
9 | Stuhm | NPEA Stuhm | Ostpreußen/ | 1. Oktober 1934 | Kaserne |
10 | Ballenstedt | NPEA Anhalt | Anhalt | Mai 1934 | Städtisches Gymnasium |
11 | Klotzsche bei Dresden | NPEA Klotzsche, „Rudolf-Schröter“ | Sachsen | 1. April 1934 | Landesschule am Tümmelsberg |
12 | Backnang | NPEA Backnang | Württemberg | 2. Mai 1934 | Lehrerseminar |
13 | Bensberg | NPEA Bensberg | Rheinprovinz | 1. Juni 1935 | ehem. preuß. Kadettenanstalt / Schloß Bensberg |
14 | Schulpforta | NPEA Schulpforta | Provinz Sachsen | 1. Juli 1935 | „Landesschule zu Pforte“ |
15 | Rottweil | NPEA Rottweil | Württemberg | 1. April 1936 | katholisches Lehrerseminar |
16 | Neuzelle | NPEA Neuzelle | Mark Brandenburg | 1934/1938 | Stift, Aufbauschule für Mädchen |
17 | Wien-Theresianum | NPEA Wien-Theresianum | Groß-Wien | 13. März 1939 | Akademie (heute Öffentliches Gymnasium der Stiftung Theresianische Akademie) |
18 | Wien-Breitensee | NPEA Wien-Breitensee | Groß-Wien | 13. März 1939 | Bundeserziehungsanstalt (heute Kommandogebäude Theodor Körner) |
19 | Traiskirchen | NPEA Traiskirchen | Niederdonau | 13. März 1939 | Bundeserziehungsanstalt (heute Flüchtlingslager Traiskirchen) |
20 | Ploschkowitz | NPEA Sudetenland | Sudetenland | 10. Oktober 1940 | Schloß |
21 | Reisen | NPEA Wartheland | Warthegau | 9. Oktober 1940 | Schloß |
22 | Loben | NPEA Loben | (Ost-) Oberschlesien | 1. April 1941 | Sprachheilschule |
23 | Putbus | NPEA Rügen | Pommern | 1. September 1941 | Pädagogium (am Circus) |
24 | Reichenau | NPEA Reichenau | Baden | 1941 | Pflegeanstalt |
25 | St. Wendel | NPEA St. Wendel | Saarland | 1. September 1941 | Internatsschule der Steyler Mission |
26 | Weierhof | NPEA am Donnersberg | Bayern (Saarpfalz) | 1941 | „Gau-Oberschule“ |
27 | St. Paul im Lavanttal | NPEA „Spanheim“ in Kärnten | Kärnten | 1941 | Benediktinerabtei |
28 | Vorau; Göttweig (ab 1. September 1943) | NPEA Vorau; NPEA Göttweig in Vorau; NPEA Göttweig | Steiermark; Niederdonau | Januar 1942 | Stift Vorau; Stift Göttweig |
29 | Seckau | NPEA Seckau | Steiermark | 1941 | Stift |
30 | Rufach | NPEA Rufach | Elsaß (Frankreich) | Oktober 1940 | Pflegeanstalt |
31 | Haselünne | NPEA Emsland | Provinz Hannover | 17. Oktober 1941 | Klosterschule der Ursulinen |
32 | Neubeuern | NPEA Neubeuern | Bayern | Mai 1942 | Schloß und Landschulheim |
33 | St. Veit an der Save | NPEA St. Veit | Slowenien, Laibach-Sentvid | Juli 1942 | früher Priesterseminar, heute Bischöfliches Gymnasium |
34 | Mokritz | NPEA Mokritz | (Süd-) Steiermark | 1942 | Schloß |
35 | Achern | NPEA Achern | Baden | August 1943 | Heil- und Pflegeanstalt Illenau |
36 | Kuttenberg (Kutna Hora) | NPEA Böhmen | Reichsprotektorat Böhmen und Mähren | 22. April 1944 | Jesuitenkolleg u. Kaserne |
37 | Raudnitz an der Elbe | NPEA Raudnitz | Reichsprotektorat Böhmen und Mähren | Juli 1944 | Schloß Raudnitz |
Prominente NPEA-Schüler (Auswahl)
- Karl Dürrschmidt, 1945, Napola Neubeuern
- Jörg Andrees Elten
- Manfred Ewald
- Leopold Gratz
- Erich Hartmann, Napola Rottweil
- Alfred Herrhausen
- Heinrich Hitler, Napola Ballenstedt
- Gernot Huber, 1942–1945, Napola Reichenau und Rottweil
- Horst Janssen, Napola Emsland
- Hellmuth Karasek
- Hardy Krüger, Ordensburg Sonthofen
- Werner Lambertz, späteres DDR-Politbüromitglied
- Werner Leich, Napola Schulpforta
- Harald Ofner, 1942–1945, Napola Traiskirchen
- Günter Peis
- Arnulf Rainer, 1940–1944, Napola Traiskirchen
- Theo Sommer
- Rüdiger von Wechmar
- Udo Proksch
Verwandte Themen
- Jungmann - Feldpostbericht der NPAE, Zeitung für die Nationalpolitische Erziehungsanstalt
- Bauernführerschule
- Erziehung im Nationalsozialismus
- Hitler-Jugend
- Jungvolk
- Bund Deutscher Mädel
- Reichsschulen in den Niederlanden
Filme
Literatur
- Ernst Krieck: Nationalpolitische Erziehung, Armanen-Verlag, Leipzig 1936, 20. Aufl. [186 S.]
- Helmut Stellrecht:
- Glauben und Handeln, 1938 (PDF)
- Neue Erziehung, Wilhelm Limpert-Verlag, Berlin, 8. Auflage 1942
- Karl Richter: Vergangenheitsbewältigung auf Zelluloid, in: Rolf Kosiek / Olaf Rose (Hgg.): Der Große Wendig, Bd. 1, Grabert Verlag, Tübingen 2006, S. 397–400 – zur historischen und darstellerischen Minderwertigkeit des Films „Napola – Elite für den Führer“ von Dennis Gansel (2004)
Verweise
- „Unsere Jungen“, ein Film der Napola, 1943, Dauer: 18:08 Min. (schlechte Bild-, mäßige Tonqualität der Filmkopie)
Fußnoten
NPEA Naumburg • NPEA Ilfeld • NPEA Emsland • NPEA Neubeuern
Besonders lesenswerte Artikel sind außergewöhnlich gelungen und umfassend. Verbesserungen und Erweiterungen sind dennoch gern gesehen. Umfangreichere strukturelle und inhaltliche Änderungen sollten zuvor diskutiert werden. |