Vernichtungslager Postelberg
Das Vernichtungslager Postelberg in der Kaserne der gleichnamigen sudetendeutsche Stadt existierte nur wenige Wochen in Mai und Juni des Jahres 1945, welche für die tschechischen Betreiber ausreichten um die angestammte Bevölkerung mitsamt den Einwohnern der anderen Städten und Orten des Kreises Saaz fast vollständig auszurotten. Unter den Greueln im Lager stach vor allem der sogenannte Kindermord von Postelberg hervor.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Totenzahl
- 2 Chronologie
- 3 Augenzeugenberichte einiger Überlebender
- 4 Amtliche tschechische Quellen
- 5 Das Gelände des Vernichtungslagers Postelberg vom Südwesten im September 2020
- 6 Von der ehemaligen Netzseite des Augenzeugen Helmers heruntergeladene Skizzen und Bilder
- 7 Literatur
- 8 Siehe auch
- 9 Verweise
- 10 Fußnoten
Totenzahl
Etwa 5.000 Männer und Burschen ab 12 Jahre (manchmal ist von 15 Jahre die Rede) aus Saaz wurden am 3. Juni 1945 zum Fußmarsch in das Lager gezwungen, wenige Tage zuvor war schon die Bevölkerung Wischkowas dorthin deportiert worden. Den Einwohnern Podersams soll das gleiche Schicksal getroffen haben. Wenn Gefangene aus den umliegenden Städten und Orten in Postelberg eintrafen, bemerkten sie wie die Stadt, tschechisch besetzt seit dem 25. Mai, bereits von ihren etwa 3.000 Einwohnern gesäubert worden war; sie war menschenleer[1].
Nach manchen Augenzeugen überlebten möglicherweise etwa 1.000 Männer das Lager in der Kaserne in Postelberg, da sie zwecks Zwangsarbeit in das Lager in Oberleutensdorf oder nach Laun überstellt wurden. Die 763 durch tschechische Behörden im Jahre 1947 aus unterschiedenen Massengräbern in der Umgebung exhumierten und kremierten sudetendeutschen Leichnamen dürften weniger als ein Zehntel der Gesamtzahl der Opfer des Vernichtungslagers darstellen.
Chronologie
- Sonntag der 27. Mai 1945: Einzug tschechischer Partisanen in Postelberg. Einlieferung und Ermordung der ersten etwa 250 Einwohner in der Dienststelle des OBZ. In den nächsten Tagen die Verschleppung und Ermordung der Restbevölkerung über die Kaserne, meistens in die Richtung der Lewanitzer Fasanerie.
- Donnerstag der 31. Mai 1945: Verschlepppung der Einwohner des benachbarten Dorfes Wischkowas in die Kaserne und in den nächsten Tagen deren mutmäßliche Erschießung.
- Sonntag der 3. Juni 1945: Todesmarsch der männlichen Einwohner (ab 12 Jahre) der benachbarten Kreisstadt Saaz in die Alte Heereskaserne nach Postelberg. Nachmittags die Verhaftung der Saazer Frauen und Mädchen und deren Einlieferung in die Saazer Vergewaltigungslager unter Führung des Bohuslav Marek. Am Abend die Plünderung der Wohnhäuser in Saaz, bzw. deren Aufteilung auf neuangekommene tschechische Kolonisten.
- Dienstag der 5. Juni 1945: Entlassung einiger Antifaschisten. Aufstellen einiger Arbeitstrupps für den Abmarsch in Richtung Brüx-Oberleutensdorf.
- Mittwoch der 6. Juni 1945: Eintreffen weiterer tschechischer Einheiten in die Kaserne. Kindermord von Postelberg und Massenerschießungen der Inhaftierten aus Saaz.
- Einige Tage später: Einlieferung angeblicher SS-Angehöriger aus den Räumen Komotau, Bilin und Laun, sowie deren Erschießung in der Hauptstelle des OBZ. Aufgrund des Einziehens tschechischer Einheiten in die leeren Wohnhäuser in das benachbarte Podersam muß ebenfalls mit einer Verschleppung und Ermordung der angestammten deutschen Bevölkerung dieses Ortes in der Kaserne gerechnet werden.
Augenzeugenberichte einiger Überlebender
Bei Emil Franzl
Bei Franz W. Seidler
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Amtliche tschechische Quellen
- „Am 25. Mai kamen in die Ortschaft Soldaten der Tschechoslowakischen Armee aus Svobodas Korps, einen Tag später eine Abteilung des OBZ und eine Abteilung der Gendarmerie. In der Nacht zum 26. Mai kam es zu ersten Hinrichtungen, es wurden 36 Deutsche ermordet. Am 27. Mai wurden in den Kasernen einige Hundert Deutsche aus der weiteren Umgebung interniert. Interniert wurden sowohl örtliche Nazis, Funktionäre der NSDAP und weiterer nazistischer Organisationen als auch zivile Personen. Die internierten Personen wurden gequält und ermordet, die Täter waren Soldaten der Tschechoslowakischen Armee und Bewaffnete aus der Gruppe OBZ unter Führung von Leutnant Jan Cubka. Die Soldaten befehligte Vojtech Cerný, Kapitän der Tschechoslowakischen Armee.
- Am 29. Mai wurden weitere Personen einschließlich Frauen und Kinder an einem weiteren Ort der Internierung untergebracht, nämlich in der früheren Fasanerie, die während der Okkupation als Internierungslager für Personen aus Mischehen und für sogenannte jüdische Mischlinge diente. Der Befehlshaber dieser Versammlungsstätte war der Oberwachmeister des SNB Oldrich Pelc. An den Repressalien hatten auch die Einheiten der Revolutionsgarden ihren Anteil.
- Am 5. Juni wurden Antifaschisten und Personen, die während der Okkupation in Konzentrationslagern gefangen gehalten worden waren, zurück nach Saaz gebracht.
- Am 6. Juni kam in die Kasernen ein mit Tschechen besetzter Lastwagen, die mit Schlagstöcken, Knüppeln und Geißeln bewaffnet waren. Die internierten Männer mußten sich nackt ausziehen und wurden eine Stunde lang geschlagen. Wer in Ohnmacht fiel, wurde mit Wasser begossen und weiter geschlagen. Fünf junge Männer im Alter von 15 bis 16 Jahren wurden fast totgeschlagen und am Ende an der Wand erschossen... Daraufhin mußten sich die Internierten auf dem Hof der Kasernen gegenseitig schlagen; wer es ablehnte, die traten die wachen in die Genitalien. Am Abend wurde ein Mann erschossen.
- Die Exekutionen wurden zur nächtlichen Stunde in den Kasernen durchgeführt, weiterhin bei der Schule, in der Fasanerie in Postelberg und in Lewanitz, in einer alten Sandgrube an der Straße Postelberg-Komotau und im Haus auf dem heutigen Marx-Platz Nr. 74, wo der Sitz des OBZ war. Hier wurden die Opfer im Garten des Hauses begraben. Laut Zeugen waren die Vollstrecker der Hinrichtungen nicht immer nüchtern und vergewaltigten ebenfalls deutsche Frauen und Mädchen.
- Bohuslav Marek sagte aus, daß einige Tage nach diesen Exekutionen nach Postelberg etwa 300 angebliche Angehörige der SS aus Komotau, Bilin und Launer Region gebracht und nach Mißhandlungen und Schlägen in den Gängen der Dienststelle des OBZ erschossen wurden.“[7]
Das Gelände des Vernichtungslagers Postelberg vom Südwesten im September 2020
Von der ehemaligen Netzseite des Augenzeugen Helmers heruntergeladene Skizzen und Bilder
Alte Postkarte der Kaserne in Postelberg, in einer Zeitung veröffentlicht und mit Unterschrift versehen
Skizze von Erich Hentschel zu den Hinrichtungs- und Exhumierungsstätten in und in der Nähe von Postelberg[8]
Übersicht der Hinrichtungsstätten und Opferzahlen bei Erich Hentschel
Zu beachten ist, daß sich die Stätten und Zahlen auf die Exhumierungen 1947 durch einem Untersuchungsausschuß aus Prag beziehen, und deshalb nur ein kleiner Teil der tatsächlichen Mordstellen mit Hingerichteten aufweisen könnten.
Hinrichtungsstelle mit Nummer | Zahl der exhumierten Skelette |
---|---|
I. An der Straße von Ferbka nach Ferbenz | 34 Skelette |
II. An der Bahnlinie von Postelberg nach Ferbka | 4 Skelette |
III. In den Wiesen, zwischen den Straßen nach Ferbenz und Komotau | 26 Skelette |
IV. An der Bahnlinie nach Saaz | 10 Skelette |
V. Östlich vom Schwarzenbergischen Schloß | 7 Skelette |
VI. und VII. Kaserne und Schule | 225 und 5 Skelette[9] |
VIII. Lewanitzer Fasanenhof und Lewanitz | 349 und 103 Skelette |
Literatur
- Emil Franzel, Die Vertreibung Sudetenland 1945-1946, Aufstieg Verlag, Landshut 1979, ISBN 3-7612-0149-4
- Ingomar Pust, Schreie aus der Hölle, ungehört, Hartmann Verlag, Sersheim 2009, ISBN 978-3-946037-03-3
- Franz W. Seidler, Deutsche Opfer, alliierte Täter 1945, Pour le Mérite, Selent 2015, ISBN 978-3-932381-66-9
- Jiri Padevet, Blutiger Sommer 1945 – Nachkriegsgewalt in den böhmischen Ländern, Verlag Tschirner und Kosová, Leipzig 2020
Siehe auch
- Massaker von Postelberg
- Konzentrationslager Komotau-Glashütte
- Vernichtungslager Aussig-Lerchenfeld
- Sudetendeutsche Opfer des 4. März 1919
- Vernichtungslager Rudolfsgnad
- NSB-Massengrab (Hochhalen)
Verweise
Fußnoten
Auschwitz • Belzec • Bergen-Belsen • Buchenwald • Dachau • Dora • Flossenbürg • Groß-Rosen • Kulmhof • Mauthausen • Majdanek • Moosburg • Neuengamme • Ravensbrück • Sachsenhausen • Sandbostel • Sobibor • Stutthof • Treblinka • Zgoda
Kriegsgefangenenlager 437 • Lager 6114 Makejewka • Lager 7134 Kiew-Darnytza • Lager 7136 Minsk • Lager 7136/1 Brest • Lager 7503/11 Anschero-Sudschensk • Lager 7525/1 Stalinsk • Lager 7525/7 Prokopjewsk • Speziallager Nr. 1 Mühlberg • Speziallager Nr. 2 Buchenwald • Speziallager Nr. 3 Hohenschönhausen • Speziallager Nr. 3 Bautzen • Speziallager Nr. 5 Ketschendorf • Speziallager Nr. 6 Jamlitz • Speziallager Nr. 7 Weesow • Speziallager Nr. 7 Sachsenhausen • Speziallager Nr. 8 Torgau • Speziallager Nr. 9 Fünfeichen • Speziallager Nr. 10 Torgau