Vollmer, Dieter

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Dieter Vollmer (1934); Jugendbewegung, nach Studium in München als Journalist, Jugendführer und in der Kulturarbeit tätig, Kriegsteilnahme und Gefangenschaft, im Verlagswesen in Übersee und Deutschland sowie als Lektor und in der Lebensschutzarbeit tätig.[1]

Hans Wolfram Dietrich „Dieter“ Vollmer (Lebensrune.png 11. November 1913 in Hamburg-Harvestehude; Todesrune.png 7. März 2009 in Schleswig) war ein deutscher Jugendführer, Journalist, Schriftsteller und Verlagslektor.[2]

Leben

Biographisches

  • „Geboren [...] als Sohn des Theologen und Philologen Prof. Dr. h. c. Lic. Hans V. (Todesrune.png 1941), des Begründers des Deutschen Bibelarchivs in Hamburg (1931).
  • 1932 Abitur am Matthias-Claudius-Gymnasium in Wandsbek bei Hamburg.
  • 1932/1934 Studium in München.
  • 1935 (5. Dezember) Schriftleiterprüfung bei Gerhard Pantel im Hause Müller & Sohn, München, Schellingstraße.
  • 1936 stellvertr. Hauptschriftleiter in Berlin.
  • 1937 Abteilungsleiter (Kultur) der Jugendpflege- und Sportbehörde der Hansestadt Hamburg.
  • 1938/39 Abteilungsleiter (Jugend und Vortragswesen) im Reichskontor der Nordischen Gesellschaft (Nordische Verkehrs-GmbH.) in Lübeck.
  • 1939/45 Soldatenlaufbahn und Kriegsteilnahme in Polen und Rußland.
  • 1950/52 stellvertr. Hauptschriftleiter einer deutschen Monatszeitschrift und stellvertr. Verlagsleiter in Buenos Aires. Seitdem Lektoratsarbeit für Buchverlage.
  • 1954 Rückkehr nach Deutschland. Seitdem Arbeit für verschiedene Buchverlage sowie zwei Jahre lang in der Jugendsozialarbeit (in Wohnheimen für jugendliche SBZ-Flüchtlinge).
  • Seit 1960 ausschließlich Lektoratsarbeit, 1962 bis 1965 freiberuflich für Dr. Grabert, Tübingen.
  • Seit 1966 Verfasser und Herausgeber des Politischen Lexikons (8 Bde.) im Verlag K. W. Schütz KG (seit 1971: Preuß. Oldendorf) sowie (seit 1970) der chronologischen Darstellung: Politisches Geschehen des XX. Jahrhunderts (auf 6 Bände geplant).“

Wirken

Vollmer schrieb für die Zeitschrift „Die HJ“ und war für die Nordische Gesellschaft tätig. Im Frühling 1939 erfolgte eine Reserveübung, im Spätsommer dann die Einberufung zur Luftwaffe. Schließlich folgte der Kriegseinsatz als Soldat und Wehrbetreuer von 1941 bis 1945 an der Ostfront und bei der Reichsverteidigung. Nach dem Krieg war er als stellvertretender Verlags- und Hauptschriftleiter für die Monatszeitschrift Der Weg – El Sendero von Eberhard Fritsch in Buenos Aires tätig (Dürer-Verlag).[3] Sein Vorgänger war Juan Maler. Weitere Mitglieder der Redaktion waren u. a. Johann von Leers, Erwin Neubert und Willem Sassen. 1953 war er Sekretär und Fahrer Hans-Ulrich Rudels in Argentinien. Darüber hinaus übertrug er die von Rudel auf Tonband aufgenommenen Erinnerungen für das Buch „Zwischen Deutschland und Argentinien“ (1954) in druckreifes Deutsch. Dabei wurde ihm jegliche Freiheit gestattet und er durfte sogar eigene Eindrücke in den Text einbauen, so z. B. das gesamte zweite Kapitel „Die Not der deutschen Jugend“. 1954 kehrte er nach Westdeutschland zurück und schrieb weiterhin als freier Mitarbeiter für die Zeitschrift „Der Weg“, bis sie 1957 eingestellt wurde. 1954 war er Teilnehmer bei den Lippoldsberger Dichtertagen von Hans Grimm.[4] Er übernahm die Lektorenarbeit an dem Buchmanuskript „Grenadiere“ von Kurt Meyer (Erscheinungsdatum: 1957). In der BRD engagierte sich Vollmer zudem in dem Verein „Deutsche Unitarier Religionsgemeinschaft e. V.“ (DUR).[5] Durch seine Initiative gründete sich 1956 der Jugendverband „Bund deutsch-unitarischer Jugend e. V.“ (BduJ). 1956 leitete er außerdem den „Arbeitskreis Jugendarbeit“ der DUR in Wuppertal und war „Bundesführer der Jungunitarier“. 1957 trat er beim „Unitariertag“ auf. 1961 wurde er Mitglied in der Gesellschaft für freie Publizistik.[6][7] Er fand Anschluß an gleichgesinnte kritische Publizisten – zuerst beim Verlag Karl Heinz Priester, später bei der Vorbereitung der spektakulären Würdigung des revisionistischen Historikers David Leslie Hoggan durch einen Fördererkreis in Düsseldorf (1963). Von 1963 bis 1965 war er Verlagssekretär im „Verlag der deutschen Hochschullehrer-Zeitung“ (Grabert-Verlag). Vollmer war in den 1960er und 1970er Jahren Verfasser und Herausgeber der beiden zusammenhängenden Nachschlagewerke „Politisches Lexikon“ (8 Bde.) und „Politisches Geschehen des XX. Jahrhunderts“ (6 Bde.), die insgesamt ein Jahrzehnt Arbeit in Anspruch genommen hatten.[8] 1975 erhielt er vom „Studentenbund Schlesien“ (SBS) den „Schlesischen Kulturpreis der Jugend“. Im gleichen Jahr erhielt er den Buchpreis der Arbeitsgemeinschaft für Werbung, Markt- und Meinungsforschung (AWMM) und der „Vereinigung für wissenschaftliche Meinungsforschung“ (VWM). Artikel von ihm erschienen in verschiedenen Publikationen, darunter Nation Europa, „Glaube und Tat – Deutsch-Unitarische Blätter“ bzw. „Unitarische Blätter“, „Klüter Blätter“, Deutsche Nachrichten, Unabhängige Nachrichten, „Konservativ heute“, Deutschland in Geschichte und Gegenwart, „Nordische Zukunft – Zeitschrift des Nordischen Ringes e. V.“, „Mensch und Maß“, „Glauben und Wirken“ oder in den Publikationen von Thies Christophersen. Vollmer war zudem Referent beim Deutschen Kulturwerk Europäischen Geistes (DKEG) und bei der „Göttinger Runde“ von Hans-Michael Fiedler. Er war ebenso wie Baldur Springmann im „Weltbund zum Schutze des Lebens BRD e. V.“ (WSL-D), Landesverband Schleswig-Holstein, auf Vorstandsebene tätig und gehörte zu den Unterzeichnern einer Anti-AKW-Klage vom „Hartmut-Gründler-Klägerverband für Volksgesundheit und biologische Sicherheit“.[9] Juan Maler berichtete in einem Buch, daß Vollmer im Dezember 1980 die Sonnenwendfeier in Punta Chica bei Buenos Aires leitete:

Im Dezember 1980 erlebten wir die Wiedersehensfreude mit Vollmer. Er hatte eine inhaltsvolle Sonnenwendfeier in Punta Chica bei Buenos Aires geleitet, die von der nächsten Generation besucht wurde. Über meine Kinder kamen wir so wieder zusammen und wir luden ihn gleich nach Bariloche in unser Haus ein. Von dort aus fuhren wir mit ihm auch nach Osorno, wo wir dann „zufällig“ zusammen mit Miguel Serrano bei einer befreundeten Familie aßen und den Rest des Tages in angeregter Unterhaltung verbrachten.[10]

Zu seinem 70. Geburtstag im Jahr 1983 erschien sein Werk „Sonnenspiegel“ im Widar-Verlag von Ernst-Otto Cohrs. Ende der 1980er Jahre war Vollmer bei Jürgen Riegers „Nordischem Ring“ (NR) aktiv.[11][12] Von 1990 bis 1992 war er Vereinsvorsitzender des „Nordischen Rings“. 1991 war er Teilnehmer des norddeutschen Treffens der „Arbeitsgemeinschaft Naturreligiöser Stammesverbände Europas“ (ANSE). Vollmer war außerdem Mitglied von Greenpeace.[13]

Aus der Biographie

„In der ersten Novemberhälfte 1913 kam ich in Hamburg, Klosterallee 10, zur Welt. Es war eine Hausgeburt. Meine Mutter, Tochter des Marburger Gynäkologen Friedrich Ahlfeld, die von 1900 bis 1905 schon drei Geschwistern das Leben geschenkt hatte, meisterte das mit bewährtem Können und machte sich über alle medizinischen Einzelheiten sorgsame Aufzeichnungen. Mein Vater war damals Direktor des Realgymnasiums Sankt Pauli, hatte in Bonn und Marburg Theologie und Altphilologie studiert, gehörte der liberaltheologischen Richtung Adolf von Harnacks (Berlin) und Martin Rades (Marburg) an und betrieb nebenberuflich wissenschaftliche Forschungen über vorlutherische Bibelübersetzungen, insbesondere die sogenannten Historienbibeln. Dabei half ihm meine Mutter auf ausgedehnten Reisen zu den großen Bibliotheken Europas als Photographin mit entsprechend umfänglicher Ausrüstung zur Reproduktion der alten Handschriften vor Ort. Die Vorfahren meiner Mutter stammten aus Leipzig, jeweils mütterlicherseits aus den Verlagshäusern Grunow, Goldmann und Varnhagen, die Vorfahren meines Vaters vom Niederrhein. Mein Ur-urgroßvater Dirk Vollmer war Bauer in Hilden und ist 106 Jahre alt geworden. Eine Familienüberlieferung besagt, daß die Vollmers ursprünglich mit Gustav Adolf, also im dreißigjährigen Krieg aus Schweden gekommen seien. […]
Ostern 1920 wurde ich in Ahrensburg eingeschult. Der erste Blick auf den von Kindern wimmelnden Schulhof war ein Schock, ein Schrecken, der sich tief einfraß. Bis dahin hatte ich kaum gleichaltrige Spielkameraden gekannt, fast nur mit meinen viel älteren Geschwistern zu tun gehabt. Und nun plötzlich diese Masse Mensch, dieses Gelaufe und Geschrei. Ich bekam Angst und wäre am liebsten umgekehrt. Doch das gab sich mit der Zeit. Das Lernen bei gütigen Lehrerinnen fiel mir leicht. Ich konnte ein Vorschuljahr überspringen und Ostern 1923, gerade auf dem Gipfel der furchtbaren Inflation (eins zu einer Billion) in die Sexta des Matthias-Claudius-Gymnasiums in Wandsbek aufgenommen werden. […] 1930 hörte ich von Schulkameraden einiges über verschiedene Bünde der Jugendbewegung, fand aber selbst keinen Anschluß an eine solche Gruppe, sondern löste Karl Hermann Wolff, den Sohn unseres Deutschlehrers, in der Leitung der Zelle des nat. soz. Schülerbundes ab. Versuche, mit den Mitgliedern dieser Zelle ‚auf Fahrt zu gehen‘, fielen nicht zu meiner Zufriedenheit aus. Die Jungen waren mir zu bürgerlich, zu wenig revolutionär. Im Frühjahr 1931, zwei Jahre vor der Regierungsübernahme durch die Nationalsozialisten, trat ich der Hitlerjugend bei, die sich damals noch ‚Deutsche Arbeiterjugend‘ nannte und ein kreisrundes Abzeichen mit der aufgehenden Sonne trug. Mit dem Fahrrad sammelte ich in den Hamburgischen Walddörfern täglich nach der Schule Jungen zu einer ersten ‚Schar‘, dem Grundstock zu einer späteren ‚Gefolgschaft‘. Die Heimabende, bei denen Lieder gelernt und ausgewählte Abschnitte aus bewährten Jungenbüchern vorgelesen wurden, fanden vierzehntägig im Keller eines Volksdorfer Privathauses statt. Die Wochenendfahrten gerieten nun schon zünftiger und machten Freude. Ebenfalls vierzehntägig traf ich mich mit den anderen Hamburger Hitlerjugendführern zu Schulungsabenden und gemeinsamen Führerfahrten. Unter den neuen Freunden, die ich dabei gewann, formten mich besonders der geniale Wilhelm Krap und Fritz Hellwig, Erich Harders, Detlef Gravenhorst, Hans Thams und – in herzlicher Verbundenheit – Erich Luxem. Dieses letzte Schuljahr hat mich entscheidend geformt und vor der Verbürgerlichung bewahrt.
Die Selbstfindung, das eigenständige Erkennen der mir gemäßen Erlebens- und Denkweise hatte damit begonnen, daß mir zu meinem 16. Geburtstag Ende 1929 unser Klassensprecher Hubert von Kühlwetter das Buch ‚Kleine Rassenkunde des deutschen Volkes‘ von Hans F. K. Günther schenkte. Es schilderte sowohl das äußere Erscheinungsbild als auch die seelischen und charakterlichen Eigenschaften sowie die typischen Verhaltensweisen der in Deutschland vorkommenden Rassen. Günther war Philologe und Anthropologe, und die Anthropologie wurde damals, lange bevor die Nationalsozialisten an die Regierung kamen, noch allgemein aus naturwissenschaftlich-biologischer Sicht erforscht und gelehrt, nicht, wie heute, fast ausschließlich aus milieutheoretisch-soziologischer Sicht. Günthers Darstellung überzeugte mich damals auf Anhieb und vollständig. Sie hat mein Denken entscheidend geprägt. Kurz darauf las ich ‚Gold oder Blut‘ von Otto Bangert, ein kleines Buch, das in ebenso überzeugender Weise Profitdenken und Artbewußtsein gegenüberstellt. Schließlich kam noch ein schmales Bändchen von Conn hinzu, ‚Der Wahn vom völkischen Staat auf christlicher Grundlage‘, und rundete das Bild nach der religiösen Seite hin ab. Wesentlichen Einfluß hatten auch die Bücher von Hermann Löns, vor allem ‚Der Wehrwolf‘ und ‚Mein braunes Buch‘ mit dem Kapitel ‚Die rote Beeke‘ über die Hinrichtung von 4500 niedersächsischen Freibauern auf Befehl Karls des Großen. Das saß fest und war nicht mehr auszulöschen. Von Felix Dahn beeindruckte mich mehr noch als die Tragödie der Goten in Italien, ‚Kampf um Rom‘, die überwältigende Schau vom ewigen Werden und Vergehen in ‚Odhins Trost‘. Ibsens ‚Peer Gynt‘ in der deutschen Übersetzung von Dietrich Eckhart, Gertrud Bäumers Buch ‚Der ritterliche Mensch‘ über die „staete”, die Beständigkeit des Charakters und dazu die ‚Heldenfibel‘ von Tusk (Eberhard Koebel), dem Gründer des Jungenbundes d.j.1.11., vervollständigten das Ganze. […]
Den Abschluß meiner Nordlandarbeit bildete im Sommer 1939 eine private Norwegen- und Schwedenreise gemeinsam mit meinem Freund, dem Volksdorfer Jungvolk(Jungzug)führer Achim Lexzau, der 1942 in Rußland fiel, gerade 20 Jahre alt. Die Reise verlief sehr schön. Sie führte uns auch in abgelegene Täler an der norwegisch-schwedischen Grenze. Es entstanden wertvolle Farb-Dias mit Achims Leica-Kamera und den damals ganz neuen Agfa-Farbfilmen. Nur ein Erlebnis fiel aus dem Rahmen. In Oslo erlebten wir, wie die Großstadtjugend frenetisch einer alten Negerin zujubelte, die auf der Bühne abwechselnd auf den Knien lag und schluchzte oder heftig in eine Trompete blies. Die Kinder waren begeistert. Es bahnte sich da etwas an, was wir in Deutschland erst nach dem Kriege erleben durften. Bei unserer Rückkehr aus Schweden ermahnte mich der Paßbeamte in Saßnitz, schleunigst nachhause zu fahren. Dort lag eine Einberufung zur Truppe. Ich hatte vor unserer Reise bereits eine vierteljährige Reserveübung bei der Luftnachrichtentruppe abgeleistet, die sich aus einem beschämenden Mangel an geeignetem Ausbildungspersonal als eine Groteske erwies. Rechtsanwälte, Ärzte und andere Lehrgangsteilnehmer, die bereits ihren Mann im Berufsleben standen, waren 19jährigen Hilfsausbildern ausgeliefert, die es gerade zum Gefreiten gebracht hatten und nur mit Mühe mehr als drei zusammenhängende Sätze aus der Ausbildungsvorschrift vorlesen konnten. Den Abschluß dieser Reserveübung hatte eine Rede des Kompaniechefs gebildet, in der er uns mit der Geheimen Staatspolizei drohte, falls wir draußen über gewisse Vorkommnisse nicht schweigen würden. Die Blamage war vollkommen. Nun, aus Schweden zurück, rückte ich also von neuem ein, allerdings nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Wartezeit, in der ich in Lübeck meine Arbeit abschließen und mich von den Kollegen verabschieden konnte. Danach fand ich mich im Fliegerhorst Greifswald wieder, wo ich zunächst im Fernsprech-Leitungsbau in der vorpommerschen Landschaft, dann an der Fernschreibmaschine ausgebildet wurde. Dort, in Greifswald, erlebte ich dann 1940 auch den absoluten Tiefpunkt meiner gesamten Soldatenzeit, nämlich einen Unteroffizierslehrgang, geleitet nicht von einem Offizier, sondern von einem sadistischen Hauptfeldwebel mit entsprechend ausgewählten Unteroffizieren. Die gezielte Entwürdigung des Menschen, die unter dem fadenscheinigen Vorwand einer ‚Erziehung zur Härte‘ oder – ehrlicher – zwecks Dressur zum willenlosen Werkzeug verübt wird, habe ich dort bis zum Exzeß am eigenen Leibe erlitten. Daß ich dabei – bei hoher Sensibilität – nicht kaputt gegangen bin, verdanke ich teils der starken seelischen Konstitution, die mir meine Eltern und Großeltern vererbt haben, teils – im entscheidenden Augenblick – der Hilfe meines jungen Freundes Achim. Er besuchte mich von Dresden nach Greifswald mit dem Fahrrad in der Kaserne, gerade als ich am Verzweifeln war. Und dieser Besuch besagte soviel wie: ich bin ja noch da, – ohne Worte. Ich faßte wieder Mut. Nach diesem Unteroffizierslehrgang – es muß im Frühjahr 1941 gewesen sein – erkrankte ich an einer Kiefernhöhlenentzündung und mußte ins Luftwaffen-Lazarett.
Auf der Weiterfahrt zu meinem Leuchtfeuertrupp konnte ich auf der Strecke von Minsk nach Smolensk zum Teil fliegen. Eine Ju 52 (Junkers-Propellermaschine) nahm mich ein großes Stück mit. In Smolensk besuchte ich Hans Rodde, der dort als Sonderführer die Propaganda für die russische Bevölkerung leitete und mir von der Auffindung der von den Sowjets ermordeten polnischen Offiziere bei Katyn berichtete. […] Am Neujahrstag 1943 kam ich wieder bei meinem Trupp an, der inzwischen seinen Standort um einige Kilometer hatte verlegen müssen, der vorrückenden sowjetischen Truppen wegen. Wir lagen also wieder in Frontnähe. Allerdings gab es in dieser Frontlinie beiderseits Lücken. Und in eine solche Lücke begleitete ich meinen alten Hitlerjugend-Kameraden Hans Thams, der für seine Artillerietruppe liegengebliebene Motorfahrzeuge ausschlachtete. Die russischen Hilfswilligen (‚Hiwis‘ genannt), die ihm dafür zur Verfügung standen, machten sich mit viel Hallo über ihre toten ehemaligen Kameraden her, die so, wie sie in Schützenkette gestürmt hatten, im Schnee lagen, und zerrten ihnen alle noch irgendwie brauchbar erscheinenden Kleidungsstücke von den steif gefrorenen Gliedern. […] Vom südlichsten Abschnitt der Ostfront waren schon seit Wochen schwere Rückschläge gemeldet worden, mit überraschender Offenheit, so als solle das Volk auf noch Schlimmeres eingestimmt werden. In Italien und an der Atlantikküste erwartete man die Invasion der alliierten Westmächte. Ein Dreifrontenkrieg war nicht zu gewinnen. Das hatte Rudolf Hess bei seinem Englandflug vorausgesehen, und da half auch ein noch so ‚fester Glaube an den Endsieg‘ nichts. […] In diese Zeit in Orel fiel, Ende Juli, der mehrtägige schwerste Bombenangriff auf Hamburg, der die Stadt zu zwei Dritteln zerstörte und den allezeit unbeschreiblichen Feuersturm erzeugte. Sowohl das ‚Deutsche Bibelarchiv‘, die Forschungsstätte meines 1941 verstorbenen Vaters, als auch die Stadtwohnung meiner Stiefmutter fielen ihm zum Opfer, dort auch der Rest meiner Habe, die nicht schon in Lübeck vernichtet worden war. Sie selbst und ihre alte Mutter entkamen dem Furioso, in nasse Wolldecken gehüllt, über den brennenden Asphalt der Straßen hüpfend, mit angesengten Haaren und Augenbrauen aus der Stadt und fanden in Ahrensburg eine Notunterkunft. Den ganzen August über bemühte ich mich um Urlaub dorthin und nach Dresden zu Nielands, Achims Eltern. In das vernichtete Hamburg gab es zunächst keinen Urlaub. Die riesige Trümmerhalde konnte niemanden aufnehmen. Es ist unmöglich, die Verhältnisse zu schildern, unter denen die Überlebenden dort vegetierten. Und es hat Monate gedauert, bis die wichtigsten Durchgangsstraßen durch die Schuttmassen freigeräumt waren. In den letzten Augusttagen konnte ich endlich fahren, zuerst nach Ahrensburg, dann nach Berlin und Dresden. In der Reichsjugendführung in Berlin ließ ich mir meine verbrannten Hitlerjugendpapiere neu ausstellen (mit der alten Mitgliedsnummer vom April 1931) und sprach eingehend mit den Amtschefs für Weltanschauliche Schulung (Griesmayer) und Kultur (Karl Cerff). Auch mein Schriftleiterzeugnis fand sich ein, das Gerhard Pantel 1936 noch unterzeichnet hatte. Abends nahm mich Jurko Sikorski, dem es tatsächlich gelungen war, von Warschau nach Berlin umzusiedeln, mit zu einer Chorprobe der ukrainischen Nationalen Vereinigung. Der Zusammenklang der herrlichen Stimmen vermittelte einen wahren Genuß. […]
In Dresden erlebten wir – unmittelbar vor der vollständigen Zerstörung dieser Stadt auf Befehl Churchills – traumhaft schöne Tage im Hause Nieland in Loschwitz sowie in der Oberbürgermeisterloge der Staatsoper. […] Im Juli und August wurde mein Trupp in der Wetterfunkstelle Kulm an der Weichsel eingesetzt. Von dort konnten wir die Probestarts der V2-Raketen in Peenemünde beobachten, mit den kennzeichnenden zickzackförmigen Kondensstreifen, durch die wechselnde Windrichtung in verschiedenen Höhenschichten verursacht. Während der ersten Septemberhälfte war ich zu einem Lehrgang für ‚N.S.-Führungsoffizierhelfer‘ kommandiert. Das Attentat auf Hitler in Rastenburg vom 20. Juli hatte – auch das natürlich um viele Jahre zu spät – die Notwendigkeit einer politischen Unterweisung der Truppe deutlich gemacht. […] Von jenem wirkungslosen Kurzlehrgang zurück, erhielt ich in Kulm den letzten Einsatzbefehl meiner Kompanie in diesem Kriege und fuhr mit zwei Obergefreiten, einer davon Kraftfahrer, und einem motorisierten Gerätewagen nach Passenheim in Ostpreußen, zwischen Allenstein und Orteisburg gelegen. Mittlerweile war es Mitte Oktober geworden, und unsere Leuchtfeuersignale dienten fast nur noch den deutschen Sturzkampfflugzeugen, die in ununterbrochenem Einsatz die angreifenden sowjetischen Panzereinheiten bombardierten, allen voran Oberst Hans Ulrich Rudel, der allein über 500 Panzer, das ist eine ganze Armee, außer Gefecht gesetzt hat. (Ich sollte ihn später, in Argentinien, noch persönlich kennenlernen.) […] Etwa zur selben Zeit, in der Churchill die Stadt Dresden, das Elbflorenz, ohne jede militärische Bedeutung, in einen glühenden Schutthaufen verwandeln ließ, mit etwa ebenso vielen Toten wie beim amerikanischen Atombombenangriff auf Hiroshima, entkam unser kleiner Trupp mit stotterndem Motor bei Dirschau über die noch unversehrte Weichselbrücke gerade noch dem sowjetischen Einschließungsring. Daß uns dies noch gelang nach einer Fahrt diagonal durch Ostpreußen bei klirrender Kälte über vereiste Straßen inmitten eines verzweifelten Flüchtlingsstroms, verdankten wir der unbeschreiblichen Anstrengung, dem Orientierungsvermögen und ‚sechsten Sinn‘ unseres Kraftfahrers. Auch daß wir in dem Chaos den Anschluß an unsere Kompanie wiederfanden, verdankten wir ihm. In meinem Gedächtnis klafft hier eine Lücke. Ich war krank und außerdem von schlechtem Gewissen verfolgt, weil ich nichts mehr für die Passenheimer Junvolkjungen hatte tun können und befürchten mußte, daß sie mit ihren Familien den Sowjets in die Hände gefallen waren. […] Abends suchten und fanden wir Unterkunft in einem Privathaushalt. Der Hausherr und Vater war noch nicht aus dem Kriege zurückgekehrt. Sein dreizehnjähriger Sohn war Fanfarenbläser in einem Fanfarenzug des Deutschen Jungvolks (gewesen) und bewies uns noch spät abends in schmetternden Tönen sein Können. Das war das letzte Mal, daß ich etwas von Hitlerjugend und Jungvolk zu hören bekam, auf Jahre hinaus auch die letzte Erinnerung an Jungenführung und Jugendbewegung überhaupt. Tags darauf meldete der Rundfunk, noch in deutscher Regie, daß Adolf Hitler tot sei, und zwar in der ersten, von Martin Bormann verfaßten, falschen Fassung: ‚Im Kampf gefallen‘. […] Das war für mich des Kriegsende, am 4. Mai, vier Tage vor der deutschen Kapitulation. In rasender, halsbrecherischer Fahrt – auch der Mann am Lenker war vollständig betrunken – fegten wir, hin und herschwankend und krampfhaft ineinander verklammert, um nicht über Bord geschleudert zu werden, durch die Haarnadelkurven der Gebirgsstraße, der bayerischen Grenze entgegen. Dort wurden wir für die Nacht in eine provisorische Gefangenensammelstelle, zwei oder drei Baracken, mit über tausend anderen so dicht zusammengepfercht, daß man jeweils nur ein Bein auf den Boden stellen konnte. Umfallen war unmöglich, an Schlafen nicht zu denken. Am nächsten Morgen ging es weiter, in ein 50 000-Mann-Lager auf offener, verschlammter Wiese bei Bad Aibling am Chiemsee, mit der Alpenkette im Hintergrund.“[14]

Werke

Politisches Geschehen des XX. Jahrhunderts
Bücher von Dieter Vollmer
POLITISCHES LEXIKON (8 Bände, Verlag K. W. Schütz, Göttingen-Hannover, 1966–1969)
Politisches Lexikon – Teil I. Sachworte.
  • 96-book.png PDF Politisches Lexikon – Teil I. Sachworte A–E (Archive)
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Politisches Lexikon – Teil II. Personen.
  • 96-book.png PDF Politisches Lexikon – Teil II. Personen A–L (Archive)
  • 96-book.png PDF Politisches Lexikon – Teil II. Personen M–Z (Archive)
Politisches Lexikon – Teil III. Dokumente.
  • 96-book.png PDF Politisches Lexikon – Teil III. Dokumente A–L (Archive)
  • 96-book.png PDF Politisches Lexikon – Teil III. Dokumente M–Z (Archive)
POLITISCHES GESCHEHEN DES XX. JAHRHUNDERTS (6 Bände, Verlag K. W. Schütz, Preußisch Oldendorf, 1970–1976)
  • 96-book.png PDF Politisches Geschehen des XX. Jahrhunderts – Band I: Vorgeschichte 1848–1880 (Archive)
  • 96-book.png PDF Politisches Geschehen des XX. Jahrhunderts – Band II: 1881–1910 (Archive)
  • 96-book.png PDF Politisches Geschehen des XX. Jahrhunderts – Band III: 1911–1930 (Archive)
  • 96-book.png PDF Politisches Geschehen des XX. Jahrhunderts – Band IV: 1931–1945 (Archive)
  • 96-book.png PDF Politisches Geschehen des XX. Jahrhunderts – Band V: 1946–1960 (Archive)
  • 96-book.png PDF Politisches Geschehen des XX. Jahrhunderts – Band VI: 1961–1975 (Archive)

  • 96-book.png PDF Karl XII. – Ein nordischer König, Ludwig Voggenreiter Verlag, Potsdam 1939 (Archive)
  • 96-book.png PDF Norwegische Bauernerzählungen, Ludwig Voggenreiter Verlag, Potsdam 1939 (Archive)
  • 96-book.png PDF Märchen des Nordens, Ludwig Voggenreiter Verlag, Potsdam 1939 (Archive)
  • Revolution zu uns selbst, Hamburg 1943
  • 96-book.png PDF Was bleibt?, Dürer-Verlag, Buenos Aires 1952 (Archive)
  • 96-book.png PDF Vom Wesenhaften – Sieben Aufsätze und ein Nachwort, Plesse-Verlag, Göttingen 1955 (Archive)
  • 96-book.png PDF Du sollst leben! – Eine Lebenskunde für junge Menschen, Hans Oeding Verlag, Braunschweig 1957 (Archive)
  • 96-book.png PDF Russische Elegie, Verlag Wulffenpresse, Wiesbaden 1960 (Archive)
  • 96-book.png PDF Nordwind – Was unser Leben trägt und hält. Geformte Erkenntnis aus sechzig Jahren mit einem Vorwort von Richard Krüger, Verlag K. W. Schütz, Preußisch Oldendorf 1973 (Archive)
  • 96-book.png PDF Das größere Vaterland, Selbstverlag, Schleswig 1974 (Archive)
  • 96-book.png PDF Kritik – Die Stimme des Volkes (Nr. 35): Volk – Staat – Nation, Kritik-Verlag, Mohrkirch 1976 (Archive)
  • 96-book.png PDF TENDENZ – Unabhängige Jugendzeitschrift (Sonderdruck 3): Lebensschutz und Politik, Arbeitskreis Jugend und Politik, Neumünster 1977 (Archive)
  • 96-book.png PDF Sonnenspiegel – Das Tagesgestirn im Widerschein menschlichen Erlebens, Erkennens und Bekennens. Ein Beitrag zur Ganzheit von Forschen und Verehren, Widar-Verlag, Rotenburg/Wümme 1983 (Archive)
  • 96-book.png PDF Gereimte Gedanken zu passenden Bildern und dazwischen ein kleiner lyrischer Versuch, 1984 (Archive)
  • 96-book.png PDF Spätlese 1990, Privatdruck, Bassum 1990 (Archive)
  • Kriegsbriefe, 1991
  • 96-book.png PDF Geopferte Zukunft – Eine späte Rückschau. Sehr persönliche Erinnerungen an Hitlerjugend und Reichsjugendführung 1930–1945, Selbstverlag, Schleswig 1992 (Archive)
  • 96-book.png PDF Bilanz vom Empfangen und Geben, von eigenem Tun und Erleben – Erste Lebenshälfte bis 1953 einschließlich Bibliographie, Selbstverlag, Schleswig 1993 (Archive)
  • Diesseits-Brevier, Bassum 1993
  • 96-book.png PDF Und ewig ereignet sich Licht, Schleswiger Bote, Schleswig 1996 (Archive)
  • Stuka-As Hans-Ulrich Rudel – Biographie in Bildern, Arndt-Verlag, Kiel 2005 (Klappentext)

Fußnoten

  1. Deutschland in Geschichte und Gegenwart, 1992
  2. Lektoratsbearbeitung u. a. von Hans-Ulrich Rudel, Panzermeyer, Frithjof Elmo Porsch, F. J. P. Veale, David L. Hoggan, Jürgen Spanuth und Schöll.
  3. Holger M. Meding: »Der Weg« – Eine deutsche Emigrantenzeitschrift in Buenos Aires 1947–1957, Wissenschaftlicher Verlag Berlin (wvb), Berlin 1997
  4. ‎⁨Neo-Nazi Poet's Meeting⁩⁩, in: The Australian Jewish Times, 5. November 1954, S. 5
  5. Peter Kratz: Die Götter des New Age – Im Schnittpunkt von „Neuem Denken“, Faschismus und Romantik, Elefanten Press, Berlin 1994
  6. Werner Schuder (Hrsg.): Kürschners Deutscher Literatur-Kalender. 58. Jahrgang 1981, Walter de Gruyter, Berlin 1981, S. 1129
  7. Dennis Eisenberg: The Re-Emergence of Fascism, MacGibbon & Kee, London 1967, S. 207
  8. Buchrezension, in: TENDENZ – Unabhängige Jugendzeitschrift, 5/1976, S. 19
  9. Oliver Geden: Rechte Ökologie – Umweltschutz zwischen Emanzipation und Faschismus, Elefanten Press, Berlin 1996, S. 109
  10. Juan Maler: Frieden, Krieg und „Frieden“, Selbstverlag, Bariloche 1987, S. 403
  11. Friedrich Paul Heller, ‎Anton Maegerle: Thule – Vom völkischen Okkultismus bis zur Neuen Rechten, Schmetterling, Stuttgart 1998, S. 172
  12. Franziska Hundseder: Wotans Jünger – Neuheidnische Gruppen zwischen Esoterik und Rechtsradikalismus, Heyne, München 1998, S. 68
  13. Renate Stahl: Deutsches Schriftstellerlexikon 2001. Ein Who's Who der deutschsprachigen Literatur, Bund Deutscher Schriftsteller BDS e. V., Dietzenbach 2001
  14. Bilanz vom Empfangen und Geben, von eigenem Tun und Erleben – Erste Lebenshälfte bis 1953 einschließlich Bibliographie (vollständiger Text)