Tschechowa, Olga
Olga von Knipper(dolling), vornehmlich bekannt unter ihrem russischen Namen Olga Konstantinowna Tschechowa ( 26. April 1897 in Alexandropol, heute Gjumri, Armenien; 9. März 1980 in München), war eine deutsche Schauspielerin und Diplom-Kosmetikerin.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Olga/Helga von Knipper (auch von Knipper oder von Knipper-Dolling/Knipperdolling), deren Familie aus Saarbrücken stammte und beruflich in der Ferne angeworben wurde, wurde am 26. April 1897 in Rußland, in Alexandropol am Kaukasus (heute Gjumri, Armenien) hineingeboren. Sie war die Tochter des Ingenieurs für Brücken- und Tunnelbau Konstantin von Knipper, der es unter Kaiser Nikolaus bis zum Eisenbahnminister brachte; sowohl ihre musisch begabte Mutter als auch ihr Vater waren praktizierende rußlanddeutsche Lutheraner.
Olga stammte aus einer berühmten Familie – ihre Tante (Schwester ihres Vaters) war die angesehene Bühnenschauspielerin und Gründungsmitglied des legendären Moskauer Künstlertheaters Olga Knipper-Tschechowa (1868–1959), die mit dem Dichter Anton Tschechow verheiratet war. Ihre Familie stand in direkter Verbindung mit dem russischen Kaiserhof; Olga spielte mit den Kaiserkindern und erlebte die bedeutende Persönlichkeit Rasputins mit. Sie verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Georgien, Moskau und St. Petersburg, wo sie später kurze Zeit Medizin und Bildhauerei an der Kunstakademie studierte, dann machte sie als Meisterschülerin eine Schauspielausbildung bei dem legendären Regisseur Konstantin Stanislawskij (1863–1938).
Die junge Olga heiratete 1914 mit sechzehn Jahren ihren Vetter, den Schauspieler Michael Tschechow (1881–1955), einen Neffen des russischen Dichters, von dem sie sich jedoch schon drei Jahre später nach der Geburt der gemeinsamen Tochter Ada wieder scheiden ließ.
Olga Tschechowa begann ihre Schauspielerkarriere ab 1917 mit kleinen Rollen am Moskauer Künstlertheater, spielte dann an weiteren russischen Bühnen und auch in russischen Filmproduktionen.
Weimarer Republik
Nach der Russischen Revolution ging die Tschechowa, je nach Quelle, entweder 1920 oder 1921 fast mittellos nach Deutschland, schlug sich in Berlin als Presse- und Plakatmalerin durch und wurde von Friedrich Wilhelm Murnau für den Stummfilm „Schloß Vogelöd“ (1921) entdeckt; zwei Jahre später verkörperte sie bereits die Titelrolle in Berthold Viertels Ibsen-Adaption „Nora“ (1923), ihre Darstellung fand jedoch keine ungeteilte Zustimmung:
- „Tschechowas Nora hat nichts von der kleinen Lerche, von jenem von einem undefinierbaren Zauber umrahmten Geschöpf, an das wir doch glauben sollen. Diese Nora ist eine bürgerliche Hausfrau, die mit beiden Füßen auf dem Erdboden steht, und ihr primitives Minenspiel vermag die seelische Tragödie dieser Frau nicht zu entschleiern.“
Dies schrieb ein Kritiker im Film-Kurier am 2. März 1923. Hauptrollen in Stummfilmen schlossen sich an, nach einem kurzen Gastspiel in Frankreich als Mondäne in René Clairs „Un chapeau de Paille d’Italie“ (1927, Der Florentinerhut) kehrte sie nach Deutschland zurück und erhielt in einem der ersten Tonfilme „Die Drei von der Tankstelle“ (1930) eine Nebenrolle. Im selben Jahr erlebte man sie in Erich Pommers „Liebling der Götter“.
In England hatte sie 1928 die Firma Tschechowa-Films Ltd. gegründet und produzierte unter anderem zwei Filme mit Regisseur Erich Waschneck, so „Diane“ (1929, auch: „Die Geschichte einer Pariserin“) und „Die Liebe der Brüder Rott“ (1929). In ihrer einzigen, von der Kritik wohlwollend aufgenommenen Regiearbeit „Der Narr seiner Liebe“ (1929) gab sie ihrem geschiedenen Ehemann Michael Tschechow, der vor allem als Theaterschauspieler erfolgreich war, die Hauptrolle.
Drittes Reich
Bald schloß die Tschechowa unter Regisseuren wie Max Ophüls und Willi Forst zu den großen Diven des Dritten Reiches auf. In den folgenden zehn Jahren gehörte Olga zu den großen UFA-Filmstars, häufig als mondäne, elegante und verführerische „Grande Dame“ besetzt. Viele ihrer Filme kamen über das durchschnittliche Niveau der Unterhaltungsfilme und Melodramen nicht hinaus, eine ihrer schillerndsten Frauengestalten war 1936 die Kaiserin Elisabeth von Rußland in Werner Hochbaums „Der Favorit der Kaiserin“.
Der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler zeichnete am 30. Januar 1938 namhafte deutsche Künstler mit der Verleihung eines Titels aus. Unter anderem wurde Olga Tschechowa zur Staatsschauspielerin ernannt.[1]
Nachkriegszeit
Nach 1945 spielte Olga Tschechowa, die seit 1930 die deutsche Staatsbürgerschaft besaß, vornehmlich Theater, war als Schauspielerin und Regisseurin an verschiedenen Berliner Bühnen tätig; so ging sie unter anderem 1947 mit dem Stück „Der Blaufuchs“ auf Gastspielreise. Mit einer neuerlichen eigenen Filmgesellschaft, der Venus-Film, war ihr kurz nach dem Krieg der Erfolg versagt geblieben.
Nach dem Scheitern eines Kosmetiksalons gründete die ausgebildete Kosmetikerin – 1937 hatte sie das Diplom erworben – 1958 in München eine Kosmetikfirma, die Olga-Tschechowa-Kosmetik mit Niederlassungen in München, Berlin und Mailand, die sie bis zu ihrem Tod leitete. Der Star behauptete zwar in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung vom 4. November 1967, „Ich habe mich vom Film zurückgezogen, weil ich mein Publikum nicht enttäuschen wollte.“, konnte es aber doch nicht lassen, als schicke Großmutter in den „Immenhof“-Filmen (1973/74) aufzutreten.
Gelegentlich gastierte Olga Tschechowa dann noch am Theater oder im Fernsehen; ein Kritiker schwärmte von ihr als „Inkarnation der schönen Helena“, weil sie nie zu altern schien.
Tod
Olga Tschechowa verstarb am 9. März 1980 im Alter von 82 Jahren in München.
Agentin der Bolschewisten
Der Historiker Antony Beevor schreibt in seinem Werk „Die Akte Olga Tschechowa“, daß Olga Konstantinowna Tschechowa, die „Tischdame des Führers“, eine Agentin der Russen war. Als Olgas Tante Olga Knipper-Tschechowa im Mai 1945 mit 76 Jahren ein letztes Mal in Moskau auf der Theaterbühne auftreten sollte, soll sie angeblich ihre Nichte im Publikum gesehen haben. Die Persilschein-Sage der „Widerstandskämpferin“ blieb unbestätigt und hanebüchen, dennoch schreibt Beevor:
- „In der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1945 ging in den Wohnungen Moskaus das Licht nicht aus. Um 1 Uhr 10 verkündete das Radio endlich, Marschall Schukow habe in Berlin die Kapitulation des Dritten Reiches entgegengenommen ... die Mitglieder des Moskauer Künstlertheaters meinten, sie müßten das Ende des Krieges in besonderer Weise feiern. Angesichts von Anton Tschechows Möwe auf dem Vorhang des Theaters fiel die Entscheidung für ein Stück dieses Autors nicht schwer. Zum feierlichen Anlaß wählte man Tschechows letztes Werk, den ‚Kirschgarten‘. Tschechows Witwe, Olga Knipper-Tschechowa, Gründungsmitglied des Ensembles, sollte die Rolle der weltentrückten Gutsherrin Ranewskaja übernehmen. Die hatte sie bereits bei der Uraufführung 1904 gespielt. Inzwischen war sie 76 und ein lebendes Denkmal des russischen Theaters. Doch die Kriegsjahre hatte sie in ständiger Angst verbracht, vom NKWD verhaftet zu werden. Angesichts der Spionagehysterie jener Zeit war ihre Furcht durchaus verständlich. Ihr Vater und ihre Mutter waren deutscher Herkunft. Ihr Lieblingsneffe Lew Knipper war als weißgardistischer Offizier in Süd-Rußland gegen die Bolschewiken zu Felde gezogen. Aber die weitaus größte Gefahr ging von ihrer Nichte Olga Tschechowa aus, die seit 1936 den Titel der ‚Staatsschauspielerin‘ des Dritten Reiches trug. Als an jenem Maiabend der Vorhang zum abschließenden Soundeffekt fiel – den hohlen Schlägen einer Axt, welche die Kirschbäume in dem verlassenen Garten fällten – brachen Ovationen los. Olga Knipper-Tschechowa verneigte sich. Dabei ließ sie ihren Blick über die vordersten Reihen des Zuschauerraums schweifen. Eine schöne, elegant gekleidete Frau in den Vierzigern winkte ihr unauffällig zu. Olga Knipper-Tschechowa erschrak bis ins Mark und brach hinter der Bühne fast zusammen. Die Dame, die ihr hier, mitten in der siegestrunkenen sowjetischen Hauptstadt zugewinkt hatte, war keine andere als ihre Nichte Olga Tschechowa, der größte Filmstar Nazideutschlands.“
Familie
Von 1936 bis 1939 war sie in zweiter Ehe mit dem belgischen Großkaufmann Marcel Robyus verheiratet. Ihre einzige Tochter Adele „Ada“ Tschechowa (bei Freunden als „Dido“ bekannt), die 1966 mit 49 Jahren bei einem Flugzeugunfall (Absturz einer zweimotorigen Convair 440 „Metropolitan“ der „Lufthansa“ bei Bremen) ums Leben kam, sowie ihre 1940 geborene Enkelin Vera Tschechowa (eigentlich Vera Rust) wurden ebenfalls anerkannte Darstellerinnen. Schauspieler Vadim Glowna war seit 1967 mehr als 20 Jahre lang mit Vera verheiratet. Aus dem Jahre 1984 stammt sein eindringlicher Dokumentarfilm „Tschechow in meinem Leben“ über die Künstlerfamilie seiner Frau.
Auszeichnungen und Ehrungen (Auszug)
- 1938: Ernennung zum Staatsschauspieler
- 1962: Filmband in Gold für langjähriges und erfolgreiches Wirken im deutschen Film
- 1972: Großes Bundesverdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
- 1978: Nach Olga Tschechowa wurde eine Rosensorte benannt
Filmographie
- 1921: Schloß Vogelöd
- 1921: Hochstapler
- 1923: Nora
- 1923: Der verlorene Schuh
- 1926: Die Mühle von Sanssouci
- 1926: Familie Schikmek
- 1927: Brennende Grenze
- 1927: Der Florentiner Hut
- 1930: Liebe im Ring
- 1930: Liebling der Götter
- 1930: Die Drei von der Tankstelle
- 1930: Die große Sehnsucht
- 1930: Mary
- 1932: Trenck, Roman einer großen Liebe
- 1932: Der Choral von Leuthen
- 1932: Liebelei
- 1933: Ein gewisser Herr Gran
- 1933: Heideschulmeister Uwe Karsten
- 1934: Die Welt ohne Maske
- 1934: Abenteuer eines jungen Herrn in Polen
- 1934: Peer Gynt
- 1934: Maskerade
- 1935: Regine
- 1935: Lockspitzel Asew
- 1935: Künstlerliebe
- 1935: Die ewige Maske
- 1935: Ein Walzer um den Stephansturm
- 1936: Der Favorit der Kaiserin
- 1936: Seine Tochter ist der Peter
- 1936: Petersburger Romanze
- 1936: Burgtheater
- 1936: Hannerl und ihre Liebhaber
- 1937: Unter Ausschluß der Öffentlichkeit
- 1937: Liebe geht seltsame Wege
- 1937: Gewitterflug zu Claudia
- 1937: Die gelbe Flagge
- 1938: Es leuchten die Sterne
- 1938: Rote Orchideen
- 1939: Die unheimlichen Wünsche
- 1939: Ich verweigere die Aussage
- 1939: Parkstraße 13
- 1939: Bel Ami
- 1939: Befreite Hände
- 1940: Angelika
- 1940: Leidenschaft
- 1940: Der Fuchs von Glenarvon
- 1941: Menschen im Sturm
- 1942: Mit den Augen einer Frau
- 1942: Andreas Schlüter
- 1943: Reise in die Vergangenheit
- 1943: Gefährlicher Frühling
- 1943: Der ewige Klang
- 1944: Melusine
- 1945: Im Tempel der Venus
- 1949: Eine Nacht im Séparée
- 1950: Kein Engel ist so rein
- 1950: Der Mann, der zweimal leben wollte
- 1950: Maharadscha wider Willen
- 1950: Eine Frau mit Herz
- 1950: Zwei in einem Anzug
- 1950: Aufruhr im Paradies
- 1951: Das Geheimnis einer Ehe
- 1951: Mein Freund, der Dieb
- 1951: Begierde
- 1952: Hinter Klostermauern
- 1953: Alles für Papa
- 1954: Rosen-Resli
- 1954: Rittmeister Wronski
- 1958: U 47 – Kapitänleutnant Prien
- 1963: Jack und Jenny
- 1973: Die Zwillinge vom Immenhof
- 1974: Frühling auf Immenhof