Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation

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Heiliges Römisches Reich (lat. Imperium Romanum Sacrum), ab dem 15. Jahrhundert mit dem Zusatz D(T)eutscher Nation (lat. Nationis Germanicae) und im/ab dem 16. Jahrhundert, auch in den Protokollen der Reichstage, zumeist nur Heiliges Reich Teutscher Nation oder Teutsche Nation genannt,[1] war die offizielle Bezeichnung für den Herrschaftsbereich der deutschen Könige und Kaiser vom Mittelalter (962) bis zu seiner Vernichtung durch Frankreich im Jahre 1806. Noch im 18. Jahrhundert führten die Herrscher über das Reich den Titel „Kayser in Germanien“ und nicht etwa „im Heiligen Römischen Reich“.[2]

Die Reichskrone der Könige und Kaiser als Symbol der Reichsherrlichkeit des Heiligen Römischen und Ersten Deutschen Reiches, später auch kritisch als Mahnmal der deutschen Kleinstaaterei betrachtet.

Namensherkunft

Rekonstruktion der ursprünglichen Gestalt der Deutsch-Römischen Kaiserkrone[3]: Auf der Platte, auf welcher der thronende Christus dargestellt ist, steht lateinisch „Per me reges regnant“ („Durch mich herrschen die Herrscher“).

Der Name des Reiches leitet sich vom Anspruch der mittelalterlichen Herrscher ab, sowohl die Tradition des antiken Römischen Reiches fortzusetzen als auch alleiniger Schutzschild des Christentums zu sein. Eigentlicher Träger des Reiches war das Deutsche Volk, so daß es häufig auch in synonymer Bedeutung als Deutsches Reich, gelegentlich auch als erstes Deutsches Reich oder Erstes Reich bezeichnet wird. Das Reich umfaßte jedoch nicht das gesamte deutsch-völkische Gebiet, sondern war geographisch auf den Bereich der Mitglieder begrenzt. Es gab weitere deutsche Teilstaaten und deutsche Gebiete, die nicht Teil des Reiches waren. Das Reich war keine geographische Größe, sondern wurde als Personenverbund verstanden. Es wurde demnach nicht nur durch sein Haupt, sondern ebenso durch seine Glieder repräsentiert. Der Zusammenhalt des Ersten Reiches basierte damit auf einem Netz persönlicher Treueversprechen.

Zusammenfassung

Der Reichsapfel: Die Weltkugel mit aufgesetztem Kreuz als Herrschaftszeichen

Das römisch-deutsche Reich bildete sich im 10. Jahrhundert unter der Dynastie der Ottonen aus dem ehemaligen karolingischen Ostfrankenreich heraus. Der Name Sacrum Imperium ist für 1157 und der Titel Sacrum Romanum Imperium für 1254 erstmals urkundlich belegt. Seit dem 15. Jahrhundert setzte sich allmählich der Zusatz Deutscher Nation durch.

Seit der Frühen Neuzeit war das Reich strukturell nicht mehr fähig zu kriegerischen Angriffen, Machterweiterung und Expansion. Seither wurden Rechtsschutz und Friedenswahrung als seine wesentlichen Zwecke angesehen. Das Reich sollte für Ruhe, Stabilität und die friedliche Lösung von Konflikten sorgen, indem es die Dynamik der Macht eindämmte: Untertanen sollte es vor der Willkür der Landesherren und kleinere Reichsstände vor Rechtsverletzungen mächtigerer Stände und des Kaisers schützen. Da seit Ende des Dreißigjährigen Krieges (1648) auch benachbarte Staaten als Reichsstände in seine Verfassungsordnung integriert waren, sollte das Reich zudem eine friedenssichernde Funktion im System der europäischen Mächte erfüllen, war aber tatsächlich durch die ungeheuren Zerstörungen dieses Krieges seitdem des größten Teils seines ehemaligen Einflusses beraubt.

Daß das Reich seit Mitte des 18. Jahrhunderts seine Glieder immer weniger gegen die expansive Politik innerer und äußerer Mächte zu schützen vermochte, war sein größtes Defizit und eine der Ursachen seines Untergangs. Durch die Eroberungen Napoleons und die daraus resultierende Gründung des Rheinbunds war es nahezu handlungsunfähig geworden. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation erlosch am 6. August 1806 mit der Niederlegung der Reichskrone durch Kaiser Franz II..

Charakter des Reiches

Institutionen des Heiligen Römischen Reiches

Das Heilige Römische Reich war aus dem Ostfränkischen Reich entstanden. Das Reich umfaßte zu seiner Anfangszeit die drei Reichsteile Germanien, Reichsitalien und Burgund. Ab dem 15. Jahrhundert war das Reich fast nur noch auf den deutschen Reichsteil beschränkt, weshalb es sich einbürgerte, das ganze Reich als „Deutschland“ oder „deutsches Reich“ zu bezeichnen. In diese Zeit fällt auch der Namenszusatz „Deutscher Nation“. Doch schon im Mittelalter waren die Deutschen das herrschende Volk des Reiches, denn nur deutsche Könige konnten den Römischen Kaisertitel erwerben.

Die Regierungsgewalt des Reiches lag weder allein in der Hand des Kaisers noch allein bei den Kurfürsten oder der Gesamtheit eines Personenverbandes wie dem Reichstag. Das Reich läßt sich weder als Bundesstaat noch als Staatenbund einordnen. Es war keine bloße Aristokratie, aber auch keine Oligarchie. Dennoch vereinigte das Reich Merkmale all dieser Staatsformen in sich. Die Geschichte des Reiches war geprägt durch den Streit über seinen Charakter. Ebenso wenig wie es jemals gelang, den regionalen Eigenwillen der einzelnen Territorien zu brechen, ist das Reich in einen losen Staatenbund zerfallen.

Das Reich überwölbte als „Dachverband“ viele Territorien und gab dem Zusammenleben der verschiedenen Landesherren reichsrechtlich vorgegebene Rahmenbedingungen. Diese quasi-selbständigen, aber nicht souveränen Fürsten- und Herzogtümer erkannten den Kaiser als zumindest ideelles Reichsoberhaupt an und waren den Reichsgesetzen, der Reichsgerichtsbarkeit und den Beschlüssen des Reichstages unterworfen, gleichzeitig aber auch durch Königswahl, Wahlkapitulation, Reichstage und andere ständische Vertretungen an der Reichspolitik beteiligt und konnten diese für sich beeinflussen.

Im Gegensatz zu anderen Ländern waren die Bewohner nicht direkt dem Kaiser untertan. Jedes Reichsmitglied, also jedes Territorium, das reichsunmittelbar war, hatte seinen eigenen Landesherrn, im Falle der Reichsstädte den Magistrat.

Der Name des Reiches

Das Reich zur Zeit der Ottonen und Salier im 10. Jahrhundert
Das Reich zur Zeit der Ottonen um 1000. Östlich des Reiches siedelten die bis dahin heidnischen Germanischen Stämme, die sich der Kontrolle durch den Kaiser entzogen.

Durch den Namen wurde der Anspruch auf die Nachfolge des antiken Römischen Reiches und damit gleichsam auf eine Universalherrschaft erhoben. Gleichzeitig hatte man Angst vor dem Eintreffen der Prophezeiungen des Prophenten Daniel, der vorhersagte, daß es vier Weltreiche geben würde und danach der Antichrist auf die Erde kommen würde – die Apokalypse sollte beginnen. Daher durfte das Römische Reich nicht untergehen. Die Erhöhung durch den Zusatz „Heilig“ betonte das Gottesgnadentum des Kaisertums und legitimierte die Herrschaft. Mit der Krönung des Frankenkönigs Karl des Großen zum Kaiser durch Papst Leo III. im Jahr 800 stellte dieser sein Reich in die Nachfolge des antiken römischen Imperiums. Das Byzantinische Reich sah sich ebenfalls als Nachfolger des alten Imperium Romanum, weshalb die Byzantiner das Heilige Römische Reich als ein selbsternanntes und illegitimes bezeichneten.

Im 10. Jahrhundert trug es noch nicht das Prädikat heilig. Der Kaiser Otto I. und seine Nachfolger sahen sich selbst als Stellvertreter Gottes auf Erden und damit als erste Beschützer der Kirche und wurden allgemein so angesehen. Es bestand also keine Notwendigkeit, die Heiligkeit des Reiches besonders hervorzuheben. Das Reich hieß weiterhin Regnum Francorum orientalium oder kurz Regnum Francorum. Zugleich bürgerte sich die Bezeichnung Regnum teutonicorum (Reich der Deutschen) ein.

In den Kaisertitulaturen der Ottonen tauchen die später auf das gesamte Reich übertragenen Namensbestandteile aber schon auf. So findet sich in den Urkunden Ottos II. aus dem Jahre 982, die während seines Italienfeldzuges entstanden, die Titulatur Romanorum imperator augustus, „Kaiser der Römer“. Und Otto III. erhöhte sich in seiner Titulatur über alle geistlichen und weltlichen Mächte, indem er sich, analog zum Papst und sich damit über diesen erhebend, demutsvoll „Knecht Jesu Christi“ und später sogar „Knecht der Apostel“ nannte.

Erst nachdem die sakrale Ausstrahlung des Kaisertums durch den Investiturstreit von 1075 bis 1122 weitgehend verblaßt war, versuchten die Kaiser diesen Anspruch nunmehr verbal für sich zu reklamieren. So entstand im 12. Jahrhundert in der Kanzlei Friedrichs I. Barbarossa der Begriff des sacrum imperium. Vielleicht handelte es sich hierbei um eine bewußte Wiederaufnahme spätantiker römischer Traditionen. Dies ist in der Forschung aber umstritten, da es sich auch um einen speziell „staufischen“ Begriff handeln könnte, zumal in der Antike nicht das Römerreich selbst als sacrum galt, sondern nur die Person des Kaisers.

Im Interregnum von 1250 bis 1273, als es keinem der drei gewählten Könige gelang, sich gegen die anderen durchzusetzen, verband sich der Anspruch, der Nachfolger des Römischen Reiches zu sein, mit dem Prädikat heilig zur Bezeichnung Sacrum Romanum Imperium (Heiliges Römisches Reich). Die lateinische Wendung Sacrum Imperium Romanum ist erstmals 1254 belegt, in deutschsprachigen Urkunden trat sie rund hundert Jahre später seit der Zeit Kaiser Karls IV. auf. Ausgerechnet während der kaiserlosen Zeit Mitte des 13. Jahrhunderts wurde der universale Machtanspruch also um so tönender angemeldet – wenn sich freilich auch in der nachfolgenden Zeit daran wenig änderte.

Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation

Der Zusatz Nationis Germanicae erschien im Spätmittelalter um 1450. 1486 wurde diese Titulatur in einem Gesetz verwendet. Erstmals offiziell verwendet wurde dieser Zusatz im Jahre 1512 in der Präambel (Dekret) des Abschieds des Reichstages in Köln. Kaiser Maximilian I. hatte die Reichsstände unter anderem zwecks Erhaltung [...] des Heiligen Römischen Reiches Teutscher Nation geladen.

Geschichte

Entstehung des Reiches

Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation um 1400
Das Heilige Römische Reich am Ende des 14. Jahrhunderts
Europa um 1400

Das Fränkische Reich hatte nach dem Tode Karls des Großen im Jahre 814 mehrfach Teilungen und Wiedervereinigungen der Reichsteile unter seinen Kindern und Enkeln durchlaufen. Solche Teilungen unter den Söhnen eines Herrschers waren nach fränkischem Recht normal und bedeuteten nicht, daß die Einheit des Reiches aufhörte zu existieren, da eine gemeinsame Politik der Reichsteile und eine künftige Wiedervereinigung weiterhin möglich waren. Starb einer der Erben kinderlos, so fiel dessen Reichsteil einem seiner Brüder zu.

Solch eine Teilung wurde auch im Vertrag von Verdun 843 unter den Enkeln Karls beschlossen. Das Reich wurde zwischen Karl dem Kahlen, der den westlichen romanisierten Teil bis etwa zur Maas erhielt, Ludwig dem Deutschen – er erhielt den östlichen, eher germanisch geprägten Reichsteil – und Lothar I., der neben der Kaiserwürde den mittleren Streifen von der Nordsee bis zum Mittelmeer erhielt, aufgeteilt.

Auch wenn hier, von den Beteiligten nicht beabsichtigt, die zukünftige Landkarte Europas erkennbar ist, kam es im Laufe der nächsten 50 Jahre zu weiteren, meist kriegerischen, Wiedervereinigungen und Teilungen zwischen den Teilreichen. Erst als Karl der Dicke 887 wegen seines Versagens beim Abwehrkampf gegen die plündernden und raubenden Normannen abgesetzt wurde, wurde kein neues Oberhaupt aller Reichsteile mehr bestimmt, sondern die verbliebenen Teilreiche wählten sich eigene Könige. Diese gehörten teilweise nicht mehr der Dynastie der Karolinger an. Dies war ein deutliches Zeichen für das Auseinanderdriften der Reichsteile und das auf dem Tiefpunkt angekommene Ansehen der Dynastie der Karolinger, da diese das Reich infolge der Thronstreitigkeiten in Bürgerkriege stürzte und nicht in der Lage war, das Gesamtreich gegen äußere Bedrohungen zu schützen. Infolge der nun fehlenden dynastischen Klammer zerfiel das Reich in zahlreiche kleine Grafschaften, Herzogtümer und andere regionale Herrschaften, die meist nur noch formal die regionalen Könige als Oberhoheit anerkannten.

Besonders deutlich setzte der Zerfall im mittleren Reichsteil ein, in dem sich die Stammesherzogtümer herausbildeten: Nicht mehr der König ernannte die Herzöge, sondern die lokalen Adligen wählten sie. Im östlichen Reich konnte diese Entwicklung nach dem Tode des letzten Karolingers auf dem ostfränkischen Thron, Ludwigs des Kindes, durch die gemeinsame Wahl Konrads I. aufgehalten werden. Konrad gehörte zwar nicht der Dynastie der Karolinger an, war aber ein Franke aus dem Geschlecht der Konradiner.

Trotz der Abkehr der Lothringer vom ostfränkischen Reich, die sich den Westfranken anschlossen, zeigte die Wahl Konrads endgültig, wie stark sich Ostfranken vom Gesamtreich abgewendet hatte. Im Jahre 918 wurde diese Entwicklung noch deutlicher, als mit dem Sachsenherzog Heinrich I. erstmals ein Nichtfranke zum ostfränkischen König gewählt wurde. Seit diesem Zeitpunkt trug nicht mehr eine einzige Dynastie das Reich, sondern die regionalen Großen, Adligen und Herzöge entschieden über den Herrscher.

Im Jahre 921 erkannte der westfränkische Herrscher im Vertrag von Bonn Heinrich I. als gleichberechtigt an, er durfte den Titel rex francorum orientalium, König der östlichen Franken, führen. Die Entwicklung des Reiches als eines auf Dauer eigenständigen und überlebensfähigen Staatswesens war damit im wesentlichen abgeschlossen.

Das steigende Selbstbewußtsein des neuen ostfränkisch-deutschen Königsgeschlechtes zeigte sich bereits in der Thronbesteigung Ottos I., des Sohnes Heinrichs, der auf dem vermeintlichen Thron Karls des Großen in Aachen gekrönt wurde. Hier zeigte sich der zunehmend sakrale Charakter seiner Herrschaft dadurch, daß er sich salben ließ und der Kirche seinen Schutz gelobte. Nach einigen Kämpfen gegen Verwandte und lothringische Herzöge gelang ihm mit dem Sieg über die Ungarn 955 auf dem Lechfeld bei Augsburg die Bestätigung und Festigung seiner Herrschaft. Noch auf dem Schlachtfeld soll ihn das Heer der Legende nach als Imperator gegrüßt haben.

Dieser Sieg über die Ungarn veranlaßte Papst Johannes XII., Otto nach Rom zu rufen und ihm die Kaiserkrone anzubieten, damit dieser als Beschützer der Kirche auftrete. Johannes stand zu diesem Zeitpunkt unter der Bedrohung regionaler italienischer Könige und erhoffte sich von Otto Hilfe gegen diese. Aber der Hilferuf des Papstes bekundet auch, daß die ehemaligen Barbaren sich zu den Trägern der römischen Kultur gewandelt hatten, und, daß das östliche regnum als legitimer Nachfolger des Kaisertums Karls des Großen angesehen wurde. Otto folgte dem Ruf, auch wenn es wohl Irritation unter einigen Beratern des Königs gab, und zog nach Rom. Er wollte der Beschützer der Kirche sein.

Reichsbanner vor 1400 mit Reichsadler (Nimbierter[4] Adler), wobei die Gestaltung historisch strittig ist.
Reichsbanner des römisch-deutschen Herrschers (des deutschen Königs, ggf. auch des Kaisers) bzw. Reichssturmfahne vom 12. Jahrhundert bis 1433

Als Gründungsdatum des Heiligen Römischen Reiches wird von Historikern meist das Datum der Kaiserkrönung Ottos I. am 2. Februar 962 angegeben. Spätestens hier ist der Prozeß der Herauslösung des ostfränkischen Reiches als eigenständiges Reich aus dem fränkischen Gesamtreich abgeschlossen. Das Reich hatte seine weltliche und sakrale Legitimation als neues Imperium Romanum durch die Kaiserkrönung erhalten, und die Reichsidee nahm endgültige Gestalt an.

Das Reich bis Mitte des 18. Jahrhunderts

Nach dem Westfälischen Frieden drängte eine Gruppe von Fürsten, zusammengeschlossen im Fürstenverein, auf radikale Reformen im Reich, die insbesondere die Vorherrschaft der Kurfürsten beschränken und das Königswahlprivileg auch auf andere Reichsfürsten ausdehnen sollten. Auf dem Reichstag von 1653/54, der nach den Bestimmungen des Friedens eigentlich viel früher hätte stattfinden sollen, konnte sich diese Minderheit aber nicht durchsetzen.

Im Reichsabschied dieses Reichstages, genannt der Jüngste – dieser Reichstag war der letzte vor der Permanenz des Gremiums – wurde beschlossen, daß die Untertanen ihren Herren Steuern zahlen müßten, damit diese Truppen unterhalten könnten. Dies führte oft zur Bildung stehender Heere in verschiedenen größeren Territorien. Diese wurden als Armierte Reichsstände bezeichnet.

Das Heilige Röm. Reich Deutscher Nation am Ende des Dreißigjährigen Krieges.

Auch zerfiel das Reich nicht, da zu viele Stände ein Interesse an einem Reich hatten, das ihren Schutz gewährleisten konnte. Diese Gruppe umfaßte insbesondere die kleineren Stände, die praktisch nie zu einem eigenen Staat werden konnten. Auch die aggressive Politik Frankreichs an der Westgrenze des Reiches und die Türkengefahr im Osten machten nahezu allen Ständen die Notwendigkeit eines hinlänglich geschlossenen Reichsverbandes und einer handlungsfähigen Reichsspitze deutlich.

Seit 1658 herrschte Kaiser Leopold I., dessen Wirken erst seit den 1990er Jahren genauer untersucht wird, im Reich. Sein Wirken wird als klug und weitsichtig beschrieben, und gemessen an der Ausgangslage nach dem Krieg und dem Tiefpunkt des kaiserlichen Ansehens war es auch außerordentlich erfolgreich. Leopold gelang es durch die Kombination verschiedener Herrschaftsinstrumente, die kleineren und – und das ist das Bemerkenswerte – die größeren Reichsstände wieder an die Reichsverfassung und an das Kaisertum zu binden.

Hervorzuheben sind hier insbesondere seine Heiratspolitik, das Mittel der Standeserhöhungen und die Verleihung allerlei wohlklingender Titel. Am wichtigsten für das Reich dürften die Verleihung der achten Kurwürde an Ernst August von Hannover 1692 und das Zugeständnis an den brandenburgischen Kurfürsten, für das nicht zum Reich gehörende Preußen seit 1701 den Titel „König in Preußen“ führen zu dürfen, gewesen sein.

Nach 1648 wurde die Position der Reichskreise weiter gestärkt und ihnen eine entscheidende Rolle in der Reichskriegsverfassung zugesprochen. So beschloß der Reichstag 1681 aufgrund der Bedrohung des Reiches durch die Türken eine neue Reichskriegsverfassung, in der die Truppenstärke der Reichsarmee auf 40.000 Mann festgelegt wurde. Für die Aufstellung der Truppen sollten die Reichskreise zuständig sein. Der Immerwährende Reichstag bot dem Kaiser die Möglichkeit, die kleineren Reichsstände an sich zu binden und für die eigene Politik zu gewinnen. Auch durch die verbesserten Möglichkeiten der Schlichtung gelang es dem Kaiser, seinen Einfluß auf das Reich wieder zu vergrößern.

Der Dualismus zwischen Preußen und Österreich

Französische Wandkarte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation "L'Empire d'Allemagne", 1770 (Nachdruck der Karte aus dem Jahr 1705) jedoch ohne das deutsche Ordensland, das einen eigenen deutschen Oststaat bildete

Ab 1740 begannen die beiden größten Staaten im deutschen Reich, die habsburgischen Erblande und Brandenburg-Preußen, immer mehr aus dem Reichsverband herauszuwachsen. Das Erzherzogtum Österreich konnte nach dem Sieg über die Türken große Gebiete außerhalb des Reiches erwerben, wodurch sich automatisch der Schwerpunkt der habsburgischen Politik nach Südosten verschob. Dies wurde besonders unter den Nachfolgern Leopolds I. deutlich. Ähnlich verhielt es sich mit Brandenburg-Preußen, auch hier lag ein Großteil des Territoriums außerhalb des Reiches. Zur zunehmenden Rivalität, die das Reichsgefüge stark beanspruchte, traten jedoch noch Änderungen im Denken der Zeit hinzu.

War es bis zum Dreißigjährigen Krieg für das Ansehen eines Herrschers sehr wichtig, welche Titel er besaß und an welcher Position in der Hierarchie des Reiches und des europäischen Adels er stand, so traten nun andere Faktoren wie die Größe des Territoriums sowie die wirtschaftliche und militärische Macht stärker in den Vordergrund. Es setzte sich die Ansicht durch, daß nur die Macht, die aus diesen quantifizierbaren Angaben resultierte, tatsächlich zähle. Dies ist nach Ansicht von Historikern eine Spätfolge des großen Krieges, in dem altehrwürdige Titel, Ansprüche und Rechtspositionen insbesondere der kleineren Reichsstände fast keine Rolle mehr spielten und fingierten oder tatsächlichen Sachzwängen des Krieges untergeordnet wurden.

Diese Denkkategorien waren jedoch nicht mit dem bisherigen System des Reiches vereinbar, das dem Reich und allen seinen Mitgliedern einen rechtlichen Schutz des Status quo gewährleisten und sie vor dem Übermut der Macht schützen sollte. Dieser Konflikt zeigt sich unter anderem in der Arbeit des Reichstages. Seine Zusammensetzung unterschied zwar zwischen Kurfürsten und Fürsten, Hocharistokratie und städtischen Magistraten, katholisch und protestantisch, aber beispielsweise nicht zwischen Ständen, die ein stehendes Heer unterhielten, und denen, die schutzlos waren. Diese Diskrepanz zwischen tatsächlicher Macht und althergebrachter Hierarchie führte zum Verlangen der großen, mächtigen Stände nach einer Lockerung des Reichsverbandes.

Aus der als Dualismus zwischen dem Königreich Preußen und dem Erzherzogtum Österreich bezeichneten Rivalität erwuchsen im 18. Jahrhundert mehrere Kriege. Die zwei Schlesischen Kriege gewann Preußen und erhielt Schlesien, während der Österreichische Erbfolgekrieg zugunsten des Erzherzogtums Österreich endete. Während des Erbfolgekrieges kam mit Karl VII. ein Wittelsbacher auf den Thron, konnte sich aber ohne die Ressourcen einer Großmacht nicht durchsetzen, so daß nach seinem Tod 1745 mit Franz I. Stephan von Lothringen, dem Ehemann Maria Theresias, wieder ein Habsburg-Lothringer gewählt wurde.

Folgen des deutschen Machtkampfes

Diese Auseinandersetzungen waren für das Reich verheerend. Preußen wollte das Reich nicht stärken, sondern für seine Zwecke gebrauchen. Die Habsburger, durch das Bündnis vieler Reichsstände mit Preußen und die Wahl eines Nichthabsburgers auf den Kaiserthron verstimmt, setzten nun viel eindeutiger als bislang auf eine Politik, die sich allein auf Österreich und dessen Macht bezog. Der Kaisertitel wurde fast nur noch wegen dessen Klang und des höheren Rangs gegenüber allen europäischen Herrschern erstrebt.

Die Reichsinstitutionen waren zu Nebenschauplätzen der Machtpolitik verkommen und die Verfassung des Reiches hatte mit der Wirklichkeit nicht mehr viel zu tun. Preußen versuchte durch Instrumentalisierung des Reichstages den Kaiser und Österreich zu treffen. Insbesondere Kaiser Joseph II. zog sich fast gänzlich aus der Reichspolitik zurück. Joseph II. hatte anfangs noch versucht, eine Reform der Reichsinstitutionen, besonders des Reichskammergerichtes, durchzuführen, scheiterte aber am Widerstand der Reichsstände, die sich aus dem Reichsverband lösen und sich deshalb vom Gericht nicht mehr in ihre „inneren“ Angelegenheiten hereinreden lassen wollten. Joseph gab frustriert auf.

Aber auch sonst agierte Joseph II. unglücklich und unsensibel. Die österreichzentrierte Politik Josephs II. während des Bayerischen Erbfolgekriegs 1778/79 und die vom Ausland vermittelte Friedenslösung von Teschen waren ein Desaster für das Kaisertum. Als die bayerische Linie der Wittelsbacher im Jahre 1777 ausstarb, erschien dies Joseph als willkommene Möglichkeit, Bayern den habsburgischen Landen einzuverleiben. Deshalb erhob Österreich juristisch fragwürdige Ansprüche auf das Erbe.

Unter massivem Druck aus Wien willigte der Erbe aus der pfälzischen Linie der Wittelsbacher, Kurfürst Karl Theodor, in einen Vertrag ein, der Teile Bayerns abtrat. Karl Theodor, der ohnehin nur widerwillig das Erbe angenommen hatte, wurde suggeriert, daß später ein Tausch mit den Österreichischen Niederlanden, die in etwa das Gebiet des heutigen Belgiens umfaßten, zustande käme. Joseph II. besetzte aber statt dessen die bayerischen Gebiete, um vollendete Tatsachen zu schaffen, und vergriff sich somit als Kaiser an einem Reichsterritorium.

Diese Vorgänge erlaubten es Friedrich II., sich zum Beschützer des Reiches und der kleinen Reichsstände und damit quasi zum „Gegenkaiser“ aufzuschwingen. Preußische und kursächsische Truppen marschierten in Böhmen ein. Im von Rußland regelrecht erzwungenen Frieden von Teschen vom 13. Mai 1779 erhielt Österreich zwar das Innviertel zugesprochen, der Kaiser stand dennoch als Verlierer da. Zum zweiten Mal nach 1648 mußte ein innerdeutsches Problem mit Hilfe ausländischer Mächte geregelt werden. Nicht der Kaiser, sondern Rußland brachte dem Reich Frieden.

Das Kaiserreich Rußland wurde neben seiner Rolle als Garantiemacht des Teschener Friedens auch eine Garantiemacht des Westfälischen Friedens und damit einer der „Hüter“ der Reichsverfassung. Das Kaisertum hatte sich selbst demontiert und der preußische König Friedrich stand als Beschützer des Reiches da. Aber nicht Schutz und Konsolidierung des Reiches waren Friedrichs Ziel gewesen, sondern eine weitere Schwächung der Position des Kaisers im Reich und damit des ganzen Reichsverbandes an sich. Dieses Ziel hatte er erreicht.

Das Konzept eines Dritten Deutschlands hingegen, geboren aus der Befürchtung der kleineren und mittleren Reichsstände zur reinen Verfügungsmasse der Großen zu verkommen, um mit einer Stimme zu sprechen und damit Reformen durchzusetzen, scheiterte am ewigen Widerspruch zwischen dem protestantischen Norden und dem katholischen Süden, dem Widerstand der Kurfürsten und der großen Reichsstände. All dies führte letztendlich auch zu einer Reichsmüdigkeit bei den kleinen, mittleren und geistlichen Ständen, die eigentlich seit jeher die Stütze des Reiches waren. Wenige Jahre später versetzte Napoleon dem Reich, das fast jegliche Widerstandskraft eingebüßt hatte, den Todesstoß.

Das Ende des Reiches

Koalitionskriege gegen Napoleon und Reichsdeputationshauptschluß

Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation anno 1789

Gegen die revolutionären Truppen Frankreichs fanden beide deutschen Großmächte im Ersten Koalitionskrieg zu einem Zweckbündnis. Dieses als Pillnitzer Beistandspakt bezeichnete Bündnis vom Februar 1792 hatte freilich den Schutz von Reichsrechten zum Ziel. Die Gelegenheit, die anderen Reichsstände hinter sich zu bringen verspielte Kaiser Franz II., der am 5. Juli 1792 in ungewohnter Eile und Einmütigkeit zum Kaiser gewählt wurde, durch den Umstand, daß er das österreichische Staatsgebiet unbedingt vergrößern wollte, notfalls auf Kosten anderer Reichsmitglieder. Und auch Preußen wollte sich für seine Kriegskosten durch die Einverleibung geistlicher Reichsgebiete schadlos halten. Dementsprechend gelang es nicht eine geschlossene Front gegen die französischen Revolutionstruppen aufzubauen und größere militärische Erfolge zu erringen.

Aus Enttäuschung über ausbleibende Erfolge und um sich besser um den Widerstand gegen die erneute Teilung Polens kümmern zu können, schloß Preußen 1795 einen Separatfrieden, den Frieden von Basel, mit Frankreich. 1796 schlossen Baden und Württemberg ebenfalls Frieden mit Frankreich. In beiden Vereinbarungen wurden die jeweiligen linksrheinischen Besitzungen an Frankreich abgetreten. Die Besitzer aber sollten auf Kosten rechtsrheinischer geistlicher Gebiete „entschädigt“ werden, diese sollten also säkularisiert werden. Weitere Reichsstände verhandelten über einen Waffenstillstand oder Neutralität.

Im Jahre 1797 schloß auch Österreich Frieden und unterschrieb den Frieden von Campo Formio, in dem es verschiedene Besitzungen innerhalb und außerhalb des Reiches abtrat, so insbesondere die österreichischen Niederlande und das Herzogtum Toskana. Als Ausgleich sollte Österreich ebenfalls auf Kosten von zu säkularisierenden geistlichen Gebieten oder anderen Reichsteilen entschädigt werden. Beide Großen des Reiches hielten sich also an anderen kleineren Reichsgliedern schadlos und räumten Frankreich sogar ein Mitspracherecht bei der zukünftigen Gestaltung des Reiches ein. Insbesondere der Kaiser, zwar als König von Ungarn und Böhmen handelnd, aber nichtsdestotrotz als Kaiser zur Bewahrung der Integrität des Reiches und seiner Mitglieder verpflichtet, hatte zugelassen, daß für die „Entschädigung“ einiger weniger andere Reichsstände geschädigt wurden, und das Kaisertum damit irreparabel demontiert.

Die Reichsdeputation von 1797/98 willigte im März 1798 gezwungenermaßen auf dem Friedenskongreß von Rastatt in die Abtretung der linksrheinischen Gebiete und die Säkularisierungen, mit Ausnahme der drei geistlichen Kurfürstentümer, ein. Der Zweite Koalitionskrieg beendete aber das Geschachere und Gefeilsche um die Gebiete, die man zu erhalten hoffte. Der Krieg wurde 1801 durch den Frieden von Lunéville beendet, in dem Franz II. nun auch als Reichsoberhaupt der Abtretung der linksrheinischen Gebiete zustimmte. In diesem Frieden traf man aber keine genauen Festlegungen für die anstehenden „Entschädigungen“. Der anschließend einberufene Reichstag stimmte dem Frieden zu.

Die Friedensvereinbarungen von Basel mit Preußen, Campo Formio mit Österreich und Lunéville mit dem Reich verlangten „Entschädigungen“, über die nur ein Reichsgesetz entscheiden konnte. Deshalb wurde eine Reichsdeputation einberufen, die diesen Entschädigungsplan ausarbeiten sollte. Letztendlich nahm die Deputation aber den französisch-russischen Entschädigungsplan vom 3. Juni 1802 mit geringen Änderungen an. Am 24. März 1803 akzeptierte der Reichstag den Reichsdeputationshauptschluß endgültig.

Als Entschädigungsmasse für die größeren Reichsstände wurden fast alle Reichsstädte, die kleineren weltlichen Territorien und fast alle geistlichen Hoch- und Erzstifte auserkoren. Die Zusammensetzung des Reiches veränderte sich schlagartig, die zuvor mehrheitlich katholische Fürstenbank des Reichstages war nunmehr protestantisch geprägt. Zwei von drei geistlichen Kurfürstentümern hatten aufgehört zu existieren, auch der Kurfürst von Mainz verlor sein Hochstift, erhielt aber als neues Kurfürstentum Aschaffenburg-Regensburg. Neben diesem gab es nur noch zwei geistliche Reichsfürsten, den Großprior des Malteserordens und den Hoch- und Deutschmeister des Deutschen Ordens. Insgesamt kostete der Reichsdeputationshauptschluß 110 Territorien die Existenz und rund drei Millionen Menschen wurden einer neuen Obrigkeit unterstellt.

Diese territoriale Neuordnung des Reiches beeinflußte die politische Landschaft Mitteleuropas weit über die drei Jahre ihrer Gültigkeit hinaus. Nach dem Normaljahr 1624 des Westfälischen Friedens wurde ein neues Normaljahr, das Jahr 1803, für die konfessionellen und vermögensrechtlichen Verhältnisse in Deutschland eingeführt und aus einer Vielzahl kleiner und kleinster Gebiete eine überschaubare Anzahl von Mittelstaaten geschaffen.

Offiziell wurde zum Zwecke der „Entschädigung“ „säkularisiert“ und „mediatisiert“. Dies kann man getrost als Euphemismus für diesen Vorgang bezeichnen, da einige wenige viel mehr erhielten als sie tatsächlich verloren hatten. Der badische Markgraf erhielt beispielsweise mehr als neunmal so viele Untertanen als er linksrheinisch abtreten mußte. Grund hierfür ist, daß Frankreich sich eine Reihe von Satellitenstaaten schuf, die groß genug waren, um dem Kaiser Schwierigkeiten zu machen, aber zu klein, um die Position Frankreichs zu gefährden.

Weiterhin hatte die Reichskirche aufgehört zu existieren, diese Besonderheit des Reiches, der Teil der Reichsfürsten, der das Reich eigentlich zu dem machte, was es war. Sie war so fest im System des Reiches verankert, daß sie sogar schon vor dem Ende des Reiches unterging. Die antiklerikalen Positionen Frankreichs hatten ihr übriges getan, zumal man damit den Kaiser einer seiner wichtigsten Machtpositionen berauben konnte. Aber auch der aufklärerische Zeitgeist und der absolutistische Allzuständigkeitswahn trugen dazu bei, daß die Reichskirche obsolet geworden war und selbst katholische Reichsfürsten Begehrlichkeiten entwickelten. Die katholischen Fürsten wurmte sowieso schon länger, daß die protestantischen Fürsten ihre jeweiligen Kirchen als Machtmittel gebrauchten.

Daß im Herbst 1803 auch die Reichsritterschaften im sogenannten Rittersturm von den umschließenden oder angrenzenden Territorien okkupiert wurden, zeigt, wie viel die Gesetze des Reiches noch galten.

Niederlegung der Reichskrone

Am 18. Mai 1804 ernannte sich Napoleon zum erblichen Kaiser der Franzosen. Mit dieser Erhöhung wollte er einerseits seine Macht festigen, andererseits seine Größe noch deutlicher sichtbar machen. Vor allem wollte er das Erbe Karls des Großen antreten und somit seinem erblichen Kaisertum eine in der Tradition des Mittelalters stehende Legitimation verschaffen. Zu diesem Zweck reiste Napoleon im September 1804 nach Aachen und besuchte den Dom und das Grab Karls des Großen.

Napoleons Tun wurde in Wien, der Residenz des Kaisers des Reiches, genau registriert. In den darauffolgenden diplomatischen Gesprächen zwischen Frankreich und Österreich forderte Napoleon am 7. August 1804 in einer geheimen Note die Anerkennung seines Kaisertums, im Gegenzug werde Franz II. als Empereur héréditaire d’Autriche (Erbkaiser Österreichs) anerkannt. Wenige Tage später wurde aus der Forderung faktisch ein Ultimatum. Dies bedeutete entweder Krieg oder Anerkennung des französischen Kaisertums. Franz lenkte ein und nahm am 11. August 1804 als Konsequenz dieses Schrittes zusätzlich zu seinem Titel als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches „für Uns und Unsere Nachfolger […] den Titel und die Würde eines erblichen Kaisers von Österreich“ an. Dies geschah offensichtlich, um die Ranggleichheit mit Napoleon zu wahren. Hierzu schien der Titel des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches allein nicht mehr geeignet, auch wenn dies wohl ein Bruch des Reichsrechts war, da er weder die Kurfürsten über diesen Schritt informierte noch den Reichstag um Zustimmung bat.

Dieser Schritt war auch vom Rechtsbruch abgesehen umstritten und wurde als übereilt angesehen, wie ein Brief von Friedrich Gentz, einem bekannten österreichischen Publizisten, an seinen Freund Fürst von Metternich deutlich macht:

„Bleibt die deutsche Kaiserkrone im österreichischen Hause – und welche Unmaßen von Unpolitik schon jetzt, wo noch keine dringende Gefahr vorhanden, öffentlich zu erkennen zu geben, daß man das Gegenteil befürchtet! – so ist jene Kaiserwürde ganz unnütz.“[5]

Napoleon ließ sich jedoch nicht mehr aufhalten. Im Dritten Koalitionskrieg marschierte seine Armee, die durch bayerische, württembergische und badische Truppen verstärkt wurde, auf Wien zu, und am 2. Dezember 1805 siegten die napoleonischen Truppen in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz über Russen und Österreicher. Der darauffolgende Frieden von Preßburg, der Franz II. und dem russischen Zaren Alexander I. von Napoleon diktiert wurde, dürfte das Ende des Reiches endgültig besiegelt haben, da Napoleon durchsetzte, daß Bayern, Württemberg und Baden mit voller Souveränität ausgestattet wurden und somit mit Preußen und Österreich gleichgestellt wurden. Diese Länder befanden sich nun faktisch außerhalb der Reichsverfassung.

Gemeinsames Aquarell „Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation“ von den deutschen Malern und Künstlern Peter Becker und Eduard Steinle aus dem Jahre 1864

Dies unterstreicht eine Äußerung Napoleons gegenüber seinem Außenminister Talleyrand:

„Es wird keinen Reichstag mehr geben; denn Regensburg soll Bayern gehören; es wird auch kein deutsches Reich mehr geben.“[6]
Das Gebiet des Heiligen Römischen Reiches im Zeitraum von 962 bis 1806 (im Hintergrund derzeitige europäische Staatsgrenzen), allerdings fehlen die Gebiete des Deutschen Ordens, der Deutschordensstaat.

Letzter Anstoß für die Niederlegung der Krone war jedoch, daß der Kurfürst von Mainz, Karl Theodor von Dalberg, den Großalmosenier des französischen Kaiserreiches, Joseph Kardinal Fesch, zu seinem Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge ernannte. Brisant war dabei, daß Dalberg außerdem Erzkanzler des Reiches und damit Haupt der Reichskanzlei, Aufseher des Reichsgerichtes und Hüter des Reichsarchives war. Der zu seinem Nachfolger ernannte Kardinal war zudem nicht nur Franzose und sprach kein Wort deutsch – er war auch der Onkel Napoleons. Wäre also der Kurfürst gestorben oder hätte sonst irgendwie seine Ämter abgegeben, so wäre der Onkel des französischen Kaisers Erzkanzler des Reiches geworden. Am 28. Mai 1806 wurde der Reichstag davon in Kenntnis gesetzt.

Der österreichische Außenminister Johann Philipp von Stadion erkannte die möglichen Folgen: entweder die Auflösung des Reiches oder eine Umgestaltung des Reiches unter französischer Herrschaft. Daraufhin entschloß sich Franz am 18. Juni zu einem Protest, der wirkungslos blieb, zumal sich die Ereignisse überschlugen:

Am 12. Juli 1806 gründeten Kurmainz, Bayern, Württemberg, Baden, Hessen-Darmstadt, Nassau, Kleve-Berg und weitere Fürstentümer mit Unterzeichnung der Rheinbundakte in Paris den Rheinbund, als dessen Protektor Napoleon fungierte, und erklärten am 1. August ihren Austritt aus dem Reich.

Bereits im Januar hatte der schwedische König die Teilnahme der vorpommerschen Gesandten an den Reichstagssitzungen suspendiert und erklärte als Reaktion auf die Unterzeichnung der Rheinbundakte am 28. Juni, daß in den zum Reich gehörenden Ländern unter schwedischer Herrschaft die Reichsverfassung aufgehoben und die Landstände und Landräte aufgelöst seien. Er führte statt dessen die schwedische Verfassung in Schwedisch-Pommern ein. Damit beendete er auch in diesem Teil des Reiches das Reichsregime. Das Reich hatte faktisch aufgehört zu existieren, denn von ihm blieb nur noch ein Torso übrig.

Die Entscheidung, ob der Kaiser die Reichskrone niederlegen sollte, wurde durch ein Ultimatum an den österreichischen Gesandten in Paris, General Vincent, praktisch vorweggenommen. Sollte Kaiser Franz bis zum 10. August nicht abdanken, dann würden französische Truppen Österreich angreifen, so wurde diesem am 22. Juli mitgeteilt.

In Wien waren jedoch schon seit mehreren Wochen Johann Aloys Josef Freiherr von Hügel und Graf von Stadion mit der Erstellung von Gutachten über die Bewahrung der Kaiserwürde des Reiches befaßt. Ihre nüchterne und rationale Analyse kam zu dem Schluß, daß Frankreich versuchen werde, die Reichsverfassung aufzulösen und das Reich in einen von Frankreich beeinflußten föderativen Staat umzuwandeln. Sie folgerten, daß die Bewahrung der Reichsoberhauptlichen Würde unvermeidlich zu Schwierigkeiten mit Frankreich führen würde und deshalb der Verzicht auf die Reichskrone unumgänglich sei.

Der genaue Zeitpunkt dieses Schrittes sollte nach den politischen Umständen bestimmt werden, um möglichst vorteilhaft für Österreich zu sein. Am 17. Juni 1806 wurde dem Kaiser das Gutachten vorgelegt. Den Ausschlag für eine Entscheidung des Kaisers gab jedoch wohl das erwähnte Ultimatum Napoleons. Am 30. Juli entschied sich Franz, auf die Krone zu verzichten; am 1. August erschien der französische Gesandte La Rochefoucauld in der österreichischen Staatskanzlei. Erst nachdem der französische Gesandte nach heftigen Auseinandersetzungen mit Graf von Stadion formell bestätigt hatte, daß sich Napoleon niemals die Reichskrone aufsetzen werde und die Unabhängigkeit Österreichs respektiere, willigte der österreichische Außenminister in die Niederlegung der Reichskrone ein, die am 6. August verkündet wurde.

In der Abdankung heißt es, daß der Kaiser sich nicht mehr in Lage sieht, seine Pflichten als Reichsoberhaupt zu erfüllen, und dementsprechend erklärte er:

[…], daß Wir das Band, welches Uns bis jetzt an den Staatskörper des deutschen Reichs gebunden hat, als gelöst ansehen, daß Wir das reichsoberhauptliche Amt und Würde durch die Vereinigung der conföderirten rheinischen Stände als erloschen und Uns dadurch von allen übernommenen Pflichten gegen das deutsche Reich losgezählt betrachten, und die von wegen desselben bis jetzt getragene Kaiserkrone und geführte kaiserliche Regierung, wie hiermit geschieht, niederlegen.“

Und der Kaiser überschritt ein letztes mal seine Kompetenzen als Reichsoberhaupt. Franz legte nicht nur die Krone nieder, sondern er löste das Reich als Ganzes auf, hierzu wäre aber die Zustimmung des Reichstages nötig gewesen, denn er verkündete auch:

„Wir entbinden zugleich Churfürsten, Fürsten und Stände und alle Reichsangehörigen, insonderheit auch die Mitglieder der höchsten Reichsgerichte und die übrige Reichsdienerschaft, von ihren Pflichten, womit sie an Uns, als das gesetzliche Oberhaupt des Reichs, durch die Constitution gebunden waren.“

Er löste auch die zu seinem eigenen Herrschaftsbereich gehörenden Länder des Reiches aus diesem heraus und unterstellte sie allein dem österreichischen Kaisertum.

Die Auflösung des Reiches war nach damaligem Recht nicht gültig. Franz hätte zwar das Recht gehabt, ad personam auf die Krone zu verzichten und abzudanken; als „Mehrerer des Reiches“ hatte er nach Einschätzung von Rechtshistorikern jedoch nicht das Recht, das Reich selbst für erledigt zu erklären.

Es fehlte aber am politischen Willen und auch an der Macht, das Reich zu bewahren. Das Ende des Reiches wurde international anerkannt.

Freiheitskriege

Wiener Kongreß und Deutscher Bund

Nach den Befreiungskriegen ab 1812/1813 und dem abschließenden Wiener Kongreß im Jahre 1815 schlossen sich die deutschen Einzelstaaten zum Deutschen Bund zusammen. Zuvor, im November 1814, hatten jedoch 29 Souveräne kleiner und mittlerer Staaten folgenden Wunsch an den Kongreß gerichtet:

„[...] die Wiedereinführung der Kaiserwürde in Deutschland bei dem Comité, welches sich mit der Entwerfung des Planes zu einem Bundesstaat beschäftigt, in Vorschlag zu bringen.“[7]

Grundlage dieser Petition dürfte kaum patriotischer Eifer gewesen sein. Eher kann davon ausgegangen werden, daß diese die Dominanz der durch Napoleon zu voller Souveränität und Königstiteln gelangten Fürsten, beispielsweise der Könige von Württemberg, Bayern und Sachsen, fürchteten.

Aber auch darüber hinaus wurde die Frage, ob ein neuer Kaiser gekürt werden solle, diskutiert. So existierte u. a. der Vorschlag, daß die Kaiserwürde zwischen den mächtigsten Fürsten im südlichen Deutschland und dem mächtigsten Fürsten in Norddeutschland alternieren solle. Im allgemeinen wurde jedoch von den Befürwortern des Kaisertums eine erneute Übernahme der Kaiserwürde durch Österreich, also durch Franz I., favorisiert.

Da aber aufgrund der geringen Macht der Befürworter der Wiederherstellung – der kleinen und mittleren deutschen Fürsten – nicht zu erwarten war, daß der Kaiser in Zukunft die Rechte erhielte, die diesen zu einem tatsächlichen Reichsoberhaupt machen würden (→ Kleinstaaterei), lehnte Franz die angebotene Kaiserwürde ab. Dementsprechend betrachteten Franz I. und sein Kanzler Metternich diese in der bisherigen Ausgestaltung nur als eine Bürde. Auf der anderen Seite wollte Österreich aber den Kaisertitel für Preußen oder einen anderen starken Fürsten nicht zulassen.

Der Wiener Kongreß ging auseinander, ohne das Kaisertum erneuert zu haben. Daraufhin wurde am 8. Juni 1815 der Deutsche Bund als lockere Verbindung der deutschen Staaten gegründet. Das Kaisertum Österreich führte den Deutschen Bund bis 1866 als Präsidialmacht.

Siehe auch

Literatur

  • Ulrich Schwarze: Die Deutschen und ihr Staat 800–1990. 4 Bände, Hohenrain, Veröffentlichungen der Stiftung Kulturkreis 2000, ISBN 978-3-89180-100-0, Gesamtwerk [1696 S.]
  • Horst Petersen: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. Entstehung und Geschichte. Grabert Verlag 2011, ISBN 978-3-87847-255-1
  • Karl Zeumer (1849–1914): Heiliges römisches Reich deutscher Nation, 1910
  • Karl O. von Aretin: Das Reich, Friedensgarantie und europäisches Gleichgewicht 1648–1806, Klett-Cotta 1986, ISBN 978-3-608-91074-2
  • Menno Aden: Staatsgründungen und Staatenreformer aus dem germanischen und deutschen Kulturraum. Eckartschrift 237, ISBN 978-3-902350-74-9 [108 S.]

Verweise

Weltnetz

Fußnoten

  1. „Wo auch im Heil. Reich Teutscher Nation, in was Oberherrlichkeiten und Gebieten das wäre, jemands zu Roß und Fuß gefährlich halten, reiten oder ziehen gesehen ... würde ...“ (Abschied des Augsburger Reichtages, 25. September 1555, § 40, zit. nach Zeumer 1904, 290) - „Und dieweil jetzt angeregte Reisige und Fußknecht an vielen Orten Teutscher Nation leichtlich aus einem Gebiet in das ander kommen ...“ (a.a.O., § 41, S. 290)
  2. Abschied des Reichstags zu Regensburg vom 17. Mai 1654 (Jüngster Reichsabschied/Recessus Imperii Novissimus, RIN)
  3. Auch ottonische Kaiserkrone genannt, da sie wahrscheinlich zur Kaiserkrönung Ottos des Großen (962) gefertigt wurde.
  4. Besonders in der mittelalterlichen Heraldik sind Lebewesen als Symbol für Heilige nimbiert dargestellt, wie z. B. das Osterlamm (im Wappen des Bistums Brixen), der Reichsadler (Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation) und der Markuslöwe (Venedig).
  5. zitiert nach Ernst Kubin: Die Reichskleinodien, Ihr tausendjähriger Weg, Wien und München 1991, ISBN 3-85002-304-4, S. 129
  6. zitiert nach Kubin, S. 131
  7. zitiert nach Kubin, S. 156