Deutsch-russische Beziehungen
Die deutsch-russischen Beziehungen beziehungsweise russisch-deutschen Beziehungen benennen die politischen Wechselwirkungen zwischen Deutschland und Rußland, welche in direktem Zusammenhang mit den europäisch-russischen beziehungsweise russisch-europäischen Beziehungen stehen. Die Anzettelung der Russischen Revolution sowie die Entfesselung des Ersten Weltkrieges führten zu einer schwerwiegenden Beschädigung der bilateralen Beziehungen.
Diese Schäden konnten bislang nicht überwunden werden, insbesondere weil die deutsch-russischen Beziehungen von deutscher Seite maßgeblich von den geopolitischen Absichten der von den USA dominierten Westalliierten beeinflußt werden. Dies ist dem Umstand zu verdanken, daß es sich bei der Bundesrepublik Deutschland um ein von letzteren installiertes Besatzungskonstrukt handelt.
Die Russische Föderation unter ihrem langjährigen Präsidenten Wladimir Putin setzte sich, so schien es, nachhaltig für eine Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen ein.[1] Der russische Überfall auf die Ukraine 2022 jedoch zeichnete nicht nur einen Tiefpunkt der deutsch-russischen Beziehungen, sondern auch der Beziehung Rußlands zum Westen insgesamt auf.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Erläuterung
- 2 Bilaterale Beziehungen im Schatten der US-amerikanischen Geopolitik
- 3 Geschichte und Wesen
- 4 Betrachtung der bilateralen Beziehungen im Wandel der Zeitgeschichte
- 5 Bilaterale Verständigung über deutsch-russische Kriegsgräbersuche in Halbe bei Berlin
- 6 Zitate
- 7 Siehe auch
- 8 Verweise
- 9 Fußnoten
Erläuterung
Die deutsch-russischen Beziehungen sind maßgeblich geprägt worden von den preußisch-russischen Beziehungen, aber auch den trilateralen Beziehungen zwischen Österreich, Preußen und Rußland (→ Heilige Allianz). Die Beziehungen erfuhren seit der Regentschaft von Zar Peter dem Großen eine Blütezeit. Mit Entfesselung des Zweiten Dreißigjährigen Krieges und Inszenierung der maßgeblich von Lenin geprägten Russischen Revolution erlitten die deutsch-russischen Beziehungen eine drastische Verschlechterung bis hin zur militärischen Feindschaft, was sehr im geopolitischen Interesse der USA lag.
Bilaterale Beziehungen im Schatten der US-amerikanischen Geopolitik
Spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist es ein Hauptziel der VS-amerikanischen Weltpolitik, ein deutsch-russisches Bündnis zu verhindern.[2] Die Vorgeschichte und der Ablauf des Zweiten Dreißigjährigen Krieges bestätigen diese Absicht, welche über den Kalten Krieg bis zum heutigen Tage ihre Verwirklichung erfährt. Aufgrund der Einbindung des bundesdeutschen Besatzungskonstruktes in die US-amerikanisch dominierte Einflußsphäre kann die BRD russischen Ansätzen zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen nur äußerst begrenzt bis gar nicht entsprechen. Passend zu ihrer langjährigen Tradition stets eine deutsche-russische Annäherung zu verhindern, fördern die USA eine nachhaltige Beschädigung der deutsch-russischen Beziehungen, beispielsweise wenn sie der BRD ein starkes Engagement im angeblich erforderlichen Kampf gegen Rußland in Osteuropa auferlegen.[3] Auch die anhaltende schwarze Propaganda der BRD bezüglich angeblicher russischer Bedrohungen und Völkerrechtsverletzungen (→ Ukraine-Krise), die Beteiligung an EU-Sanktionen gegen die Russische Föderation, die dauerhafte Mitwirkung bei der derzeit äußerst umfangreichen Ausweitung der militärischen Präsenz der USA und NATO in Osteuropa (→ Operation Atlantic Resolve) sowie die bedingungslose Solidarität mit Großbritannien im Fall Skripal sind einer friedlichen, bilateralen Entwicklung der deutsch-russischen beziehungsweise europäisch-russischen Beziehungen vollkommen abträglich. Die massive VS-amerikanische und westalliierte Militarisierung nahe der russischen Staatsgrenzen provoziert die Entfesselung eines neuerlichen, mithin Dritten Weltkrieges.
Geschichte und Wesen
Das spätere Russische Kaiserreich (noch als Kiewer Rußland[4] sowie selbsternanntes Großfürstentum, aber eigentlich Herzogtum Moskau,[5] dann ab 1547 Zarentum Rus) stand immer wieder machtpolitisch in Rivalität zum germanischen Ostfrankenreich (wenn auch vorerst nicht im kriegerischen Sinne, wie es z. B. bei den Magyaren war) und später zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, wobei insbesondere das Königreich Preußen als starker Konkurrent betrachtet wurde. Gleichzeitig verwahrten sich die Waräger bzw. Rus gegen die römisch-christliche Missionierung aus dem Westen, nahmen aber Innovationen des Siedlungsbaues und der Landwirtschaft gerne an.
So sind ab Ende des 9. und Anfang des 10. Jahrhundert Handelsbeziehungen zwischen Rus und Mittel- sowie Süddeutschland urkundlich überliefert. Zum Bruch mit Westeuropa kam es aber erst im 13. Jahrhundert mit dem Einfall der Tataren, dem die russischen Fürstentümer keinen wirksamen Widerstand entgegensetzen wollten oder konnten. Rußland wurde den Mongolen tributpflichtig und gehörte nun zum Teilreich der „Goldenen Horde“. Es entstand das tatarische Rußland, welches die Fürstentümer des Zentrums, Ostens und Südens umfaßte und die mongolische Oberhoheit anerkannte. Dies bedeutete eine große Gefahr für die Ostgrenze des ersten deutschen Reiches.[6]
Schon im Zweiten Nordischen Krieg (1655–1660) waren die Ziele der Brandenburgischen Armee an der Seite von Schweden ein Dorn im Auge der Polen und Russen. Im Siebenjährigen Krieg hatten die Russen begriffen, daß sie gegen die Deutschen nicht siegen konnten, so kämpfte die Kaiserlich-russische Armee an der Seite des Erzherzogtums Österreich (mit der Reichsarmee) und Frankreich gegen Preußen. Den Russen behagte jedoch der deutsche Dualismus nicht; schon im Dritten Koalitionskrieg hatten sie Napoleon als wahre Gefahr erkannt, und im Vierten Koalitionskrieg kämpften die Kaiserlich-russischen Truppen an der Seite der Preußen.
Napoleons Rußlandfeldzug, vorwiegend mit zwangsverpflichteten deutschen Truppenverbänden, ließ den russischen Kaiser endgültig erkennen, wer der Weltenfeind war. Es hatte ihn beeindruckt, daß aus dem ganzen Deutschen Reich Freiwillige in die russische Steppe kamen, um gegen Napoleon zu kämpfen. Eine Zusammenarbeit gelang auch sprachlich mühelos, da viele Stabsoffiziere und Generäle Deutsche oder Baltendeutsche in russischen Diensten waren. Deutsche waren der Russisch-Deutschen Legion beigetreten, darunter als General-Quartiermeister Carl von Clausewitz, der bei der Preußischen Armee (die nach der Niederlage Napoleon vertraglich verpflichtet war) nun, bis zur gewissensbefreienden Konvention von Tauroggen, als Fahnenflüchtiger galt. In den Befreiungskriegen und beim Sommerfeldzug von 1815 kämpften Deutsche und Russen Seite an Seite. Die Erfahrungen im Kampf gegen Napoleon führten auch zur Heiligen Allianz, einem Bündnis zwischen dem einstigen römisch-deutschen Kaiser Franz I., König Friedrich Wilhelm III. und Kaiser Alexander I.. Das solidarisierende Element der Fürstenhäuser blieb bis zum Ersten Weltkrieg trotz Schwierigkeiten erhalten. Kerngedanke der Heiligen Allianz war die Sicherung eines „Ewigen Friedens“:
- „Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreieinigkeit! Ihre Majestäten, der Kaiser von Österreich, der König von Preußen und der Zar von Rußland haben infolge der großen Ereignisse, die Europa in den letzten drei Jahren erfüllt haben, und besonders der Wohltaten, die die göttliche Vorsehung über die Staaten ausgegossen hat, deren Regierungen ihr Vertrauen und ihre Hoffnungen auf sie allein gesetzt haben, die innere Überzeugung gewonnen, daß es notwendig ist, ihre gegenseitigen Beziehungen auf die erhabenen Wahrheiten zu begründen, die die unvergängliche Religion des göttlichen Erlösers lehrt. Sie erklären daher feierlich, daß die gegenwärtige Vereinbarung lediglich den Zweck hat, vor aller Welt ihren unerschütterlichen Entschluß zu bekunden, als die Richtschnur ihres Verhaltens in der inneren Verwaltung ihrer Staaten sowohl als durch in den politischen Beziehungen zu jeder anderen Regierung alleine die Gebote der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens, die, weit entfernt, nur auf das Privatleben anwendbar zu sein, erst recht die Entschließung der Fürsten direkt beeinflussen und alle ihre Schritte lenken sollen, damit sie so den menschlichen Einrichtungen Dauer verleihen und ihren Unvollkommenheiten abhelfen.“
Für Otto von Bismarck war Rußland der natürliche Verbündete des Deutschen Reiches. Auch Kaiser Wilhelm II. achtete die Russen, sah jedoch die Gefahren für den Osten Deutschlands, insbesondere begriff er die Gefahr eines russischen Einfalls nach Ostpreußen – was sich 1914 bewahrheiten sollte (→ Schlacht bei Tannenberg) –, gleichzeitig fühlte er sich durch Familienbande doch mehr England verbunden, was sich an der Westfront rächen sollte.
Türkengefahr und Zarentitel
- „Niemals zuvor war Rußland so aktiv und bedeutend in den Gesichtskreis des Abendlandes getreten wie im Jahrzehnt der akuten ‚Türkengefahr‘ und der von ihr ausgelösten europäischen Einigungsbestrebung. Das Interesse an der gemeinsamen Türkenabwehr veranlaßte die Moskauer Regierung 1672 zu diplomatischen Schritten bei den wichtigsten europäischen Mächten. [...] Livland, Dänemark, Schweden und England erkannten den Zarentitel der russischen Herrscher nach der Krönung Ivans IV. 1547 problemlos an. 1562 folgte die Ökumenische Synode, wenn auch erst nach einer Aufforderung russischerseits mit der Anerkennung Ivan IV. als
Zar. Die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation wehrten sich, obwohl Maximilian I. bereits 1514 Vassilij III. als ‚Zar‘ und ‚Imperator‘ bezeichnet hatte, 70 Jahre gegen die Anerkennung des russischen Zarentitels. Erst 1617 erkannte Kaiser Matthias Michail Romanov als Zar an. Sehr viel schwerer und noch langwieriger gestaltete sich die Anerkennung des russischen Zarentitels in der Beziehung zu Polen – Litauen.“[7]
Einfluß der Rußlanddeutschen
Schon vor Peter dem Großen (der Minister und Ratgeber aus Deutschland einstellte) waren Deutsche ins Russische Reich gekommen, dies nahm nach dem Amtsantritt der deutschen Adligen Katharina II. als Kaiserin stark zu.
- „Die Deutschen machten einen bemerkungswerten Teil der Republiken Nowgorod und Pskow aus. Die im Nowgoroder Staatsmuseum aufbewahrte Birkenrindenurkunde Nr. 753 beinhaltet den auf einer germanischen Mundart abgefassten Zauberspruchtext. Das Schriftstück entstand voraussichtlich zwischen 1050 und 1075. Die Deutschen nahmen am gesellschaftlichen und religiösen Leben Osteuropas teil. Der geistige Werdegang des Lübecker Kaufmannes Jacob Potharst stellt in diesem Zusammenhang ein krasses Beispiel dar. 1243 ließ er sich in Nowgorod nieder, wo er zu Wohlstand und Reichtum kam. Später verteilte er sein Vermögen an die Armen, um fortan auf Kirchentreppen und Müllhalden als Narr in Christo zu leben. Er soll am 3. Juli 1290 durch seine Gebete die Stadt Weliki Ustjug vor dem Untergang durch den Meteoriteneinschlag bewahrt haben. Jacob Potharst wird als Heiliger der Russisch-orthodoxen Kirche, Prokop von Ustjug – den ersten russischen Jurodiwy (Narr in Christo), verehrt. Am 22. März 1489 beauftragte der Großfürst von Moskau Iwan III. seine Gesandten, deutsche Fachleute im Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (weiter – Deutsches Imperium) anzuwerben. Man brauchte einen ‚Bergmeister, um die Gold- und Silbervorkommen aufzusuchen‘, ‚einen Pionier, der Festungen einnehmen könnte‘, ‚einen gekonnten Kanonier‘ und ‚einen erfahrenen Baumeister, der Paläste bauen könnte‘. Das ist die erste dokumentierte Einladung der fachkundigen Deutschen nach Russland, die dem Imperator des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, Friedrich III. und seinem Sohn, dem römisch-deutschen König Maximilian I. übermittelt wurde. Bemerkenswert, dass Iwan III., dessen großfürstlicher Titel, der europäischen Adelshierarchie gemäß, nur dem Rang des Herzogs entsprach, wurde im Bündnisvertrag mit dem römisch-deutschen König Maximilian I. vom 16. August 1490 königähnlich als ‚von Gottes Gnaden einziger Fürst und Herr in Russland‘ tituliert. Drei Jahre später, am 6. Mai 1492, ließ Iwan III. durch seine Boten, Juri Trachaniot und Michail Eropkin-Kljapik, einen der mächtigsten Herrscher des Deutschen Imperiums, Kurfürsten Friedrich von Sachsen, bitten, seinen untertänigen Handwerken zu gestatten, sich in Russland anzusiedeln. Der Großfürst war bereit, dem deutschen Kurfürst mit Allem zu dienen, was sein Land erzeugte: ‚Von der Tätigkeit der Letzteren versprach sich Iwan besonders viel, und zwei derselben entsprachen auch seinen Erwartungen im vollen Maße. Johann und Victor, nur ihre Vornamen haben die russischen Annalen aufbewahrt, waren in Begleitung zweier Russen an die Ufer der Petschora gezogen, um Silber zu suchen; was sie hier nicht fanden, trafen sie dreihundert Werst südwestlich an der Zylma, einem Nebenfluss der Petschora. Auf einem Flächenraum von zehn Werst entdeckten sie eine Silber- und eine Kupfermine, deren Erträgnisse den Großfürsten bald in den Stand setzten, aus heimatlichem Silber Münzen schlagen zu können, während er bis dahin die Edelmetalle vom Auslande bezogen hatte.‘“[8]
Die Rußlanddeutschen wurden in der Politik, aber vor allem in der Industrie, der Landwirtschaft und dem Militär zum wichtigen Machtfaktor, was vielen Russen jedoch zu Ressentiments verleitete. Die Mitglieder des deutschen Hauses Romanow-Holstein-Gottorp fundierten den Machteinfluß um so mehr.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts lebten 270.000 Schwarzmeerdeutsche in dreimal so vielen Dörfern wie die über 400.000 Wolgadeutschen. Um die Hauptsiedlungsgebiete herum, aber auch weit entfernt davon in Sibirien und Kasachstan, waren Tochterkolonien entstanden. Der Anteil der Deutschen in Rußland wuchs durch die Zuwanderung aus dem ehemals polnischen Grenzgebiet nach Wolhynien noch weiter an. Diese in nationalistischen russischen Kreisen als „Germanisierung“ bezeichnete Entwicklung und dazu noch der Neid gegenüber den durchschnittlich wohlhabenderen Rußlanddeutschen in den Städten und Südrußland verstärkte die antideutsche Stimmung im Lande.
Betrachtung der bilateralen Beziehungen im Wandel der Zeitgeschichte
Russische Revolution und Erster Weltkrieg
Die im Zuge der Russische Revolution in das russische Kaiserreich getragenen, umstürzlerischen Vorkommnisse hatten eine schwerwiegende Beschädigung der zuvor weitgehend friedlich geprägten deutsch-russischen Beziehungen zur Folge und zudem maßgeblichen Einfluß auf die Entfesselung des vornehmlich gegen das Deutsche Reich gerichteten Zweiten Dreißigjährigen Krieges.
Als der Erste Weltkrieg ausbrach, wurden die Rußlanddeutschen – aus deren Reihen immerhin 300.000 Soldaten in der Kaiserlich Russischen Armee kämpften – als „potentieller Verräter“ und „innerer Feind“ bekämpft. 1914 verbot der letzte Kaiser, Nikolaus II. (1894–1917), u. a. den Gebrauch der deutschen Sprache in der Öffentlichkeit. Vorerst letztmalig gemeinsam kämpften Deutsche (Eiserne Division und Baltische Landeswehr) und Russen (russische Westarmee unter Fürst Awaloff-Bermondt) gemeinsam bei den Freikorps gegen die Bolschewisten im Baltikum.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Die Etablierung und aggressive Ausbreitung des völkerverachtenden, auch das russische Volk verachtenden Sowjet-Bolschewismus wurde während des Zweiten Weltkrieges zu einer ernsthaften Bedrohung für das nationalsozialistische Deutschland und das übrige noch nicht bolschewisierte Europa, weshalb das präventiv motivierte Unternehmen „Barbarossa“ unumgänglich wurde. Hierbei hatte die deutsche Wehrmacht unter Mitwirkung zahlreicher freiwilliger Waffen-SS-Verbände aus etlichen europäischen und außereuropäischen Staaten[9] die vollständige Bolschewisierung Europas mit einem multinationalen Opfergang verhindern können. Es kämpften aber auch zahlreiche russische Freiwillige bei Wehrmacht und Waffen-SS, so auch in der 1. Kosaken-Division. Die z. T. unaussprechlichen Verbrechen der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg gegen das zivile deutsche Volk, die Morde, die Folterungen, die Vergewaltigungen und die Demütigungen, sollte das Verhältnis der (West-)Deutschen (die Bürger der von den Sowjets besetzten DDR mußten sich, teilweise auch willig, uneingeschränkt fügen) zu den Russen auf Jahrzehnte hinaus belasten.
Die Russische Föderation steht nicht in der völkerverachtenden Tradition des vormals existenten Sowjet-Bolschewismus. Da letzterer das russische Volk für seine völkerzerstörenden, vor allem gegen Deutschland gerichteten Kriegsabsichten mißbrauchte, ist es unpassend und einer positiven Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen abträglich, dem russischen Volk diesbezüglich Schuld anzulasten. Vielmehr wurden Deutsche und Russen gleichermaßen Opfer der zwischen ihnen während des Zweiten Weltkrieges so schrecklich eskalierten Kampfhandlungen, wie sie insbesondere aus den geheimen Vereinbarungen zwischen Churchill und Stalin resultierten (→ Unternehmen „Barbarossa“).
Unterdessen wurden manche der nach dem Fall des Eisernen Vorhangs auf Grundlage des 1991 erlassenen Dekrets[10] rehabilitierten[11] deutschen Offiziere,[12] die von den Bolschewisten in der Nachkriegszeit als „Kriegsverbrecher“ verurteilt und nicht selten gefoltert und durch Hinrichtung ermordet wurden, erneut kriminalisiert und die Rehabilitierungsbescheinigung durch die zuständige Hauptmilitärstaatsanwalt in Moskau zurückgezogen, neuen Anträgen wird nicht mehr stattgegeben, wie der russische Chefmilitärstaatsanwalt Sergej Fridinski 2014 kundtat:
- „Russland erhält aus Deutschland immer mehr Anträge auf Rehabilitation einstiger Kriegsverbrecher. [...] Fridinski sagte in dem am Dienstag veröffentlichten Interview, von Januar bis September 2014[13] habe die russische Militärstaatsanwaltschaft insgesamt 117 Anträge auf Rehabilitation aus Deutschland erhalten. Das zuständige Bezirksmilitärgericht habe in diesem Zeitraum mindestens 24 Fälle ins Visier genommen. Unter den Antragstellern gebe es sowohl Zivilisten als auch ehemalige SS-Leute und Wehrmachtsoldaten, denen Kriegsverbrechen vorgeworfen worden waren. Das Gericht habe allerdings keinen dieser Menschen rehabilitiert. Generell nehme die Zahl solcher Anträge auf Rehabilitation mit jedem Jahr zu. ‚Viele Anträge betrachten wir als Versuch, die Narben der Vergangenheit zu glätten. Manchmal geht es aber um einen unverhohlenen Wunsch, das NS-Regime zu rechtfertigen. Dieser Trend ist leider mancherorts im Westen zu beobachten. Solche Anträge gehen aus unserer Sicht darauf zurück, dass man entweder die wahren Umstände der Nazi-Gräueltaten nicht kennt oder versucht, die Kriegsverbrecher als einfache Vollzieher eines fremden Willens zu präsentieren‘, so Fridinski.“[14]
Ebenso sind Archive, Depots und Bibliotheken der Russen auch noch heute voller Beute- und Diebesgut aus Deutschland belegt, nur selten werden einzelne Stücke zurückgeführt, so im Jahre 2002 die Glasfenster aus der Marienkirche in Frankfurt an der Oder.[15] Per völkerrechtswidrigem Gesetz der Duma von 1997 wurde die Beutekunst in Rußland zum Teil einer Wiedergutmachung für Kriegsverluste an Kulturgütern und somit zum Staatseigentum erklärt. Deutschland verlangt z. B. seit Jahrzehnten die Rückgabe des „Goldschatzes von Eberswalde“ aus der Bronzezeit der Urgermanen. Rußland lehnt dies mit dem Argument ab, die Kunstschätze seien mit dem Blut sowjetischer Soldaten bezahlt worden.[16][17]
Die Russische Föderation hat sich bis heute (Stand: 2018) geweigert, als Nachfolgestaat der UdSSR sich für die Kriegsverbrechen der Roten Armee, die Massenvergewaltigungen und die Millionen toten deutschen Vertriebenen und Kriegsgefangenen zu entschuldigen oder zumindest das Unrecht staatspolitisch anzuerkennen.
Begrüßenswert ist die allmähliche Veröffentlichung von Akten der deutschen Reichsregierung, welche zum Ende des Zweiten Weltkrieges von den Sowjetbolschewisten erbeutet wurden. Zu diesem Zweck wurde im Jahre 2011 das wissenschaftlich begleitete Russisch-deutsche Projekt zur Digitalisierung deutscher Dokumente in den Archiven der russischen Föderation[18] ins Leben gerufen. Der russische Präsident Wladimir Putin hat bei seiner auf deutsch gehaltenen Rede im BRD-Bundestag am 25. September 2001[19] versöhnliche Gesten zur Konsolidierung und neuen Befruchtung der deutsch-russischen Beziehungen ausgesandt.
Bilaterale Verständigung über deutsch-russische Kriegsgräbersuche in Halbe bei Berlin
- „7. September 2010: Halbe, 65 Jahre nach der Kesselschlacht. Ein schöner Herbsttag, die Sonne strahlt am blauen Firmament. Es scheint, als sei dieser Ort immer so friedlich, so beschaulich gewesen – wenn nicht die vielen Grabsteine wären. Über 25 000 Mann haben auf dem Waldfriedhof in Halbe ihre letzte würdige Ruhestätte gefunden. Heute, an diesem besonderen Tag kommen 45 Kameraden hinzu – einige von ihnen konnten sogar noch identifiziert werden. Wieder stehen russische und deutsche Soldaten an diesem Ort. Aber sie stehen diesmal nicht gegeneinander, sondern miteinander. Die jungen Russen, zumeist Wehrpflichtige, gehören dem Suchbataillon 90 aus Mga in der Nähe St. Petersburgs an. Unter dem Kommando von Oberstleutnant Wladimir Iljitsch Mansurov sind sie nach Berlin und Brandenburg gekommen, um an verschiedenen Orten Gräber zu pflegen. Ihre deutschen Kameraden sind Wehrpflichtige und Zeitsoldaten des Wachbataillons in Berlin, die sich freiwillig zu diesem Einsatz unter dem Kommando von Oberstleutnant Carsten Heldt gemeldet haben. Organisiert wird der Arbeitseinsatz von Max-Georg Freiherr von Korff vom Volksbund und dem Standortkommando Berlin. Den jungen Russen ist die Arbeit des Volksbundes vertraut, denn so wie die Mitarbeiter des Volksbundes deutsche Gefallene bergen und umbetten, versucht das Suchbataillon 90 sowjetische Gefallene in Russland zu finden und ihnen eine letzte Ruhestätte zu geben. Für gut 12 Tage sind die russischen Soldaten in der Hauptstadtregion. Die Verständigung klappt prima – und das liegt nicht nur an Ralf Müller, dem freundlichen Dolmetscher – sondern auch daran, dass unter den Deutschen vier russische Muttersprachler sind. So sind in den gemeinsamen Tagen aus guten Kameraden sogar Freunde geworden, die zusammen das Berliner Nachtleben erkundet haben – sehr zur Freude von Volksbundpräsident Reinhard Führer, den die ungewohnte Freizügigkeit der russischen Führung überrascht hat.“[20]
Zitate
- „Immer wenn Deutschland und Rußland zusammengearbeitet haben, ist es unseren Völkern gut bekommen. Laßt uns anknüpfen an die Gemeinsamkeiten in unserer Geschichte, laßt uns wirken für eine gemeinsame Zukunft!“ — Jürgen Rieger, Hamburg im Februar 2006[21]
- „Die Deutschenfeindlichkeit im russischen Reich verschärfte sich dann mit Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 noch einmal entschieden. Auf der anderen Seite läßt sich die früher als in den USA einsetzende anti-deutsche Kampagne in Rußland ganz pragmatisch durch den früheren Beginn der Kriegshandlungen zwischen Rußland und Deutschland erklären.“ – Susanne Janssen[22]
- „Die Erinnerung an 27 Millionen durch den faschistischen Krieg ermordete Bürgerinnen und Bürger der Sowjetunion, darunter viele Russinnen und Russen, sollte bestimmend für den besonderen Stellenwert der deutsch-russischen Beziehungen sein. Der Anti-Hitler-Koalition und den Ländern der Sowjetunion als Teil dieser Koalition verdankt Europa und verdankt Deutschland in besonderem Maße die Befreiung vom Hitlerfaschismus.“ — Die postkommunistische Linkspartei will keine bilaterale Beziehungen auf Augenhöhe, sondern immerwährende Kapitulation und Dienerschaft der Deutschen gegenüber Rußland[23]
- „Vorausgeschickt: Ich bin kein Freund von Putin. Wie ich auch kein Freund von Obama bin. Beide sind Sachwalter oligarchischer Interessen. Und ich bin kein Freund von Oligarchen. – Ich bin ein Freund des echten Journalismus. Ein Freund solcher Kollegen, die sich den Verstand weder von ihren Abhängigkeitsverhältnissen noch von ihren eigenen Vorurteilen trüben lassen. Der Wunsch nach solchen Freunden macht einsam.“ — Uli Gellermann[24]
- „Ich bin nicht dafür, alle Generationen von Deutschen dazu zu zwingen, sich Asche aufs Haupt zu streuen und sich für die schreckliche Vergangenheit zu geißeln, die ihr Land sowie ganz Europa und die ganze Welt erlebt hat.“ – Staatschef Putin im Dokumentarfilm „Putin“[25]
Siehe auch
- Freundschaftszug • Rückversicherungsvertrag
- Oktoberrevolution 1917 • Rußlanddeutsche
- Konvention von Tauroggen • Baltikumkämpfer
- Nordstrom • Neue Seidenstraße • Rapallo-Komplex
- Westliche Sanktionen gegen die Krim 2015
- Russisch-chinesische Beziehungen
Verweise
- Handel schrumpft seit 2014. Russland-Sanktionen zeigen Wirkung, n-tv, 9. Januar 2018