Gilbert, Gustave Mark
Gustave Mark Gilbert (geb. 30. September 1911 in New York City, Neuyork; gest. 6. Februar 1977 in Manhasset, Neuyork) war ein in den USA ansässiger Jude, der als Gefängnispsychologe beim Nürnberger Tribunal eingesetzt war und als solcher zeitweilig internationale Bekanntheit erlangte.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Gustave M. Gilbert stammte von Juden aus Österreich ab und wurde in Neu York geboren. Im Jahre 1939 promovierte er an der Columbia University in Psychologie und war während des Zweiten Weltkrieges im Range eines First Lieutenants als Mitarbeiter des Nachrichtendienstes der US-Armee in Europa stationiert. Gilbert sprach deutsch, 1945 entsandte man ihn als Übersetzer und Gefängnispsychologen an den Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg, wo er dort die Angeklagten des ersten Nürnberger Prozesses „betreute“. 1947 brachte Gilbert das Buch Nürnberger Tagebuch heraus, in dem er über seine Eindrücke von und angebliche Gespräche mit den Angeklagten berichtet.
1954 gab man Gilbert einen Posten als Associate Professor am Michigan State College, 1961 stand er dem Psychologischen Institut an der Long Island University in Brooklyn, New York, vor. Am 29. Mai 1961 trat er als „Zeuge“ im Eichmann-Prozeß in Jerusalem auf. Er sagte dort aus, wie die mit ihm vertrauten höchstrangigen Nürnberger Angeklagten die Tätigkeit Eichmanns beschrieben hätten.
Psychologische Tests beim Nürnberger Tribunal
Die von Gilbert beim Nürnberger Tribunal an den Angeklagten durchgeführten Tests des Intelligenzquotienten hatten angeblich folgende Ergebnisse:[1]
Angeklagter | IQ |
---|---|
Schacht, Hjalmar | 143 |
Seyss-Inquart, Arthur | 141 |
Göring, Hermann | 138 |
Dönitz, Karl | 138 |
von Papen, Franz | 134 |
Raeder, Erich | 134 |
Frank, Hans | 130 |
Fritzsche, Hans | 130 |
Schirach, Baldur von | 130 |
Ribbentrop, Joachim von | 129 |
Keitel, Wilhelm | 129 |
Speer, Albert | 128 |
Jodl, Alfred | 127 |
Rosenberg, Alfred | 127 |
Neurath, Konstantin von | 125 |
Funk, Walther | 124 |
Frick, Wilhelm | 124 |
Heß, Rudolf | 120 |
Sauckel, Fritz | 118 |
Kaltenbrunner, Ernst | 113 |
Streicher, Julius | 106 |
Darüber hinaus führte Gilbert an den Angeklagten auch Rorschachtests durch, die in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts von Florence R. Miale und Michael Selzer erneut interpretiert wurden.[2]
Das „Nürnberger Tagebuch“
Gilberts umfangreiche Aufzeichnungen erlauben es nicht, ein Bild von den in Nürnberg einem Schauprozeß unterzogenen Führungspersönlichkeiten des Dritten Reiches zu gewinnen. Seine Schilderungen halten Beschreibung und persönliche Empfindungen nicht auseinander. Sie wollen die Personen nicht nur als schwache, menschlich verkommene Subjekte präsentieren, sondern auch noch – das scheint dem Verfasser wichtig – als ehrlos, feige, auf eigenen Vorteil bedacht. Gilbert reichert seine Wahrnehmungen unaufhörlich mit Unterstellungen und gewollt ungerechter Beurteilung an. Eine das ganze Buch durchziehende Verachtung der ihm preisgegebenen Beobachtungsobjekte wechselt immer wieder über in leicht verhüllte, zuweilen sadistische Rachlust, und in auftrumpfende Häme. Schon bald fragt man sich deshalb, ob auch nur die beschriebenen banalen Tatsachen des Gefängnisalltags zutreffen mögen.
Man merkt dem Schreiber an, daß er im Bewußtsein, einen Verkaufsschlager zu produzieren und daß sich das Lesepublikum in den angelsächsischen Ländern gerade für die Wahrnehmungen eines Psychologen interessieren wird, den Gefangenen der siegreichen Kriegsfeinde einfach alles andichtet, was ihm in den Sinn kommt und was im Fluß der Erzählung dem Leser als vermutlich einleuchtend erscheinen wird.
Der jüdisch geprägte Fischer Taschenbuchverlag, der die deutsche Übersetzung von Gilberts Buch 1962 herausbrachte und seitdem lieferbar hält, verschweigt, daß es sich bei dem Verfasser um einen Juden handelt, was zumindest für das deutschsprachige Publikum angesichts des Gegenstandes des Buches nicht ganz ohne Belang ist.
Sonstiges
Im Jahre 1961 sagte Gilbert im Eichmann-Prozeß unter Eid aus, Rudolf Höß habe auf seine Anfrage hin am 24. April 1946 eine kurze Mitteilung niedergeschrieben – die Gilbert dem Jerusalemer Gericht überreichte –, in der dieser ausführte, daß die Zahl von 2.500.000 von Eichmann stamme, ihm selber aber zu hoch vorkomme und nach seinen Schätzungen höchstens 1.500.000 Menschen getötet worden seien.[3][4] In seinem 1947 veröffentlichten Buch Nuremberg Diary hingegen erwähnt Gilbert weder die Mitteilung Höß', noch die 1.500.000 Ermordeten, behauptet aber an drei Stellen, Höß habe entweder ihm gegenüber oder öffentlich zugegeben, daß er etwa 2.500.000 Juden in Auschwitz getötet habe.[5]
Gustave M. Gilbert kommt als Rolle in diversen Filmen über das Nürnberger Tribunal vor, so z. B. im 2000 in einer kanadisch-US-amerikanischen, 2006 in zwei britischen TV-Produktionen und 2005 in der deutschen TV-Produktion Speer und Er.
Siehe auch
Veröffentlichungen
- The Nuremberg Diary, Farrar, Straus & Co, New York 1947
- dt.: Nürnberger Tagebuch. Gespräche der Angeklagten mit dem Gerichtspsychologen. Reihe: Die Zeit des Nationalsozialismus. Übers. Margaret Carroux, Karin Krausskopf & Lis Leonard. Fischer TB, Frankfurt 1962, ISBN 3-436-02477-5,
- Hermann Goering: Amiable Psychopath, in: Journal of Abnormal and Social Psychology, Jg. 43, 1948, S. 211 ff.
- Google-BücherThe Psychology of Dictatorship; Based on an examination of the leaders of Nazi Germany, The Ronald Press Company, New York, 1. Auflage 1950
- Stereotype persistence and change among college students, in: Journal of Abnormal and Social Psychology, Jg. 46, 1951, S. 245 ff.
Fußnoten
Theodor Adorno •
Hannah Arendt •
Fritz Bauer •
Yehuda Bauer •
Thomas Blatt •
Artur Brauner •
Henryk Broder •
David Cesarani •
Ilja Ehrenburg •
Peter Eisenman •
Albert Einstein •
Ed Fagan •
Abraham Foxman •
Otto Heinrich Frank •
Saul Friedländer •
Michel Friedman •
Gustave Gilbert •
Martin Gilbert •
Ralph Giordano •
Daniel Goldhagen •
Nahum Goldmann •
Jonathan Greenblatt •
Wassilij Grossmann •
Stephan Hermlin •
Raul Hilberg •
Moshe Kantor •
Serge Klarsfeld •
Robert Kempner •
Imre Kertész •
Eugen Kogon •
Abba Kowner •
Stanley Kramer •
Moshe Landau •
Felicia Langer •
Claude Lanzmann •
Walter Laqueur •
Deborah Lipstadt •
Arno Lustiger •
Filip Müller •
Paul Niederman •
Miklós Nyiszli •
David Olère •
Léon Poliakov •
Joachim Prinz •
Walter H. Rapp •
Emery Reves •
Gerhart Riegner •
Albert Rosenberg •
Herman Rosenblat •
Samuel Rosenman •
Lea Rosh •
Oscar Roth •
Esther Schapira •
Gitta Sereny •
Richard Sonnenfeldt •
Steven Spielberg •
Ilja Trainin •
Simone Veil •
Rudolf Vrba •
Chaim Weizmann •
Elie Wiesel •
Simon Wiesenthal •
Billy Wilder •
Stephen S. Wise •
Efraim Zuroff
Holocaust-Überlebende •
Kampfgruppe Rosenberg •
Ritchie Boys •
Slavko Goldstein
Berliner Mahnmal für Sinti und Roma • Denkmal für die ermordeten Juden Europas • Jüdisches Museum Berlin • Konzentrationslager Auschwitz • Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen • Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ • Topographie des Terrors • Yad Vashem • Zug der Erinnerung
Auschwitz-Protokolle • Bernhardiner Barry • Babij Yar • Drahtnetzsäule • Genickschußanlage • Endlösung der Judenfrage • Gaskammer • Gaswagen • Gebrauchsgegenstände aus Menschenhaut • Gerstein-Bericht • Herrenrasse • Höß-Geständnisse • Holocaust-Tatauierung • Jäger-Bericht • Judenverfolgung • Korherr-Bericht • Kugel-Erlaß • Massaker von Rechnitz • Möbel aus Menschenknochen • Oradour-sur-Glane • Pedalbetriebene Gehirnzertrümmerungsmaschine • Posener Rede • Reichskristallnacht • Riegner-Telegramm • Russischer U-Boot-Motor • Sechs Millionen • Seife aus Menschenfett • Schrumpfköpfe • Singularität des Holocausts • Todeself • Wannsee-Konferenz • Ziereis-Beichte
Amerikanisch-Jüdisches Komitee • American Jewish Congress • Anti-Defamation League • Außerordentliche Staatliche Kommission • Institut für Zeitgeschichte • Jewish Claims Conference • Jüdischer Weltkongreß • Nizkor Projekt • Résistance • Simon Wiesenthal Center • Unabhängige Historikerkommission – Auswärtiges Amt • Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes • Zionistische Weltorganisation
Götz Aly • Wolfgang Benz • Jorge Bergoglio • Tony Blair • Misha Defonseca • Gunter Demnig • Patrick Debois • Barbara Distel • Christian Gerlach • Hans Globke • Oskar Gröning • Wilhelm Höttl • Alfred Hitchcock • Eberhard Jäckel • Ian Kershaw • Guido Knopp • Sebastian Kurz • Hermann Langbein • Zbigniew Libera • Peter Longerich • Thomas Mann • Enric Marcó • Hans Münch • Paul Parks • Dieter Pohl • Jean-Claude Pressac • Adolf Rögner • Alexei Tolstoi • Binjamin Wilkomirski
The Black Book • Brief des britischen Informationsministeriums an die BBC und den höheren Klerus • Das Amt und die Vergangenheit • Das Tagebuch der Anne Frank • Der Junge im gestreiften Pyjama (Film) • Hitlers Helfer • Holocaust (Film) • Holocaust-Erziehung • Holocaust-Gedenktag • Inglourious Basterds • Mr. Death: The Rise and Fall of Fred A. Leuchter, Jr. • Naziverbrechern auf der Spur • Nürnberger Tribunal • Schindlers Liste (Film) • Stolpersteine • Todesmühlen • Wilder-Memorandum • Zukunft braucht Erinnerung
Auge um Auge • Holocaust Handbooks • Auschwitz-Statistik • Auschwitzkeule • Appell von Blois • Bildfälschungen • Berufszeugen • David Irving gegen Deborah Lipstadt • Die zehn Gebote der „Holocaust“-Religion • Gesetze gegen Holocaustanzweiflung • Holocaustleugnung • Holocaustreligion • Knoppsche Geschichtsschreibung • Moralische Schuld • Revisionismus • Schuldindustrie • Schuldkult • Sündenstolz • Wilkomirski-Syndrom • Zyklon B • Existenzrecht Israels