Posener Rede vom 4. Oktober 1943

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In dieser in ihrer Echtheit zu bezweifelnden Rede des Reichsführers-SS Heinrich Himmler bei der SS-Gruppenführertagung in Posen am 4. Oktober 1943 soll Himmler die damalige, von Deutschlands Kriegsgegnern zunehmend brutalisierte Kriegslage unter Verweis auf den Partisanenkrieg im Osten, die „Judenevakuierung“ sowie die Gesamtlösung der Judenfrage vorgetragen haben, um die SS auf den schweren Kampf bei der eskalierten Kriegslage vorzubereiten.

Postulierte Rede-Auszüge

  • „Es ist grundfalsch, wenn wir unsere ganze harmlose Seele mit Gemüt, wenn wir unsere Gutmütigkeit, unseren Idealismus in fremde Völker hineintragen. Das gilt, angefangen von Herder, der die ‚Stimmen der Völker‘ wohl in einer besoffenen Stunde geschrieben hat und uns, den Nachkommen, damit so maßloses Leid und Elend gebracht hat. Das gilt, angefangen bei den Tschechen und Slowenen, denen wir ja ihr Nationalgefühl gebracht haben. Sie selber waren dazu gar nicht fähig, sondern wir haben das für sie erfunden.“
  • „Ein Grundsatz muß für den SS-Mann absolut gelten: ehrlich, anständig, treu und kameradschaftlich haben wir zu Angehörigen unseres eigenen Blutes zu sein und zu sonst niemandem. Wie es den Russen geht, wie es den Tschechen geht, ist mir total gleichgültig. Das, was in den Völkern an gutem Blut unserer Art vorhanden ist, werden wir uns holen, indem wir ihnen, wenn notwendig, die Kinder rauben und sie bei uns großziehen. Ob die anderen Völker in Wohlstand leben oder ob sie verrecken vor Hunger, das interessiert mich nur soweit, als wir sie als Sklaven für unsere Kultur brauchen, anders interessiert mich das nicht. Ob bei dem Bau eines Panzergrabens 10.000 russische Weiber an Entkräftung umfallen oder nicht, interessiert mich nur insoweit, als der Panzergraben für Deutschland fertig wird. Wir werden niemals roh und herzlos sein, wo es nicht sein muß; das ist klar. Wir Deutsche, die wir als einzige auf der Welt eine anständige Einstellung zum Tier haben, werden ja auch zu diesen Menschentieren eine anständige Einstellung einnehmen, aber es ist ein Verbrechen gegen unser eigenes Blut, uns um sie Sorge zu machen und ihnen Ideale zu bringen, damit unsere Söhne und Enkel es noch schwerer haben mit ihnen.“
  • „Unsere Sorge, unsere Pflicht, ist unser Volk und unser Blut; Dafür haben wir zu sorgen und zu denken, zu arbeiten und zu kämpfen, und für nichts anderes. Alles andere kann uns gleichgültig sein. Ich wünsche, daß die SS mit dieser Einstellung dem Problem aller fremden, nicht germanischen Völker gegenübertritt, vor allem den Russen. Alles andere ist Seifenschaum, ist Betrug an unserem eigenen Volk und ist ein Hemmnis zu einer früheren Gewinnung des Krieges.“

Widersprüche

Himmlers Äußerungen in dieser Rede stehen allerdings in eklatantem Widerspruch zur ursprünglich geplanten Umsiedlung der Juden im Rahmen des Madagaskar-Planes. Sie sind möglicherweise jedoch mit der Ablehnung der ständigen deutschen Friedensangebote durch England und dem Kriegseintritt der USA zwei Jahre zuvor, dem Desaster von Stalingrad und dem Beginn des Bombenkrieges gegen deutsche Städte und deren Zivilbevölkerung erklärbar. Denn noch am 29. Mai 1940 stellte Himmler seine Planungen zum Madagaskarplan Hitler vor und schlug „die Auswanderung sämtlicher Juden nach Afrika oder sonst in eine Kolonie“ vor. Himmler äußerte in diesem Zusammenhang, daß er „die bolschewistische Methode der physischen Ausrottung eines Volkes aus innerer Überzeugung als ungermanisch und unmöglich ablehnt. Somit wäre dies (die Umsiedlung) noch der mildeste und beste Weg“.[1] Hitler stimmte der genannten Äußerung und der Ausarbeitung des Madagaskar-Plans mit der Handschriftlichen Notiz „sehr richtig“ zu.[2]

Am 17. August 1940 notierte Propagandaminister Joseph Goebbels in seinem Tagebuch über ein Gespräch mit Hitler: „Die Juden wollen wir später nach Madagaskar verfrachten. Dort können sie ihren eigenen Staat aufbauen.“[3]

Im Juni 1940 wurde auch die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland in die Pläne und Vorbereitungen zur Umsiedlung nach Madagaskar miteinbezogen. In einer Sitzung im Dezember 1940 wurde beschlossen, die Juden auf die Möglichkeit einer „Gruppen- und Massensiedlung“ vorzubereiten und es wurden Rundschreiben an alle Gemeinden verschickt, in der von einer „jüdischen Siedlung“ auch außerhalb Palästinas die Rede war.

Zweifel an der Echtheit der Aufzeichnung

Kritiker vertreten die Auffassung, die Rede sei komplett gefälscht, andere dagegen, sie sei echt, nur die Passagen zur Judenvernichtung seien gefälscht bzw. falsch übersetzt worden.

Die erste These vertrat Wilhelm Stäglich in seinem Buch „Der Auschwitzmythos“ von 1979. Er führte folgende Behauptungen als Indizien dafür an:

  • Eine Geheimrede wäre nicht dauerhaft aufgezeichnet worden.
  • Die Adressaten seien großenteils nicht an den angeblichen Judenmorden beteiligt gewesen und würden trotzdem als Täter angeredet.
  • Himmlers Stimme sei wegen der schlechten Tonqualität der Schallplatte nicht eindeutig identifizierbar.
  • Die Aussage des Redners, die Judenausrottung sei bereits Bestandteil des 25-Punkte-Programms der NSDAP von 1920 gewesen, sei falsch. Es sei undenkbar, daß einer der obersten, für Propaganda zuständigen Parteiführer sich an diesem zentralen Punkt geirrt habe.
  • Der Redner spreche von der Judenausrottung, als sei diese bereits im Oktober 1943 vollendet gewesen. Dies widerspreche dem herrschenden Geschichtsbild.

Stäglich folgerte, die Alliierten müßten die Rededokumente für den Nürnberger Prozeß gefälscht haben. Als Bestätigung dafür wertete er manche Aussagen der damals Beschuldigten, die angaben, sich an die Redeinhalte oder ihre Anwesenheit nicht zu erinnern.

Auch nach Auffassung von Germar Rudolf und Udo Walendy handelte es sich bei den Tonaufnahmen der Rede um Fälschungen. Demnach stamme Himmlers Stimme auf den Aufnahmen von einem von den Alliierten nach 1945 bestellten Stimmenimitator.

Die Passagen zur angeblichen Judenvernichtung wurden mit einer anderen Schreibmaschine in das Typoskript eingefügt und mit anderer Schrift numeriert als es im nationalsozialistischen Verwaltungsapparat üblich war. Der Ausdruck „Ausrottung“ ist nicht wörtlich, sondern metaphorisch zu verstehen. Er bedeutet hier nur „Deportation“, da Himmler in diesem Kontext auch von „Judenevakuierung“ spricht. Extermination („Vernichtung“) ist eine englische Fehlübersetzung. Bei den von Himmler erwähnten 100 bis 1.000 beisammenliegenden Toten, die die meisten Anwesenden gesehen hätten, handelt es sich nicht um ermordete Juden, sondern um Soldaten.

Durch Himmlers – allerdings von seiner Tochter Gudrun immer wieder angezweifelten – mysteriösen Suizid konnte die Authentizität der Rede für ihre Verwertung im Nürnberger Prozeß jedoch nicht in Frage gestellt werden.

Fälschung

AEG K1
(Quelle: Fernsehmuseum.info)

Das Original der Posener Rede Himmlers soll auf Wachsplatten aufgenommen worden sein.

1935 wurde auf der Berliner Funkausstellung das erste Tonbandgerät der Welt vorgestellt, das AEG K1. Es hatte etwa 30 dB Rauschabstand. 1936 gab es eine verbesserte Version, das K2. Beim deutschen Rundfunk (der Reichs Rundfunk Gesellschaft) wurde 1938 überall das Magnettonverfahren eingeführt, vermutlich schon das weiter entwickelte AEG K3. 1940 wurde die Hochfrequenz Vormagnetisierung von den Deutschen erfunden, was eine gewaltige Qualitätsverbesserung nach sich zog und daraus resultierte bereits eine vorzügliche Tonqualität 1941 beim AEG K4. Damit wurden bereits 60 dB Rauschabstand erzielt. Diese Qualität wurde bis 1955 nicht übertroffen. 1942 gab es bereits Stereophonieaufnahmen. Ebenfalls gab es 1942 bereits über 12.000 tragbare Magnetbandaufnahmegeräte für Reporter an der Front.

Zur damaligen Zeit war es im Ausland nicht möglich, mittels Tonkonserven Musik über die Sender zu verbreiten, weil die Tonqualität der Konserven miserabel war. Musik wurde daher ausschließlich direkt gesendet. Ausländer, welche den reichsdeutschen Rundfunk hören konnten, waren maßlos erstaunt darüber, wie es möglich war, daß ein Orchester zwölf Stunden am Stück spielen konnte.

So blieb es bei Direktsendungen im Ausland bis 1947. Erst nach diesem Zeitpunkt konnte man mittels erbeuteten deutschen Tonbandgeräten Musikaufnahmen in den VSA machen und die Tonkonserven so senden, als sei es direkt. Bis zu diesem Zeitpunkt war dem gesamten Ausland und natürlich auch den Fälschern die höherwertige deutsche Tonbandtechnik vollkommen unbekannt.

Heinrich Himmler war der zweite Mann im Reich und der Führer der SS. Die SS hat Technik gefördert und ihr stand daher auch immer die allerneueste Technik zur Verfügung. Wachsplattenaufnahmetechnik gehörte sicherlich nicht dazu. Mit einer Wachsplatte konnte man 4–5 Minuten aufnehmen und mit Schutzbehälter muß man sicherlich hierfür 5 kg rechnen. Eine Wachsplattenschneidemaschine ist sehr schwer, da keine Erschütterungen den Schneidegriffel beeinflussen dürfen. Um eine dreieinhalbstündige Rede aufnehmen zu können, sind zwei Aufnahmemaschinen nötig, samt Tonträger alles zusammen sicher 300 kg Material.

Mit der deutschen Tonbandtechnik wären ebenfalls zwei Aufnahmegeräte zu jeweils 19 kg nötig gewesen, falls der Redner nicht alle 20 Minuten eine halbe Minute Pause machen möchte. Ein Tonband konnte 22 Minuten am Stück aufnehmen und alles zusammen einschließlich Tonträger hätte gerade einmal 45 kg gewogen. Falls man tatsächlich eine Geheimrede hätte aufnehmen wollen.

Angesichts dieser technischen und historischen Fakten ist es absurd anzunehmen, im Oktober 1943 wäre eine Rede des zweiten Mannes im Reich, der noch dazu die Technik vorantrieb, mit Wachsplattentechnik aufgenommen worden. Wenn sich bei einer Stimmenanalyse herausstellen sollte, daß die gesamte Rede von einer einzigen Person gehalten wurde, ist daher die gesamte Rede als Fälschung einzustufen. Wenn zwei Sprecher identifiziert werden können, ist sie zumindest eine Teilfälschung. Die Wachsplattentechnik spricht auf jeden Fall dafür, daß es sich um eine Totalfälschung handelt.

Gegenteilige Stimmen

Der Leiter des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes Oswald Pohl gibt in seinem Schlußwort am 22. September 1947 beim sogenannten WVHA-Prozeß (der mit seiner Ermordung endete) in bezug auf die behauptete Judenvernichtung an:

„Ich habe daher auch die schließlich im Wirbel des Krieges auf Befehl Hitlers und Himmlers durchgeführten Vernichtungsmaßnahmen gegen die Juden abgelehnt und weder wissentlich gefördert noch unterstützt. Über den Umfang der Vernichtung konnte ich mir damals kein Bild machen. Berichte erhielt ich als Unbeteiligter nicht. Einzelheiten sind mir erst hier in Nürnberg aus den Dokumenten bekanntgeworden.
Bis zur Rede Himmlers in Posen am 4.10.1943 hatte ich keine Kenntnis von diesem Plan. Ich bin auch nach diesem Zeitpunkt nicht weiter eingeweiht worden. Ich habe an keiner Besprechung hierüber teilgenommen und gehörte auch nicht zum Kreise der Beteiligten.“

Da Pohl immerhin der Leiter des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes war und der SS die Haupttäterschaft bei den angeblich „durchgeführten Vernichtungsmaßnahmen gegen die Juden“ zur Last gelegt wurde, ist die Behauptung Pohls, von der Judenvernichtung ausschließlich aus dieser einen Rede Himmlers erfahren zu haben, nicht glaubwürdig und erscheint in Anbetracht des Fehlens forensischer Beweise eher als der verzweifelte Versuch eines mit dem Tode bedrohten Angeklagten, sich von diesem vom Gericht als offenkundig festgestelltem − und damit nicht bezweifelbarem − Verbrechen zu distanzieren.

Literatur

  • Historische Tatsachen, 1991, Nr. 45, 47: Udo Walendy, Lügen um Heinrich Himmler:
  • Albert Speer widerlegt Himmler-Reden am 4. und 6. Oktober 1943 in Posen, in: Historische Tatsachen No 87, S. 10 ff. (PDF-Datei)

Verweise

Fußnoten

  1. HITLER’S SUPPORT FOR PLANS TO DEPORT FOUR MILLION JEWS TO MADAGASCAR
  2. Yehuda Bauer: Freikauf von Juden? Jüdischer Verlag, Frankfurt/M. 1996, S. 95
  3. Joseph Goebbels: Tagebücher. Piper Verlag, Band 4, Seite 1466, ISBN 3-492-21414-2