Frankfurter, David
David Frankfurter ( 9. Juli 1909 in Daruwar, Westslawonien, Donaumonarchie; 19. Juli 1982 in Tel Aviv, Israel) war ein jüdischer Medizinstudent in Bern und wurde bekannt durch das Attentat auf den Nationalsozialisten Wilhelm Gustloff. Im Sommer 1945 wurde der Bluttäter Frankfurter von den Schweizer Behörden nach der Hälfte seiner Haftstrafe entlassen und durfte nach Palästina ausreisen. Zu den bekannten jüdischen Meuchelmördern wie zum Beispiel Cohen Blind (Bismarck), Samuel Schwarzbard (Petljura), Herschel Grynszpan (vom Rath), Jack Ruby (Oswald), Baruch Goldstein (Hebron, 1994), Jigal Amir (Rabin) usw. gehört auch David Frankfurter.
Inhaltsverzeichnis
Leben
David Frankfurter wurde 1909 in Daruwar als drittes Kind (seine Geschwister waren Ruth und Alfons) geboren. Seine Eltern Moshe (Moritz) Frankfurter ( 15. Mai 1875 in Holleschau) und Rivka (Rebekka) Miriam, geb. Figel siedelten zu Beginn des Ersten Weltkriegs nach Winkowitz um, wo sein Vater zum Rabbiner und später im selben Jahr zum Oberrabbiner (1914 bis 1941) ernannt wurde. Davids Vater, Sohn von David und Katerina Frankfurter, sprach Deutsch, Polnisch, Hebräisch und Kroatisch, zu Hause bestand er jedoch auf Deutsch. Neben seinen Aufgaben als Oberrabbiner in Winkowitz war er auch Lehrer am Gymnasium. Moritz und Rebekka sollen 1942 im Konzentrationslager Jasenovac von Ustascha auf Befehl von Ante Pavelić hingerichtet worden sein, eindeutig belegt ist dies jedoch nicht.
David erhielt eine streng orthodoxe Erziehung. Nach Abschluß der Schule begann er 1929 Medizin zu studieren (Wien, Leipzig und Frankfurt am Main), schaffte aber das Vorexamen nicht. Er war kränklich, litt unter Knochenmarkseiterungen und versagt im Studium und im Leben, was er jedoch seinen Eltern vorenthält. Er gilt bei der späteren Verhandlung als „typischer Ostjude aus verjudeten Akademikerkreisen“.
1933 ging er in die Schweiz, nach Bern, und nahm dort seine Studien wieder auf. Aber auch hier brachte er kein Examen zustande. Sein Lebenswandel ließ zu wünschen übrig. Seine Familie in Deutschland machte ihm heftige Vorwürfe deswegen und sagte sich schließlich von ihm los.
Mörder in spe
Eines Tages, Anfang des Jahres 1936, kaufte sich der 26jährige Frankfurter einen Revolver, ging auf einen Übungsplatz und begann mit Schießübungen. Einige Tage später verließ er Bern und fuhr nach Davos. Zu jener Zeit herrschte in den einzelnen Kantonen der Schweiz unterschiedliches Strafrecht. In Graubünden, zu dem Davos gehörte, gab es bei Mord keine Todesstrafe. Nachdem Frankfurter das herausgefunden hatte, „faßte er den Entschluß“, wie er später bei der polizeilichen Vernehmung aussagte, „einen prominenten Vertreter des Nationalsozialismus zu töten“ .
In Davos angekommen, ließ Frankfurter zunächst einige Tage vergehen und kundschaftete die Örtlichkeiten aus.
Die Bluttat
Am Abend des 4. Februar 1936 ging er zur Wohnung von Gustloff und verlangte, ihn in einer dringenden persönlichen Angelegenheit zu sprechen. Frau Gustloff, die die Tür geöffnet hatte, führte ihn zu ihrem Mann in das Arbeitszimmer. Gustloff begrüßte ihn und fragte nach seinem Begehr. Darauf erklärte Frankfurter, er sei Jude und gekommen, das „jüdische Volk“ zu rächen. Dann schoß er mehrere Male auf Gustloff, der tot zusammenbrach.
- „Die Dame des Hauses öffnet und bittet nach kurzem Zögern den freundlichen, gut gekleideten Besucher ins Haus. Frankfurter will, so sagt er, im Auftrag der deutschen Studentenschaft dem Landesleiter persönlich einige wichtige Papiere übergeben.“
Nachwirkungen
Frankfurter versuchte zunächst zu fliehen, wurde aber noch am selben Abend von der Schweizer Gendarmerie festgenommen. Bereits am nächsten Morgen war ein Vertreter der LICA zur Stelle und verlangte, zu der Voruntersuchung hinzugezogen zu werden. Bei den ersten Vernehmungen behauptete Frankfurter, daß er die Tat mit Überlegung und Vorsatz ausgeführt habe. Er habe als Jude sein Volk an einem prominenten Vertreter Hitler-Deutschlands rächen wollen.
- „Das allerdings sehen Staatsanwaltschaft und Gericht in Chur ganz anders. Sie weisen den Versuch der Verteidigung zurück, die Situation der Juden in Deutschland in den Mordprozeß einzubringen.“
Die jüdische Presse feierte ihn als neuen „David“, der den Riesen Goliath erschlagen habe. Der jüdische Journalist Emil Ludwig schrieb eine Art Heldenepos: „Der Mord in Davos“. Davids Vater, der Oberrabbiner, besuchte seinen Sohn in der Haft und machte ihm, wie Josip Šarčević 2007 schrieb, große Vorwürfe und fragte ihn, für wen er diese Tat denn begangen habe.
Nach eindringlichen Unterredungen mit seinem Rechtsanwalt, einem hochbetagten Züricher Juristen, der die Stelle des abgewiesenen Moro Giafferi eingenommen hatte, änderte Frankfurter seine Taktik. Er ließ durchblicken, daß die Idee des Mordes ihm von außen eingegeben worden sei, daß er Hintermänner gehabt habe, die ihn zu dieser heroischen Tat angestiftet hätten. Schließlich wurde auch diese Version fallengelassen und das Ganze als ein bedauerlicher Unfall hingestellt. In der Hauptverhandlung sagte sein Verteidiger:
- „Es war halt eine automatische Pistole, mit der das unglückliche Opfer des Nazismus sich in der Verzweiflung in Gustloffs Zimmer vor einem Hitlerbild das Leben nehmen wollte, wobei eben die automatische Pistole in der falschen Richtung losging, so daß nicht Frankfurter, sondern Gustloff getroffen wurde.“
Frankfurter wurde zu 18 Jahren Strafhaft und Ausweisung aus der Schweiz nach Verbüßung der Haft verurteilt, der im Kanton Graubünden zulässigen Höchststrafe. Der „Völkischer Beobachter“ (Wolfgang Diewerge) stellt fest:
- „Nach deutschem Rechtsempfinden wäre für den Täter allein die Todesstrafe und bei Fehlen einer derartigen Möglichkeit die im Kanton Graubünden zulässige Höchststrafe von 25 Jahren Zuchthaus als gerechte Sühne in Frage gekommen. [...] Für Schweizer Verhältnisse stellt das Urteil eine harte Strafe dar, die in dieser Form von den Juden als vernichtende Niederlage gebucht werden muß.“
Professor Dr. Friedrich Grimm hatte als Anwalt der Nebenklägerin, Frau Gustloff, auch an diesem Prozeß in Chur teilgenommen. Er war noch Jahre später davon überzeugt, daß Frankfurter Hintermänner gehabt haben muß.
- „Die ganze Art seiner Verteidigung und die Vorbereitung der Tat sprachen dafür, daß er nur ein Werkzeug war, und die Drahtzieher anderweitig zu suchen waren [...]. Starke Indizien sprachen gegen den Kreis um die ›Lica‹.“
Aber auch hier fehlte der eindeutige Nachweis, ohne den in einem Rechtsstaat keine Tatsache als erwiesen gilt.
Nachkriegszeit
David Frankfurter beantragte am 27. Februar 1945 Straferlaß. Seinem Antrag wurde am 1. Juni 1945 entsprochen. Aus dem Vorspann eines Fernsehfilms, der vor einigen Jahren über die deutschen Sender ausgestrahlt (und Ende 1979 wiederholt) wurde, konnte man entnehmen, daß Frankfurter nach Israel ging und dort von einer „Wiedergutmachungs-Entschädigung“ lebte, die der westdeutsche Teilstaat ihm zahlte. Im September 1969 wurde seine Ausweisung aus der Schweiz sogar formell aufgehoben.
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